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im Gegensatz zu den Mönchen, der schwarzen Geistlichkeit 1), ist verheiratet. Der Pope hat also eine Familie zu ernähren von dem Ertrag eines winzigen Ackers, den er gleich dem erstbesten Muschik selbst bearbeiten muß. Da sieht man den Popen armselig und barfuß neben seinem wackligen Karren und seinem abgemagerten Klepper einherhumpeln oder auf dem Stückchen Feld, das er bebaut, die Furche mühsam mit dem primitiven Ackergeräte ziehen. Sein Los kann niemals besser werden, denn die höheren Stellungen in der Kirche sind den Ehelosen, den Schwarzen vorbehalten, den Mönchen. Der Pope bleibt ewig Pope, und diese Armut und dieses Elend sind vererblich durch alle Generationen: Popensöhne werden wieder Popen; und kommt es auch vor, daß manche in den Bauernstand zurückkehren, so ist es äußerst selten, daß ein Popensohn etwas Besseres wird, sich der Misere der väterlichen Scholle entreißt und aufwärts klimmt auf fremdem Bildungsboden zu glänzenderem Berufe. In vieler Beziehung ist der Pope noch schlimmer daran als der ärmste Muschik. Hat der Seminarist nach einer Jugend voller Prügel und Entbehrungen die armselige Bildung des Internats erworben, so muß er sich verheiraten, ehe er Pope werden und diesen kärglichen Lohn seiner jahrelangen Leiden erhalten kann; aber die Wahl seiner Lebensgefährtin ist nicht seinem freien Willen anheimgestellt, sondern der Bischof sucht ihm unter den Popentöchtern eine Gattin aus. Nach der Heirat erhält der Pope die Weihen. Und die ihm vom Zufall geschenkte Gattin muß er hegen wie seinen Augapfel, denn die Kirche, die nur dem verheirateten Popen ein Amt gibt, entzieht es dem verwitweten und zwingt den Witwer, da ein Priester sich nur einmal verehelichen darf, Laie zu werden oder ins Kloster zu gehen.2)

1) Die Mönche tragen stets ein langes schwarzes Gewand, die Popen dagegen nie ein schwarzes, sondern ein braunes oder anderes dunkelfarbiges Kleid.

2) Zu Zeiten Alexanders des Ersten erhielt jedoch Sambursky, Kapellan der Großfürsten Nikolaj und Konstantin, ausnahmsweise die Erlaubnis nach dem Tode seiner Gattin seine Pfarre zu behalten. Sambursky galt übrigens bei den Geistlichen und strengen Orthodoxen als Ketzer, weil er sich anläßlich einer Reise nach England den Bart abrasieren ließ und auch nach seiner Rückkehr bartlos blieb.

Mit der Frau, die ihm sein Bischof ausgesucht hat, hängt der Pope also im Leben wie im Tode zusammen. Wie durch frühzeitiges Sterben kann die Popenfrau auch durch ein unsittliches Leben ihrem Gatten seine Stellung verderben. Der Pope selbst mag ein Trunkenbold, Wüstling, liederlich, unsauber sein, so schadet es ihm in seinem Amte wenig; lastet aber auf der Popin nur der geringste Verdacht eines unreinen Lebenswandels, so ist es um seine Stellung geschehen. Nicht der Pope, sondern die Popenfrau hält durch ihre eheliche Treue die Würde des Priestertums aufrecht. So verkommen und sittenlos oft der Pope ist, so selten ist der Fall einer sittenlosen Popenfrau. Glaubt ein Pope Grund zu Besorgnissen im Punkte der Treue seiner Gattin zu haben, so zeigt er bloß auf seinen Bart und gibt durch ein Zeichen gleich einem Scherenschnitt zu verstehen, daß die Verkürzung des Bartes drohe1) als Symbol der priesterlichen Unwürdigkeit, und die Gattin kehrt sicher nicht mehr ab vom Wege der Tugend. So schleicht des Popen Leben in einem ewigen Zittern um den Verlust selbst dieser trostlos armseligen Existenz hin. Hat der Pope zahlreiche Kinder, so wachsen die Sorgen ins Endlose. Vergebens plagt sich dieser traurige Diener Gottes ab mit seinen Händen in den freien Stunden, die der Kirchendienst und das Wirtshaus ihm lassen, dem Acker der Pfarrei in erschöpfendem Fronen einige Früchte abzugewinnen; der Lohn selbst des härtesten Fleißes reicht nicht aus für die vielen Hungernden in der kleinen Popenstube, und der Priester wird von den nach Brot verlangenden Schreien seiner Kinder getrieben, zu den Mitteln Zuflucht zu nehmen, welche seit jeher üblich waren: Vergehen und Verbrechen zu absolvieren für Brot und Schnaps, den Diebstahl im Namen Gottes für einige Eier, und einen Todschlag für eine Anzahl Hühner oder eine Kuh zu verzeihen. Gerne bringen die Schuldigen solche Opfer, um ihr Gewissen zu erleichtern, und der Pope, der zur Erkenntnis gelangt, wie bequem er leben könnte, wenn er den Aberglauben und die Dummheit ausbeutet, scheut vor keiner Gelegenheit zurück, die ihm Linderung seines Elends

