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Lehrbüchern wiederholt, so daß als Hauptsumma des Glaubens: bekenntnisses Aller ungefähr Folgendes anzusehen sein möchte: ,,Der reine Rationalismus schöpft mit Verwerfung der übernatürlichen Offenbarung seine religiöse Ueberzeugung lediglich aus der Bernunft und läßt die Aussprüche der Bibel nur gelten, wiefern sie mit der s. g. Vernunft übereinstimmen, nicht als Entscheidungsgrund, sondern als Erläuterung, daß auch Andere so gedacht haben." Hat Leffing wohl Unrecht, wenn er eine solche Theologie Misijauche nennt?

Die abstracte Verstandesansicht ist von Wegscheider in seinen,,Institutiones theologiae dogmaticae" (gegenwärtig schon die 7te Auflage) in der christlichen Glaubenslehre mit Consequenz durchgeführt worden, was aber hier als ein geringes Verdienst angesehen werden muß, da nichts leichter ist, als consequent etwas zu verwerfen. Um nicht viele Worte über dieses Buch zu verlieren, sagen wir nur, daß der Verfasser gleich in den ersten Paragraphen seine Flachheit an den Tag legt, wo er unter Anderen (§. 2) die Religion, das Leben des Menschen in Gott, für eine affectio animi (!) er klärt. Es ist übrigens in diesem Lehrbuche wirklich wahr geworden, was Röhr (S. 39 a. a. D.) sagt, daß alle DogSämmt: matik nur als Dogmengeschichte auftreten werde. liche Dogmen find nämlich, ein Zeichen ihrer Unwesentlichkeit, historisch behandelt, und zum Schluß ist dann eine s g. Epicrisis hinzu gefügt, aus welcher hervorgehen soll, daß fie für unsere Zeit aufzugeben seien. Allen solchen Theolo gen muß man mit Recht zu bedenken geben, was es denn sei, das sie der christlichen Welt, nachdem sie die Dogmatik durch Herabziehung zur Dogmengeschichte vernichtet haben, dafür wieder geben; und wenn sie antworten: die Moral, so möge ihnen doch bemerklich gemacht werden, daß eine ideenlose Moral, ohne alles Speculative nichts Auszeichnendes des Christenthums sei. Eine Moral, wie sie der Rationalis: mus kennt, ist in der That nichts als eine schlechte Hülle, durch welche die geistige Leerheit verborgen werden soll.

Es ist oben bereits von dem Unwesen, welches mit der heiligen Schrift getrieben ist, geredet worden, und wiewohl

alle Rationalisten in dieser Beziehung arge Sünden auf sich geladen haben, so ist es doch Dr. Paulus, welcher derselben die größte Gewalt angethan hat. Er hat vermittelst einer Alles, nur nicht den wahren Sinn zu fassen vermögenden Eregese sein flüchtiges rationalistisches System in die Bibel hineinzuschwärzen gesucht. Alles Speculative herausziehend und alle Wunder wegerklårend, hat er in der That diese s. g. heilige Schrift zu einer wächsernen Nase gemacht. Un: fere Zeit hat glücklicher Weise eine solche gewaltsame Erklårungsweise überstanden, wie dieß die trefflichen exegetischen Werke, welche im Gegensaß dieser verkehrten Richtung gegenwärtig immer mehr erscheinen, genügend beweisen, wiewohl auch damals die Stimme gegen ein solches Treiben nicht verstummte, mochte sie gleich nicht durchdringen können.

