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gelehrte Anzeigen

unter der Aufsicht

det Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

145. 146. Stück.

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Den 11. September 1851.

Frankfurt a. M.

Fortsetzung der Anzeige: Die naturgemäße Volkswirthschaft mit besonderer Rücksicht auf die Besteue= rung und die Handelspolitik. Von K. Arnd."

Ref. nimmt troßdem, daß auch er Akademiker ist, eine Besprechung dieses Werkes vor, weil diese ja doch wie jede andere hauptsächlich für das Publicum ist, dem es gleichgültig ist, ob die wahren Fortschritte in der Erkenntniß der Wahrheit von unbescheidenen Akademikern kommen oder von den meist sehr bescheidenen Autodidakten. Nur gegen Eins wäre er jedoch von vorn herein geneigt, die ihm leider nicht zu Gesicht gekommenen Beurthei= lungen der ersten Auflage dieses Werkes vor dem Publicum in Schuß zu nehmen, gegen den Vorwurf nämlich, daß der Verf. nicht verstanden, daß feine Begründungen und Entwicklungen nicht begriffen worden seien. Denn wenn auch die Form der Darstellung und selbst die grammatische Sagbildung keineswegs überall befriedigt, so find doch die Gedanken des Verfs.wenigstens in dieser Ausgabe unschwer zu begreifen und in den

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meisten Fällen von der nationalökonomischen Dis= cussion bereits in Erwägung gegeben. Aus dem angegebenen Grunde kann Ref. auch nicht bestim= men, ob die Recensenten der ersten Auflage die Grundgedanken und Ausgangspunkte des Verf. an= gegriffen und verworfen haben, oder ob sie, über diese in Uebereinstimmung mit dem leßteren, mehr die Art und Weise, wie dieselben entwickelt und begründet wurden, so wie die Schlußfolgerungen, zu welchen sie den Verf. veranlaßt hatten, einer kritischen Erörterung unterzogen. Leßteres wird bei der vorliegenden Beurtheilung wenigstens hin= sichtlich eines Haupttheiles dieses Buches der Fall sein.

Arnd's Werk zerfällt in fünf Bücher. Das erste Buch: Allgemeine Vorbegriffe enthält die Abschnitte 1. Begriff und Natur der materiellen Güter, 2. die Arbeit und ihr ökonomischer Effect, 3. der Mensch in seinen Beziehungen zu den materiel= len Gütern. Das zweite Buch: Entwicklung 8gang der wirthschaftlichen Verhältnisse der menschlichen Gesellschaft mittelst der freien Concurrenz der menschlichen Kräfte. 1. Die Urproduction, 2. die Gewerbsproduction, 3. der Handel, 4. die mittelbare Production, 5. Ver= theilung der materiellen Güter, 6. Folgen der Schwan= fungen im Gange der Erzeugung und Vertheilung der materiellen Güter, 7. Verwendung der mate= riellen Güter, 8. Einwirkung des Welthandels auf die wirthschaftlichen Verhältnisse des Volkes, 9. Be= richtigung einiger Fundamentalbegriffe, 10. Auffuchung des natürlichen Fonds für den öffentlichen Aufwand. Das dritte Buch: Darstellung der Folgen der Lähmung der Concurrenz durch den Monopoliengeist. 1. Der Güterschluß, 2. der Zunftzwang, 3. das Prohibitivsy= stem und die Schußzölle, 4. die indirecten Steuern.

Das vierte Buch: Andeutungen zur Anwen= dung der Volkswirthschaftslehre auf das wirkliche Leben. 1. Anwendung auf die Ar= menpflege, 2. Anwendung auf die Erziehungs- und Unterrichtsanstalten, 3. Anwendung auf die Han= delsgeseße, 4. Anwendung auf die Rechtspflege, 5. Anwendung auf die Finanzverwaltung. Das fünfte Buch: Rückblick auf die bisherige volkswirthschaftliche Litteratur bespricht natio= nalökonomische Schriften von Büsch, Mirabeau, Schmalz, Smith, Say, Ricardo, Rau, von Thünen, Hermann, von Prittwiß und Schüz.

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Arnd hat der Einleitung einige Worte über die Besteuerung und die Handelspolitik vorausgeschickt. An der Spize derselben erklärt er, daß sich mit der Lösung der beiden großen Fragen unserer ge= fellschaftlichen Entwicklung: nach einer gerechten und naturgemäßen Besteuerung und nach einer dem fittlichen Berufe der menschlichen. Gesellschaft entsprechenden Handelspolitik alle unsere Volkskammern, unsere Staatsgelehrten und unsere Mi= nisterien beschäftigt hätten, ohne damit auch nur einen wesentlichen Schritt vorwärts zu kommen; daß die Wissenschaft ihre Aufgabe Trugschlüsse zu entkräften versäumt habe. Gegen die großen Uebel der Gegenwart bietet er seine Heilmittel an: „un= ser Steuersystem ist die Rückkehr zur ursprünglichen einfachen Grundsteuer; un= sere Handelspolitik ist die Rückkehr zur ursprünglichen einfachen und unbeding= ten Handelsfreiheit." Unsere Heilmittel? fragt verwundert wohl jeder Leser, auch der, welcher gegen die Schulweisheit der Akademiker aufgeregt wor= den ist auch der, welchem das Mittel schon ganz gut zusagt, der die Ausführung und Begründung recht aufmerksam lesen will, obgleich er mit den

