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Zweck. Statt der wenigstens anscheinend andächtigen Gesänge gibt es nur noch obszöne Lieder, die unverhüllt zu fleischlicher Vermischung auffordern, oder Vorträge solcher Bibelstellen, die sich auf die Geschichte Loths und seiner Töchter, auf das Harem Salomos und andere Schlüpfrigkeiten beziehen.1) In einer Skakunygemeinde zu Rjäsan forderte die Muttergottes mit folgendem Liede die jungen Mädchen auf, sich an der Liebe des Heilands zu ergötzen:,,Nahet euch, ihr Bräute, sehet, der Bräutigam kommt, euch liebend zu umfangen. Lasset euch nicht vom Schlafe übermannen, wachet, ihr Töchter, und lasset euere Lampen brennen!" Ihre Hauptversammlungen halten diese Sektierer gewöhnlich zu Ostern in der Nacht von zwölf Uhr angefangen. Charakteristisch ist, daß bei allen Schiffen oder Gemeinden der Chlysty, Skakuny oder Pryguny ein Wassergefäß in der Mitte des Saales aufgestellt wird. Ob dies eine besondere Bedeutung hat, oder nur zur Erfrischung der Tanzenden, Hüpfenden und Springenden dienen soll, bleibt eine offene Frage. Nach dem Tanzen, Hüpfen und Springen werden bei einigen Gruppen dieser Sekten die Lichter verlöscht 2) und es beginnt das Sündigen im

1),,Sie verachten den Körper, den sie in ihrer manichäischen Denkungsart oft geradezu als Schöpfung des Teufels betrachten, so sehr, daß sie sich als plumpe Mystiker leicht überreden, die von Gott nach seinem Ebenbilde geschaffene Seele könne überhaupt durch keine noch so unreine Handlung des Körpers befleckt werden." Leroy-Beaulieu III 444.

2) Jonas Hanway gibt nach Olearius und Otter in der,,Beschreibung seiner Reisen von London durch Rußland und Persien", Hamburg und Leipzig 1754, I 283 folgende Schilderung einer ähnlichen mohammedanischen Sekte, welche Moum Seundurain oder Auslöscher der Lichter genannt wurden:,,Diese sind das Gegenteil von den römischen Matronen, die den geheimen Gottesdienst der Bona Dea verwalteten, welchen es für die größte Unheiligkeit angesehen wurde, Mannspersonen in ihre Gegenwart zuzulassen. Zu den Gebräuchen der Moum Seundurain sind beyde Geschlechter nothwendig. Diese versammlen sich, essen und trinken tapfer, löschen unter tiefem Stillschweigen und mit großer Feyerlichkeit ihre Lichter aus, verwechseln ihre Stellen durch einander, und werfen alle Vorzüge vernünftiger Creaturen bey Seite. Obgleich die mohammedanische Religion vor allen anderen Religionen in der Welt ihren Bekennern den Venusdienst nachsieht: so ist doch diese Secte mehr als einmal verfolget worden, und wird von den Mohammedanern gar sehr verabscheuet."

Gedränge1): jeder Mann sucht eine Frau zu ergreifen, um sich mit ihr zusammenzuwälzen, wie sie sagen. Nach ihrer Meinung ist auch die Blutschande keine Sünde. Man findet die. Springer und die Hüpfer hauptsächlich in der Umgebung von Petersburg und ist deshalb vielfach der Ansicht, daß ihre Urheimat in Finnland sei. Eine positive Berechtigung zu solcher Annahme ist von niemandem erwiesen worden. Die Skakuny wurden zuerst unter Alexander I. erwähnt, der sie aufs strengste verbot. Aber sie tauchten bald wieder massenhaft auf. Im Jahre 1867 ließ ihnen Alexander II. neuerdings den Prozeß machen, weil man entdeckt hatte, daß sie nicht bloß Unzucht trieben, sondern auch Kinder mordeten. Durch diese Handlungen grenzen die Skakuny an jene furchtbaren Sekten, die im nächsten Kapitel vorgeführt werden.

12. Selbstverstümmler und Skopzen.

Die Religion der Ehelosen - Das Weib vom Teufel geschaffen

Verwerfung

der Zeugung Ausschweifungen gottgefällig Die Sekte Seraphims Hurerei Religionsgesetz Freie Liebe

