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konnten, da auf Sigen der Art die Balance zu halten es selbst oft wachend nicht leicht war.

Ausrufer mit kasanischen Stiefeln, astrachan'schen Schlafröcken, Bildern, Spielsachen, von denen ich so viel gelesen hatte, habe ich fast gar nicht gesehen; diese Leute halten sich in Petersburg jezt zu vornehm und miethen oder kaufen sich um hohe Preise am Kaufhaus einen Laden. Dieses Kaufhaus (GastinoiDwor) mit seinen Tausenden von Gewölben befindet sich hauptsächlich in der großen Gartenstraße und auf dem Neffsky - Prospect und hat zum Theil schon eine entfernte Aehnlichkeit mit den Ba= saren der Orientalen, indem in ihnen nicht allein feilgeboten, sondern zu gleicher Zeit auch gearbeitet wird. Kaufleute und Handwerker, die mit gleichen Sachen handeln, stehen mit ihren Låden in der Regel neben einander. Die Ehrlichkeit der niedern russischen Kaufleute steht der der deutschen nach, und man ist gezwungen, auf gleiche Weise mit ihnen umzugehen, wie man es bei uns mit den Juden zu thun gewohnt ist. Von der Gartenstraße seitwärts kommt man auf der einen Seite in ein kleines Gåßchen, worin die eigentlichen Trödler ihren Siß haben und das deßhalb den Namen Läusemarkt führt. Auf sonderbare Weise findet man hier die Lager aufgepußt und die verschiedenartigsten Dinge stehen nebeneinander. So interessant es auch ist, diesen Schlupfwinkel für alle gestohlenen Sachen zu besuchen, so sehr muß man eben deßhalb auch seine Taschen vor geschmeidigen und kunstfertigen Fingern in Acht nehmen.

Die den Russen angeborene Gastfreundschaft ist wohl die Ursache, daß man Vergnügungen und überhaupt Zerstreuungen nicht in öffentlichen Wirthshäusern oder an öffentlichen Plätzen, sondern in bekannten Familien, in denen man ungenirt sich bewegen kann, sucht und auch findet. Der harte, strenge Winter vereinigt Petersburgs Bewohner mehr als der Sommer, und da Geselligkeit und unverdrossene Fröhlichkeit noch mit dem Charakter des Russen verbunden sind, so suchen sich die einzelnen Familien gegenseitig auf und verleben bei und miteinander fast die ganze Winterszeit. Die bedeutenderen und reicheren Familien öffnen jedem Gebildeten ihr Haus und an bestimmten Tagen trifft man daselbst vorzüglich Gesellschaft. Das Theater wird nicht so häufig besucht als man erwarten sollte; häufiger jedoch frequentirt der Russe, da er nicht

allein die Musik liebt, sondern meist auch versteht, Opern und Concerte. Ganz anders ist es im Sommer, der leider kaum einige Monate dauert. Die freie Natur wirkt, nachdem sie fast Dreivierteljahre entbehrt wurde, ganz eigenthümlich auf die Petersburger, und sobald die Witterung es kaum erlaubt, verlassen sie die Stadt und führen auf ihren Landhäusern (Datschen) ein kaum mehr zurückgezogenes Leben. Mit großem Vergnügen geben sie sich dem Landleben hin und athmen mit Wohlbehagen die reinere Luft. Im Grunde genommen hat aber der Petersburger nur seine Wohnung verändert, denn wenn er nicht ganz unwirthsame Gegenden bezogen hat, bleibt um ihn das Geräusch fast dasselbe. Drei Stunden im Umkreis ist Petersburg mit fast eben so viel Datschen versehen, als es Håuser besißt, und mit jedem Jahr vergrößert sich ihre Anzahl. Da die Entfernung der einzelnen Familien dadurch noch vergrößert wird, so ist zwar weniger die Möglichkeit gegeben, fich gegenseitig häufig zu sehen, aber wenn man sich einmal besucht, so bleibt man nun auch den ganzen Tag. Gegen die Mitte des Junius hin wohnt Jedermann, dem es seine Verhältnisse erlauben, auf seiner Datsche, und die Umgebung derselben, welche den Tag vorher noch dde und wüst lag, wird plöglich so verändert, daß man kaum den Ort wieder erkennt. Schöner, blühender Lack, Levkoien, Orangenbäumchen, Myrten 2c. stehen pldßlich im Freien und geben den Anschein, als hätten sie immer dagestanden.

