Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

noch fort. Im Jahre 1817 begab sich Araktschajew nach Orenburg, um im Auftrage des Zaren Alexander1) die Bauern nach Peterschem Rezept zu zivilisieren: durch Uniformen. Am 13. Juni des genannten Jahres schrieb Araktschajew an den Zaren die Uniformierung gehe von statten, wer sich widersetze, werde geknutet und erhalte die Batogi;,,die Haare scheren und den Bart abschneiden will ich noch nicht, das wird später von selbst kommen." Aber es kam nicht von selbst, und am 17. Juni wird dem Zaren von Araktschajew berichtet:,,Das Scheren und Bartschneiden hat begonnen!" Die Reform ging mit solcher Gewalt vor sich, daß allgemeines Entsetzen herrschte. Die Bauern, meist Altgläubige, petitionierten an die Obrigkeit, daß man ihnen,,die abgeschnittenen Bärte wenigstens zur Aufbewahrung zurückgeben sollte, damit sie bei der Auferstehung nicht fehlten." Die Barbiere willigten ein und überlieferten die abgeschnittenen Bärte den Bauern gegen eine besondere Taxe. Später kam ein obrigkeitlicher Befehl, daß die Bärte unentgeltlich ausgefolgt werden sollten; auch gestattete man den Greisen das Beibehalten des Bartes. Einige der Altgläubigen trugen auf Anweisung ihrer Lehrer, um Gottes Zorn wegen des geopferten Bartes von sich abzuwenden, eiserne Ketten auf dem bloßen Leibe, also als eine Art Selbstgeißelung. Bei einer Exekution kam dies zutage, und das Kettentragen wurde bei Strafe verboten.2)

Wenn der Bart für Rußland wirklich das Symbol der barbarischen Vergangenheit ist, wie Peter der Große gemeint, dann hat der Barbier als Erzieher seine Rolle schlecht gespielt, dann ist Rußland heute wieder da, wo es Peter vorgefunden hat.

1) Im europäischen Rußland scheinen damals die langen Bärte kaum mehr in Mode gewesen zu sein. Ich zitiere das Zeugnis des Arztes Wichelhausen (Züge zu einem Gemählde von Moskwa 1803):,,Kein Edelmann trägt mehr einen Bart. Auch die meisten angesehenen Kaufleute und die Bedienten der Kaufleute haben in diesem Punkte die Gewissenskrupel überwunden" Wichelhausen machte auch die Bemerkung,,,daß sich der Bart und die Mannbarkeit in Moskwa früher entwickele als in Deutschland.“

2) Vgl. Theodor Schiemann, Geschichte Rußlands unter Kaiser Nikolaus I. Band I: Kaiser Alexander I. und die Ergebnisse seiner Lebensarbeit. Berlin 1904. Seite 459 und ebenda Anmerkung 2.

Man zeigte1) einem Raskolnik, der zum Militär eingerückt war, den Kaiser Alexander den Zweiten:,,Dies ist kein Zar,“ sagte der Rekrut,,,er trägt nur einen Schnurrbart! Er hat eine Uniform, einen Degen wie alle Offiziere; das ist ein General so gut wie jeder andere." Für diese Anbeter der Vergangenheit, diese Anhänger des Zeremoniells ist der Zar ein Mann mit langem Barte, in langem weiten Gewande, wie er auf den alten Bildern abkonterfeit ist. Für sie war der wahre Zar Alexander der Dritte, der seinen langen Bart pflegte, bei Tische in der russischen Bluse und mit dem Gürtel erschien, und nicht einmal im Schlafe davon träumte, die Bahn des Fortschritts zu betreten.

[ocr errors]

3. Dekorative Bildung.

Die ersten weltlichen Bücher
Korrumpierung der Mei-

Der Elefant als Krank-
Französierung

-

[ocr errors]

Zu

Buchdruckereien - Reformen des Zaren Boriẞ Empfindlichkeit gegen ausländische Urteile nung Europas Akademie und Elementarschule heitsgeist Die Zivilisation am Hofe der Zarinnen stände am Hofe Katharinas II. Verhungernde Hofbedienstete Luxus und Puder Erziehung Rußlands durch Lakaien und Soldaten Keine Schulen, aber Universitäten Aus den Anfängen der Hochschule Geistliche Aufsicht Aufsicht der Regierung Unsittlichkeit der Profes

[blocks in formation]

[ocr errors]

Bildung,

Schule und Familie Letzte Statistik der Elementarschulen

Intelligenzproletariat.

