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in der heitersten Frühlingssonne; Alles um sie her trug das Gepräge des reizendsten Frühlings; sie sah die lachendsten Gegenden und Landschaften mit Blumen und Früchten in den lebhaftesten Farben 1). Der Musik, welche Sterbende zu hören glauben, entspricht die Vorstellung, daß im elysischen Gefilde Gesang und Tanz herrsche 2). Einen solch' musikalischen Tod starb der Theosoph Jakob Böhme. Er rief in seinen letzten Lebensmomenten seinen Sohn Tobias und fragte ihn, ob er die schöne Musik höre. Da dieser es verneinte, hicß er ihn die Thüre öffnen, damit der Gesang deutlicher hereindringen könne.

Was die zurückhaltenden Umstände oder Potenzen betrifft, so stellen sich diese in Gestalt finsterer, feindlicher Wesen dar. Da sieht sich der Sterbende wohl von Teufeln und schwarzen Gestalten umringt und bedroht. Wer sich in Beziehung auf diese hemmenden Momente zu schwach fühlt, als daß er glaubt, sie überwinden zu können, der wird sich nur erschreckt und geängstigt zeigen; ein energischer Geist ergrimmt wohl darüber und seßt sich zur Wehr. Der sterbende Heim in Berlin sah grüne Wiesen und Wälder und Alles bot den lieblichsten Anblick dar. Da brachen auf einmal schwarze, häßliche Männer herein und störten ihn im Genusse des schönen Schauspieles, an dem sich seine Seele ergößte. Er gerieth darüber in eine ungeheure Wuth; man mußte ihm einen Stock geben und er schlug auf die schwarzen Ungethüme mit einer Kraft los, die man dem Sterbenden nicht zugetraut hatte 3). Wie deutlich, bemerkt Daumer (ibid.), ist diese Symbolik! Die scheidende Psyche war bereits in die elyseischen Gefilde der Alten entrückt, vergnügte sich an den holden Phantasien, womit sie die selige Innenwelt schmückte, in die sie einzugehen im Begriffe war. Aber da empfand sie in sich auch ein störendes, hemmendes Element, und es ergriff sie ein Zorn, dessen Heftigkeit zu dem Wonnegefühl jenes Eingehens und der Lust, die ihr das süße Delirium bereitete, in dem entsprechenden Verhältnisse stand.

In den Mythologien ist wohl Vieles, was sich auf jenseitige Zustände bezieht, aus den Aussagen derer geschöpft, die dem Tode nahe gewesen und aus todtähnlichen Zuständen wieder zu sich selbst gekommen waren. „Ein Brausen großer Gewässer, berichtet Schubert (bei Daumer II. 285), das Bewegen von Strömen, welche zu überschreiten sind, erschreckte die Seele jener scheintodten heidnischen Fürstentochter in Meriko ebenso, wie es die Christen in Europa erschreckt." Die Ströme der Unterwelt, der Acheron, Styr 2c. der Griechen, sind also keine ganz leere Fabel, sie haben wenigstens eine psychologische und pathologische Wahrheit, indem der Sterbende das Gebrause solcher Gewässer zu vernehmen glaubt und der Meinung ist, daß über solche hin sein Weg gehe. Die alten Perser sprachen von der

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1) Kieser, Archiv II. 3. 36. 2) Virgil. Aen. VI. 644. Pars pedibus plaudunt choreas et carmina dicunt. Tibull. II. 3. 59. Hic choreae cantusque vigent. 3) Blumröder, über das Jrrsein. Leipzig 1835. p. 167.

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Brücke Tschinevad, wo das Loos der Seelen entschieden wird. Auch diese Vorstellung, die sich auch sonst noch findet, zeigt sich in den Phantasieen der Sterbenden begründet (Daumer II. 286). Diese Brücke der Unterwelt ist bei den Griechen durch den Kahn des Charon vertreten.

