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im Anfange unserer Handschrift sich auf vier Blät= ter beschränkt, auf denen sicher nicht mehr als der fehlende Eingang des vierten Buchs gestanden ha= ben kann. Von den in unserer Handschrift feh= lenden Büchern ist uns jedoch das erste in andern Handschriften überliefert und schon seit längerer Zeit wiederholt auch durch den Druck veröffentlicht wor= den. Bei näherer Vergleichung zeigt sich nämlich auf die evidenteste Weise, daß die von Jacob Gronov zuerst herausgegebene, gewöhnlich unter dem Titel »Origenis philosophumena «< citirte Schrift, die fich auch im ersten Bande der Delarue'schen Ausgabe der Werke des Origenes, S.873-909 abgedruckt findet, nichts als das erste Buch des größeren Werkes ist, dessen bedeutendere leßte Hälfte die jüngst entdeckte Handschrift enthält. Es fehlen uns demnach von dem ursprünglichen Werke nur noch das zweite und dritte Buch und es steht da= hin, ob ein günstiges Geschick nicht vielleicht später auch diese Lücke noch einmal ausfüllen wird. Für so unwahrscheinlich wenigstens wie der Herausge= ber möchten wir das nicht halten, da unsere Hand= schrift und ebenso die Handschriften des ersten Bu= ches beweisen, daß das Werk häufiger mur theilweise abgeschrieben ist, und da bei dem sehr ver= schiedenen Inhalte der einzelnen Bücher des Werks die Vermuthung, daß andere Abschreiber andere Theile desselben für sich ausgewählt haben mö= gen, schwerlich als eine allzu kühne zurückzuweisen ist.

Wie es indessen auch mit der Wahrscheinlichkeit der Erfüllung dieser Hoffnungen stehen mag und wie sehr man zunächst den Verlust jener Bücher zu beklagen hat: wir wollen uns die Freude an dem reichen Gewinn, den uns die Veröffentlichung der neuen Handschrift gebracht hat, nicht dadurch

verkümmern lassen, zumal da uns jedenfalls der wichtigere Haupttheil des Ganzen erhälten ist.

Ein kurzer Ueberblick über den Plan und Inhalt der Schrift wird am besten dazu dienen, unser bereits ausgesprochenes Urtheil über den Werth und die Bedeutung derselben zu rechtfertigen und im Einzelnen genauer zu bestimmen.

Der Zweck des Werkes ist, wie schon der Titel ihn bezeichnet, die Widerlegung sämmtlicher Härefien, und zwar geht des Verf. Absicht, wie er sie selbst in der Einleitung und auch sonst im Verlaufe der Schrift wiederholt ausgesprochen hat, be= sonders dahin zu zeigen, daß die Häretiker ihre gottlosen und blasphemischen Lehren, namentlich die forgfältig vor den Nichteingeweihten verborgen ge= haltenen Geheimlehren, nicht aus der heiligen Schrift genommen, sondern theils aus der Philosophie der Griechen und den Lehren anderer Völker entwen= det, theils aus den Mysterien oder von den umherstreifenden Astrologen entlehnt, durch ihre eig= nen Zusäße aber wesentlich verschlechtert hätten, damit sich aus diesem Nachweise von selbst das Resultat ergebe, daß die Keßer in Wahrheit nicht Christen seien. Diesem Zwecke entspricht der Plan und die Anordnung der Schrift vollkommen. Sie zerfällt nämlich in zwei Haupttheile, von denen der erstere, die vier ersten Bücher umfassend, die Darstellung der mannichfältigen vorchriftlichen Lehren, aus denen der Ursprung der christlichen Häresien abzuleiten ist, enthält, der zweite dagegen, voin fünften bis zum Schluß des neumten Buches, die verschiedenen christlichen Härefien selbst nach ihrem Lehrinhalte, sowie nach ihren sonstigen Eigenthümlichkeiten schildert, woran sich dann im zehnten Buche eine Recapitulation der ganzen vorhergehenden Darstellung, insbesondere der späteren Bücher

vom fünften Buche an, und schließlich eine ge= drängte Skizze der wahren christlichen Lehre an= schließt.

Das schon seit längerer Zeit bekannte erste Buch, dem wie allen folgenden Büchern ein Inhaltsverzeich= niß voraufgeschickt ist, gibt nach einem Vorwort über die Veranlassung, den Zweck und Plan des Ganzen eine eigenthümlich geordnete, fragmentari= sche Zusammenstellung der Lehren der griechischen Philosophen, der indischen Braminen, der gallischen Druiden und des Hesiod über die Natur und, den Ursprung der Dinge. Daß sich daran im zweiten Buche zunächst eine Darstellung der Geheimlehren der Mysterien geschlossen haben muß, sieht man aus dem Schlusse des ersten Buchs, und die Re= capitulation, die gegen das Ende des vierten Buchs gegeben wird, zeigt, daß die beiden fehlenden Bü= cher außerdem noch namentlich mit den Lehren der Perser, der Babylonier und der Aegypter sich müs= sen beschäftigt haben.

