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zu thun hat, die meiste Herrschaft auf die leßte moralische Verfassung ihrer Jünger, wenn sie sich ihr mit Talent und aufrichtiger Ueberzeugung gewidmet haben. Bei Aerzten, die den menschlichen Organismus eifrig studirt haben, bemerkt Lauvergne (II. 135), richtet sich die Art, wie sie sich als Sterbende benehmen, gar sehr nach ihrer Ansicht vom Grunde des Lebens. Manche sehen z. B. in der Thätigkeit des Gehirns nur einen Secretionsprozeß. Das Gehirn secernirt, behaupten sie, Gedanken, wie die Leber Galle secernirt. Hört jene Funktion auf, so tritt absoluter Tod ein. Bei einem solchen System ist es unmöglich, daß sich der Geist unter der Leitung des Spiritualismus aus der engen Sphäre der positiven Thatsachen befreien kann. Vernunft und Glaube, weit entfernt, sich einander gegenseitig zu erleuchten, sind hier im härtesten Widerstreit, und dieser Zwiespalt, der nicht einmal bloßer Skepticismus ist, hat die gefährlichste Philosophie der modernen Gesellschaft erzeugt. Die Verhärtetsten aus dieser Schule sind die, welche die lediglich auf Beobachtung gegründete Anatomie studirt haben, ohne zur höheren Physiologie fortzuschreiten; die vielseitig gebildeten Einseitigen! Für sie ist der bewunderungswürdige Mechanismus des menschlichen Körpers ein Stückchen Universum, wo jedes Ding seine rechte Stelle einnimmt, und dessen Einrichtung man nur als gegebene Thatsache auffassen kann. Wir haben diese Auffassung bei der Kritik des Materialismus auf ihren Unwerth zurückgeführt und bedauern die Leerheit des Verstandes, die sich hier kundgibt. Welche Armseligkeit zeigt sich in den Worten jenes sterbenden Arztes, welcher sagte (Lauvergne II. 136): „In vier Tagen werde ich meine Seele fahren lassen, denn was ist denn das Leben weiter, als ein eingeschlossenes Gas, das in der Stunde des Todes entweicht?" Welch' ein entsetzlicher Mangel

an Logik und Nachdenken gibt sich da kund! So sterben die meisten Mediciner ohne Glaube an Unsterblichkeit, für Anatomie hatten sie auf der Universität Zeit, für Philosophie und Geschichte zc. aber kein Semester.

Wie die Atheisten und Materialisten, so haben eigentlich auch die Pantheisten nicht mitzureden in der Lehre von der Unsterblichkeit, aber wir müssen doch auf diese Classe von Menschen zu sprechen kommen, weil ihre Todesstunde gewöhnlich etwas Besonderes hat, wie ihre Ansicht von der Fortdauer eine eigenthümliche ist. Es gibt Naturforscher, Naturfreunde, besonders eine Classe Aerzte, denen ihre physiologischen Betrachtungen eine Wahrheit ersten Ranges gelehrt haben, nämlich, daß es eine erste, ewige, unerfaßliche und nicht nachzuweisende Ursache gebe, die sich in's Unendliche vervielfältigt, und sich im Gräschen, das die Erde durchbricht, indem es seinen Halm zum Himmel emporrichtet bis zu den Himmelskörpern, die ihre Bahn durch den Aether verfolgen, offenbart. Sie haben den religiösen Gedanken des alten Aegyptens, sie beten das Wesen Gottes an überall, wo sie es gegenwärtig finden, d. h. allenthalben 1). Das ist mit Einem Wort

1) Ein philanthropischer Arzt und leidenschaftlicher Naturfreund schrieb einmal seinem Freunde: Ich verehre ein höchstes Wesen in Allem, was ich auf der

der bestehende stolze Pantheismus, der selbst aus den heiligen Büchern seine Beweisgründe zu entnehmen sich getraut. Die altgewordene und abgelebte Gesellschaft läßt ihn sich sehr gern gefallen, denn wo Geist und Sinn nur Incarnationen sind, und wo die Seele durch ein irdisches Eden hindurchgeht, um dann ohne Weiteres in den Himmel zu gelangen, da hat man einen Glauben, bei dem ein weichliches Volk sehr wohl bestehen kann; da muß man ein Auskunftsmittel bieten, das zwischen Vernichtung und Leben stehen bleibt, um sowohl die Sinnlichkeit der Neigungen als die Ahnung einer höheren Bestimmung mit einander verträglich zu machen.

