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5. Geister, Zauberer und Hexen.

Hausgeist, Domowoj

Umzugs

Der Geist des Ehebettes und der Potenz gebräuche Hahn und Katze als Herd- und Hausgeister Geister des Waldes, Feldes und Wassers Polnische Dämonologie Der Teufel in Rußland Zauberer und Hexen Russisches Bild einer Hexe Der Zauberer- und Hexenschwanz Lynchjustiz an Hexen und Zauberern

Krankheitsanzauberung

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Mordliste Beispiele europäischer Hexenprozesse neuester Zeit
Zaubererblut als Heilmittel

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Besessenheit.

,,Des Russen träge Phantasie," schrieb der Arzt Wichelhausen1),,,wird am meisten noch durch das Übernatürliche und Fabelhafte erschüttert. Leicht glaubt er deswegen an das Daseyn unsichtbarer Mächte, deren Einflüsse ihm uralte Sagen verkünden und die Furcht ihm mit neuen Farben ausmahlt."

Dieser Glaube an unreine Kräfte, an gute und böse Geister, an Dämonen, Hexen und Zauberer ist allgemein; auch die Geistlichkeit huldigt ihm offenkundig.

Es gibt kaum einen Russen, der nicht aufrichtig an den Domowoj glauben würde. Der Domowoj ist der Hausgeist, der Familiengeist, der Geist des Ehebettes.2) Der Domowoj ist bei den ehelichen Funktionen stets anwesend, er leitet die Samentropfen, und nur jene Akte gedeihen, die er mit seiner Protektion beglückt und fördert. In Moskau kam eine Kaufmannsfrau zu einem Arzte und bat um ein Mittel zur Versöhnung des Domowoj, der sie nicht schwanger werden ließ, trotzdem sie vor jedem Beischlafe dem Hausgeist ihre Reverenz gemacht und geräuchert hatte.3) Bei den Vornehmen hat der Domowoj die Oberaufsicht über das ganze Haus, über Küche und Keller, bei den Bauern über Stall, Hütte und Herd.

Wenn ein Haus gebaut werden soll, versäumt es der Baumeister nicht, in den vier Ecken des Fundaments Geldstücke einzumauern als Schutzmittel gegen alle möglichen Unglücks

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2) Bei den Polen heißt der Hausgeist: Gospodartschek.
3) Wichelhausen, a. a. O. S. 304.

fälle, die das Haus während des Baues oder in der Zukunft bedrohen könnten.1) Um den Einsturz des Hauses zu verhüten, ist es notwendig, Salz unter die Türschwellen zu legen.2) Im Gouvernement Jaroslaw besteht ein uralter Gebrauch, der beim Umzug aus einem alten Hause in ein neues stattfindet3): Wenn das neue Haus im Baue beendet und im Innern eingerichtet ist, so wird ein besonders mutiger Mann aus der Verwandtschaft des Herrn oder aus dem Kreise der Knechte ausgewählt. Dieser hat eine Nacht allein in dem neuen Hause zuzubringen. Widerfährt ihm nichts Schlimmes und wird er auch von keinem bösen Traume gequält, so kann das Haus von dem Besitzer und seinen Leuten ohne Gefahr bezogen werden. Am Tage, an dem das Hausgerät aus dem alten Hause in den neuen Bau gebracht wird, trägt der Hausherr zuerst das Heiligenbild hincin und hängt es in eine Ecke. Darauf werden ein Hahn und eine Katze gebracht, die letztere legt man auf den Herd. Nach dem Volksglauben vertreibt der Hahn durch seine Wachsamkeit und sein Krähen die bösen Geister, während die Katze zum Frieden und zum Behagen beiträgt. Den Domowoj führt man aus dem alten Hause in das neue Heim auf folgende Weise hinüber: Das älteste weibliche Mitglied der Familie nimmt vom Herde des alten Hauses einige noch glimmende Kohlen, legt sie in einen zuvor nie in Gebrauch gewesenen irdenen Topf und trägt diesen mit den an den Hausgeist gerichteten Worten:,,Bitte, Väterchen, folgen Sie uns in das neue Haus!" in die neue Wohnung, schüttet dort die Kohlen auf den neuen Herd und zerschlägt darauf den Topf. Nach also gänzlich beendetem Umzug findet die Einweihungsfeier statt, und zwar durch einen christlichen Gottesdienst, der sich somit unmittelbar an die heidnischen Gebräuche anschließt. Stellt sich im Laufe der Zeit heraus, daß im neuen Hause nachträglich noch eine Tür oder ein

1) Geheimnisse von Rußland. I 317.

