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welche dieses Volk kannten, gab es noch das schriftliche, beschworene Zeugnis des Karmelitermissionars Padre Fr. Jozé de Santa Theresa Ribeiro, welches Ribeiro de Sampaio, sowie Spix und Martius eingesehen haben, und über welches zudem ersterer den Geistlichen noch persönlich ausgeforscht hat. Hiernach verhielt sich die Sache folgendermaßen: Als Frade Jozé Missionar in Parauarí, später Nogueira genannt, war, kam eines Tages ein Mann mit Indianersklaven durch, unter denen sich nach seiner Angabe ein etwa 30 Jahre alter Mann mit einem Schwanz befand. Um diese Behauptung einwandfrei auf ihre Richtigkeit prüfen zu können, gebrauchte der Missionar, wie er sagt, eine List. Er beauftragte den betreffenden Indianer, aus dem Wasserbehälter Schildkröten herauszuholen, und sah, während sich der Mann zur Verrichtung dieser Arbeit bückte, daß er in der Tat einen Schwanz von der Dicke eines Daumens und der Länge einer halben Spanne (etwa vier Daumen breit) besaß. Dieses Anhängsel war von einer glatten haarlosen Haut überzogen. Mit anderen Worten: Frade Jozé sah bei diesem Indianer aus den oberen Juruágegenden ein fleischiges, schwanzartiges Anhängsel von der Form und dem Äußeren, wie es ja auch in unserer Zeit wissenschaftlich festgestellt ist. Es ist möglich, oder sogar wahrscheinlich, daß diese Erscheinung mehrfach unter jenen Indianern beobachtet worden ist und so Veranlassung zur Sage von der Entstehung der geschwänzten Coatá tapuya gegeben hat.

Während die Nachrichten von geschwänzten Menschen im Hinterlande von Demerara offenbar lediglich auf Affen zurückgehen, verhält es sich anders mit den von Ovalle und Rosales gegebenen Mitteilungen über geschwänzte Menschen in Chile. Ähnlich wie für die Eskimo nachgewiesen, verdanken nämlich auch diese Geschichten sicherlich ihre Entstehung den Fuchsschwänzen, welche jene Indianer zur Verzierung ihrer Bekleidung hinten herabhängen ließen. Auch die von Galvano erwähnten geschwänzten Menschen in Perú werden hierher gehören, wie

denn überhaupt das Tragen von Tierschwänzen bei den Indianern von Nord- und Südamerika leicht zu Fabeln von geschwänzten Menschen Veranlassung geben kann1).

Geschichten über Zwerge, aber auch Riesen, im Gebiet des oberen Amazonas erzählt auch Pater Richter, fügt aber hinzu: „doch habe ich sie nicht gesehen". Alle möglichen Fabeln über monströse Geschöpfe, die zum Teil an Affen erinnern und in den dichten Wäldern des Chaco boreal leben sollen, waren unter den Indianern jener Gegenden im Umlauf und sind es wohl noch heute 2).

Aus der Alten Welt sind die Nachrichten über geschwänzte Menschen sehr zahlreich; bemerkt werden soll nur, daß auch hier die Geschichten über das Vorkommen solcher Geschöpfe auf Sumatra, Borneo, den Molukken und dem Bismarck-Archipel in der Hauptsache auf anthropoide Affen und auf Eingeborenenbekleidung zurückzuführen sind, die mit Tierschwänzen verziert war. Noch heute glauben die Kantonesen, daß die Yao-jen, ein Stamm der Miao-tse, kurze Schwänze besäßen, und der chinesische Name Yü-pi-ta-tse, Fischhaut-Tataren", für die Golden, erinnert uns stark an die Eskimokolonie der Tierra de Ayllón 3).

