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mit bei den Festen, beteiligen sich selbst an den Vergnügungen, welche die alten Liebesgötter beschützen. Machen sie doch auch die weniger amüsanten Überlieferungen des Heidentums willig mit. Der gottesfürchtige Priester der orthodoxen Kirche hält es mit dem Glauben vereinbar, sich über ein Feld hinziehen zu lassen, um dem Bauer die Gewißheit zu verschaffen, daß durch diesen magisch-religiösen Akt Gott sich bewegen lassen werde, die Runkelrüben dicker und größer wachsen zu lassen. Freudig legt der Pope sein Haupt in des Bauern Schoß und läßt sich einige Haare ausrupfen, damit durch deren Verbrennung bei entsprechender Beschwörungsformel das Gedeihen des Flachses gefördert werde.1) Wenn es gilt dem Wüten der Rinderpest Einhalt zu tun2); so sieht man selbst im Mittelpunkte des Reiches, also in den Gouvernements um Moskau herum, die ländliche Bevölkerung zu den Riten der heidnischen Ahnen zurückkehren: Dann machen sich die Weiber auf, um durch das Umpflügen die Seuche zu bannen. Die Alten gehen halbnackt mit den Heiligenbildern voraus, die Mädchen aber werden, so wie Gott sie erschaffen hat, vor einen Pflug gespannt und ziehen mit ihm dreimal um das Dorf herum eine Furche, einen Schutzgraben, über den die Seuche nicht hinüber kann. Nützt das Werk der Weiber nicht, dann wissen die Männer ein anderes Mittel: Sie machen eine Strohpuppe als Identifizierung der Seuche, binden die Puppe mit einer Katze oder einem Hunde zusammen, ziehen in Prozession zum Flusse unter Voranschreiten des Popen, der in seiner festlichen Tracht an der Ersäufung der Seuchenpuppe und der Seuchentiere teilnimmt und die heilige Handlung des Aberglaubens nach kirchlichem Ritus segnet.

Die Kirche der Orthodoxie duldet nicht bloß die Opferung von Stieren und Böcken bei den Burjäten gelegentlich des Festes am Tage des Propheten Elias (am 20. Juli), sondern sie läßt diese Opferung auch in der Umzäunung der Kirche vornehmen, und das gekochte Fleisch der Opfertiere wird zur

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Hälfte an die Bauern, zur anderen Hälfte aber an die Priester und Kirchendiener verteilt.1)

Von der Opferung eines Tieres bis zur Opferung von Menschen ist in diesem heidnisch-orthodoxen Rußland nur ein einziger Schritt. Und wir sehen tatsächlich die Kirche auch bei Menschenopferungen und Ermordungen von Zauberern assistieren. In alten Zeiten wurden in Rußland Hexen mit Vögeln, Katzen und Hunden zusammengebunden und lebend in den Fluß geworfen oder in die Erde verscharrt. Nicht immer wird heutzutage die Krankheitshexe durch eine Strohpuppe ersetzt, wie wir es vorher gesehen haben. Allzuoft wird noch dieselbe Zeremonie mit lebenden Menschen und Tieren wiederholt; vielleicht daß man eher mit den Tieren Mitleid hat als mit den Menschen; und wenn der Pope mit dem Kreuze erscheint, so geschieht dies nicht, um das Verbrechen zu verdammen, sondern die Handlung zu heiligen.

Glaubt das Volk, daß ein Vampyr im Dorfe umherschweife, so zieht es mit dem Popen an der Spitze zum Grabe des Vampyrs, holt die Leiche hervor und durchstößt sie mit dem Eschenholzpfahle, nachdem der Pope seine Genehmigung und seinen Segen dazu erteilt hat.

Und stehen nicht die Popen und Nonnen selbst den heidnischen Zauberern und Hexen näher als Priestern einer christlichen Kirche? Vor zweihundert Jahren schrieb ein deutscher Reisender 2): „Es werden selten / sonderlich unter vornehmen Leuten Heyrathen vollzogen/ wo nicht einige Zauberey mit vorgehet die man unter anderen denen Nonnen schuld. giebet welche ihr vornehmstes Geschäfft darmit treiben." Das ist heute nicht anders, nicht besser jedenfalls. Das Hauptgeschäft der orthodoxen Priester und Nonnen ist der Handel mit Aberglauben, Verbrechen und Unsittlichkeit.

Was ist hier Religion? Baron Herberstein erzählt, daß Großfürst Iwan Danilowitsch deshalb Moskwa zu seiner ständigen Residenz machte, weil dort die Gebeine des heiligen wundertätigen Alexej ruhten. Als Peter der Große seine Resi

1) Löwenstimm a. a. O. 10.

2) Reise nach Norden. 1705. S. 130.

denz an die Newa verlegte, jammerte Rußland, das könne nicht Glück bringen, weil in der neuen Hauptstadt keines Heiligen Grab sich befand. Und Peter der Große, der das Patriarchat abschaffte, die Zauberei bekämpfte, den Bart rasierte, ließ eilig die Gebeine des heiligen Alexander Newsky von Wolodimir nach Petersburg mit feierlichstem Pomp überführen, um das Gedeihen der neuen Hauptstadt zu sichern. Was ist Sünde? Nicht ehebrechen, huren, rauben, morden, lügen. Aber Sünde ist es, wenn eine Frau, die ihre Menstruation hat, ein Heiligenbild berührt; und Sünde ist es, wenn man in der Kirche freiwillig oder unabsichtlich einem Heiligenbilde den Rücken zukehrt.

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