Das vierte Buch, mit welchem unsere Handschrift beginnt, knüpft daran eine Auseinanderse= zung und Widerlegung der astrologischen Lehren der Chaldäer, darauf folgen interessante astronomische Angaben, besonders über die Entfernungen der Gestirne, namentlich von Archimed, sodann eine Schilderung der mancherlei verschiedenartigen Wahr= sager- und Zauberkünste, nebst einer ausführlichen Erklärung der dabei gebrauchten Taschenspielermit= tel, eine kurze Recapitulation der bisherigen Dar= stellung und einige Nachträge über die verkehrte Art, wie die Ansichten des Aratus über die Stellung der Gestirne und die Sternbilder in christli= chem Sinne umgewandelt, und über die abgeschmack= ten Spielereien, die mit der Siebenzahl getrieben seien. So interessant aber und wichtig diese Mit

theilungen unsers Verf. über die Lehren der eniyelos pilooogia, wie er fie nennt, find, die er im ersten und vierten Buche seines Werkes gege= ben hat, für die Geschichte der alten Philosophie und Religion und für die klassische Philologie über= haupt ist aus den späteren Büchern eine nicht minder reiche Ausbeute zu gewinnen, da er bei der Darstellung der Lehren der einzelnen Häretiker auf die Lehren der Philosophen, der Mysterien u. s. w., aus denen die Häretiker nach seiner Ansicht ihre Keßereien geschöpft haben, zurückkommt und dann noch genauer und gründlicher in die Erklärung einzelner Theile jener Lehren eingeht.

Mit dem fünften Buche fängt der zweite, der eigentliche Haupttheil des Werkes an, der die Lehren der Häretiker in ihrem Zusammenhange mit den vorher entwickelten vorchristlichen Lehren schildert. Die Darstellung ist hier zum großen Theil aus unmittelbaren Quellen, aus den Schriften der Häretiker selbst geschöpft und enthält ein überaus reiches Material, insbesondere für die genauere Kenntniß der gnostischen Systeme und ihrer ge= schichtlichen Entwicklung, während sie zum Theil auch auf der Benußung älterer polemischer Schrif= ten, namentlich des großen Werkes des Frenäus beruht. Da es uns hier viel zu weit führen würde, auf den Inhalt im Einzelnen specieller ein= zugehen, begnügen wir uns damit zunächst einen furzen Abriß des Ganzen zu geben, um dann durch ein paar Proben die Eigenthümlichkeit der Darstellung und den Werth der darin gegebenen historischen Aufschlüsse anschaulicher zu machen.

Der Verf. beginnt die Reihe der Häretiker mit den Schlangendienern, die nach dem hebräischen Wort für Schlange, n, Naasener genannt wür= den (vergl. Theodoret. fab. haeret. 1, 13 und

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Quaest. XLIX in libr. IV Regg.), während sie sich selbst später Gnostiker genannt hätten. Er lei= tet ihre Lehren aus den Mysterien der Griechen und der Barbaren ab, indem er eine Fülle der interessantesten Notizen darüber beibringt und werthvolle Bruchstücke aus älteren und neueren Dichterwerken mittheilt. Bemerkenswerth ist dabei besonders, daß die hier gegebene Darstellung der ophi= tischen Lehre von der sonst gewöhnlichen, nament= lich der des Irenäus durchaus abweicht, während sie in näherer Beziehung zu der Schilderung der von Frenäus mit dem allgemeinen Namen Gno= stifer" bezeichneten Häretiker (adv. haer. 1, 29 ed. Massuet) zu stehen scheint. Auf die Naasener folgen die Peraten, über die uns sonst nur ein paar unbedeutende Notizen bei Clemens Alex. (Stromm. VII, 17) und Theodoret (Haeret. fab. 1, 17) erhalten find, von denen der Leßtere offenbar aus unserer Schrift geschöpft hat, doch, wie es scheint, nicht aus dem Hauptwerke selbst, sondern aus dem kurzen Auszuge im zehnten Buche. Unser Verf. leitet ihre Lehren aus der Astrologie ab und gibt Auszüge und Bruchstücke aus ihren Schriften. Kürzer ist seine Darstellung der Lehre der Sethianer, deren Grundlage er in den mystischen Schrif= ten des Musäus, Linus und besonders des Or= pheus findet, wobei er auf eine apokryphische Schrift » Пagάpoαois End« verweist, welche eine vollständige Darstellung ihrer Geheimlehren enthalte, Auch hier bietet die Schilderung wenig Berührungs= punkte mit den anderweitigen Berichten, die uns erhalten sind, doch rührt dies wahrscheinlich daher, weil diese sich mehr an die bekannteren Lehren der Sethianer hielten, während unser Verf. es vorzugsweise auf die Darstellung der Geheimlehren abgesehen hat. (Fortseßung folgt).

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