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1) Ribeiro de Sampaio, „Diario da Viagem" etc., p. 54-55. Lisboa 1825. Spix und Martius, „Reise in Brasilien III, p. 1107. München 1823 bis 1831. v. Martius, „Zur Ethnographie Amerika's zumal Brasiliens", S. 248 bis 249, 425, Anm. Leipzig 1867. Herndon and Gibbon, "Exploration of the Valley of the River Amazon", part. I, p. 250. Washington, D. C., 1853-1854. Waterton, p. 27. Toribio Medina, Los Aborijenes de Chile", p. 164. Santiago Galvano, „The Discoveries of the New World", p. 108, 120, 218. London 1862, Hakl. Soc. Vargas Machuca, I, p. 40.

1882.

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-

2) Stöcklein, I. Bund, I, p. 70 (Num. 26). Peña, „Etnografía del Chaco", in „Bol. Inst. Geograf. Argentino" XIX, p. 485-486. Buenos Aires 1898. 3) Le Livre de Marco Polo", édit. Pauthier, II, p. 576-577. Paris 1865. The First Voyage round the World by Magellan", p. 150. London 1874, Hakl. Soc. Groeneveldt, „Notes on the Malay Archipelago and Malacca", p. 107. Batavia 1876. Parkinson, „Dreißig Jahre in der Südsee", S. 167. Stuttgart 1907. Forke, „Die Völker Chinas", S. 42, 48. Berlin 1907. bis 635.

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- Beckmann, I, S. 66 bis 68, 634

III.

Über altperuanische Ornamentik.

Von Dr. Max Schmidt,

Direktorialassistent am Kgl. Museum zu Berlin.

(Mit 42 Figuren im Text und auf Tafel III und IV.)

Bevor das neuerdings auch in Peru durchgesetzte Ausfuhrverbot in Wirksamkeit getreten ist, sind noch zwei große Sammlungen für unsere einheimischen Museen geborgen worden. Das Münchener Museum konnte die Gaffronsche Sammlung erwerben und unser Berliner Museum die Gretzersche Sammlung. Der hochherzigen Stiftung des verstorbenen Geh. Kommerzienrats van den Zypen verdankt das Berliner Museum die ungemessenen Schätze, welche Herr Gretzer aus Hannover während seines 33 jährigen Aufenthaltes in Lima hat zusammenbringen können. Die zahlreichen Tongefäße, Gewebe, Metall- und Holzgeräte, sowie die vielen Erzeugnisse altperuanischer Kleinkunst stellen eine wahre Fundgrube für ethnographische wie kunsthistorische Studien dar.

Den für die Ornamentlehre interessantesten Teil der Sammlung repräsentieren die aus dem Tale von Ica stammenden Gegenstände, bei denen im Vergleich mit den übrigen altperuanischen Kulturen die geometrische Ornamentik auffällig in den Vordergrund tritt. Eine kleinere wertvolle Sammlung aus dieser Gegend, welche das Berliner Museum schon vor einigen Jahren erwerben konnte, gewährte schon einige interessante Einblicke in die Gesetzmäßigkeit und die Bedeutung dieser geometrischen Ornamentik, eine wirkliche Erklärung der hier in Frage stehenden Erscheinungsform der letzteren ist aber erst an der Hand des reichhaltigen Materials, welches mit der Gretzerschen Sammlung für unser Museum erworben werden konnte, möglich geworden.

Es ist für die Klärung der Frage nach der Entstehung dieser in verwandten, oft viel unentwickelteren Formen über den größten Teil Südamerikas verbreiteten geometrischen Ornamentik von großer Bedeutung, daß ihr Auftreten bei den verschiedenen Gebrauchsgegenständen von Ica, wie bei den Tongefäßen und Geweben, zusammenfällt mit der für die Entstehung solcher Muster in Betracht kommenden besonderen Geflechtsart, die an den Körben wie an Hutgeflechten, im Gegensatze zu den bei anderen altperuanischen Kulturen vorherrschenden Geflechtsarten, ganz allgemein ist.

