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geschlecht selbst solch einen Naturprozeß hinter sich habe und mit dem Thierreich aus Einer Wurzel stamme. Und es könnte, was wenigstens den Leib des Menschen betrifft, diese Behauptung kaum abgewiesen und mit entschei denden Gründen widerlegt werden. Zeigt doch die sinnliche Menschennatur in'sbesondere mit der höheren Thierorganisation die größte Verwandtschaft und Aehnlichkeit in der äußeren Erscheinung, wie in der inneren Einrichtung, im Athmungs- und Blutgefäßsystem, im Ernährungssystem, Nervensystem 2c., ferner in der embryonalen Entwicklung, und endlich sogar in dem noch unentwickelten psychischen Leben bei Kindern, Wilden 2.

nun auch immerhin der Unterschied zwischen dem leiblichen Menschen und den höchsten Thieren, den menschenähnlichsten Affen, Chimpanse, Gibbon, Orang-Utang und Gorilla sehr bedeutend ist, so doch nicht größer und bedeutender als es Unterschiede auch zwischen den Thieren selbst gibt, ja bei weitem nicht so bedeutend wie zwischen den verschiedenen Klassen des Thierreiches. Immerhin also „könnte" die leibliche Natur (!) des Menschen in ähnlicher Weise entstanden sein durch Vermittlung des Thierreiches, und so hätte dann die organische Natur durch ihre Entwicklung dem göttlichen Hauche des Menschengeistes gleichsam das Organ bereitet und die unmittelbare Herrichtung des Leibes aus Erde durch den Schöpfer selbst müßte da freilich fallen gelassen werden. Ja selbst die durch die organische Natur vermittelte Schöpfung der ganzen Menschennatur, der physischen wie psychischen konnte nicht als ganz unmöglich und unzulässig zurückgewiesen werden, wenn einmal die Möglichkeit psychischer Vervollkommnung und Umänderung in der Thierwelt nachgewiesen wäre wobei ja immer noch diese als bloßes Vermittlungsgebiet, die Menschheit aber als Zweck des durch den großen Naturprozeß schaffenden und vollendenden göttlichen Schöpfungswillens oder Aktes betrachtet werden könnte. . . . Wie der einzelne Mensch mit ganz unscheinbarem Anfange, einem Keim oder einer primitiven Zelle beginnt, die sich von den Keimen der höheren Thiere kaum oder gar nicht unterscheiden läßt, um dann allmählig durch Metamorphosen und Differenzirung hindurch sich zur aktuellen Menschennatur zu gestalten und sich schließ= lich gar sehr von den Thieren zu unterscheiden, so auch hätte das ganze Menschengeschlecht mit unscheinbaren Anfängen begonnen, von der Thierwelt kaum zu unterscheiden und längere Zeit mit ihr gleiche Entwicklungsstadien hindurchgehend, um endlich zur vollen, von der Thierwelt sich sehr unterscheidenden Aktualität der Menschheit und ihrer Geschichte zu kommen. Die Analogie (!) der Entwicklung der Natur im Großen und ebenso die Analogie der Menschengeschichte mit ihrem sehr allmähligen langsamen Prozesse, ja selbst die Analogie der geschichtlichen Entwicklung des Christenthums entspricht jener Annahme sogar ... Wenn man dabei auf die Schwierigkeit hinwiese, meint der Verf. (p. 129), wie es dann zu erklären, wie mit der göttlichen Güte und Weisheit vereinbar sei, daß soviele Keime und unvollkommene Formen des Menschengeschlechtes entstehen und zu Grunde gehen mußten, ohne eigentliche Menschen zu werden, wie es sich da mit ihrem

