Eskimo. Wo stets frisches Holz zur Verfügung stand, wie z. B. an der texanischen Küste, behielt man auch die Kuppelform des Zeltes bei und benutzte bisweilen als Deckung auch noch Zweige 1). a) Das Zelt des Prärieindianers. Morgan hält das Lederzelt für eine Erfindung der Dakota, die sie in historischer Zeit erst machten, als sie von den Weißen aus ihren alten Dörfern mit Rindenhütten im Waldgebiet oberen Mississippi auf die weiten Grasfluren hinausgedrängt wurden und in den Besitz von Pferden gelangten 2). In geschichtlicher Zeit erst ist dies Zelt jedoch nicht entstanden. Es war vielmehr die altvertraute Heimstätte des Prärieindianers, schon ehe die ersten Weißen in kühnem Wagemut die Prärien betraten. Schon die Leute de Sotos stießen auf ihrem vergeblichen Zuge durch die südlichen Grassteppen auf indianische Lager aus Lederzelten und erfuhren statt der erhofften Kunde von der Nähe Neu- Spaniens, daß im Westen noch viele nomadische Stämme hausten, die ihre Lederzelte wie sie überall da, wo genug Wild sich fände, aufschlügen 3); auch Coronado traf auf seinem fast gleichzeitigen Zuge nach Quivira verschiedene Stämme, die wie die „Querechos“ und „Teyas“ in „Zelten aus Stangen mit Kuhhäuten überzogen" wohnten ^). Die Bauweise des Lederzeltes entspricht ziemlich genau der des Kuppelzeltes (Fig. 11). Die Zeltstangen ruhten mit den starken Enden auf dem Erdboden, die dünnen oberen Enden waren zum Teil mit Tiersehnen zusammengebunden. Die Größenverhältnisse des Zeltes waren sehr schwankend, je nach dem Stamme, aber auch nach der individuellen Neigung des Erbauers. Während die Stämme am oberen Arkansas und Canadian um 1840 die Kaskaia, Kiowa, Shiennes, Arapaho infolge der Holzarmut dieses Gebietes sich mit 6 bis 8 begnügten, die sie außerdem noch teuer von den Missouriindianern erstehen mußten bei den Kaskaia 5 gegen ein Pferd wandten 1) Joutel in Margoy III, p. 151, 283; Gatchet, The Karankawa Indians, p. 10, 17, 62 f. 2) Morgan, p. 114. ) Biedma, p. 191. ') Winship, Coronado Expedition, p. 504, 578, 588. Lederzelt der Omaha. (Nach Dorsey.) treffenden Seitenenden desselben wurden mit Pflöcken oder harten Lederstücken (s. Fig. 11) zusammengesteckt, so daß sie noch einen dreieckigen Ausschnitt als Tür freiließen, die mit einem Fell überhängt wurde (3). Die übrigen Gerüststangen legte man nun erst dazu, um das Ganze besser zu stützen und ihm die runde Form zu geben. Der untere Rand des Zelttuches wurde bisweilen noch dadurch befestigt, daß die Weiber an seinem Umkreis den Rasen ausstachen und ihn zur Beschwerung auf das Tuch legten 2). Diese Kreise von Erdschollen ) Möllhausen, Tagebuch einer Reise usw., S. 109; Catlin I, p. 43; Prinz zu Wied I, S. 343; James II, p. 292; Dorsey, p. 271; Leonard's Narrative, p. 257. 2) Prinz zu Wied I, S. 400. blieben meist als Zeugen eines indianischen Lagers zurück 1). Eine andere Art der Sicherung des Zelttuches geschah durch kleine Pflöcke, die man durch das Tuch in die Erde rammte (4)2). Bei heftigem Wind wandte man wohl auch beide Methoden an 3). Als Ventilation und Rauchabzug diente die Öffnung an der Spitze der Zeltstangen, wo man eine Verbindung der Überzugskanten unterließ (5). Die beiden hierdurch entstehenden Zipfel des Überzugs funktionierten als eine Art Windschutzvorrichtung, indem sie durch eine besondere Stange (6) aufgeklappt und nach dem Windschatten zu eingestellt wurden 4). Das Zelttuch und auch die Stangen wurden von Zeit zu Zeit erneuert. Wetter und Rauch wandelten die anfangs weiße Farbe des ersteren ins