Die vorliegende Abhandlung hat sich zum Ziele gesetzt diesen bei der alten Kultur des Icatals vornehmlich in den Vordergrund tretenden besonderen Teil altperuanischer Ornamentik, nämlich die sich aus bestimmten Flächenelementen zusammensetzende Ornamentik der Fläche, welche ich als eigentliche Flächenornamentik bezeichnen möchte, ihrem Wesen nach näher zu ergründen, d. h. in ihrer Entstehung und in den verschiedenen Erscheinungsformen ihrer Entwickelung zu erfassen.

Man hat in der Ornamentlehre hauptsächlich zwei Arten von Ornamenten der Fläche unterschieden, geometrische Darstellung und naturalistische figürliche Darstellung. Man hat Entwickelungsreihen gebildet, und indem man eine dieser beiden Arten von Darstellungen an den Anfang der Reihe setzte, suchte man dann die allmähliche Entwickelung der anderen Art aus der ersteren nachzuweisen. Meist setzte

man dabei die figürlichen Darstellungen an den Anfang und kam somit notgedrungen zu dem Schlusse, die geometrischen Muster als stilisierte figürliche Darstellungen zu erklären. Die Namen der geometrischen Muster nach Tieren und ähnlichen Vorbildern wurden dann zur Bekräftigung des Ergebnisses herangezogen.

Der Hauptnachteil, Hauptfehler darf ich sagen, bei solchen Erwägungen lag in der vollständigen Verkennung des Wesens der geometrischen Muster, die sich daraus erklärt, daß man die einzelnen Muster aus ihrem Zusammenhange herausriß und somit, wie sich aus der Folge zeigen wird, den Weg zur Auffindung ihrer Entstehung und zur zur Erkenntnis ihres Wesens von vornherein abschnitt.

Um dem Wesen der geometrischen Muster näher treten zu können, müssen wir zunächst von der Grundlage dieses ganzen Zweiges der Ornamentik ausgehen, der Fläche selbst.

Die Oberflächen der verschiedenartigsten Gebrauchsgegenstände bieten Gelegenheit zur Betätigung und Entwickelung des menschlichen Kunsttriebes, so die Oberflächen von Tongefäßen, Holzgeräten, Geweben und Geflechten. Der Brennpunkt für das Verständnis der südamerikanischen Ornamentik liegt nun meines Erachtens darin, daß bei gewissen Geflechten die Oberfläche infolge der besonderen Flechtweise von vornherein immer irgend welche mehr oder weniger scharf in die Augen fallende Ornamentik aufweist, daß es hier im Gegensatze zu der Oberfläche anderer Gebrauchsgegenstände überhaupt keine nichtornamentierten Oberflächenteile gibt. Es handelt sich also in diesem Falle nicht um Ornamentierung einer vorhandenen, vorher nichtornamentierten Oberfläche, sondern um Herbeiführung einer bestimmten Musterung durch Variation der einzelnen Elemente der schon von vornherein irgendwie gemusterten Oberfläche. Daß dann diese durch Variationen der Flächenelemente entstandene Ornamentik, die eigentliche Flächenornamentik als solche nach ihrer Entstehung bei den Geflechten auch vielfach auf andere Flächen übertragen wird, habe ich an anderer Stelle 1) für

1) Max Schmidt, Indianerstudien in Zentralbrasilien, Berlin 1905. Kap. XV: Zur Ornamentik im Schinguquellgebiet, S. 372 ff.

die im Schinguquellgebiete wohnenden Naturvölker nachzuweisen gesucht.

Wir müssen danach die südamerikanische Ornamentik der Fläche in zwei Hauptgruppen einteilen, die zwei ganz verschiedene Ausgangspunkte haben, einmal die von der Geflechtsornamentik unabhängige naturalistische Darstellung und sodann die zunächst als Geflechtsmuster entstandenen und erst sekundär auf Flächen überhaupt übertragenen Flächenornamente im engeren Sinne. Wie schon erwähnt wurde, kommt bei den folgenden Ausführungen für uns nur die zweite dieser beiden Hauptgruppen von Ornamentik in Betracht.