1) Dupré de St. Maure, St. Pétersbourg, Moscou et les Provinces. I 107.

verheißt. Bald erfindet er dann selbst neue noch nie dagewesene Gelegenheiten und schließlich hat er für alle möglichen Fälle einen Preistarif aufgestellt, dessen Höhe allerdings Schwankungen unterliegt, je nach der lebhafteren oder schwächeren Nachfrage. Das Priestertum wird zur Ökonomie, der Glaube zum Schacher, der Aberglaube ein Lebensmittel.

Nicht als ob er moralische Bedenken hätte, solchem geistlichen Hirten zu folgen, zeigt der Muschik eine offene Verachtung des Popen, dem er zwar die Hand küßt, weil es so Gebrauch ist, den er aber schlägt, wenn er mit ihm im Wirtshaus trinkt. Die Ursache dieser Verachtung ist vielmehr darin zu suchen, daß der Muschik im Popen nur dann, wenn er ihn für seine dunklen Triebe als Heilarzt, für seine Betrügereien als Fürbitter bei Gott und den geheimnisvollen Mächten der abergläubischen Phantasie braucht, ein um ein Geringes höheres Wesen erkennt als er selbst ist. Sind diese Gründe nicht vorhanden, so erscheint der Pope dem Muschik nicht mehr als eine höhere Menschenspezies, nicht einmal als ein dem Bauern gleichgestelltes, sondern als ein noch tiefer stehendes, geradezu als ein unreines Wesen. Man könnte fast sagen, der Muschik sehe in seinem heidnischen Gemüte den Popen wie einen Zauberer an, dem man auch sich vertrauensvoll zuwendet, um seine Wunder zu Vorteilen zu genießen, den man jedoch im übrigen als einem unreinen Geschöpf aus dem Wege geht; dem man in einem unbestimmbaren Schauer Ehrerbietung erzeigen, aber hinterdrein ein Kreuz zur Erleichterung nachschlagen muß. Begegnet man im Augenblick, da man eine Reise antritt, allzuerst einem Popen, so ist dies ein übles Vorzeichen, man speit aus, um das drohende Unheil abzuwenden, und tut am klügsten, die Reise aufzugeben. Man könnte vielleicht sagen, daß auch in anderen Ländern, wo der Klerus gebildeter ist und Achtung genießt, ein Zusammentreffen mit Geistlichen im Eisenbahnzuge oder auf dem Schiffe dem Aberglauben als gefahrbringend erscheint und daß es sich in Rußland um nichts anderes handeln dürfte, als um ein Echo dieses allgemeinen Aberglaubens; aber zweifellos hat die Scheu des Muschiks vor dem Popen einen tieferen und durch

aus sozialen Grund: dies geht auch daraus hervor, daß eine Bauernfamilie sich mit einer Popenfamilie nicht verschwägert; selbst die leibeigenen Bauern in früheren Zeiten verschmähten eine Ehe mit Popentöchtern oder weigerten sich ihre Töchter Popensöhnen zu geben. Die Popenfamilien, aus dem Bauernstande hervorgegangen, gelten dem Muschik mithin nicht als etwas besser, sondern als noch schlechter Gewordenes. In den geheimen erotischen und obszönen Erzählungen, Liedern und Sprichwörtern am Schlusse meines Buches1) werden wir sehen, wie das Volk dem Popen die erbärmlichsten Streiche in die Schuhe schiebt, ihn der größten Dummheiten zeiht und ihm die Ausübung der furchtbarsten Unzucht zuschreibt.