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Die Verwandtschaft des animalischen Magnetismus mit dem Tode muß hier noch besonders hervorgehoben werden. Man hat Parallelen gezogen, die zu den merkwürdigsten Resultaten geführt; der Magnetismus ist das im Kleinen, was der Tod im Großen. Schon der Anblick des körperlichen Zustandes spricht dafür: der halb geöffnete Mund, der gepreßte, oft lang unterbrochene Athem, das gebrochene Auge, das Röcheln und die eigenthümlichen Gesichtszüge ließen mich den Tod meiner Somnambule mehr denn einmal als nahe bevorstehend fürchten." So Werner in seinen „Schußgeistern". Wenn aber solche Erscheinungen auch nicht stattfinden, wie sie denn auch in der That nicht bei jedem somnambulen Individuum in demselben Grade vorkommen, so zeugen davon, daß der magnetische Zustand dem Anfange des Todes entspreche, doch die damit verbundenen psychischen Erscheinungen und die übereinstimmenden Aussagen vieler Somnambulen. Alle Phänomene, die mit dem Sterben verbunden, treten im magnetischen Zustande bis zu einem gewissen Grade ein. Der Körper scheint todt, die Sinne sind erloschen, die willkürlichen Bewegungen hören auf. Athem und Puls sind im höchsten Grade der Ekstase oft nicht mehr erkenn= bar lauter Anzeichen vom beginnenden Tode. Die Seele dagegen ergeht sich frei in höheren Räumen und thut durch das in vielen Fällen ihr noch allein zu Gebote stehende Sprachorgan Dinge kund, aus welchen zu schließen ist, daß sie sich, unabhängig vom Leibe, in einem Lichte heimisch findet, das kein gewöhnlicher menschlicher Blick erreicht, und sich Kenntnisse aneignet, welche den Horizont des wachen Bewußtseins weit übersteigen 1). Hieraus ergibt sich vorderhand schon die Möglichkeit der Subsistenz der Seele ohne den Leib nach dem Tode. Hieher gehören auch die seltsamen Erscheinungen des Scheintodes. Eine Person, die sich ihres Zustandes während der Asphyrie nach dem Wiedererwachen zu er= innern wußte, sagte von sich selbst: „Ich hatte ein Gefühl wie ein Erwachen aus einem süßen Morgentraum. Ist so der Augenblick des Todes, so ist es einer des höchsten Wonnegefühls 2)." Daß auch der einfache Schlaf ein Bild des Todes ist, braucht wohl nicht erwähnt zu werden, obgleich er nach Jean Paul mehr Vorbild der Dauer als des Todes ist, . sowie die Ohnmacht. Denn gibt es eine lebendigere Auferstehung, als die, daß die Seele, die vorher von der Sinnenwelt ganz abgeschlossen, ja von ihrer eigenen entfernt war, plöglich mit ganz wiederhergestellter das heißt unverlorner Kraft wieder in die Welt blickt und greift?" Vom Sterben

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2) Hagen,

1) Colquhoun p. 80. bei Daumer der Tod des Leibes 2c. p. 109. Sinnestäuschungen p. 184; Nasse, Zeitschr. 1825 H. 1. p. 189. bei Daumer ibid.

sagt Friedr. Schlegel, daß es nicht ein Einschlummern, sondern ein Erwachen des Geistes sei, und Schelling erklärt sich in dem Gespräche „über den Zusammenhang der Natur mit der Geisterwelt“ dahin, daß der Zustand nach dem Tode „das höchste, durch kein Erwachen unterbrochene Hellsehen“ sein werde. Anhaltendes Nachdenken und Forschen, sagt er an einer andern Stelle, hat mir nur dazu gedient, die Ueberzeugung zu bestättigen, daß der Tod, weit entfernt die Persönlichkeit zu schwächen, sie vielmehr erhöht, indem er sie von so manchem Zufälligen befreit; daß Erinnerung ein viel zu schwacher Ausdruck ist für die Innigkeit des Bewußtseins, welche den Abgeschiedenen vom vergangenen Leben und den Zurückgelassenen bleibt; daß wir im Innersten unseres Wesens mit Jenen vereint bleiben, da wir ja unserem bewußten Theile nach nichts Anderes find, als was auch sie sind, Geister 2c. 2c.1)

Auch der pantheistischen Auffassung des Todes müssen wir noch gedenken. Dieser huldigt Blasche, wenn er sagt: die ganze Natur unter dem Menschen ist Weltschlaf, in welchem das Leben der Elemente und das Dasein des Erdreichs den mitternächtlichen bewußtlosen Zustand des Schlafes, das Pflanzenreich den Uebergang zum Traume, das Leben des Thierreichs den entwickelten Traum und das Menschenreich das Erwachen. des Weltgeistes aus dem Weltschlaf bezeichnet..... Der Schlaf des Menschen ist ein Abbild des Weltschlafes oder die mikrokosmische Darstellung des letzteren; das psychische Leben des Menschen ist während des kurzen Schlafes auf das bewußtlose Leben der niederen Organe beschränkt, welche die Naturstufen in sich darstellen, und wenn ich mich, meint Blasche, vor täglich wiederkehrendem individuellem Schlafe nicht scheue, warum sollte ich es vor der Theilnahme am Weltschlafe? Etwa weil letterer von längerer Dauer? -Im bewußtlosen Zustande sind tausend Jahre wie Ein Tag und Ein Tag wie ein Augenblick! (p. 164.)