Menschenwesen, mit der Unsterblichkeit der Seele 2c. verhalte, so könnte zwar das Schwere dieser Bedenken nicht geläugnet werden, aber es wäre dagegen doch bemerklich zu machen, daß Schwierigkeiten dieser Art auch bei der ge= wöhnlichen theologischen Ansicht vom Ursprung der Menschheit nicht vermie den werden. So erscheint es z. B. schwer vereinbar mit der göttlichen Schöpfung und Führung der Menschheit, daß nicht bloß unzählige unbefruchtete Saamen, sondern auch Tausende und Millionen von befruchteten Keimen und Embryo's wieder zu Grunde gehen, ehe sie zur Entwicklung und Vollendung kommen. Wie verhält es sich mit dem Wesen dieser doch auch lebendigen Menschenanfänge und wie mit der Unsterblichkeit der Seelen oder Lebensprinzipien derselben, die ja gerade der theologischen Lehre zufolge identisch mit dem später zum Bewußtsein kommenden denkenden und wollenden Geiste sind?.. Dieselbe ungelöste Schwierigkeit in Betreff des Wesens und Schicksals der Seelen oder Lebensprinzipien wiederholt sich bei den manichfaltigen Mißgeburten, Akephalen, den niedersten Cretinen 2c. Würde Jemand diese Schwierigkeiten dadurch lösen oder vielmehr beseitigen, daß er behauptete, die ursprünglichen, primitiven Menschenanfänge seien noch nicht zu ihrem vollständigen Wesen gekommen und alle wieder zu Grunde ge= gangen in dieser vorgeschichtlichen oder fast vormenschlichen Periode der Bildung des Menschengeschlechtes, so dürfte man selbst dieß nicht allzu verwerflich finden, wenigstens nicht allzu strenge verurtheilen, nicht für unmöglich, Gottes unwürdig und dergleichen erklären, da man es doch selbst noch vom christlichen Standpunkt aus theologisch mit der Jdee Gottes, seiner Güte, Gerechtigkeit 2c. vereinbar findet, daß Tausende von Millionen Menschen und Menschenseelen, wenn auch nicht geradezu verdammt seien, doch außer dem eigentlichen Reiche Gottes in der Schöpfung bleiben, und zwar um einer Sünde und Schuld willen, die sie nicht selbst begangen und sich zugezogen, sondern die ersten Menschen, von denen sie nicht einmal irgend etwas wußten oder wissen. Uns scheint hier eine weit größere Schwierigkeit gegenüber der sonstigen Gotteslehre, der Lehre vom christlichen Gotte vorzuliegen, wenn so unzählige Menschen bloß um Nichts oder um Schlimmeres als Nichts geschaffen werden und unvergänglich da sein sollen, ohne je an's Ziel zu kommen, gleichsam nur als Folie für eine verhältnißmäßig geringe Zahl von Auserwählten als wenn Millionen unausgebildeter Menschenkeime oder noch unfertiger Menschennaturen als bloße Mittelglieder der Entwicklung, als Organe zur Realisirung des göttlichen Schöpfungsgedankens wieder zu Grunde gehen, nachdem ihre Aufgabe erfüllt worden."

Da der Hr. Verf. alle diese Säße selbst als Hypothesen bezeichnet 1), so wollen wir sie auf sich beruhen lassen und nur bemerken, daß es nicht

1) cf. Gleisberg P. Krit. Darlegung der Ürgesch. des Menschen nach Carl Vogt Vortr. 48. Dresden 1868. Büchner L. Sechs Vorlesungen über die Darwin'sche Theorie von d. Verwandlung der Arten 2c. 1868. Wagner M. Die Darwin'sche Theorie u. das Migrationsgeseß der Organismen. 1868.

Sache der menschlichen Vernunft und ihrer Kräfte sei, Alles zu begreifen, alle Schwierigkeiten zu lösen, alle „Mysterien“ zu entschleiern; es gibt ein Ende des menschlichen Wissens, wie schon der größte Denker des Alterthums, Aristoteles anerkannte! - Wenn nun aber behauptet wird (p. 132): „In Bezug auf körperliche Beschaffenheit läßt sich ein wesent licher Unterschied zwischen thierischer und menschlicher Or ganisation und Natur keineswegs behaupten, und könnte der Mensch nur als die höchste, vollendetste Stufe in der Reihe der lebendigen Geschöpfe betrachtet werden," so ist dieß schon einiger Untersuchung werth '). Bezüglich des Unterschiedes der Thierseele und Menschenseele muß unser Autor wohl zugestehen, daß da ein anderes Verhältniß stattfinde (ibid), daß zwar allen oder fast allen psychischen Kräften und Funktionen des Menschen auch bei den Thieren, den höheren wenigstens, ähnliche, analoge psychische Potenzen und Funktionen entsprechen 2), daß sich aber allenthalben nur Anfänge, gleichsam Rudimente zeigen, es aber zu eigentlich höherer Thätigkeit, zu einem selbstständigen psychischen oder geistigen Leben, Wissen und Wollen wie es der Menschheit in ihrer geschichtlichen Entwicklung eigenthümlich ist, bei keinem Thiere auch nur in irgend einem bemerkenswerthen Grade komme. Dem Hr. Verf. ist es auch nicht schwer, einige sogleich in die Augen fallende Unterschiede zwischen dem Seelenleben der Menschen und Thiere 2c. anzugeben, findet aber schon wieder große (!) Schwierigkeiten bei genauer Bestimmung der Grenzen, insofern, wie er. hervorhebt (p. 162), bestimmt werden soll, ob ein stetiger Uebergang von den psychischen Fähig. keiten, die auch den Thieren zukommen, zu denen stattfinden kann, die nur dem Menschen eigen sind, und ob also der Unterschied von Thier und Mensch nur ein gradueller, oder ein qualitativer, wesent· licher ist; ob die größere, psychische Befähigung des Menschen nur von der complicirteren, reicheren Organisation des Leibes verursacht werde oder vielmehr umgekehrt diese durch jene bedingt sei.