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Die Schaloputy oder närrischen Käuze - Frau und Mann im Geiste Bauer und Arbeiter in ihrer Stellungnahme zur Ehe Lehre des Propheten Korilin, daß Sodomie gottgefällig Los der unehelichen Kinder Kindermord Die Skopzy oder Verschnittenen Origines Die Valerianer Die Gebern Infibulation des Zeugungsgliedes Legenden der Skopzy Des Propheten Sseliwanow wahre Lebensgeschichte Die Gottesmutter Akulina Iwanowna Die Lehren der Skopzy — Kastration Religionsgesetz Versammlungen der Skopzy Arten ihres Tanzes Sadistische Orgien Feuertaufe und Beschneidungstaufe Grade der Reinheit Arten der Operation — Ersatz des Zeugungsgliedes Verstümmlungen der Brüste und der Geschlechtsteile der Frauen - Die Rekruten der Skopzensekte Die Zahl ihrer Anhänger Vermehrung durch Propa

ganda Verheiratete Skopzen - Prostitution der Skopzenfrauen gestattet Gekaufte Kandidaten der Kastration Kindermord als Kulthandlung

blutige Abendmahl Neue Märtyrer

Die Kindermörder

Die Feodosianer

Das

Opferung der Muttergottesbrust Waisenhäuser für die Kinder der Die Würger Die Lebendverstorbenen Die unter dem Boden Lebenden Mördersekten Die Kitzler mördersekten

Feodosianer Die Totschläger

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1) Man hat hierfür den speziellen Ausdruck: евальный гр‍áxь.

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Wir sind auf der tiefsten Stufe des russischen Sektenwesens angelangt; und stehen an dem unermeßlichen Abgrund menschlicher Barbarei, vor den grausamsten Rätseln, die Wahnsinn und Unsittlichkeit in innigem Bunde jemals gezeugt haben. Fast möchte man an Methode im Wahnsinn, an Konsequenz in den sexuellen Verbrechen glauben. Denn folgerichtig entwickelt sich eines aus dem anderen; an die Verachtung aller moralischen und bürgerlichen Gesetze, an die Beseitigung der Kirchenzeremonien, der Kirchen und des Priestertums reihen sich die Abschaffung der Ehe, die Proklamierung der zügellosen geschlechtlichen Freiheit; zum Schlusse gelangt man zur Verneinung des geschlechtlichen Verkehrs überhaupt, zur Verstümmelung der Geschlechtsteile, zur Vernichtung der Zeugungsfähigkeit, zu Kindermord, Mord und Selbstmord. Und allen diesen Prinzipien gemeinsam ist das Erotisch-Sadistische. Es gibt Sekten, die jeden Verkehr zwischen Mann und Weib verdammen, die weder von einer ehelichen, noch von einer außerehelichen Liebe etwas wissen wollen; ihnen ist nicht bloß die Ehe ein Greuel, sondern das Weib an sich ein unreines, vom Teufel geschaffenes Wesen1), mit dem man keine wie immer geartete Berührung haben soll. Aber auch diese asketisch angehauchten Sektierer erliegen der fleischlichen Versuchung, sobald sie an sie herantritt, und trösten sich dann

1) Ein alter Gedanke der Gnostiker und Manichäer. Schon die Ketzerpropheten Andronicus und Severus im zweiten Jahrhundert verwarfen den Ehestand unter dem Vorgeben, an einem Weibe sei nur der obere Teil bis zum Nabel von Gott, der untere Teil aber vom Teufel geschaffen worden. Die Paterniani oder Venustiani des fünften Jahrhunderts spannen den Gedanken weiter und erklärten: Die unteren Teile sowohl der Weiber wie der Männer sind vom Teufel geschaffen; diese Sektierer folgerten daraus, daß Geilheit und Ausschweifung nicht Sünde seien, und lebten so unzüchtig, daß man ihnen den Beinamen gab: Ethioproskoptae, Sittenverhöhner. Am weitesten ging der spanische Sektengründer Priscillianus, der die ganze Welt als vom Teufel geschaffen ansah, daher den Ehestand verwarf und die Unzucht zum Gesetze erhob. Er wurde wegen furchtbarer sexueller Verbrechen, die er als Gebote seiner Religion erklärte, hingerichtet.

leicht mit dem Gedanken, daß sie in solchem Falle das kleinere von zwei Übeln gewählt haben: die gröbste Ausschweifung, sagen sie, ist noch immer verzeihlicher als die reinste und beste Ehe; wer eine Ehe eingeht, ist unauflöslich an die Sünde gefesselt, wer aber einer vorübergehenden noch so schlimmen Ausschweifung sich ergibt, dem bleibt die Möglichkeit offen, durch Einkehr und Buße die momentane Verirrung wieder gut zu machen. Diese so seltsame Askese, diese strenge Lehre der Verwerfung der Ehe bedeutet also nicht gleichzeitig ein Gebot der Enthaltsamkeit, ein unbeugsames Gesetz ernstei Zucht und Sittsamkeit.