Bräunliche und Schwarze 5). Eine Bemalung des Zelttuches war nicht allgemein üblich; bei den Omaha und vielen anderen Stämmen war sie als Totemabzeichen oder nur für die Häuptlingshütte bestimmt 6). Sehr beliebt war sie Fig. 12. Vertiefung in der Mitte des Zeltes. Deren Größe wechselte bei den verschiedenen Stämmen (11/2 bis 21, Fuß Durchmesser, 1, Fuß Tiefe) und gab dem Kundigen sichere Aufschlüsse über die Stammeszugehörigkeit der Indianer, auf deren verlassenes Lager er stieß1). Die Vorteile des indianischen Lederzeltes bestanden in seiner Geräumigkeit, zumal in seiner leichten Beweglichkeit. In wenig Augenblicken hatte die indianische Squaw das Zelt aufgestellt und wieder abgebrochen; überallhin begleitete es den Indianer auf seinen Jagdzügen hinter den Büffelherden. In früheren Jahrhunderten, als ihm noch nicht das Pferd zur Verfügung stand, hatte dies noch seine Schwierigkeiten gehabt. Damals war das Lederzelt deshalb dem Kuppelzelte des Algonkin unterlegen gewesen; denn dieser brauchte die Gerüststangen nicht mit auf die Wanderung zu nehmen. Der Prärieindianer dagegen trug da das schwere, zugerollte Zelttuch neben seinen Waffen, und sein Weib schleppte die Stangen mühsam von Ort zu Ort2), wenn man nicht das einzige Haustier, den Hund, als Lasttier benutzte. In diesem Falle band man ihm die Zeltstangen mit ihren dünnen Enden an einen Gurt, den er über dem Rücken Fig. 13. Zeltlager der Dakota. (Nach Schoolcraft.) jedoch bei den Krähenindianern, deren Zelte überhaupt durch ihre linnenhaft weißen Zeltüberzüge Catlin angenehm auffielen 7). Im Innern deckten Felle den Erdboden. Der Feuerplatz befand sich in einer runden 1) Prinz zu Wied I, S. 355. 2) Dorsey, p. 271. 3) Ebenda, p. 273. ) Roemer, Texas, S. 293; Dorsey, p. 273. 3) Prinz zu Wied I, S. 567. ) Dorsey, p. 274. 7) Catlin I, p. 43. wie sein ganzes Leben, einen großzügigen Charakter an. Das Pferd besorgte jetzt müheloser und schneller den Transport des Zeltes, das ihm in gleicher Weise wie einst dem Hunde aufgeladen wurde, und trug dabei auch noch die Familienmitglieder. In zwei langgestreckten parallelen Linien bewegte sich der Transportzug mit ziemlicher Geschwindigkeit vorwärts, in den Flanken von den vorsichtigen Kriegern bewacht und beschützt (Fig. 14) 1). Nun erst wurde das Lederzelt zu einer ,,fliegenden Hütte", die dem Bedürfnisse eines nomadenhaften Lebens vollkommen entsprach. Fig. 14. Sakani (Dene) westlich der Blackfeet im Gebrauch war1). Keine bessere Anerkennung konnte dem Lederzelt und seinen praktischen Vorteilen werden als die, daß es von der Armee der Vereinigten Staaten als Sibley - Zelt übernommen wurde 2). b) Das Zelt der Eskimo. Auch nördlich der Waldgrenze mußte sich das Kuppelzelt zum Spitzzelt entwickeln. Nur wo am Kotzebue - Sund die Waldgrenze endgültig die Küste verläßt, findet sich sporadisch noch die alte Form 3). Das Zelt aus Renntierfellen dient allen Eskimo nördlich der Waldgrenze von Alaska bis Grönland und Labrador als Sommerwohnung. Doch wie andere Kulturäußerungen hat auch das konische Zelt auf diesem weiten, langgedehnten Raum nicht durchaus seine strenge Form gewahrt, sondern bei der langen Isoliertheit getrennter Stämme vielfach eine lokale Entwickelung hinter sich. Fig. 15. Lagerwechsel. (Nach Catlin.) Es ist deshalb zu vermuten, daß die Einführung des Pferdes stark zu seiner Verbreitung beigetragen hat. Alle reinen Jägerstämme der Prärie, so sehr sie auch sprachlich verschieden waren, von den Blackfeet- und Beaver-Indianern am Friedensfluß bis zu den