In Wahrheit bietet das menschliche Leben, die menschliche Geschichte Thatsachen, die wenigstens darüber vollkommene Gewißheit gewähren, daß zwischen dem psychischen Leben und Wirken des Menschen und der Thiere faktisch ein ganz entschiedener Unterschied, ja eine thatsächlich, soweit immer unsere Erfahrung reicht, unübersteigliche Kluft bestehe. Solche zunächst in die Augen fallende Thatsachen sind vor Allem, daß die Menschen eine Sprache haben, daß die Menschheit ein geschichtliches Bewußtsein

1) siehe unten „Geist und Körper“. 2) Flemming v. d. Thierseele II. p. 161 sagt: Wir halten das Eine fest, daß weder die Qualität der Empfindungszustände, noch auch die des Bewußtseins die Thierseele von der menschlichen unterscheidet, sondern nur die Summe des ersteren und die Intensität oder Klarheit des leßteren, so daß die Verschiedenheit beider im Verhältnisse der verschiedenen Thiergattungen zu einander leicht ebenso groß sein mag, als wenn man das vollkommenste Thier im Verhältniß zum Menschen betrachtet.

hat, daß jeder einzelne Mensch sich eine höhere, innere, geistige oder ethische Aufgabe stellen kann, daß die Menschen außer dem Bewußtsein eines moralischen Gesetzes ein Rechtsgefühl, eine Rechtsidee und eine darauf gegründete Rechtsgemeinschaft und Staatsordnung besitzen. Eine weitere, das Menschengeschlecht auszeichnende Thatsache ist die Gottesidee, der religiöse Glaube und Cultus, endlich die Kunst und Wissenschaft, lauter Dinge, die sich bei den Thieren nicht finden, wie der gelehrte Verfasser (p. 163 ff.) nachweist im Einzelnen.

Ob aber das Substrat von den psychischen Fähigkeiten der Menschen und Thiere, ob das Seelenwesen beider ganz oder wesentlich verschieden sei in dem Sinne, daß die menschliche Seele substantiell oder eine Substanz also ein in sich selbst Bestehendes sei, die thierische aber nicht, sondern nur als Energie oder Form, also etwas Accidentelles, in seinem Dasein von einem Anderen Bedingtes betrachtet werden müsse, das ist noch unentschieden (p. 180). Aber dieß, meint der Verf., dürfen wir wohl nach Analogie der ganzen übrigen Natur annehmen, daß Thier- und Menschenseelen jedenfalls formell bis zu einem gewissen Grade ähnlich sind wie auch ihre Kundgebungen so erscheinen; jedoch so, daß die Menschenseelen die höhere Kraft in sich tragen, über die sinnliche Natur sich zu erheben, sich von ihr zu befreien und im höheren Leben durch Selbstbewußtsein und freie Willenskraft das dunkle Wesen des materiellen Seins im gewöhnlichen Sinne von sich zu thun; daher hier das Materielle vielmehr als Accidenz im Seelischen oder Geistigen erscheint, während das Umgekehrte bei den Thieren der Fall ist (p. 182), die Thierseelen gehören jedenfalls noch zur Erde selbst, sind irdische Seelen . . . haben sicher über die Erde hinaus keine Bestimmung. Bei der Menschenseele haben wir Gründe, dieses an= zunehmen ').