Besonders von Eichhorn, Gesenius und de Wette, deren Verdienste wir, was das Formelle anbetrifft, gern anerkennen, ist die grammatisch-historische Erklärungsweise auf das Genannte und andere alte Testament angewandt worden. Gelehrte, der Verstandesweisheit des Tages huldigend, brachten nicht den Geist des Christenthums, welcher lebendig macht, mit in das A. T., und deßhalb konnten sie es nur vom menschlichen Standpunkt aus interpretiren; und in dieser Beziehung haben sie wirklich Großes geleistet, sind aber zu keinem wahrhaften Resultate gelangt. Wie Winckelmann durch seine Beschäftigung mit der antiken Welt einen alterthümlichen, heidnischen Sinn bekam *), so scheint die Beschäftigung mit dem Judenthume diese Männer vielfach der jüdischen Religionsansicht zugeführt zu haben; denn sie stehen, dem abstracten Monotheismus des Judenthums näher, als dem concreten des Christenthums, der als solcher die tiefste Speculation, die absolute Wahrheit enthält.

,,Strenue tuenda est explicandi ratio grammatico-historica, unice vera optimisque interpretibus probata, quae sicut in quovis alio vetere scriptore, sui aevi ingenium referente, recte initur ad verum ejus sensum inveniendum,

*) Goethe's W. Bd. 37. S. 23.

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ita unam eam ostendit viam, qua ad scripturam sacram probe inlelligendam pervenire possimus ;"*) dieß ist der Grundsah, von welchem der Rationalismus bei seiner Schrift= erklärung ausgeht. Wir geben zu, daß in demselben Wahrheit enthalten sei; doch darauf müssen wir aufmerksam ma: chen, daß die Verstandestheologie nie die Grundsätze, welche fie zum Theil richtig aufstellt, anzuwenden gewußt hat. Der Geschichte zum Hohn hat sie in Allem nur ihre abstracten Vorstellungen finden wollen. Die Interpretationsweise des Rationalismus ist ausschließlich die grammatisch-historische, aber die Ergebnisse derselben unterwirft er der Vernunftprůfung, um darin das Allgemeine (d. h. Abstracte) von dem Localen und Temporellen zu sondern, und in der Hülle des Buchstabens Geist aufzufinden." **) Wir möchten in der That wohl wissen, wozu dieser auf ihren Geist sich brüstenden Geistlosigkeit die grammatisch-historische Interpretationsweise dienen soll, wenn sie deren Ergebnisse nicht gelten läßt. Gleichwie Faust mit seinem Commentare zum Evangelio Johannis nicht zu Stande kam, und es eine Absurdheit sein würde, wenn ein Jude etwa eine Erklärung der Paulinischen Briefe schriebe, so kann auch der Rationalist in dieser Beziehung nur Verkehrtes zu Tage fördern; denn nicht bloß jenen beiden, sondern auch ihm fehlt der Glaube; allein die ser muß sich Mysticismus nennen lassen, als welcher er dann als verderblich beseitigt wird. Nur, wenu mit gläubigem, in den objectiven Inhalt eindringendem Sinne auf grammatisch - historischem Wege die Schrift erforscht wird, kann man zu wahrhaften Resultaten gelangen; man wird dann nicht sagen,,Es ist ein großer Irrthum, die heil. Schrift im Allgemeinen, die so Vieles dem eigentlichen durch Jesum offenbarten Evangelio theils nicht Angehöriges, theils Zuwiderlaufendes vornehmlich in ihrem alttestamentlichen Theile enthält, als christliche Offenbarung anzusehen, da hieraus die

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*) Wegscheider, 1. c., §. 25.