Aus dem Schisma entwickelt sich als letzte Wirkung der religiösen Entartung der Kultus rohester Sinnlichkeit; das Dogma der orthodoxen Kirche wird ersetzt durch ein System von wilden Ausschweifungen, worin kein Platz mehr ist für fromme Zeremonien, sondern Platz nur für die Riten der Obszönität. Wenn die Orthodoxen ihre Seligkeit im Nebel des Weihrauchs zu sehen vermeinen, so finden die Sektierer, die wir jetzt kennen lernen werden, ihr Glück im Dunste, den der Wollustfanatismus erzeugt. Der Mystizismus beherrscht die Kirche wie den Raẞkol; in der Kirche verwirrt er aber bloß die Seele oder die Phantasie; im Sektenwesen verwirrt er das Herz, erzeugt er die Verderbnis des Fleisches. Mit derselben Innigkeit, Verzückung, Rauschigkeit, mit welcher der Orthodoxe vor dem Bilde der Muttergottes kniet, betet der Sektierer zu der in Fleisch und Blut vor ihm stehenden heiligen Jungfrau, die er sich selbst erkoren hat, und berauscht sich an den Genüssen dieser Welt, indem er sich in seinem systematischen Wahn dadurch die Seligkeit der anderen Welt zu gewinnen glaubt. Man verwirft brutal die Ehe1) und hei

1) Die Gnostiker und Manichäer betrachteten fast durchweg die Verwerfung des Ehestandes als das Hauptprinzip ihrer Lehren. So dachten die Tatiani oder Encratitae und die sogenannten Abstinenten, spanische und französische Ketzer des dritten Jahrhunderts. Die Aginnenser im siebenten Jahrhundert leugneten, daß der Ehestand jemals von Gott eingesetzt worde n. Die Engelsbrüder, eine Abart der Böhmisten, erklärten: ihrer Engelsnatur sei der Ehestand zuwider. Basilides lehrte zur Zeit des Kaisers Hadrian, daß man der Ehe jede unordentliche Vermischung vorziehen solle. Die Eusta

ligt den unreinen Koitus, man predigt die Ehelosigkeit und erhebt die Weibergemeinschaft zum Gemeindegesetz.

Völkern, die sich noch im Stadium der primitiven Kultur befinden, erscheint die Zeugung häufig als eine gewissermaßen religiöse Handlung, als ein von der Natur festgestellter, von dem Himmel geheiligter Akt, der die Fortpflanzung der Menschen sichert. Aber ein solcher Satz könnte nicht auch auf die russischen Sektierer, von denen wir jetzt sprechen, angewendet werden. Denn diese Fanatiker der Wollust verwerfen nicht bloß die Ehe, sondern verabscheuen auch die Zeugung. Sie wollen durch Verbrechen und Kindermord die Fortpflanzung der Menschheit verhindern. Der Geschlechtsakt ist ihnen nur ungezügelter Genuß, keineswegs Kulthandlung. Im Jahre 1872 wurde in Pskow von dem aus einem Kloster entsprungenen angeblichen Mönch Seraphim1) eine Sekte mit folgendem Programm gegründet: Im Sündigen allein ist das wahre Seelenheil zu finden, denn je mehr man sündigt, desto ruhmvoller wird das Verdienst des Erlösers. Hier versucht man nicht einmal mehr die Schamlosigkeit zu verhüllen. Das Sektenwesen solcher Art hat mit der Religion nichts mehr zu schaffen. Das sind keine Schismatiker, die sich von der Kirche aus theologischen Gründen getrennt haben, sondern Nihilisten,

thiani im vierten Jahrhundert wollten in Häusern, wo Eheleute wohnten, nicht beten und sprachen niemals mit Verheirateten.

1) Leroy-Beaulieu III 487 berichtet von Seraphim, daß er sich mit Vorliebe an junge Mädchen heranmachte und ihnen die Haare abschnitt, angeblich um sie zu verkaufen; es dürfte sich aber wahrscheinlich um einen Fall von Fetischismus gehandelt haben. Vermutlich von demselben Seraphim ist auch bei Еарковь die Rede (in dem schon erwähnten Buche: 26 московскихъ лже-пророковъ usw. usw. Москва 1865, стр. 150—154: Отецъ Сераимь). Hier wird erzählt, daß der Bauer Jermil Ssidorow aus dem Dorfe Wesnowatka im Gouvernement Woronesch 1859 seine Frau und sein Haus im Stich ließ und im Mönchsgewand unter dem Namen Vater Seraphim als Lügenprophet von Ort zu Ort zu wandern begann. Er zeigte alle möglichen Zauberkunststücke, konnte sich verwandeln, bezeichnete sich unverwundbar und fand viel gläubige Gemüter, die ihn als Heiligen ansahen. Namentlich von den Frauen wurde er stets gastfreundlich aufgenommen. Wegen verschiedener Schwindeleien mußte er aus dem Gouvernement Woronesch flüchten; er scheint die Zeit bis 1872 in einem Kloster zugebracht zu haben. Karriere ist typisch für die der meisten russischen Sektengründer.

Seine

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