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Hofrat Dr. Schliz, Die steinzeitlichen Schädel des Großherzoglichen Museums in Schwerin.

von hier nahezu senkrecht bis zum Inion abzufallen. Ebenso fällt die Gesichtslinie mit den orthognathen Kiefern senkrecht ab. In der Norma facialis zeigt sich eine niedere, mäßig breite Stirn, auch die Distanz der Stirnhöcker ist eine mäßige. Das gesamte Gesicht ist breit, die Augenhöhlen abfallend, die Nase breit, der Alveolarteil des Oberkiefers, wie auch der Unterkiefer sowohl breit als hoch. Der Schädel hat eine Kapazität von 1420 und ist den Maßen nach brachykephal, orthokephal, das Gesicht chamaeprosop. Wir haben hier deutlich eine Mischform von dolichokepha

wiesenen Schädeln, denn die Bruchstücke von 17. Perdöhl (Hinterhaupt aus einem „Hünenbett"); 18. Tankenhagen (Hinterhauptsschuppe aus einer Steinkammer); 19. Plau (Stirnbein aus einem Megalithgrab), gestatten keine bestimmte Zuweisung zu einer der oben aufgeführten Schädeltypen. Die hervorragende Be

loider Stirnbildung mit brachykephalem Hinterhaupt deutung der Schweriner Sammlung liegt in der

und Gesicht, daher auch der Index von 80,11 an der Grenze der Mesokephalie liegt. Die Annahme, daß es sich hier um keinen steinzeitlichen, sondern einen altwendischen Schädel handelt, ist daher vollkommen berechtigt.

Damit schließt die Reihe des jetzigen Bestandes der Sammlung an der Steinzeit zuge

Bestätigung der von uns aufgestellten Typen für die Kulturkreise, denen sie angehören und dem Nachweise eines neuen Schädeltypus, des Ostorfer, dessen Analogien in Deutschland erst noch gefunden werden müssen.

XVI.

Homo mousteriensis Hauseri.

Ein altdiluvialer Skelettfund im Departement Dordogne und seine Zugehörigkeit

zum Neandertaltypus.

Von Professor Dr. H. Klaatsch und O. Hauser.

(Mit 10 Abbildungen im Text und Tafel XIII.)

I. Geschichte des Fundes.
Von O. Hauser.

Am 16. September 1907 begann ich in der noch vollständig unberührten unteren Grotte von Le Moustier mit der Anlegung eines zum Abri rechtwinklig verlaufenden Probegrabens. Die rezente Oberfläche dieser paläolithischen Niederlassung liegt genau 10 m tiefer, als die bei 80,8 m ü. M. beginnenden Fundschichten vor der bekannten oberen Grotte, deren erste Untersuchung seinerzeit Lartet und Christy vorgenommen hatten. Schon bei 25 cm unter der Oberfläche begannen ungeheure Mengen von Silexsplittern, vermengt mit gut bearbeiteten Artefakten, zutage zu treten. Die der sogenannten Acheuléenkultur angehörenden Manufakte (Coups de poing, Bohrer, Schaber, Messer) standen quantitativ in einem sehr kleinen Verhältnis zu der Unmasse von Spreng- und Abfallstücken. Die während geraumer Zeit durchgeführte Statistik aller Funde ergab im Mittel an durchwegs gut gearbeiteten Stücken nur 4 bis 5 Promille. Irgendwelche scharf abgegrenzte Horizonte lassen sich nicht konstatieren, nur gegen das Innere des Abri hin traf man, genau wie wir es auf La Micoque auch zu beobachten Gelegenheit hatten, auf eine größere Anzahl technisch besser ausgeführter Instrumente. Der Eingang zur Grotte orientiert sich fast genau nach Süden. Die Abdeckungsarbeiten und der Abbruch einiger vor den Abri gebauter kleiner Ställe wurden während der Monate November 1907 bis Februar 1908 fortgesetzt, indem man je nach den Witte

rungsverhältnissen bald auf der Terrasse, der Station 43, bald in dieser unteren Grotte arbeitete. Nachdem das Innere des Abri bloßgelegt und genau untersucht worden war, ging man daran, die vor der eigentlichen Wohnstätte liegende Schicht zu räumen und vertikal zu öffnen.