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Verhandlungen über diese Fragen durch Volkskam= mern, Staatsgelehrte, Ministerien und durch die wissenschaftliche Litteratur nicht unbekannt_geblie= ben ist. Doch sprechen wir es hier gleich po= fitiv und mit Nachdruck aus, daß in dem Buche Arnd's, wenn nicht ein starker Mangel jener Be= scheidenheit, die dem Verf. selbst als die Hauptbe= dingung jeder fortschreitenden Geistesbildung er= scheint, so doch eine auffallende Misachtung und Unterschätzung der wissenschaftlichen Leistungen An= derer wie des im praktischen Leben bereits Vorge= kommenen dem Leser höchst unangenehm entgegen= tritt. Wir führen dies zu Gunsten des Verf. auf Unkenntniß zurück, ohne damit den Tadel überwöl= ben zu wollen, der sich daraus gegen den Verfasser eines nationalökonomischen Werkes wendet. Und der Verf. war doch schon gewißigt worden. Ohne irgend eine physiokratische Schrift zu kennen (er= zählt er S. 462) hatte ich aus bloßen smith'schen Borderfäßen die Consequenzen gezogen und in meine neuere Güterlehre aufgenommen; das Ergebniß war aber die phyfiokratische Grundsteuer; ich war da= her nicht wenig erstaunt, als man mich bei der Beur= theilung meines Buches einen Physiokraten nannte

wird man ihm, ohne den Vorwurf unbescheidener Schulweisheit auf sich zu laden, sagen dürfen, wie es weltbekanntermaßen mit seinem zweiten Hauptheilmit= tel, mit der unbedingten Handelsfreiheit sich verhält? Auch darin wird man wohl eine mangelnde Kennt= niß der bereits hinlänglich constatirten Erscheinungen des praktischen Lebens, wie der von einer zahlreichen Litteratur gegebenen Ausführungen und Beweise erbli= den dürfen, daß Arnd die Art der heutigen Besteue= rung nnd die jezt herrschenden Principien der Handelspolitik als die alleinigen Ursachen der materiellen Uebel- und Nothstände der Gegenwart ansieht, mit

deren Beseitigung überall geholfen sei. Der Glaube an diese oder andern einzigen Heilmittel und Universalkuren beruht auf dem zweifachen Irrthum, wonach einerseits ein oft kleiner Theil in dem Or= ganismus der bürgerlichen Gesellschaft als das Ganze angesehen wird und andererseits die Ver= schiedenheit und Mannichfaltigkeit in dem materiel= len Lebensgrunde der bürgerlichen Klassen wie der Nationen gar nicht erkannt und in Anschlag ge= bracht worden ist. Wenn aber der Verf. bei sei= ner Ansicht über die Bedeutung des Steuerwesens und der Handelspolitik für die materiellen Ucbel= stände der Gegenwart und bei dem Zwecke, den er seiner Arbeit vorgesteckt hat, doch auch das ganze Fachwerk eines nationalökonomischen Compendiums, wie es schon oft bearbeitet ist, dem Leser vorführt, so wird man darin mehr das Streben ein voll= ständiges Lehrbuch der Volkswirthschaft geben zu wollen erblicken müssen, als wie eine nothwendige und neue Erörterung über unbearbeitet verbliebene Materien der Volkswirthschaftslehre.

Arnd's Stellung zur Nationalökonomie im Allge= meinen oder vielmehr sein Urtheil über dieselbe ist mit einer anerkennenswerthen Bestimmtheit und Schärfe ausgesprochen. Schon in der Vorrede heißt es: „Wir finden bei näherer Betrachtung aller jener Natur= gesehe, welche auf das wirthschaftliche Streben ein= wirken, daß bereits die ewige Weisheit in die menschlichen Fähigkeiten und Neigungen, sowie in die Außenwelt alle zum erfolgreichen Vorschreiten nach dem Ziele (des volkswirthschaftlichen Stre= bens) erforderlichen Bedingungen gelegt hat, und daß es zu diesem Vorschreiten nur der möglichst freien Wirksamkeit jener natürlichen Kräfte bedarf.” Und S. 11, 12 u. 13: „So wie jenen ewigen Ge= sezen, welche die physische Welt beherrschen, eine ge=

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