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die andere auf die Geschlechtsteile. Man springt wütend auf und nieder und schlägt mit den Fußsohlen an die Arschbacken. Im Distrikt von Berditschew tanzen die Frauen einen Rundtanz, bei dem sie zwischen den Beinen einen Küchenlöffel halten oder sonst ein langes Ding, worauf sie während des Tanzens einen Trinkbecher stecken. Die Lieder, die man bei solchen Tänzen singt, entsprechen den Gesten:

Ой, грайте, музики,

В мене цицьки велики!
В мене цицьки трясуться
З мене хлопці сміються. 1)

,,O, spielet, Musikanten, meine Zitzen 2) sind groß, meine Zitzen schütteln sich, die Burschen lachen über mich."

Dabei genießen die Kleinrussen unter allen Volksstämmen des Zarenreiches in sittlicher Beziehung den besten Ruf. So seltsam ist die Verschiedenheit der Auffassung von dem, was ländlich sittlich ist.

Von den Tänzen der nichtrussischen Völker in Rußland sind zunächst die polnischen Nationaltänze zu erwähnen, die teilweise ebenfalls eine Versinnbildlichung der Wollust darstellen. Die heidnischen oder bis vor kurzem noch heidnischen Völker haben die russischen Tänze adoptiert. Bei den Wotjäken in den Gouvernements Wjatka und Kasanj gibt es aber zwei Originaltänze, die gewöhnlich öffentlich nur von den Frauen getanzt werden. 3) Bei dem einen Tanz stellen sich drei Mädchen oder Frauen nebeneinander auf und beginnen sich bei den Klängen des zitherähnlichen Krödž im Takt umeinander zu drehen, trippelnd, nicht hüpfend. Die erste Tänzerin dreht sich. mit der zweiten herum und tauscht mit ihr den Platz; dasselbe Spiel zwischen der ersten und der dritten Tänzerin, bis alle in umgekehrter Reihenfolge stehen; dann wieder in die alte Ordnung zurück. Der andere Tanz wird von vier Frauenzimmern ausgeführt und ist lebhafter. Die vier stellen sich gleichfalls

1) Aus dem Distrikt Uschitzja, Gouvernement Podolien. Vgl. чубшнскій, Труды экспедиціи, С.-Пбг. 1877. IV. No 1571. Κρυπτάδια V. Folklore de l'Ukraine, p. 91. Nr. 66.

2) Im Russischen das gleichlautende Wort: ш.
3) Buch, Die Wotjäken, S. 82.

zunächst nebeneinander auf. Die zwei mittleren Tänzerinnen fassen sich an den Händen und gehen in raschem Takt einige Schritte vorwärts, drehen sich umeinander, wechseln die Plätze, und beginnen dasselbe Spiel von neuem. Währenddem beschreiben die beiden seitlich befindlichen Tänzerinnen Achtertouren um das mittlere Paar und winden sich zwischendurch. Und so viel Temperament entwickelt man auch bloß dann, wenn man ein paar Gläschen kumyschka oder Branntwein im Leibe hat. Der russische Nationaltanz, einfach pyсская пляска, гussischer Tanz genannt, wird ebenfalls von den Wotjäkinnen getanzt, aber nicht mit solchem Feuer wie von den russischen Frauen und Mädchen. Man hat Tänze bei den Wotjäken bisher nur von Weibern tanzen gesehen; es ist wahrscheinlich, daß auch die Männer tanzen, aber vermutlich tanzt jedes Geschlecht für sich allein. Ein wotjäkisches Sprichwort zwar sagt:,,Der Henne Gackern ist nichts wert, wenn nicht der Hahn zugleich mit kollert." Doch scheint es trotzdem nicht zu großen Intimitäten zwischen beiden Geschlechtern, wenigstens nicht in der Öffentlichkeit zu kommen.

Die Kalmücken sind besondere Liebhaber von athletischen Spielen und die berühmtesten Ringer in Rußland. Bei ihrem Uerrüßfest gibt es ein großes Schauringen. Getanzt wird hauptsächlich im Monat des Zogaanfestes und an den Winterabenden. Beim kalmückischen Nationaltanz rühren sich die Tänzer oder Tänzerinnen nicht von ihrem Standpunkt fort, sondern drehen sich bei dem Takte des eintönigen Domburr bloß um ihre eigene Achse; beide Arme werden immer zugleich bewegt, bald in gleichen Winkeln vom Kopfe entfernt, bald in gleichen Krümmungen über die Brust gebogen. Die Tänze sind immer sehr kurz und sehr ernsthaft, die Musik langsam und feierlich. Jedes Geschlecht tanzt für sich, die kalmückische Wohlanständigkeit gestattet nicht das gemeinsame Tanzen von Männern mit Frauen. Gewöhnlich tanzen sogar die Kalmücken einzeln, immer ein Mann oder eine Frau. Wenn aber zwei Männer oder zwei Frauen zugleich tanzen, dann ist es lebhafter, wird es zuweilen sogar wild.')