Bei dieser Arbeit nun fielen am 7. März nachmittags dem dort beschäftigten ersten Aufseher unversehens einige Knochenfragmente auf die Schaufel, die er richtig sofort als menschliche Extremitätenknochen deutete und mich, die weiteren Arbeiten augenblicklich sistierend, zur Stelle rief. Ich konnte seine Mutmaßung nur bestätigen und ließ, bis tief in die regnerische Märznacht hinein arbeitend, die angerissene Stelle hoch mit Erde bedecken um allfällig noch weiter vorhandene menschliche Überreste den Witterungseinflüssen zu entziehen. Der Ort, wo diese ersten Dokumente zum Vorschein gekommen waren, zeigte in der ganzen Umgebung eine absolut ungestörte Schichtung.

Dieser Umstand allein und die Gewißheit, daß niemand vor mir in dieser Grotte Grabungen ausgeführt, ließ mich das bange Harren bis zu einer offiziellen Konstatierung des Fundes ertragen.

Am 10. April 1908 trafen dann die Herren Dr. Duponchel, Leutnant Certes u. Bertrand, officier ministeriel aus Périgueux ein, um die Fundstelle bloßzulegen und zu prüfen, ob sich weiter menschliche Reste finden ließen.

Dem Akte wohnten ferner bei in Vertretung des abwesenden Bürgermeisters dessen Stell

vertreter M. Castanet und als Mitglied des Ge- oder irgendwelchen anderen sekundären Einmeinderates Peyzac M. P. Lesvigne.

In lautloser Stille nahmen wir die weiteren Abdeckungsarbeiten vor, ungewiß noch, ob wir wirklich einem Funde von Bedeutung entgegengingen oder ob die wenigen am 7. März herausgerollten Gliedmaßenknochen vielleicht doch in keiner Beziehung zu der vorliegenden altdiluvialen Niederlassung stünden. Den an Ort und Stelle aufgenommenen wichtigen Akt führe ich in genauem Wortlaut an:

Les Soussignés:

MM. Le Docteur, médicin de l'hôpital, chevalier de la légion d'honneur Duponchel; Certes, lieutenant au 10e hussard et Bertrand, officier ministeriel certifient que le dix avril mil neuf cent huit, ils assistaient de deux heures et demie à quatre heures et demie de l'après midi à des fouilles que Monsieur O. Hauser faisait au Moustier, dans la Station No. 44 (l'abri en bas).

Ils ont constaté que l'ancienne surface était entièrement intacte à l'altitude de 70,05 m, les mesures ont été prises en leur présence par le géomètre ainsi que les photographies qui ont été exécutées.

Le crâne entouré d'ossements brûlés, d'éclats et de silex taillés se trouvait à 69,59 m dans sa position absolument intacte.

La fouille a été continuée avec les plus grands soins et les soussignés certifient que la présence du crâne et des ossements humains a pu être constatée sans le moindre déplacement.

Après la photographie de cette dernière situation le tout a été de nouveau recouvert d'une couche de terre afin de conserver à cette trouvaille importante sa situation première.

Le Moustier, le dix Avril mil neuf cent huit. Sig. Dr. Duponchel, médecin de l'hôpital. Sig. Bertrand. Sig. Certes, lieutenant 10e hussard. Sig. Pour le maire absent l'adjoint, N. Castanet. Sig. Les vigne Pierre, conseiller municipal Cme. de Peyzac.

Meine photographische Aufnahme (Fig. 1) demonstriert die Lage des Schädels am 10. April 1907.

Der wichtige Akt hatte den Fund in seiner ursprünglichen Lage konstatiert. Von irgendwelcher Schichtenstörung, einer Nachbestattung

flüssen auf das Objekt konnte also von vornherein nicht die Rede sein.

Sorgsam ward alles zugedeckt und hoch hinaus mit Brettern und Erde geschützt. Das Fig. 1.

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Wie schon erwähnt, waren von den übrigen Gliedmaßenknochen bei der Entdeckung am 7. März 1908 losgelöst der linke Vorderarm und die ganzen unteren Extremitäten.

Am 10. August wurde der Fund möglichst von der umliegenden Erde befreit, damit man sich ein Urteil bilden konnte über die zur Hebung anzuwendenden Maßnahmen. Wir erachteten als eine erste Notwendigkeit ein Trockenwerdenlassen der bloßgelegten Teile. Körbe und Kisten wurden über die Knochen gelegt und beschlossen, so während eines Tages die bessere Austrocknung zu befördern.

