Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

gelehrte Anzeigen.

Unter der Aufsicht

der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der dritte Band

auf das Jahr 1851.

Göttingen,

gedruckt in der Dieterichschen Univ. Buchdruckerei.

(W. Fr. Kästner.)

dre

S ö t t i n g isch e

1393

gelehrte Anzeigen

unter der Aufsicht

der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

140. Stück.

Den 1. September 185 1.

Paris

Imprimerie nationale 1851. Correspondance administrative sous le règne de Louis XIV. entre le cabinet du roi, les secrétaires d'état, le chancelier de France, les intendants et gouverneurs de provinces etc. Recueillie et mise en ordre par G. B. Depping. Tome II. LVI und 1025 S. in Quart. (Collection de documents et mon. inédits).

Hat sich der erste Band *) dieser Sammlung ausschließlich über die Angelegenheiten der Provin= cialstände und der Gemeinen in Städten und auf dem flachen Lande verbreitet, so beschränkt sich der vorliegende zweite Band auf die Mittheilung solcher Actenstücke, welche sich auf die Verwaltung der Rechtspflege und Policei in Frankreich während der Dauer der Regierung Ludwigs XIV. beziehen. Nun könnte es freilich scheinen, daß auf diesem Gebiete, der unabhängigen Stellung der höheren richterlichen Behörden gegenüber, eine unmittelbare *) Jahrg. 1851. St. 40 dieser Blätter.

[105]

Einwirkung der Regierung kaum zulässig gewesen sei. Gleichwohl suchte sich dieselbe, wenn schon nicht immer mit demselben Erfolge, überall Geltung zu verschaffen. Die Parlamente, deren Mitglieder ihr Amt wie ein auf dem Wege des Kaufs erworbenes Eigenthum betrachteten, erfreuten sich zur Zeit des Regierungsantritts von Ludwig XIV. eines hohen Grades von Unabhängigkeit. Unter ihnen sprachen die Baillis und die 1551 in's Le= ben gerufenen cours présidiales in erster Instanz das Recht, während von der Entscheidung der prévôts des maréchaux über solche Vergehen, die auf öffentlicher Straße und auf freiem Felde begangen waren, eine Appellation überall nicht Statt fand. Kam dazu, daß eine Menge von Mitgliedern des Herrenstandes auf ihrem Grundbesitz die hohe und niedere Justiz übten, daß zum Theil auch die Behörden in den Städten mit rich terlichen Functionen Bekleidet waren und daß end= lich locale Geseze und Gewohnheiten noch vielfach in Kraft standen, so ergibt sich, daß es der Regie-= rung eben nicht an Gelegenheit fehlen konnte, bei 1 zahlreichen Collifionen und Streitigen Fragen über den Umfang des richterlichen Gebietes schlichtend und ordnend einzugreifen. Dabei darf vor allen Dingen nicht übersehen werden, daß ein Mal der geheime Rath des Königs über dem gesammten Gerichtswesen stand, die Urtheile der Parlamente revidiren, wegen Formfehler annulliren und die unmittelbare Entscheidung von Processen an sich neh= men konnte, sodann daß dem Kanzler das Recht zustand, die Gefeße seiner Interpretation zu unterziehen.

Betrachteten die Parlamente als eins ihrer wefentlichsten Rechte, gegen die Veröffentlichung-solcher königlichen Edicte, die auf das gemeine Wohl

"

nachtheilig einzuwirken drohten, Remonftrationen ers heben zu dürfen, so wurde dieses Recht bekanntlich schon 1667 beschränkt und 6 Jahre später auf ein noch geringeres Maß zurückgeführt, so daß na= mentlich alle auf die Finanzen bezüglichen Ausschreiben bald, ohne irgend eine Discussion zu veranlassen, eingezeichnet wurden. Nur hin und wie= der behauptete sich noch der alte Widerstand der Parlamente gegen den unbeschränkten Gebieter, wäh= rend sie über die Behauptung ihrer äußeren Stellung zu andern Corporationen mit einer wahrhaft fleinlichen Eifersucht wachten.

Sobald Colbert in die Regierung eingetreten war, begann er damit, von den Intendanten der Provinzen genaue Berichte über die Fähigkeiten, den Lebenswandel und die Persönlichkeit aller hö= heren richterlichen Beamten in ihrem Sprengel zu gewissen Zeiten einzufordern. Er ging in Bezug auf die Mitglieder des Parlaments von Paris noch weiter, indem er zu wissen wünschte, auf welchem Wege am leichtesten und erfolgreichsten auf jeden Einzelnen eingewirkt werden könne. Ein gefährlicher Schritt, der namentlich den persönlichen Nei= gungen und Verstimmungen der Bericht erstatten= den Beamten ein ungemessenes Gebiet frei gab. Zum Theil mag ein solches Examen freilich in mannichfachen Uebelständen der Gerichtshöfe Ent= schuldigung finden; nicht bloß, daß mitunter die Mitglieder derselben auf ärgerliche Weise mit ein= ander in Zwiespalt lebten, daß Präsidenten belie= big Sitzungen versäumten, sich wohl gar auf Jahre von der Residenz ihres Gerichts entfernt hielten; es gehörten selbst solche Erscheinungen nicht zu den Seltenheiten, daß Präsident und Räthe in Veran= lassung eines schwebenden Processes, bei dessen Ausgang Einzelne aus ihrer Mitte interesfirt waren,

« VorigeDoorgaan »