Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

Empfindungen, die sich meiner irgendwo bemächtigt hatten, treulich niedergelegt. Oft saß ich bis spät in die Nacht auf einem Steine oder auf einem Baumstamme, den Tisch, aus einem Insecten - Kasten bestehend, auf dem Schooße und ein freundlicher Kaukasier leuchtete mir mit einem brennenden Kienspan zu dem, was ich niederschrieb. So hatten sich alle Erinnerungen, wie sie damals waren, in meinem Tagebuche erhalten und ich übergebe sie daher jezt unverändert aber geläutert und verglichen mit allem, was über den Kaukasus geschrieben ist.

Ein unbegreifliches Etwas trieb mich seit meiner ersten Jugend, als ich kaum die Kinderschuhe von mir geworfen hatte, nach den unbekannten Ländern des kaukasischen Isthmus, und alles was mir über ihn dargeboten wurde, verschlang ich mit einem Heißhunger, den nichts stillen konnte, als eine endliche Wanderung nach den dstlichen Ufern des schwarzen Meeres. Jahre lang trug ich den Gedanken in mir, bevor ich es nur wagte, ihn einer fühlenden Seele mitzutheilen. Alle die Mythen, welche die Griechen nach dieser ihnen zwar nahen, aber doch völligen terra incognita verseßten, reizten meine Wißbegierde um so mehr, je weniger es der neuern Zeit gelungen war, den Schleier zu lüften, womit der Kaukasus seit Jahrhunderten bedeckt ist.

Zuversichtlicher und froher kann nicht leicht Jemand eine so gefahrvolle Reise als ich angetreten haben, und doch fesselten mich zarte Bande an das theure Vaterland, das ich zwei Jahre lang missen wollte. Es war aber kein selbstsüchtiger Zweck, der mich bestimmte einen Theil der unbekannten Erde zu durchwandern, der mir Kraft gab die Mühen und Anstrengungen zu ertragen; die Wissenschaft war es allein, die mit ihrer ganzen hohen Kraft mich beseelte und mich kein Opfer scheuen ließ, das Land näher kennen zu lernen, aus oder über dem unsere Vors fahren ohne Zweifel hervorgegangen sind. Sollte auch das Land, was in naturgeschichtlicher Hinsicht so hohes Interesse hat, was der Geschichte und Linguistik so unendlich viel darbietet und manche ihrer großen Lücken aus

zufüllen vermöchte; sollte nicht das Land, das so viele Erinnerungen in seinem Schooße bewahrt, und sollten nicht seine Bewohner, die vielleicht einzig auf der Erde allen Stürmen der Welteroberer muthig troßten und in ihren Bergen sich eine zwar wilde, aber doch edle Freiheit bes wahrten, nicht im Stande seyn, das Interesse eines jeden, der der Wissenschaft und ihrem Forschen nicht fern liegt, in hohem Grade in Anspruch zu nehmen.

Wie weit ich die Aufgabe gelöst, die ich mir selbst gestellt, werden die folgenden Bogen zeigen. Mit mir selbst nicht zufrieden, übergebe ich sie nur schüchtern dem Gelehrten und Laien und die größte Belohnung wird mir dann werden, wenn mein Streben er und nicht verkannt wird. Das eigene Bewußtseyn sagt mir wenigstens, daß ich nichts versäumte, was mich dem Wissen nåher führen konnte. Ich war glücklicher als Diogenes mit der Laterne, und fand in den kaukasischen Ländern, die selbst in Rußland mehr als bei uns gefürchtet werden, viele Menschen und unter ihnen viele Russen, denen ein Herz für alles Gute empfänglich schlug. Ihnen bin ich unendlich dankbar, denn außerdem, daß sie auf alle Weise mir die Heimath zu ersehen versuchten, unterstüßten sie mich redlich in allen meinen wissenschaftlichen Bestrebungen und theilten mir ihre vielfachen Erfahrungen und Beobachtungen mit. Die Winter des Jahres 1836 und 1837 verlebte ich in Tiflis, dem Paris Transkaukasiens, und prüfte mit Sachverständigen alle Beobachtungen, die ich auf der Reise gemacht hatte. Kaukasier aus allen Stämmen fanden sich in dieser Hauptstadt ein und durch meine Freunde machte ich alsbald die Bekanntschaft vieler kaukasischen Eingebornen. Auf diese Weise gelang es mir eine Menge Nachrichten über den Kaukasus zu erhalten, die mir sonst fremd geblieben wåren.