Herr Prof. Klaatsch erbot sich zu der Übernahme der äußerst schwierigen Hebearbeit und

Archiv für Anthropologie. N. F. Bd. VII.

widmete sich den ganzen 12. August in äußerst anerkennenswerter Aufopferung dieser mühevollen Arbeit.

Stück für Stück wurden die einzelnen Kopfskeletteile von der Erde entblößt und jede neu zutage tretende Partie von mir sofort in 22 Ansichten photographisch aufgenommen; außerdem fertigte Herr Prof. Klaatsch successive Skizzen der einzelnen Situationen an. Jedes auch noch so unscheinbare Silexsplitterchen wurde genau in seiner Lagebeziehung etikettiert und die umliegende Erde nach Horizonten in Säcke gesammelt.

Das Becken und die Lendenwirbelsäule zerfielen beim Öffnen des Erdreiches sofort in

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Staub und konnten nicht mehr konserviert werden.

Herr Prof. Klaatsch konstatierte nach dem Befund der vorhandenen Skeletteile eine Schlafstellung des hier in altpaläolithischer Zeit Bestatteten (Taf. XIII). Das Gesicht lag auf der rechten Seite, der rechte Arm unter den Kopf gestützt mit dem Ellenbogen unter der Wange. Am Hinterhaupt fand sich die rechte Hand; der Rücken zeigte sich nach aufwärts gekehrt, die linke Schulter angehoben gegen den Unterkiefer. Flach ausgestreckt lag der linke Arm und in unmittelbarer Nähe davon hatten wir zu einer Zeit, wo wir vom Vorhandensein von Fig. 3.

Skeletteilen noch nichts wußten, den schönsten Coup de poing gehoben, der je aus dieser Station kam; er maß etwa 17 cm, war auf beiden Seiten ganz hervorragend gut gearbeitet und jedenfalls als Waffe dem jugendlich Bestatteten nebst einem sehr gut ausgeführten Schaber von etwa 13 cm Länge beigegeben. (Fig. 3 u. 3a.)

Die linke Clavicula war hinter den linken Unterkiefer eingekeilt und hatte ihn derart vom Schädel abgedrängt, daß der Condylus schon bei der ersten Abdeckung abgelöst wurde und sich später vermischt mit den Gliedmaßenresten wiederfand. Der Unterkiefer sowohl als der Schädel zeigten eine durch den Druck der umFig. 3 a.

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gebenden Erdmassen entstandene Verdrehung derart, daß die rechtsseitigen Teile hinten angehoben waren, d. h. die Medianebene eine Krümmung mit dem hinteren Ende nach links erfahren hatte. Die folgende Skizze (Fig. 4) gibt in durchbrochener Linie die richtige Lage, in ausgezogenem Strich die durch Druck entstandene Verschiebung wieder. Die Pfeile zeigen die Verschiebungsrichtung an.

Durch den Druck hatten sich die beiderseitigen Hälften ineinander verschoben, wie z. B. am Oberkiefer deutlich sichtbar ist. Die linke Seite war zugleich etwas angehoben, die rechte gesenkt worden. Die rechte Gesichtshälfte lag auf einer Art Pflaster, das aus einzelnen Silexstücken in sorgfältiger Weise zusammengefügt

war.

Darüber konnte die genaue Anpassung der Oberflächenformen der Silex an die Weichteile und die Knochenvorsprünge keinen Zweifel lassen. Von der rechten Seite der Schädeldecke wurden Feuersteine losgelöst, welche eine flache Aushöhlung zeigten, die Nase war eingefaßt durch zwei Silexstücke, deren eines dem Rücken, ein anderes der Fläche entsprachen. Die Lagerung der letzteren Silexplatte zeigt, daß die Nasenlöcher nicht nach abwärts, sondern nach vorwärts und ein wenig abwärts gerichtet waren. Der freie Raum zwischen den Silexstücken und dem Skelett läßt die ursprüngliche Form der Weichteile noch erkennen (Fig. 7). Der Supraorbitalwulst hat sich in der Erdmasse der größten Silexplatte so fest abgedrückt, daß dieses Wider

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