Alle Anhänger dieses hohlen Pantheismus sind übrigens eigentlich weiter nichts als leidenschaftliche uud selbstsüchtige Anbeter ihrer selbst und gehen mit einem ungeheuren Hochmuth aus der Welt - verschwimmen im „A“, wenn sie nicht zuletzt ihre Stärke verlieren; denn wir wissen, daß Manche ihren Ueberzeugungen in der Todesstunde nicht treu blieben, daß 3. B. Buffon und Voltaire sich als Bußfertige vor einem Priester bekannt haben, daß Diderot, welcher Gott in seinen Schriften verlästerte, zuletzt seine Tochter im Katechismus unterrichtete, daß die Terroristen von 1793 zum größten Theil in der Kapuze gestorben sind.

Wie nun die religiöse oder philosophische Richtung, die ein Mensch während seines Lebens hegt, auf seine Sterbestunde und auf das Bewußtsein von Unsterblichkeit einen wesentlichen Einfluß ausübt, so ist dieß auch der Fall von Seite des Berufes, den wir in diesem Dasein ausüben. Anders stirbt der Priester, anders der Beamte, anders der Staatsmann, anders der Mann aus dem Volke, anders der Arzt, anders der Soldat, anders der Matrose, anders der Geschäftsmann. Wir können uns aber hier in eine nähere Schilderung nicht einlassen, sondern verweisen einfach auf das bereits wiederholt citirte Werk. Da der Tod nicht bloß das Ende und der Abschluß unseres (sittlichen) Lebens, sondern auch der Anfangspunkt eines neuen höheren Lebens ist, so wollen wir jetzt schon einen flüchtigen Blick in's Jenseits werfen, und wir können vom Standpunkt der Vernunft aus sagen, daß der Zustand im Jenseits wohl nicht für Alle der gleiche sein kann: Die ethische Richtung, welche die Einen und die Anderen hier verfolgten und mit der sie hinschieden, muß dort maßgebend sein. Nur

Erde mein nenne und was mir angenehm ist. Meine Frau, meine Kinder, die Blumen meines Gartens, mein Keller haben folglich den ersten Anspruch an meine aufrichtige Bewundrung. Was den betrifft, der mich mit seinen Gaben überhäuft, so bekümmere ich mich sehr wenig um ihn, bis er sich mir einmal auf eine unwiderlegliche Weise zeigt. Troßdem glaube ich, daß er eristirt und daß er errathen sein will wie jene Wohlthäter der Menschen, die sich denen verbergen, welche sie am meisten lieben. Es wird also vielleicht einmal ein Gott sein, Dank den Fortschritten der neuen Wissenschaften, und dann wollen wir in seinen steinernen Tempel gehen, um ihn näher zu sehen. Bis dahin finde ich meinen Tempel überall, besonders aber auf dem Gipfel eines hohen Berges, wo ich die Sonne auf- und untergehen sehen kann.“ Lauvergne II. 139.