Die vielen Arme, in welche die Newa sich theilt, liefern allenthalben so viel Wasser, als zur Verschönerung nothwendig ist und verleihen deßhalb den Landschaften einen eigenthümlichen Reiz. Von den vielen Punkten, die eine herrliche Aussicht gewähren, steht die von der Kamennoiostroff'schen Brücke nach Jelaginoftroff zu oben an und vermag den Beschauenden hin nach den lachenden Ufern des Bodensee's zu versetzen. Deutsche Handwerker, welche in großer Menge Petersburg bewohnen, haben, ihren vaterländischen Sitten auch im Auslande noch treu, sich auswärts Belustigungsorte zu schaffen gewußt und besuchen am Sonntag in großer Menge besonders das auf Chreftoffskoi-Ostroff (Christophsinsel) befindliche Gasthaus, um nach deutscher Sitte Kaffee, Bier c. zu genießen und von Zeit zu Zeit sogar zu tanzen. Doch ist dieses nur ein schwaches Ersazmittel der deutschen Geselligkeit außer dem Hause.

Noch drückender wird aber nicht allein dem Deutschen, sons

dern wohl jedem Fremden der Mangel an Wirthshäusern überhaupt, und es ist nicht zu viel gesagt, wenn ich behaupte, daß man mitten in dieser großen volkreichen Stadt im Winter aus Mangel an einem Quartier, wenn auch nicht gerade zu umkommen, jedoch in die peinlichste Verlegenheit gerathen kann.

Ich glaube, daß es hier, bevor ich in meiner Beschreibung Petersburg verlasse, der passendste Ort ist, um eine unfreundliche, ich möchte sagen bdswillige Beschuldigung von Seiten der sonst beliebten Zeitung: Sewernaia Ptschela (nordische Biene) von mir abzulenken. Während meiner Reise wurden einige Briefe, welche ich auf Verlangen besonders zum Druck für das Journal: Miscellen, herausgegeben von Dr. Friedrich Bran, geschrieben, daselbst abgedruckt. Diese sagten wohl dem Russen nichts Neues, aber boten dem Deutschen, für den es geschrieben war, manches Interessante dar. Irgend einen der Mitarbeiter obi ger Zeitschrift müssen meine Briefe nicht in bester Laune getroffen haben und wahrscheinlich ohne sie zu lesen oder ohne deutsch zu verstehen, führte er mich als Beispiel an, daß alle Ausländer entweder eine schlechte Gabe der Auffassung besåßen, oder bdswillig alles verdrehten. Der Verfasser jenes Aufsages führt zum Beweis eine Menge Stellen an, die in meinen Briefen gestanden haben sollen, aber gar nicht so stehen, wie er sie ins Russische übertragen hat. Entweder ist Ueberseher dieses der deutschen Sprache gar nicht mächtig gewesen, oder Bosheit bewog ihn, alle meine Worte so zu verdrehen. Aber weit entfernt mit Menschen solchen Gelichters mich einzulassen, will ich nur zur Bestätigung meiner Behauptung ein Beispiel geben. Ich rühme in einem der Briefe die Gastfreundschaft der Russen und klage über den Mangel an Wirthshäusern, worin mir jeder unparteiische Russe Recht gege= ben hat, wenn er nur irgend wußte, was man unter einem guten Wirthshaus versteht. Uebersetzer dieses Briefes sagt aber, daß ich sehr die Gastfreundschaft in Petersburg und Moskau vermißt habe, und zeihet mich dadurch des schwärzesten Undankes. Aus solchen Verdrehungen besteht nun die ganze Uebersetzung, und wenn ich nicht schon damals eine Rechtfertigung dagegen schrieb, so lag die Ursache in dem Sprůchworte:,,wer Pech angreift, besudelt sich.“ Diese Zeilen gelten auch nicht jenem faden Ueberseher, sondern allen den vielen theuern Freunden, welche durch

ganz Rußland wohlwollend mich unterstüßten und mich in dem Kreise ihrer liebenswürdigen Familien willkommen hießen.

Drittes Capitel.

Reife bis Moskau.

Abreise; die russische Sprache; Diligencen; die Chauffee bis Moskau; der freundliche Nachbar; öde Gegend; Nowgorod und seine Geschichte; Ilmensee; Waldai:Gebirge; Torshok; der Wirth Posharskoi und seine berühmten Cotelets; Twer und seine Ges schichte; die Birkenwälder; Elias' Himmelfahrt; Ankunft in Moskau.