1) Bergmann, Nomadische Streifereien, II 198.

Bei den moslemischen Tartaren geht es natürlich nicht viel stürmischer zu als bei den Kalmücken. Ähnlich wie bei diesen drehen sich die Männer mit ausgebreiteten Armen einzeln um sich selbst herum. Das Tanzen der Mädchen ist nichts als ein schüchternes Hin- und Hergehen und nach einigen Schritten zu Ende.1)

Am leidenschaftlichsten unter allen nichtrussischen Völkern Rußlands tanzt man bei den Tscherkessen; namentlich die Weiber sind hier so tanzwütig, daß man schon vor Jahrhunderten von ihnen sagte2): „Sie saufen sich voll und tragen eine so gewaltige Begierde zum Tantzen, daß sie keine MannsPerson nicht achten, wenn er nicht eine Geige bei sich hat."

Gesang pönt

23. Musik und Theater.

Anmerkung über die Nationalinstrumente

sische und italienische Musik

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Weltliche Musik ver

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Musikalische Ketzer Peter der Große und die Musik Franzö-
Patjomkin und Mozart Geschichte der
Komponisten

russischen Jagdmusik Kunstmusik

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Ursprung des

Theaters in Rußland Europäisches Theater in russischer Schilderung Aufführungen von Mysterien Typen der russischen Urbühne Das erste Theater in Moskau Der deutsche Pastor Gregorij erster russischer Theaterdirektor Die erste Aufführung eines Dramas am Zarenhofe Der Palast der Ergötzlichkeiten Sold der Schauspieler Das erste Ballet Dauer der Vorstellungen Erstes Drama in russischer Sprache Bischof Simeon Männer spielen die Frauenrollen

von Polozk als Dramatiker vorstellungen der Aristokraten dichterin und Schauspielerin

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AmateurPrinzessin Sofia Alexejewna als DramenBischof Dmitry Rostowskij -· Feofan Prokopowitsch Prinzessin Nathalie Romanow Der deutsche Direktor Kunst

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Aprilscherz Kunsts Übersiedlung des Theaters nach Italienische Truppe am Hofe der Zarin Französische Triumphe — Kadetten

Anna Caroline Neuber in Petersburg

als Balletteusen Elisabeth und die Kadetten Das Nationaltheater Volksschauspiele

Die heilige Jungfrau auf der Bühne

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Begründung des

1) Der Tanz bei den Astrachaner Tartaren ist ausführlicher geschildert worden von Samuel Gottlieb Gmelin, Reise durch Rußland zur Untersuchung der drey Natur-Reiche, St. Petersburg 1774, II S. 138.

2) Reise nach Norden / anno 1706. S. 156.

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Katharina II.

Ein Volkstheater von Bedeutung des russischen Theaters für die Geschichte

Nationaltheaters durch Wolkow der Polizei dirigiert

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der Sittlichkeit.

Wo eine Slawin ist," sagt Schaffarik, der Verfasser der ersten Geschichte der slawischen Literatur1),,,da ist auch Gesang. Die Slawin erfüllt Haus und Hof, Berg und Thal, Wiesen und Felder, Gärten und Weingärten mit dem Schall ihrer Lieder." Dies gilt bei den Russen für die Frauen ebenso wie für die Männer. Der Russe singt fast immer, bei der Arbeit und in der Pause, auf dem Felde und im Kabak. Der Muschik singt, wenn er mit dem Pfluge die Furchen durch den Acker zieht; der Soldat auf dem Marsche, oder auf dem Schlachtfelde, wenn er der tödlichen Kugel entgegenschreitet ; der Matrose auf dem schwankenden Schiffe, wenn der brausende Sturm ihn umdroht; der Arbeiter an der Düna, wenn er seine schwere Last über den Kai schleppt; der Burlak 2) an der Wolga, wenn er mit wuchtiger Kraft sein Floß zimmert; der Iswoschtschik3) singt, wenn er mit seinem Gaste einen weiten Weg durch einsame Gegenden fährt; und der Postillon stimmt, sobald er sich bekreuzigt hat und die Pferde antreibt, sein Liedchen an. Die Melodie ist zumeist einförmig und schwermütig, der Inhalt: die Liebe, die Steppe, die Wolga, der Don. Dieselben Volkslieder singt man im ganzen Reiche, von der Ostsee bis zum Stillen Ozean und von dem Weißen bis zum Schwarzen Meer. Wie die Großrussen sind auch die Kleinrussen und die Kosaken sangesfreudig, ihre Lieder jedoch heiterer und lebhafter. Im Süden liebt man nicht bloß das Volkslied, sondern man läßt ihm auch künstlerische Pflege angedeihen, verbreitet es in den Familien und den Schulen, und die Studenten veranstalten öffentliche Volksliederkonzerte. Ein deutscher Arzt und Forscher4), der als das Charakteristische