Die Religion und die Regierung, und als Handlangerin der letzteren die obere, die schwarze Geistlichkeit: sie tragen die Schuld, daß der niedere Klerus, das Popentum, einer solchen allgemeinen Verachtung des Volkes preisgegeben ist. Der Muschik sieht seit tausend Jahren, daß der Pope von seinen Vorgesetzten genau so rücksichtslos geknutet und gepeitscht wird, wie der Bauer von dem Gutsherrn. Die Regierung will den Popen nicht anders haben als er ist, überwacht das Popentum ängstlich durch Spione, um jede Regung menschlicher Gefühle zu unterdrücken, um jedes Verlangen nach Bildung und Freiheit im Keime zu ersticken, und seit aus dem Popenstande trotz aller Fesselung gar in Gapon ein Revolutionsführer hervorgegangen, ist dieses System der Knechtung noch maẞlos verschärft worden. Man hat in den letzten Jahren der Wirren unter den Popen und Popensöhnen strenge Musterung gehalten.

Katharina II. und Nikolaj I. haben, als sie im Popentum einen widerspenstigen Geist wahrnahmen, der die Ketten der Sklaverei zu sprengen drohte, aus den frommen Hirten der Gemeinde Artillerie-Bataillone gebildet und diese den Feinden als Kanonenfutter hingeworfen; Nikolajs des Zweiten frommmystisches Gemüt aber duldet nicht den Gedanken, die Künder des göttlichen Friedenswortes zu blutigem Kriegshandwerk zu pressen; und so werden die verdächtigen Popen scharenweise

1) II. Band, 60. Kapitel.

Stern, Geschichte der öffentl. Sittlichkeit in Rußland.

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bloß nach Sibirien geschleppt, um unter Burjäten und Ostjaken das Lob des Zaren und die Herrlichkeit des russischen Christentums zu singen. Die Popen waren niemals Erzieher ihres Volkes, nun werden sie unfreiwillige Märtyrer für seine Freiheit.

8. Unsitten im Mönchstum.

Weißer und schwarzer Klerus

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Bischöfe und Mönche

Kontraste Reichtum der Kirchen und
Stellung des hohen Klerus im

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Unordnungen im

Klöster Konfiskation der Klöstergüter
Rußland vergangener Zeit Die Metropoliten Berühmte und gelehrte
Patriarch Nikon Abschaffung des Patriarchats
Der Heilige Synod Die Stellung des Oberprokurators
Synod Einflußlosigkeit auch des Mönchstums und des hohen Klerus auf
Bildung und Kultur Die Bildung im kleinrussischen Klerus Bedeutungs-
losigkeit des russischen Mönchstums — Urteile über die schwarze Geistlichkeit ——
Die Ehelosigkeit der Klosterleute Unzucht in Klöstern Klagen des Zaren
Iwan im Stoglaw Kebsweiber, halbe Priesterfrauen

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Gemeinsames Baden

von Mönchen und Nonnen - Sodomie in Klöstern Peters des Großen Klosterreformen Ihre Resultatlosigkeit - Ein Kloster als Verbannungsort - Regeln der Frauenklöster Nichtachtung dieser Regeln Schlechter Ruf der russischen Nonnen Nonnenklöster als Bordelle kloster - Elisabeth als Frömmlerin und Messalina sabeth im Troitzkakloster Sadismus an heiliger Stätte Erotische Raserei und Flagellationstollheit im Mönchstum Die Männertöterin Darja Saltykow

Folgen der Demoralisation des Klerus klöstern des neunzehnten Jahrhunderts kommenheit der Klosterleute

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Tingeltangel im Nonnen

Orgien der Zarin Eli

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Unzucht und Mord in NonnenAllgemeinheit der sittlichen VerParallele zwischen der Sittenlosigkeit im russischen Mönchstum und im kalmückischen Priestertum.

Der Pope verhungert; die weiße Geistlichkeit, der gesamte niedere Klerus, stirbt in Elend und Verkommenheit; die Kirche aber ist unermeßlich reich, und der schwarze Klerus, das Mönchstum, erstickt in seinen Schätzen. Kein größerer Kontrast ist denkbar als der zwischen dem armseligen Popentum und dem prunkenden Mönchstum; zwischen dem Priester auf der niedrigsten Stufe und dem Bischof oder Erzbischof; zwischen der Bettelhaftigkeit des Dorfpfarrers und dem Glanze, den eine Fülle von Gold, Silber und Juwelen in den Kirchen ausströmt. Eine betäubende Pracht ist es, welche die schwarze Geistlichkeit und die Kirche bei den geringsten Anlässen ent

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