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fich in scharf gesonderte Parteien spalteten. Auf die Klage des ersten Präsidenten des Parlaments zu Meß, daß »personnes sans éducation et sans naissance<< in den Gerichtshof einträten, erwiedert der Kanzler, daß diesem Umstände schwerlich abge= holfen werden könne, so lange die Aemter käuflich feien, ohne daß ein Gesetz bestimmte Erfordernisse hinsichtlich der Geburt hervorhebe. »>Tout ce que le parlament peut faire, schließt das Schreiben des besonnenen Kanzlers, est de prendre garde que tous ceux qui se présenteront pour estre receus soient de moeurs irréprochables, et qu'ils donnent, lors de leur examen, des preuves suffisantes de leur capacité pour bien remplir leurs fonctions.<<

Man ersieht hieraus, daß die Parlamente einen großen Theil der Schuld trugen, wenn sie mehr und mehr in der Achtung des Volks sanken und von hohen königlichen Beamten mit der verleßendften Willkür und Geringschäzung behandelt wurden.

Im Allgemeinen zeugen die Sendschreiben der Kanzler von dem Vorwalten des Princips, eine ungetrübte Rechtspflege zu gründen oder aufrecht zu erhalten. Aber ungeachtet der hierauf zielen= den Reformen blieb der Willkür ein weiter Spielraum und wurden rechtliche Auffassungen nur zu leicht nach dem Absolutismus der Regierung ge= modelt. Davon zeugen die zahlreichen Anklagen wegen des Verbrechens der beleidigten Majestät, die häufig nur auf einer rasch hingeworfenen, höchstens als unvorsichtig zu bezeichnenden Aeuße= rung beruhen; mehr noch die auf höchsten Befehl durch Gerichte angeordneten Verfolgungen von Personen, deren eigentliche Verbrechen niemals zur Kenntniß eben dieser Gerichte gelangten, das willfürliche Niederschlagen anhängig gemachter Pro

ceffe, die Leichtigkeit, mit welcher Mitglieder ange= sebener Familien sich einer gegen sie eingeleiteten Untersuchung zu entziehen vermochten."

Lesteres galt freilich nicht von den lettres de cachet, gegen welche eine Reclamation undenkbar war. Es gab zahlreiche Gefängnisse, die mit Ge= richten in keinerlei Zusammenhang standen und nur nach dem Willen des Königs fich für solche öffneten und schlossen, bei denen le bon plaisir des Herrn an die Stelle der Untersuchung und des richterlichen Erkenntnisses trat. Die Zahl der lettres de cachet, welche sich in den Registern des königlichen Secretariats chronologisch verzeichnet fin= den, steigt zu einer unglaublichen Höhe, obwohl Verhaftungen, an welche sich eine besondere Wichtigkeit knüpft, selbst hier offenbar nicht eingetragen find. Während eines bedeutenden Zeitraums der Regierung Ludwigs XIV. war die Thätigkeit der Policei auf das Auskundschaften der wegen ihrer religiösen Ueberzeugung Verdächtigen gerichtet. Selbst ein Fénélon konnte in Bezug hierauf den lästig= sten Verationen nicht entgehen, wenn auch der ei= gentliche Grund der auf ihm lastenden Ungnade in seinem Telemach zu suchen sein mag, dessen gänzliche Unterdrückung freilich eine fruchtlose Aufgabe der Regierung blieb. In den Anpreisungen eines in den Segnungen des Friedens sich gefal= lenden Königthums fühlte sich der König auf eine verlegende Weise von dem frommen Bischof ge= troffen.

Ein besonderes Interesse gewährt es, das erste Aufringen und den Entwickelungsgang der Journalistik unter Ludwig XIV. zu verfolgen. Holland hatte bereits längere Zeit seine Zeitungen, welche mit einem hohen Grade von Freimuth die politi= schen Ereignisse und Richtungen des Auslandes be=

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sprachen, ohne freilich die Angelegenheiten der Heimath ähnlichen Discuffionen zu unterziehen. Das= selbe gilt von den fliegenden Blättern, welche in verschiedenen Landschaften Italiens auftauchten. Frankreich anbelangend, so wurde hier die erste Zeitung von Renaudot und zwar während der Zeit der Minderjährigkeit von Ludwig XIV. herausgegeben; dieselbe stüßte sich auf einem königlichen Privilegium, das freilich andrerseits das Tagesblatt mehr als billig einzwängte. Aus diesem Grunde konnte es dem auf Berichte über den Hof gespannten Publicum nicht genügen, und so entstanden bald, in Paris und den größeren Provincialstädten fliegende Blätter, die theils einen ungeordneten Wust von Neuigkeiten und Gerüchten brachten, theils den Charakter von Schmähschriften annahmen. In Bezug hierauf wurde bereits im Jahre 1656 beim Chatelet ein Proceß anhängig gemacht, der mit der Verurthei= lung des Herausgebers und Druckers endete. Dieses Beispiel schreckte jedoch so wenig ab, daß die Policei fortwährend mit der Verfolgung von ähn= lichen, zum Theil handschriftlich ausgegebenen und heimlich colportirten Blättern zu thun hatte, deren ermittelte Herausgeber gewöhnlich auf die Galeeren geschickt wurden, während höftsche Verfasser der schmußigsten und beißendsten Memoiren unangefochten blieben. Wie wenig Erfolg übrigens meisten= theils die Nachforschungen gewähren mochten, darf aus der ungenügenden Organisation der Policei gefolgert werden, die dem Uebermaß von Diebstäh= len und hauptsächlich von Soldaten verübten Ermordungen auf den Straßen von Paris nicht zu wehren im Stande war.