2) Dupré de St. Maure, Pétersbourg, Moscou et les Provinces. Paris 1830. I 167. - Auch die alten Lappen verehrten Geister, die unter der Schwelle des Zeltes ihren Wohnsitz hatten. Roskoff, Religionswesen der Naturvölker. Leipzig 1880, S. 59.

3) Globus, Bd. 86, Heft 3, S. 51.

Fenster ausgebrochen werden muß, so hat dies unter besonderen Vorsichtsmaßregeln zu geschehen, da eine am unrechten Orte oder zu unrechter Zeit durchbrochene Tür viel Unheil über das Haus bringen könnte. In Dörfern, die in der Nähe von Wäldern liegen, kommt es häufig vor, daß Spechte in den frischen Balken des neuen Hauses nach Insekten suchen; hört man im Hause das Hämmern des Spechtes, so ist man der festen Überzeugung, daß einem Hausbewohner der Tod bevorstehe oder daß ein Hausbewohner in nächster Zeit das Haus werde verlassen müssen.

Außer dem Hausgeiste, der vornehmlich gute Eigenschaf ten hat, gibt es im russischen Volksglauben zahlreiche böse Geister und Unholde. Diese boshaften Geister und Dämone haẞt man, aber man fürchtet sie auch. Sie treiben an verschiedenen Orten ihr Unwesen und führen je nach ihrem Charakter und ihren Wohnplätzen ihre besonderen Bezeichnungen. In den Wäldern hausen die Waldgeister, die Gestnize1), die den Wanderer auf Irrwege führen; auf den Feldern und Fluren tummeln sich die Russalki2), und in den Gewässern die Wodeniki oder Wassergeister. Die Eltern schrecken ihre Kinder mit dem Nachtgespenst Buka, das in den Höfen herumschleicht und die kleinen Kinder frißt3); dieser Dämon hat einen großen Rachen und eine lange spitzige Zunge. In den Ammenmärchen spielen sowohl Riesen als Zwerge die Rolle der Dämonen; der Riese Polkan ist eine stehende Figur in diesen Märchen, während die Zwerggeister Püschiki genannt werden. Es gibt auch ein Riesengeschlecht, das Woloten heißt. Mit diesem Namen benannten mehrere slawische Völker die alten Römer,

1) Borowy bei den Polen.

2) Bei den Polen sind die Russalki nicht bloß Nymphen im Gehölz, sondern auch Wassernymphen, die mit Menschen Liebesverhältnisse anknüpfen, um sie dann mit Zärtlichkeiten zu ersticken oder zu ersäufen.

3) Bei den Polen Babok und Kurze pluca geheißen. Auch die polnischen Mamune, Boginki, Dschiwojone sind kinderfeindliche Dämone. Man nennt sie auch die krasne kobjety, die schönen Frauen. Sie schleichen sich ans Bett der Wöchnerinnen und vertauschen die neugeborenen Kinder mit Mißgeburten. Um sich vor ihnen zu schützen, erwarten manche Frauen die Niederkunft nicht in der eigenen, sondern in einer fremden Wohnung.

die sie sich wegen der großen Taten nicht anders als von ungewöhnlicher Größe denken konnten.

Etwas anders geartet sind einige Geister des polnischen Volkes.1) Die Wilen, die die Häuser bewohnen, sind furchtbar häßlich, hohen Wuchses, bebartet; sie erscheinen und verschwinden ohne Ursache und ohne Anzeichen; wer ihnen begegnet, erkrankt sofort. Die Wjeschtsche2) sind Dämone von menschlicher Abkunft. Kinder, die mit Zähnen auf die Welt kommen, werden nach dem Tode Wjeschtsche, steigen allnächtlich aus dem Grabe, klettern auf die Kirchtürme, läuten die Kirchenglocken und rufen die Namen aller jener, denen sie den Tod wünschen; wer von diesen Verwünschten seinen Namen rufen hört, muß sterben. Auch die Zwora-Dämonen sind von menschlicher Abkunft; Kinder, die unregelrecht getauft und nach dem Tode Blutsauger wurden. Ihnen verwandt sind die Upjur3) oder Vampyre, die aber weit grausamer sind, und den Menschen, über den sie herfallen, sofort töten.