die „im Herrn Entschlafenen“ „Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand und es berührt sie keine Qual. Sie sind in den Augen der Thoren gestorben; ihr Hingang gilt für ein ihnen widerfahrenes Unglück und ihr Scheiden von uns für Untergang. Aber sie sind im Frieden.“ Sap. 3, 1. „Von nun an,“ spricht der Geist, „sollen sie ruhen von ihren Leiden, ihre Werke aber folgen ihnen nach." Apoc. 14, 13. Diese Darstellung der heiligen Schrift vom Zustande der abge= schiedenen Gerechten als einem Zustande der Ruhe und süßen Schlafes findet sich im Glauben der Völker (wie wir im II. Theil nachweisen wer den), aber ebenso macht sich auch die Ansicht von der Ruhelosigkeit der unseligen Geister geltend - besonders in der vorchristlichen Zeit und selbst ein Plato redet von Schatten und Gestalten der Verstorbenen, die um die Gräber irren. Auch die alte deutsche Volkssage ist voll von „Geistergeschichten" (cf. J. Grimm Mythol.). Es wäre sehr einfach und in manchen Fällen recht wünschenswerth, sagt Daumer (Geisterr. I. 113), wenn nach dem Tode, wie man zu sagen pflegt, Alles aus wäre. Man kann es sich so vorstellen, man kann es meinen, glauben, behaupten, aber beweisen und außer Zweifel sehen läßt es sich nicht, es treten einem reinen Vernichtungsglauben sogar die gewichtvollsten und überzeugendsten Gründe entgegen. Und wiederum wäre es sehr einfach, wenn drüben im Jenseits Alles dieselbe Gestalt hätte, wenn Alle im Tode dasselbe Schicksal hätten; sehr schön, wenn Alle sofort sich in höhere Sphären emporschwängen, in einem Meere von Licht, Glück und Wonne schwämmen. Wahrscheinlich aber ist es nicht, es ist vielmehr das Allerunglaublichste, was sich denken läßt. Wie sollte die ungeheure Differenz der menschlichen Naturen, Charaktere, Culturstufen, Befähigungen, Neigungen und Richtungen im Tode so auf Einmal ausgeglichen sein?.. Da es unzählige Menschen gibt, die ihrer inneren Beschaffenheit nach weder dem einen noch dem andern der dortigen entgegengesetzten Zustände entschieden zugetheilt werden können, so wird sich uns das Geisterreich als ein zur Zeit noch sehr manichfaltiges präsentiren. Die Contraste, welche in dieser Beziehung hervortreten, sind allerdings sehr groß; es scheinen sich die hier obwaltenden Gegensäße noch viel extremer zu gestalten als in der lebenden Menschenwelt. Es gibt da allem Anscheine nach mehr Frieden und Seligkeit und mehr Unruhe und Qual, mehr himmlische Güte und mehr teuflische Bosheit, mehr Klarheit und Größe des Bewußtseins und mehr intellektuelle Dunkelheit und Armseligkeit, mehr Hoheit und Würde und mehr Gemeinheit und Pöbelhaftigkeit, mehr Kraft und Macht und mehr Schwäche und Ohnmacht als in der diesseitigen Region, wozu aber noch die manichfachen mehr auf diese oder jene Seite neigenden und an beiderlei Qualität und Befinden mehr oder weniger Theil nehmenden mittleren Gattungen und Charaktere kommen 1). Darum

1) cf. Schelling, Gespräch über den Zusammenhang der Natur mit der Geister

welt. Band IX.

wird es gut sein, sich schon jetzt an die Worte Baader's (Tgb. 69) zu erinnern: Die Moral am Ende der Fabel unsers Lebens ist: „Selig sind, die eines reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen."

Dritter Abschnitt.

Cap. I.

§. 1. Die Unsterblichkeitsidee im Allgemeinen.

Eine Unsterblichkeit im uneigentlichen Sinne, mit der sich Manche begnügen, ist das Fortleben eines Menschen im Andenken der Geschlechter und Jahrhunderte wegen hervorragender Eigenschaften des Charafters, wegen großer sittlicher oder intellektueller Befähigung, wegen außerordentlicher Leistungen im Gebiete des menschlichen Wissens und Könnens. Diese Art Unsterblichkeit, obgleich Naturanlagen zur Voraussetzung habend, beruht zunächst auf dem Verdienste des betreffenden „Unsterblichen“. Daher fingt Wieland in seinem „Herkules":

Soll dein Vaterland dich ehren,

Abeit' für sein Glück, für seinen Ruhm,
Soll Fama deinen Namen

Den Völkern und der Nachwelt nennen,
Verdien's um sie! Sei ein Wohlthäter

Der Menschheit, lebe, schwiße, blute

In ihrem Dienst! Was könnten dir die Menschen,
Die nichts von dir empfangen, schuldig sein?

In verwandtem Sinne schreibt Göthe:
So wirkt mit Macht der edle Mann

Jahrhunderte auf seines Gleichen:

Denn was ein guter Mensch erreichen kann,

Ist nicht im engen Naum des Lebens zu erreichen.

D'rum lebt er auch nach seinem Tode fort,

Und ist so wirksam als er lebte;

Die gute That, das schöne Wort,

Es strebt unsterblich, wie er sterblich strebte.