,,Alle Mühe, aller Kostenaufwand wird doch vergeblich sein, in des Russen Kopf kommt keine Wissenschaft," sagte ein alter Bojar dem Zaren Peter 2); und wahrlich, diese Prophezeiung ist bis heute noch nicht Lügen gestraft worden.

Die erste Buchdruckerei in Rußland wurde in Moskau im Jahre 15533) errichtet, unter der Regierung des Zaren Iwan Wassiljewitsch und zur Zeit des berühmten Metropoliten

1) Leroy-Beaulieu, Das Reich der Zaren.
2) Halem, Leben Peters des Großen, I 154.

III 341.

3) Oldekop, St. Petersburg. Ztschft. I 215, 220. Rußland 145.

[ocr errors]

Strahl, Das gelehrte Vgl. S. Sugenheim, Rußlands Einfluß auf Deutschland. I 37. Halem I 149 gibt falsch das Jahr 1563 oder 1564 an; der Irrtum mag daher stammen, daß das erste russische Druckwerk 1564 erschien.

Makarij. Die erste Arbeit dieser Druckerei, eine Geschichte der Apostel, dauerte elf Jahre. Ihr folgten Ausgaben des neuen Testaments. Bei den Einfällen der Tartaren und Polen ging die russische Buchdruckerei zugrunde, und sie wurde selbst von dem frühesten moskowitischen Reformator, dem Zaren Boriẞ Godunow, nicht wiederhergestellt. Der letzterwähnte Fürst war im Wollen größer als im Können. Wenn Karamsin1) sagt:,,in der Liebe zur Aufklärung übertraf Boriẞ alle älteren Herrscher Rußlands," so ist dies ein gar bescheidenes Lob, da wir wissen, daß vorher kein einziger Souverän von Moskwa daran gedacht hatte, der Aufklärung eine Gasse zu bahnen. Boriß hatte als Erster aller Zaren die löbliche Absicht, allgemeine Schulen und sogar Universitäten zu stiften, um seine Russen in den europäischen Sprachen und Wissenschaften unterrichten zu lassen. Im Jahre 1600 schickte er den Deutschen Johann Kramer nach Deutschland mit dem Auftrage,,dort Professoren und Doktoren zu suchen und sie nach Rußland zu bringen." Die Nachricht hiervon erweckte in Europa überschwängliche Erwartungen. Der Rechtslehrer Tobias Luntzius oder Loncius schrieb an Boriß:,,Euere Zarische Majestät wollen ein wahrer Vater des Vaterlandes werden, und sich dadurch bei aller Welt unsterblichen Ruhm erwerben. Sie sind vom Himmel erkoren, ein großes für Rußland neues Werk auszuführen, nach dem Beispiele Egyptens, Griechenlands, Roms und der berühmten europäischen Staaten, die durch edle Künste und Wissenschaften blühen, den Geist aufzuklären und dadurch das Gemüth des Volkes zugleich mit der Macht des Staates zu erhöhen." Und ein Königsberger Gelehrter verglich den Zaren Boriß mit Numa Pompilius.2) Aber die Geistlichkeit in Rußland stellte dem Herrscher vor: daß die heilige Rußj nur durch die Einheit des Glaubens und der Sprache die Segnungen des Friedens genieße; daß Verschiedenheit der Sprache der Kirche gefährlich werden müsse durch Förderung von Meinungsverschiedenheiten und Auslieferung des Jugendunterrichtes an Katholiken und Protestan

1) Deutsche Ausgabe X 71 (franz. Übers. XI 113).

2) Bernhard Stern, Von der Ostsee zum Stillen Ozean. S. 9.

[graphic][subsumed][merged small][merged small][ocr errors][ocr errors][ocr errors][ocr errors][merged small][merged small][graphic]
« VorigeDoorgaan »