1) Geschichte der slawischen Sprache und Literatur nach allen Mundarten von Paul Joseph Schaffarik. Ofen 1826.

2) Bурлакь heißen speziell die Arbeiter, die auf den Barken der Wolga beschäftigt sind. Es sind durchwegs rohe ungeschlachte Kerle. Daher nennt man in ganz Rußland einen brutalen Menschen: Burlak.

3) Hзвошикь, der Fuhrmann.

4) Wichelhausen, Gemählde von Moskwa, 299.

am Muschik dessen roheste Sinnlichkeit konstatiert, sieht in dem unverkennbaren Hang der Russen zu Gesang und Musik den Beweis, daß dieses Volk von der Natur auch zu feineren sinnlichen Vorgängen aufgelegt sei.

Schon von den Bewohnern des ältesten Rußland wird be richtet, daß Musik die vorzüglichste Erheiterung ihres Lebens war, und daß sie auf den Kriegszügen ihre Lieblingsmusikinstrumente mitführten; singend und spielend zogen sie in den Kampf.1) Es zeugt für die tiefe Empfänglichkeit der Russen für Harmonie und Melodie, daß noch jetzt unter ihnen die uralten Lieder leben, in denen die heidnischen Gottheiten und die Donau, an deren Ufern die Vorfahren der Russen vor zwölf Jahrhunderten gekämpft haben, besungen werden. 2)

Als Rußland moskowitisch geworden war, begannen die Regierung, die die Trunksucht und die Korruption zu

1) Karamsin, deutsch I 56, französisch I 83. Vgl. ferner: von Arnold, Die Tonkunst in Rußland bis zur Einführung des abendländischen Notensystems. Leipzig 1867.

2) Die alten nationalen Musikinstrumente, fast durchwegs noch heute in Gebrauch, sind folgende: Dudkа (дудка), eine einfache Hirtenpfeife, die man besonders in Kleinrußland findet, wo sie den speziellen Namen Ssopelka (contкa) führt. Roschok (poжокь), ebenfalls ein Hirteninstrument, aber in Form eines Horns, also ein Kuhhorn. Schilejka oder Ssipowka (жилейка или сиповка), eine Schalmei. Sswirelj (свирkь), eines der ältesten musikalischen Instrumente der Russen, eine Rohrpfeife, die jetzt meist bei den Hirten in Kleinrußland anzutreffen ist und noch viel bei den Reigentänzen zur Geltung gelangt. Auch der Dudelsack, Wolynkа (во.лынка), gehört zu den ältesten Stücken; unter den slawischen Altertümern fand man die Abbildung eines Kriegsgottes, der den Dudelsack spielt. Bei allen großen Festen und auf den Jahrmarktsunterhaltungen kommt der alte Dudelsack zu hohen Ehren. Gudok (гудокь) ist eine Violine mit drei Saiten, von denen nur die oberste gegriffen wird; ein kurzer Bogen bestreicht alle drei Saiten. Der Spieler des Gudok heißt Gudilo (гудило, auch гудельщникъ und гудошникъ). Diese russischen Bauerngeiger findet man nicht häufig. Oft und überall dagegen trifft man die Balalajschtschiki, die Spieler der Balalajka (ьа.лалайка), ́einer Harfe mit zwei, seltener drei Saiten. Dieses Instrument ist äußerst einfach und so leicht zu spielen, daß Jedermann imstande ist, wenigstens ein Volkslied oder die Begleitung zu einem Tanze zu klimpern. Die Balalajka ist das Lieblingsinstrument der nogajschen Tartaren. Die Balalajki, die man zu den Reigen und den Hochzeitstänzen mitbringt, zeichnen sich von den gewöhnlichen dadurch aus, daß sie mit frivolen und selbst eindeutig obszönen

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