Schoschonen von Texas, bedienten sich Sommer und Winter des Zeltes; es war die winterliche Jagdhütte der halbseßhaften Stämme am Missouri und seinen Nebenflüssen und am oberen Mississippi, wo es wahrscheinlich mit dem Pferde in Gebrauch kam, ebenso wie bei einem Teil der Schoschonen (Bonack, Ute, Comanchen), die, eigentlich am Rande der Prärien, nun erst sich leicht auf sie hinunterwagen konnten 2). Auch weiter nördlich war dies Zelt über die Rocky Mountains gedrungen, indem es noch bei den Kootenay im südwestlichen Britisch-Kolumbien und bei den 1) Catlin I, p. 44 f.; Prinz zu Wied I, S. 344 f.; Leonard's Narrative, p. 258 u. a. 2) Schoolcraft, Ind. Tr. I, p. 206, 208; Hoffman in Globus, Bd. LXIX, S. 57 ff. Zeltgerüst der Westeskimo. (Nach Murdoch.) Die rein konische Form des Zeltes ist nur bei den Westeskimo erhalten. Es besteht aus 5 bis 10 konvergierenden Stangen mit einer Querrippe gegen die Kraft des Windes (Fig. 15). Der Durchmesser des Grundkreises beträgt 4 bis 5 m. Als Überzug benutzte man früher durchaus Renntierfelle, die ungegerbt zu mehreren Streifen zusammengenäht, spiralig und mit der behaarten Seite nach außen über das Gerüst in 1) Chamberlain in Rep. Brit. Ass. Adv. Sc. 1892, p. 566 f.; Morice, Notes on the western Déné, p. 192. 2) Peet, Am. Antiq. X, p. 342. 3) Nelson, p. 242, 260, 262. der Weise gebreitet wurden, daß sich vorn die Enden trafen und darunter eine dreieckige Öffnung als Tür freiließen. Diese ist von innen mit einem Vorhang verhängt, dem au einer Stelle ein durchscheinendes Stück aus Seehundsdarm eingenäht ist; nachts wendet man noch ein zweites Fell an (Fig. 16)). Noch abgeschlossener waren die Zelte, die Nelson am Fig. 16. bank, in der Sommerwohnung durchzuführen. Die etwas größeren Bauschwierigkeiten, die sich dadurch ergaben, konnte der Eskimo leicht auf sich nehmen, da seine Lebensweise von dem nomadischen Herumziehen der Prärieindianer weit entfernt war, seine Jagd- und Fischplätze vielmehr ziemlich fest waren 1). Sobald man genug Felle im Frühjahr beisammen hatte, baute man an Stelle eines kleinen konischen Zeltes das eigentliche Sommerzelt. Der Grundriß desselben ist zur Hälfte ein Halbkreis, zur anderen Hälfte rechteckig. Für den hinteren halbkreisförmigen Teil behält man den Bau durch konvergierende Stangen bei; der vordere rechteckige Teil entsteht in der einfachsten Konstruktion durch zwei vertikale Stangen, deren obere Enden eine Schnur als First verbindet (Fig. 18). Diese ist zur Erzielung der Span Fig. 18. Zelt der Westeskimo. (Nach Murdoch.) Cape Thompson traf, und wo eine kleine Tür in den Zeltüberzug hineingeschnitten war (Fig. 17) 2). Während die Eskimo am Mackenzie noch die alte konische Form des Zeltes zu behaupten Fig. 17. Zelt der Westeskimo. (Nach Nelson.) schienen 3), wich das der Zentraleskimo beträchtlich davon ab. Diese Variation erscheint durch das Bestreben hervorgerufen, die Einrichtungen des Winterhauses, Gangtür und einseitige Schlaf 1) Murdoch, p. 84 f. 2) Nelson, p. 262. 3) Richardson, Polar Sea, p. 310. Zelt der Zentraleskimo. (Nach Boas.) nung mit ihren Enden um je einen Stein gewickelt. Über diesem Stangengerüst liegt der Zeltüberzug, dessen unterer Rand mit Steinen. beschwert ist. Im Innern teilt eine auf dem Boden liegende Querstange den hinteren, halbkreisförmigen Raum als Schlafplatz von dem vorderen. In diesem wieder bezeichnen zwei parallele Stangen die Breite des Zugangs oder die Gangtür, während der freie Platz an deren Seiten als Vorratsraum dient. Ein Fenster aus Seehundsdärmen ist nicht selten. Auch kommt es vor, daß der Schlafplatz wie eine Schlafbank durch Erde etwas erhöht ist 2). In dieser Form fand Boas das Zelt bei einem großen Teil der Zentraleskimo: in Iglulik, auf 1) Vgl. Boas, Baffinland-Eskimo, Geogr. Bl. VIII, S. 31. 