Glücklich hatte ich alle Gefahren im ersten Jahre meiner Reise überstanden, glücklich war ich alle auch bei den Eins geborenen verrufenen Gegenden durchwandert; selbst die ungesunden Gegenden am schwarzen Meere, in denen sogar Hühner vom Fieber ergriffen werden, in denen die

**

Frostanfälle des Fieberkranken epileptischen Convulsionen gleis chen, in denen schon so viele Fremde ihr Leben aushauchten, vermochten nicht mit ihren unheilschwangern Dünsten mir zu schaden. So glaubte ich gegen alle miasmatischen und endemischen Einflüsse gesichert zu seyn. Rasch drang ich im zweiten Jahre vorwärts, und keine Schonung kennend, sehte ich mich in der Sandwüste des Araxes den brennenden Sonnenstrahlen unerschrocken aus. Am Fuße des Ararat, den ich in wenig Wochen zu ersteigen wähnte, und in der Nähe der Quellen des classischen Euphrat erfaßte mich aber das tückische Geschick, warf mich auf das Krankenlager nieder und hielt mich über 16 Wochen mit unerbittlicher Strenge auf demselben gefesselt. Doch wenn es ihm auch gelang die Kräfte des Körpers zu brechen, der Geist erhielt sich stark und unter Gottes Hülfe kam ich als ein Wunder nach Tiflis, wo man mich lange unter der Erde wähnte, zurück.

Nicht die Schmerzen und Leiden, die ich erduldet, nicht die betrübte Einsamkeit, in der ich gelebt, sind es, worüber jezt noch mein Herz klagt. Der Verlust an Gesammeltem und die kostbare Zeit, die mir geraubt wurde, rufen in mir die traurigen Erinnerungen jener Lage, die ich so fern ohne Nußen für die Wissenschaft vertrauern mußte, immer von neuem hervor und betrüben mich im tiefsten Innern um desto mehr, je weniger es mir mög lich wird, das Versäumte nachzuholen.

Neue Verhältnisse in meinem Vaterlande bestimmten mich, das mir theuer gewordene Kaukasien zu verlassen, und taub gegen die freundlichsten Aufforderungen Sr. Excellenz des Herrn Baron von Hahn, der damals für die kaukasischen Länder eine neue Verfassung zu entwerfen be auftragt war, zu bleiben, trat ich endlich meine Rückreise an und traf in der Mitte des Monats Mai 1838 wiederum in Jena ein, um wenige Tage darauf das Katheder zu besteigen.

Wenn ich auch selbst in den folgenden Bogen die Mångel und Unvollkommenheiten anerkenne, so glaubte ich doch nicht mehr zögern zu dürfen, die Resultate meiner