Freilich hatte sie eben damals mit Schwierigkei=. ten nicht gewöhnlicher Art zu ringen. Es war keine geringe Aufgabe, die bewaffnete Dienerschaft

der Großen im Baum zu halten, die vermöge des Einflusses ihrer Herrschaft der Straflosigkeit gewiß sein konnte. Männer und Frauen der ersten Stände hielten, trok des wiederholten Verbots aller Ha= zardspiele, öffentlich Bank und wurden höchstens mit einem Verweise bestraft. Wie wäre es der Policei möglich gewesen, über Beobachtung der hinsichtlich des Bürgerstandes erlassenen Luxusge= seze zu wachen, während sich der Hof in der ungemessensten Prachtliebe gefiel und diese überdies vom Könige, in Berücksichtigung der inländischen Industrie, begünstigt wurde? Wurde doch geraume Beit hindurch ihre Thätigkeit überwiegend durch die Aufgabe in Anspruch genommen, protestantische Kezer durch Anwendung von gütlichen und ge= waltsamen Mitteln in den Schooß der römischen Kirche zurückzuführen.

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Andrerseits gewinnt man aus der Einsicht der Policeiacten ein entseßliches Bild von der vorherr= schenden Unfittlichkeit. Auch in dieser Beziehung konnte das Beispiel eines Hofes, den der kauftische Saint-Simon in die gehörige Beleuchtung gestellt bat, nicht ohne Einwirkung bleiben. Der einzige Proceß der Brinvilliers, der auch in Deutschland durch die Aufnahme im Pitaval einem großen Kreise von Lesern in seinen Einzelnheiten bekannt gewor= den ist, genügt, um einen Begriff von der Corrup= tion des französischen Lebens jener Zeit zu gewin= nen. Ordnung und einheitliche Kraft wurde in das gesammte Policeiwesen erst durch La Reynie und besonders durch den bekannteren d'Argenson gebracht. Seitdem wurde den Parlamenten eine gewisse Beaufsichtigung der Anstalten für Gefan= gene, nur nicht der Staatsgefängnisse, gestattet. In Paris mußte der lieutenant général de police zu gewissen Zeiten sämmtliche Gefangenhäuser

inspiciren und ein Verzeichniß solcher Detinirten entwerfen, die, seines Dafürhaltens, mit der Freiheit beschenkt zu werden verdienten.

Es fonnte nicht fehlen, daß vorzugsweise die auf das Institut der Bagnos bezüglichen Register und Actenstücke dem Verf. eine reiche Ausbeute für Schilderung der Rechtspflege und der sittlichen Zustände im Zeitalter Ludwigs XIV. boten. Hier tritt uns zunächst die überraschende Erscheinung entgegen, daß sich die Regierung durch das rich= terliche Erkenntniß keinesweges immer gebunden er= achtete, sondern oft die Gefangenen nach Gutdün= ken auf den Galeeren zurückhielt, wenn deren Strafzeit längst abgelaufen war. Die Galeerensträf= linge wurden überhaupt wie eine Sache angesehen, die in das Eigenthum des Königs übergegangen sei und von diesem nach Belieben benuzt werden könne. Unter der Regierung Heinrichs III. war von den Ständen die geseßliche Bestimmung erlassen, daß jeder Befehlshaber einer Galeere, welcher einen ihm überwiesenen Züchtling über die Strafzeit hinaus zurückhalte, unverzüglich seines Amtes verlustig gehen solle; unter Ludwig XIV. dagegen verhalten die Klagen des Bischofs von Marseille, daß sich im dortigen Bagno Unglückliche befänden, die ihre Strafzeit schon zwiefach, ja sogar dreifach abgebüßt hätten. Von der andern Seite gehörten die Erscheinungen nicht zur Seltenheit, daß ein bemittelter Büchtling vor dem Ablauf seiner Straf= zeit die Freiheit wiedergewann, und zwar indem er einen türkischen Sclaven kaufte und diesen an= statt seiner einschmieden ließ.

(Schluß folgt).

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