**) Anführung aus Rohr's krit. Pred. Bibliothek bei Wegscheider 1. c.

meisten påpstlichen Verfälschungen des Ev. enstanden sind, und da noch jcht die Reinheit desselben durch nichts mehr gefährdet wird, als durch das Vermischen von allerhand ungeläuterten biblischen Lehrsäßen mit jenem"*); sondern vielmehr Folgendes als Resultat aussprechen:,,So wenig mit dem alten Testamente eine schnöde und kindische Abgötterei getrieben werden soll, und so sehr wir als Christen zunächst an die neutestamentischen Schriften gewiesen sind, weil wir dieselben als ein Erzeugniß des an und für sich christlichen Geistes anerkennen müssen, so sind doch die alttestamentischen Schriften von denen des neuen Testaments aus dem Innern Grunde nicht zu trennen, weil sie die faßlichste und eindring lichste Darstellung des menschlichen Geistes enthalten, wie er in fortringender Arbeit auf dem Wege zu der absoluten Freiheit des göttlichen Geistes begriffen ist, welche die christliche Kirche gewährt. So bilden die Schriften des alten und neuen Testaments zusammen einen Einzigen Cyklus, der, mit der Schöpfung der Welt anhebend, die Verwirrung und Entzweiung, wie die Erlösung und Versöhnung unseres Geschlechtes Schritt vor Schritt entwickelt. Insofern bietet die Bibel das vollkommenste Spiegelbild dar von dem göttlichen Leben der Menschheit in seinem Irrthum und in der ihn bekämpfenden und besiegenden Wahrheit."**) Die f. g. grammatisch-historische Interpretationsweise hat zu einem solchen Resultate nicht gelangen können; sie ist im Aeußern verkommen, denn nur mit dem Fleisch und Bein der heiligen Schrift sich beschäftigend und dieß gleichsam anatomisch lostrennend, hat sie den ganzen Körper nicht als vom göttlichen Geiste durchdrungen erkannt.

§. 24. Die unvermittelte Objectivität und Subjectivität des Verstandes oder der rationale Supranaturalismus.

Ebenso wenig als der Supranaturalismus und Ratio: nalismus vom belebenden Hauch der Gegenwart durchweht

*) Ebendaselbst.

**) Rosenkranz, a. a. D. S. 135 f.

werden, ebenso wenig ist dieß mit dem beider Einseitigkeit in sich vereinigenden s. g. rationalen Supranaturalismus der Fall. Von der Macht der jungen Zeit, von deren, universellem Geiste, dem die Formen einer in der Wissenschaft verschollenen Bildung nicht mehr genügen, von dem sich seiner selbst bewußtwerdenden Gedanken, welcher die unendliche Wahrheit erfaßt, wie ein Meer in den Gemüthern wogt, nach außen hin drångt und bereits viele herrliche Blüthen hervorgebracht hat, als Beweis, daß die Samenkörner einer neuen ächten Bildung schon vielfältig gesået sind:— hiervon ' erkennen in der That die Richtungen, welche wir, als der Abstraction des vorigen Jahrhunderts angehörend, bezeichnen müssen, also auch der rationale Supranaturalismus, der daraus hervorgegangen ist, gar nichts. Es ist wirklich unglaubs lich, welche Ignoranz in der theologischen Welt in Bezug einer sich kundgebenden höheren Richtung vorherrscht. Eclatante Beispiele davon kommen nur zu häufig vor. Die Rationalisten versichern fortwährend, daß ihre Ansicht die Denkweise aller Gebildeten geworden sei troß aller Hemmungen, unter welche dann eben jene höhere Richtung oder die speculative Philosophie gerechnet wird, welche der vernünftigen Auffasfung des Christenthums gefährlich sei, weil sie sich dem Pantheismus, Mysticismus, Katholicismus u. s. f. nåhere, und zwar in einer anmaßlichen Sprache, unter einer neuen Terminologie, nach deren Abzug nichts bleibe (und wie solche Leute noch ferner zu sprechen belieben); der wirklich consequenten Supranaturalisten möchte es wenige geben, da Keiner sei, welcher nicht diese oder jene Lehre aufgebe: - und in der That, ist nur von abstracter Verstandestheologie die Rede, so ist eine solche Behauptung völlig wahr; ja selbst. die frömmeren Theologen stehen an, jede Lehre für wesents lich zu halten, der rationale Supranaturalismus, bei dem das Beste der Name ist, hat auch nicht eine dem Wesen nach erkannt.

Das Aufgeben der Offenbarung, wie dieß von Röhr, Wegscheider u. f. w. geschehen war, schien Bielen zu gefährlich, weil hierdurch das Christenthum seinen Haltpunkt ver

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