Bevor ich auf die Behandlung der uns aus der Zeit der alten Icakultur überlieferten Korbgeflechte im einzelnen eingehen kann, muß ich kurz einige Worte über das Wesen der besonderen hier in Frage stehenden Geflechtsart vorausschicken, über die ich an anderer Stelle an der Hand der Ergebnisse meiner Schinguexpedition eingehende Ausführungen gemacht habe 1). Ich habe dort zuerst den Nachweis geliefert, daß bei der besonderen Geflechtsart, welche ich wegen ihrer engen Beziehung zum Palmblatte als Palmblattflechterei bezeichnet und innerhalb dieser Hauptgruppe wieder speziell als Fächerblattflechterei von der Fiederblattflechterei unterschieden habe, durch die Technik selbst die Oberfläche in ganz bestimmter Weise ornamentiert ist und aus der Technik selbst ganz bestimmte Muster entstanden sind. In bezug auf die Frage der ersten Entstehung der hier in Betracht kommenden Muster aus der Flechttechnik muß ich hier auf meine Vorarbeiten verweisen. Nur auf die besondere Struktur des Fächerblattgeflechts und das Wesen seiner Geflechtsmuster muß ich zum Verständnis der folgenden Ausführungen kurz zurückgreifen.

Das Wesen der hier in Frage kommenden, über Südamerika weit verbreiteten Geflechtsart beruht darin, daß zwei senkrecht zueinander stehende Gruppen von Geflechtsstreifen derartig miteinander verflochten werden, daß die Streifen der einen Gruppe jedesmal eine gewisse Anzahl

1) Ebenda, Kap. XIV: Geflechte und Geflechtsornamentik im Schinguquellgebiet, S. 330 ff.

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Schematische Darstellung der Entstehung des Fächerblattgeflechts aus den einzelnen Geflechtsvierecken".

weitere Geflechtseinheiten immer wieder nur Rechtecke anfügen können.

Als eigentliches Geflechtselement bei dieser Geflechtsart ist somit das rechtwinklige Viereck, das ich kurz das Geflechts viereck" genannt habe, anzusehen.

Da im Geflechts viereck die Geflechtsstreifen parallel zu den Seiten verlaufen, muß die Musterstreifung notgedrungen im Winkel von

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45° zu der Richtung der Seiten verlaufen, also für den besonderen Fall, daß das Geflechtsviereck ein Quadrat ist, in der Richtung einer der Diagonalen.

Ein Vergleich der ersten beiden Schemata der Fig. 1 zeigt, wie sich daraus, daß die Musterstreifung in der Richtung der einen oder der anderen Diagonale verlaufen kann, zwei verschiedene Arten von Geflechts vierecken ergeben, und auf

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Schematische Darstellung der Mäanderbildung durch Verschiebung der „Geflechts vierecke". keiten zusammengestellt, welche die Struktur des einfachen zweimaschigen Geflechts vierecks bei allmählichem Anwachsen durch Einfügung je eines weiteren Geflechtsstreifens annehmen kann. Das Schema in Fig. 3 zeigt die verschiedenen Möglichkeiten, welche sich durch Zusammenfügung von vier Geflechts vierecken, zwei von jeder der beiden Arten, um einen Punkt ergeben. In bezug auf die Einzelheiten muß ich hier auf meine Vorarbeiten 1) verweisen.

Mit den Fig. 2 und 3 soll an dieser Stelle nur schon ein Gesamteindruck der verschiedenen Muster gegeben werden, welche das Wesen der im folgenden demonstrierten altperuanischen Flächenornamentik ausmachen.

1) Max Schmidt, Indianerstudien in Zentralbrasilien, S. 332 ff.

Archiv für Anthropologie. N. F. Bd. VII.

Daß auch die mäanderartigen Hakenmuster, welche mehrfach in der südamerikanischen Ornamentik eine Rolle spielen, auf nichts anderem beruhen, als auf der besonderen Zusammenfügung der eben geschilderten Geflechtsvierecke, zeigen die beiden Schemata in Fig. 4, die ich schon an anderer Stelle veröffentlicht

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