1) In dem Gespräch „Clara“ wird von Schelling (93 ff. s. W. I. 9. 63) die Frage aufgeworfen, wie es doch komme, daß der Tod so allgemein als ein Entschlafen vorgestellt werde, da er doch vielmehr ein Erwachen sei? Denn das Wort eines oft verkannten Mannes (Görres?) hat seine Geltung, daß, wer wachend könnte, was er schlafend müsse, erst der ein vollkommener Philosoph sei, ein vollkommener Seliger. In der That, bemerkt Beders (p. 75), könnte Jemand im Wachen das innere Leben, dem wir im Schlafe gleichsam verhaftet find, und das uns ohne unser Zuthun umfängt, und in außerordentlichen Fällen bis zum hellsten Schauen sich entwickelt, könnte er diese innerlichen Gebilde auch noch im Wachen festhalten, dann zählte er nicht nur zu den Weisesten, sondern auch zu den Seligsten. Es gibt solche Zustände der Steigerung des inneren Lebens, dieß zeigen die magnetischen Erscheinungen. (Auch Lavater's Beobachtungen gehören hieher.) Gerade durch dieje, sagt Schelling, sei uns die Erfahrung eines Zustandes gegeben, den wir mit Recht einen höheren nennen und als ein wachendes Schlafen oder schlafendes Wachen ansehen könnten. Und darum sei mit ihm nicht der Tod, sondern der Zustand, der ihm folgt, zu vergleichen, der, wie zu glauben, das höchste durch kein Erwachen unterbrochenes Hellsehen sein werde (ibid.)

Wenn wir nun zum richtigen Begriffe zurückkehren wollen, so ist das, was die Menschen gewöhnlich „Sterbstunde“ nennen, der Eintritt der materiellen Zerstörung, bei welcher sich die Seele vom Körper trennt. Sterben ist kein Aufhören, es ist bloße Veränderung. Das Leben ist für Alles, was sich in ihm bewegt, ein Ocean ohne Ufer und ohne Hafen; die Wesen, die ihn durchschiffen, legen nimmer vor Anker, sondern sie wechseln nur Stoff und Form, sie beginnen immer wieder ein Sein, welches nie endet. Nur der Geist überdauert die Form, und wenn diese an den Schranken des Zeitlichen zerbricht, so verfolgt jener seine unendliche Bahn. Jm Uebrigen nimmt Alles ein Ende und beginnt wieder von Neuem, das ist die große Lehre, die uns das Leben gilt. Die Welt von heute ist nicht mehr die von Anbeginn, das lebende Geschlecht ist umgewandelt; der Form nach ist es untergegangen und in einer andern Form wiedererschienen; im Ganzen oder im Einzelnen sind ganze Thiergeschlechter verschwunden, um nie wieder ge= sehen zu werden. Die antediluvianische Welt ist, wenn man sie richtig versteht, der Tod einer Welt. Das Leben, welches in dieser waltete, ging von der Erde in den Himmel und ist von da nach Gottes unerforschlichem Willen wieder herabgestiegen. Der Mensch, der zuletzt kam, erscheint uns als das Meisterstück der Schöpfung, aber nur deswegen, weil er in den Mittelpunkt fertiger Dinge hineintrat, um ihre Harmonie zu vollenden, zu begreifen und sich mehr oder weniger zu ihrem Urheber emporzuschwingen 1).

Dieses lezte Ziel erscheint in der Sterbestunde vor jedem Einzelnen mehr oder minder erreicht. Die natürlichen Anlagen des Individuums, die äußeren Einflüsse, unter denen es gelebt, als da sind: die Religion, die Erziehung, der Beruf und Stand, in dem man gewirkt, die Leidenschaften, denen man gefröhnt wie die Trunksucht, die Unzucht, die Spielwuth, der Wucher, der Geiz 2c.; die Tugenden, die man geübt, selbst die Staatsform, unter der man gelebt hat?), all das gibt im Tode einen Refler des verflossenen Lebens und eröffnet eine Perspektive in das jenseitige für den Sterbenden und diejenigen, welche dieß beobachten, in höchst manichfaltiger Weise.