Endlich war der Tag meiner Abreise herangekommen und schweren Herzens nahm ich von den vielen Bekannten, die ich in der Zeit liebgewonnen, Abschied. Es war mir ganz eigenthümlich, als ich auf einmal mitten unter Russen, von denen nur eis ner etwas deutsch radebrechte, mich befand. Leider war mir in Petersburg gar keine Gelegenheit gegeben, russisch zu lernen, und so schnell ich auch gefunden hatte mit den Iswoschtschiks und den Dienern der mir bekannten Familien mich zu verständigen, so blieb auch hiermit alle weitere Ausbildung in der russischen Sprache stehen. Doch nur zu bald wurde mir die Unkenntniß der Landessprache drückend, und in die eine Tasche steckte ich Tappe's russische Sprachlehre, in die andere hingegen Schmidts Taschenlexikon. Die dden Gegenden Rußlands verschafften mir manche Langeweile, und auf keine Weise konnte ich wohl die müßige Zeit besser ausfüllen, als wenn ich mich mit den Decli= nationen und Conjugationen der russischen Sprache beschäftigte. Noth bricht Eisen, und da der einzige Reisegefährte, welcher meine Muttersprache nur leidlich verstand, mir nicht immer zur Hand war, so ergriff ich stets mein Lerikon und verlangte das in den Wirthshäusern, wornach mein Herz sich sehnte. Jedoch war meine Aussprache nicht immer die beste und häufig wurde ich deßhalb miß oder gar nicht verstanden. Immer hatte ich gehört, daß man dem Russen nur etwas anzudeuten brauche, um verstanden zu werden, eine Meinung, der meine Erfahrungen geradezu widersprechen. Wenn ich meine Worte nicht so deutlich, wie ein ächter

Russe, aussprach, so konnte ich sicher seyn, nicht verstanden zu werden. Ne panimaju (ich versteh' nicht) war immer der Refrain bei allem, was ich nicht deutlich sagte. Es wurde für mich um so schwieriger, da das russische Alphabet Buchstaben hat, die für uns Deutsche entweder geradezu gar nicht, oder nur schwer auszusprechen sind, wie das ch und l. Beide Buchstaben werden nicht mit der vordern Hålfte der Zunge, sondern mit dem Gaumen oder der Wurzel der erstern gebildet. Dann ist zwischen einzelnen Buchstaben, als dem 3 und c (dem scharfen und ge= wöhnlichen s) dem # und 11 (dem scharfen und gewöhnlichen sch) nur ein solcher (wenigstens für uns) unbedeutender Unterschied, daß lange Uebung dazu gehört, bevor man sich daran gewöhnt. Besonders durch die Vermittlung des Herrn v. Fischer wurde ich auf der ganzen Reise als auf Allerhöchsten Befehl Sr. kaiserl. Majeståt geschickter Reisender angesehen und als solcher dem botanischen Garten zugerechnet. Dadurch erhielt ich alle die Vortheile, welche ein solcher genießt, und daß diese nicht unbedeutend waren, wird die Folge lehren. Je weiter ich mich von der Hauptstadt entfernte, um so mehr fühlte ich, was es bedeute, auf Allerhöchsten Befehl eine Reise zu machen.

Der Weg von Petersburg bis Moskau beträgt über 700 Werst, oder (da 7 Werst ungefähr 1 geographische Meile be= tragen) über 100 geographische Meilen. Diligencen, welche von Privatpersonen oder Gesellschaften eingerichtet sind, gehen fast täglich hin und her. Außerdem kann man sich auch der gewöhnlichen Post bedienen, und kommt mit dieser, wenn man nicht besondern Störungen ausgeseßt ist, schneller zum Ziel. Die Diligencen stehen unsern Eilwågen nur wenig an Eleganz und Be= quemlichkeit nach und haben auch im Allgemeinen dieselbe Einrichtung, meist für 8, aber auch für 11 Personen. Beiwagen werden nicht geliefert, und wenn die Plåte vergeben sind, ist man gezwungen, einen oder mehrere Tage zu warten. Der Preis der Plåße ist måßig, im Cabriolet bezahlte ich nur 75 Rubel Banco, also ungefähr 221⁄2 Rthlr. pr.Ct., während für einen Plat im Innern (wenn ich nicht irre) 95 Rubel bezahlt werden mußten. Die Reisenden haben ganz über die Diligence zu verfügen, und können, wenn alle damit einverstanden sind, långer an einem Orte verweilen, als es sonst geschieht. Ein Conduc

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