Das Verlangen, unsterblich im Andenken der Menschen zu werden, ist ein ethisches — ist Antrieb zur Ausbildung und höheren Entwicklung vieler physischen sowohl, als auch sittlichen Anlagen im Menschen- und daher wohl zu rechtfertigen, aber es ist wohl zu bezweifeln, ob eine solche

Unsterblichkeit dem Menschengeiste wirklich genügen kann, und ob es richtig ist, was Fischer (Idee der Gottheit p. 133) sagt: „Der Geist ist nicht der Zeit nach, sondern durch die Wahrheit seines Wesens, durch die Idealität seines Willens und durch die Unendlichkeit seines Wissens unsterblich und ewig." Unsterblichkeit im eigentlichen Sinn ist nur die persönliche Fortdauer. Diesen rein philosophischen Unsterblichkeitsbegriff bezeichnet Richter (I. 80), wenn er sagt: Der Glaube an persönliche Fortdauer enthält nur dieses, daß eine solche Fortdauer überhaupt ist und stattfindet, daß man sich aber aller Bestimmungen über die Beschaffenheit derselben enthalten müsse '). Dagegen hebt Wilmarshof2) als nicht unwesentlichen Mangel in allen bisherigen Schriften über Unsterblichkeit hervor, daß sich die Verfasser über die Art des Fortlebens theils gar nicht, theils in unzureichender und problematischer Weise ausgesprochen haben. Ohne hierüber zu einer haltbaren Annahme zu gelangen, kann aber der Glaube an die Fortdauer nicht hinreichend befestigt werden. Ist das Wo und Wie völlig unbestimmbar, so pflegt auch das Ob in Zweifel gezogen zu werden. Die Phantasie liefert kein Surrogat, welches dem gründlichen Nachdenken genügen könnte."

Neben der Auffassung der Unsterblichkeit als persönliche Fortdauer im Sinne der Theisten, da ja der Begriff von der Persönlichkeit Gottes mit dem von der Persönlichkeit des Menschen auf's engste zusammenhängt, zeigt sich uns als zweite Grundform der Unsterblichkeitsidee die pantheistische Auffassung, d. h. die Annahme einer Fortdauer des Menschen

"

1) Was Richter (ibid.) aus den Wörtern Fortdauer (Zeit) und stattfinden (Ort) bezüglich des Wie eruirt, ist zu naiv, als daß wir es berücksichtigen könnten; auch finden wir nicht, daß einige und zwar die neueren theologischen und philosophischen Lehrer (v. 1833) der Kirche, die das Fortleben unmittelbar nach dem Tode beginnen lassen und damit ihre Lehre von den leßten Dingen abschließen, sich wesentlich von den anderen unterscheiden, welche über Mittelzustand, Auferstehung der Todten 2c. ihre Ansichten ent= wickeln, denn an Unsterblichkeit glauben beide, nur daß sich lettere außerdem bezüglich des Wie an positive Offenbarung halten. Endlich sehen wir nicht, daß der Begriff Unsterblichkeit durch den katholischen Glauben an Fegfeuer, Himmel und Hölle alterirt werde und erst nach dem Auferstehungstage sich eigentlich realisire; ein Forteristiren des Leibes als organisches belebtes Wesen nach dem Tode kann man ja auch nicht beweisen, ebensowenig wie es diejenigen können, die in die Fortdauer des Geistes allein die Unsterblichkeit seßen.

Richter meint (p. 82), „dadurch, daß das Fortleben wiederum in Raum und Zeit hineinversezt ist, hört es auf, ein objektiv anderes und höheres zu sein, als das erste leibliche Leben auf Erden. Der Mensch, abermals an die Körperwelt gebunden, bedarf auch selbst eines Körpers, um in Raum und Zeit leben zu können, ja die temporellen und lokalen Beschränkungen des Jenseits dringen ihm von selbst einen Körper auf, alle übrige Seinsweise ist dem Nichts gleich; das sah man ein und gestand die Nothwendigkeit eines Leibes zu, weil ohne einen solchen nach der Annahme des Jenseits im zukünftigen Leben gar nicht fertig zu werden ist." 2) Das Jenseits, wissenschaftl. Vers. zur Lösung der Unsterblichkeitsfrage. Leipzig 1863. I. Vorr.

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