§. 4. Der Tod vom ethischen Standpunkt aus

ist als Refler der ethischen Richtung, die ein Individuum während seines Leibeslebens hier verfolgte und in sich ausprägte, von größter Bedeutung für das in jenem letzten Augenblick erwachende Bewußtsein der Unsterblichkeit: die durch's Leben geübte Tugend wird jenes erhabene Bewußtsein klären und vollenden, das während der Lebenszeit in einen Menschen etwa

1) Lauvergne, die leßten Stunden und der Tod in allen Klassen der Gesellsch. aus dem Französ. 1843. I. 1-4. 2) Lauvergne weist dieß in seinen höchst interessanten Untersuchungen hierüber im Einzelnen nach (siehe obiges Werk).

tief eingedrungene Laster wird jenes Bewußtsein trüben und zu ersticken suchen. Mit anderen Gedanken stirbt der Heilige, mit anderen der Gottlose.

Wollen wir eine kleine Rundschau halten auf dem Leichenfelde des Lasters und sehen, mit welchem Bewußtsein die Lasterhaften sterben. Beginnen wir mit jenen, die gewöhnlich gar kein Bewußtsein zuletzt besitzen, es sind die Trunkenbolde. Wenn sie in ihrem Bette eines langsamen und natürlichen Todes sterben, bieten ihre leßten Stunden selten auch nur im Geringsten etwas Nührendes und Erhebendes dar1). Der Grund davon ist ganz einfach in ihrer verringerten und erloschenen Geisteskraft zu suchen. Das Gehirn, den edelsten Erregungen bestimmt, verfällt von dem Tage an dem selbstbereiteten Untergang, wo es durch starke Getränke in erschöpfende Reizungen versetzt wird. Beharrt es auf seiner Manie, so verfällt es früher oder später in eine Verwirrung, die sich durch Mangel an Willenskraft, Vergessen aller durch Erziehung eingepflanzter Grundsätze und Schwäche des Erkenntnißvermögens charakterisirt. Bei solcher moralischen und physischen Zerstörung überläßt sich der Geist des Säufers, unfähig über die eigent lichen Verhältnisse des Todes nachzudenken, den düstersten Einbildungen über das Grab; er sieht den letzten Tag als den bodenlosen Abgrund an, aus dem er weder entkommt noch erwacht. Das Leben und die Mittel es zu genießen, sind dahin, er schaut auf das Verlorne zurück und im Trunke findet er die einzige Philosophie, die ihm den gewohnten Trost zuspricht 2).

Unter allen Sterbenden ist der Säufer derjenige, der die böse Nachricht am wenigsten mit Ruhe und Fassung vernimmt. Was thut er, was sagt er? Er weint heiße Thränen; keinen Trost findet er, weder in den Verheißungen der Religion, noch selbst in der Hoffnung auf Genesung, womit man seinen erbärmlichen Todeskampf vergeblich zu erleichtern sucht. Ja er weint bei jeder neuen Aufregung, beim Anblick seiner Familie, seiner Freunde, seines Beichtvaters. Er horcht auf die Worte des Letteren mit der Folg= samkeit eines schwachen Wesens, das handelt, ohne zu wissen warum. Er beichtet, weil er die Hölle fürchtet, er betet und thut alles aus Furcht mit nassen Augen und stammelnder Zunge, mit einem Worte: er kann nicht sterben; das eigentliche Bewußtsein seliger Unsterblichkeit ist in ihm ersäuft!

Jede bis zur Ausschweifung getriebene Leidenschaft, bemerkt unser ge= lehrter Arzt Lauvergne (I. 146) weiter, kann das Werk einer Verdunkelung des Geistes ohne Mitwirkung der Natur sein, oder vielmehr diese thut Anfangs allein Alles, bis die Gewohnheit zum Bedürfnisse wird. Unter dieser Art von Leidenschaften stehen die Verirrungen des Geschlechtstriebes

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- 2) Lauvergne (ibid.)

1) Lauvergne, die letzten Stunden 2c I. 143 ff. erzählt von einem Manne, dem der Tod schon in den Eingeweiden wühlte, dem der Priester schon zugesprochen hatte; er verlangte allein zu sein, um zu schlafen; kaum war er allein, so öffnete er so gut er konnte, einen Wandschrank und trank mit einem Zuge eine Viertelflasche Rum aus. Er starb auf der Stelle am Schlagflusse.

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