Reise bekannt zu machen und seßte deßhalb, um Zeit zu ge winnen, den größten Theil meiner Vorlesungen aus. Hoffent lich wird mir die wohlwollende Nachsicht aller Sachver ständigen zu Theil. Wer Reisen solcher Art gemacht hat, kennt die Schwierigkeiten mit denen man kämpfen, und die großen Opfer die ein Privatmann darbringen muß. Ohne die große Liberalität der russischen Regierung, die mich mit den besten und ehrendsten Empfehlungen versah und von freien Stücken mir Dolmetscher, Kosaken, Begleitung und sonstige Hülfe ohne alle Bezahlung abließ, håtte ich weit weniger thun können. Und doch war ich nur allein auf mich selbst gewiesen, und wenn mein Auge auch allenthalben herumspähte, wenn ich auch Abends die Verständigern des Orts, wo ich mich eben befand, um mich versammelte, so entging mir doch so vieles, worauf ich erst später aufmerksam wurde. Das Ein- und Umlegen der Pflanzen und das Tagebuch nahmen mir einen großen Theil der Zeit hinweg. Bei meinem Grundsaße, fern von den Städten das Volk kennen zu lernen, war ich auch den größten Entbehrungen ausgesezt und Monate lang wurde der nackte Boden mein Lager, ein Stein das Kissen, worauf ich mein Haupt legte. Wochen lang mangelte mir das Brod, woran wir zu sehr gewöhnt sind, um es nicht zu missen. Und wenn ich bis spåt in die Nacht gearbeitet hatte und nach Mitternacht mich nach Ruhe sehnte, waren Ungeziefer aller Art: Ratten, Mäuse, Skorpione, Taranteln, Fldhe und Läuse thätig genug, um mir diese zu rauben.

Mein nächster Zweck bei Bearbeitung der Reise war Gelehrten und Laien zu gleicher Zeit zu genügen; ich fand aber leider nur zu bald, daß die gelehrten und streng wissenschaftlichen Untersuchungen auch den regsten Eifer eines Laien und umgekehrt das Erzählen minder unbekannter Dinge die Geduld eines Gelehrten nicht minder zu ermåden vermögen. Das Buch selbst, das doch nur eine Beschreibung meiner wissenschaftlichen Reise seyn soll, wäre auch zu einer solchen Stärke angewachsen, daß es wohl im Stande gewesen, Gelehrte und Laien zu gleicher Zeit zu verscheuchen.

Mehrere Capitel, z. B. über Sitten und Gebräuche der Kals müken, Nogaier und Kosaken des schwarzen Meeres, die ich bereits eben so wie die der don'schen Kosaken bearbeitet hatte, eine allgemeine Ansicht des Kaukasus, Geschichte der Tscherkessen und Offen u. s. w. sind hier weggefallen, ich hoffe aber, daß es mir noch in diesem Jahre möglich wird, die gewiß interessanten und belohnenden Untersuchungen über die ethnographischen Verhältnisse des Kaukasus den Gelehrten vom Fache als geringen zweiten Beitrag zur Kunde des Isthmus zu übergeben.

Tscherkessien, das Land, das im hohen Grade die Aufmerksamkeit Europa's besißt und auch verdient, und die kaukasische Linie, die mit jenem aufs genaueste zusammenhångt, glaubte ich aber hier um so detaillirter beschreiben zu müssen, als beide selbst noch zum großen Theile unbekannt sind. Ihnen widmete ich während des Winteraufs enthaltes in Tiflis meine vorzüglichste Sorge, und die Bes kanntschaft mit einer Menge Officiere, die gegen die Tscherkessen gestritten, und mit vielen zum Theil sogar feindlichen Tscherkessen sezte mich in den Stand eine Monographie derselben in der Weise, wie es hier geschehen, zu liefern. Ich hoffe dadurch, daß die vagen Begriffe über Tscherkessien fest bestimmt sind.

Wenn der erste Band deßhalb nur meine Reise bis Wladikaukas enthält und scheinbar zu dem zweiten in ein Mißverhältniß kommt, so ist eben die Ursache in der monographischen Beschreibung Tscherkessiens und der Linie zu suchen. Auch durchreiste ich die ciskaukasischen Länder ein Jahr später zum zweitenmal, habe aber alle Beobachtungen dieser spåtern Zeit des Zusammenhanges halber schon in dem ersten Bande niedergelegt. Dieser enthält daher Ciskaukasien und Tscherkessien, der zweite Band dagegen wird Offien und Transkaukasien in sich fassen.

Jena, im März 1842.

Karl Koch.

« VorigeDoorgaan »