2) Abbes, Globus XLVI, S. 198 ff.; Boas, Central Esk., p. 552 ff. Baffinland, auf der Admirality-Insel, bisweilen mit einer etwas besseren Gangtür durch Anwendung von zwei Firststangen (Fig. 19). Dasselbe Zelt ist durch ein Bild Klutschaks für Boothia Felix und die Westküste der Hudsonbai bestätigt 1). Fig. 19. Zelt der Eskimo auf Baffinland. (Nach Boas.) Die Zelte der übrigen Eskimo haben als eine Weiter- oder Rückbildung dieser Form zu gelten. Das Zelt des Grönländers zeigt ganz auffallend dieselben Züge in etwas besserer Ausführung, da ihm Holz reichlicher zu Gebote steht als dem Zentraleskimo. Eine Rasenmauer als Unterlage der Gerüststangen, die steilere Stellung der konvergierenden Dachsparren, das kompliziertere Gerüst des Zugangs, die ausFig. 20. Zelt der Grönländer. (Nach Holm.) gebildete Schlafbank lassen das Zelt sehr entwickelt erscheinen, doch nichts ahnen von der jahrhundertelangen Trennung zwischen grönländischer und festländischer Eskimokultur, die seit der Einwanderung der Eskimo in Grönland das dazwischenliegende Meer bestimmt durchführte (Fig. 20)'). 1) Klutschak, S. 137. 2) Cranz, S. 185; Graah, S. 73; Nansen, Eskimoleben; Nansen, Auf Schneeschuhen durch Grönland I, S. 332 ff. (Frobenius, S. 650 f.; Geogr. Bl. VI, S. 193 ff.) Archiv für Anthropologie. N. F. Bd. VII. Als eine Rückbildung der Zeltform der Zentraleskimo kann das der Eskimo von Labrador angesehen werden. Der große Holzmangel ließ auch die noch vorhandene Hälfte des ehemaligen Rundzeltes verschwinden und nur den vorderen rechteckigen Teil nunmehr als keilförmig-viereckiges Zelt übrig. Somit wäre hier der Rundstil auf weiten Umwegen zum Viereckstil geworden. II. Typus: Rundhäuser aus Rinde oder Holz. Die betrachteten Zeltformen sind die beiden typischen Formen des Rundhauses, die für eine nomadische Lebensweise entwickelt worden waren. Dieser Zweck tat sich kund in dem Material, das dazu geeignet war, von seinen Besitzern überallhin getragen zu werden, in der Verschmelzung von Dach und Wand, ferner in der verhältnismäßig geringen Geräumigkeit und der Spärlichkeit der inneren Einrichtung. Eine andere Lebensweise, die mit teilweiser oder vollständiger Seßhaftigkeit verbunden war, mußte die Entwickelung des Rundhauses in diesen Richtungen zur Folge haben. Im Waldgebiete konnte die Vervollkommnung des Materials zunächst zur Anwendung von kräftigen Rindenstücken oder von Stämmen und Brettern führen. Dieses Material widersetzt sich jedoch durch den Mangel geringer Biegfestigkeit der Anforderung, die der Rundstil an seine Wandfüllung stellt. Es kann daher nicht überraschen, wenn das feste Rundhaus in Holzausführung in Amerika, wie wohl überall auf der Erde, sich geringer Beliebtheit erfreut. Nur kleine Verbreitungsgebiete lassen sich deshalb für dies Haus feststellen. 1. Das Rinden- oder Holzhaus an der atlantischen Küste. Der eben angeführte Grund mag auch die Tatsache erklären, daß selbst seßhafte Stämme in Waldgebieten noch an einfachen Rindenhütten, der schon behandelten Kuppelhütte, festhielten. Dies taten, wie bereits erwähnt, die algonkinschen Hackbauer in Neuengland und auch in weiter südlich gelegenen Gebieten, wo überall die Rindenbedeckung auch durch die regendichteren Matten ersetzt wurde 1). 1) Vgl. S. 138. 19 |