Der Teufel ist für die Russen und Polen nicht bloß ein Wesen der Hölle, sondern wandelt auch sichtbar auf Erden. Gauner machten sich diesen Glauben ihren Zwecken dienstbar in ähnlicher Weise wie wir es im vorigen Kapitel bei der Erwähnung des Freitag gesehen haben. Ich erinnere mich, daß in meiner Vaterstadt Riga ein als Teufel verkleideter Räuber wochenlang die ganze Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzte und überall, wo er spät Abends plötzlich erschien, erhielt was er verlangte. Ein zwölfjähriger Knabe allein hatte den Mut, ein Gewehr seines Vaters zu ergreifen und mit einem glücklichen Schusse den Teufel zu Boden zu strecken; dem jugendlichen Teufelstöter, der nicht bloß einem Räuber ein verdientes Ende bereitet, sondern auch einem feigen Aberglauben den Todesstoß versetzt hatte, wurde vom Zaren eine Tapferkeitsmedaille verliehen.

1) V. Begiel, La démonologie du peuple polonais. Revue de l'histoire des Religions. Paris 1902. Tome XLV No 2, pag. 158-170. Vgl. diese Arbeit auch bezüglich der früher erwähnten polnischen Dämonen-Namen.

2) Polnisch geschrieben: Wieszczy.

3) Polnisch geschrieben: Upiór.

Am liebsten versteckt sich der Teufel hinter Menschen, die mit ihm ein Bündnis schließen und als Zauberer oder Hexen seine Werke verrichten; dafür dient er ihren materiellen Wünschen. In Krynice im Gouvernement Lublin1) hatte ein Bauer im Jahre 1890 dem Teufel seine Seele verschrieben; zum Danke dafür wohnte der Satan beim Bauer in einem Bienenkorbe, und ohne daß der Mann sich darum zu kümmern brauchte, füllten sich für ihn zahllose Bienenkörbe, so daß er zu großem Reichtum gelangte. In der Stadt Torshok im Gouvernement Twer hatte ein gewisser Nikifor Dorofejew vom Teufel die Fähigkeit erhalten, Menschen durch seinen bloßen Atem ganz nach seinem Belieben zu behexen oder zu heilen.

Daß die Russen schon in den frühesten Zeiten den Zauberern und Hexen unbedingten Glauben schenkten, ist bekannt. Großfürst Oleg hieß wegen seiner übernatürlich großen Siege der Zauberer, und er starb den Tod, den ihm ein Zauberer vorhergesagt hatte.2) Nicht bloß in den Märchen, sondern auch in den Heldensagen wimmelt es von Hexen und Zauberern. In den Bylinen, die vom Fürsten Wladimir und seiner Tafelrunde erzählen 3), spielt eine große Rolle die Zauberin Marinka, eine junge schöne Witwe, welche die üble Gewohnheit hatte, ihre Anbeter in Ochsen zu verwandeln. Auch dem Helden Dobrynja Nikititsch erging es so, als er ihr Herz stürmen wollte. Sie trat ihm zürnend entgegen, sprach die geheimnisvollen Worte, und der Held verwandelte sich in einen brüllenden Ochsen. Vom Himmel war es bestimmt, daß die schöne Zauberin, die den Menschen verachtete, sich in den Ochsen verlieben mußte. Aber Satan hatte ihr bloß die Kraft gegeben, Zauber zu schaffen, nicht auch Zauber zu lösen. Und verzweifelt flog die Zauberin als Rabe verwandelt auf die grünen Kijewsfluren, um sich auf des geliebten Ochsen Nacken zu setzen. Endlich entsagte sie ihren Satanskünsten, verbrannte alle Kräuter, vernichtete alle Tränke, und im Augenblick wurde Dobrynja vom Ochsen wieder zum Menschen,

1) Bégiel, La démonologie du peuple polonais. a. a. O.
2) Chronique de Nestor. II 180.

3) Bernhard Stern, Fürst Wladimirs Tafelrunde.

S. 47.

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