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Wenn wir nach diesen Erörterungen auf den Ursprung des Menschengeschlechtes zurückkommen, so können wir nicht umhin zuzugestehen, daß die höheren Fähigkeiten der Menschenseelen, bemerkt der Verf., auf einen eigen= thümlichen, von der Thierwelt verschiedenen Ursprung derselben hindeuten, resp. eine unmittelbare göttliche Schöpfung zu erfordern scheinen 2). Uns ist diese unmittelbare Schöpfung der ersten Menschen gegenüber den angeführten Hypothesen eine unumstößliche Offenbarungsthatsache. Zudem hat es seine Richtigkeit mit der Bemerkung von Beraz 3): Nur durch

1) Auf die Frage, wie die Thierseelen als accidentelles, und die Menschenseelen als substantielles Sein bestehen, cf. I. c. p. 183 ff. 2) Später stellt auch dieß der Verf. in Frage und läßt nur die Seßung eines „Keimes zur Menschwerdung in der Natur zu" (ex hypothesi?!) und findet (p. 187 Anmerkung) sogar in der Bibel einen Parallelismus zwischen der Schöpfung der Erde und des Menschen, sowie etwas Auffallendes darinnen, daß die Landthiere und der Mensch an Einem Tage ge= schaffen worden. Die „fir und fertig geschaffenen ersten Menschen“ sind ihm natürlich auch „unbegreiflich“. — 3) Der Mensch nach Leib, Seele und Geift. Anthropologie I. P. 379.

den Glauben kann die Schöpfung erkannt werden, weil sie, durch das Wort Gottes geschaffen als sichtbares Abbild dieses ihr unsichtbares Urbild, durch das Alles geworden ist (Hebr. 11, 3) bezeugt; also weil die Urbilder der Schöpfung im ewigen Worte Gottes gründen, durch das Alles geworden. ist (Joh. 1, 10), und nur dem Glauben das Wort Gottes zum Quell des Lichtes und der Erkenntniß wird, darum kann auch nur im Glauben an das Licht vom Lichte: in dem sich Beleuchtenlassen vom Worte, durch das Alles gemacht ist (Joh. 1, 3), die Schöpfung erkannt werden. Und da nur mit und in der Kirche, welche die Säule und Grundfeste der Wahrheit in dieser Sichtbarkeit ist, der Glaube des Menschen in alle Wahrheit eingeführt zu werden vermag, so ist vor Allem der kirchliche Glaube der Schlüssel zum Verständniß der in Gott begründeten Tiefen der Natur."

§. 2. Der Materialismus.

Jeder Irrthum birgt eine Wahrheit in sich und hat so gewissermaßen. einige Berechtigung; so verhält es sich mit dem Materialismus gegen= über dem Dualismus. Die materialistischen Ansichten beruhen insgesammt und werden auch in ihren einzelnen Hypothesen getragen von dem mächtigen. Gefühle der Einheit des Menschen in sich selbst, bemerkt H. J. Fichte1). Der Materialismus ist wesentlich monistisch; aber eben dieser mit dem oberflächlichen Anscheine der Erfahrung sich begnügende Monismus ist das Täuschende, Gründlichkeit und Unbefangenheit nur Vorspiegelnde der materialistischen Ansicht. Sie geht an den wahren Schwierigkeiten und tieferen Problemen noch weit achtloser vorüber als der Spiritualismus. Gerade indeß wegen ihrer handgreiflichen Klarheit und scheinbar besonnenen Nüchtern= heit besticht sie die kalten, aber mit halbem Denken oder ungefähren Vorstellungen sich begnügenden Forscher, und selbst die Physiologie als „erafte Naturwissenschaft" beruhigt sich nur allzu leicht mit derselben, indem sie hier wenigstens vor Jllusionen sicher zu sein glaubt, während sich freilich das Gegentheil ergibt und der Materialismus sich als ein verworrenes Gemenge abentheuerlicher Hypothesen verräth. So ist es jedoch gekommen, daß fast zu allen Zeiten und jetzt vielleicht mehr als je die materialistische Vorstellungsweise jenen imponirenden Eindruck auf Naturforscher, Aerzte und besonders Weltmänner sich erringen konnte, der ihr sogar bei denen, welche sie wegen ihrer letzten Consequenzen verwerfen und die nur mit innerem Widerstreben sich ihr gefangen geben, wenigstens den Anspruch auf wissenschaftliche Berechtigung erwirbt 2). Prinzipiell jedoch beurtheilt hat der Materialismus keinen andern Werth als nur den polemischen oder negativen, jeder Dualistischen Lehre gegenüber

1) Anthropologie p. 55 ff. 2) Diesen Einfluß auf das prakt. Leben verkündete Littré jüngst mit den pompösen Worten: Die positive Philosophie d. h. der Materialismus habe den Autoritätsglauben der Bibel 2c. endgiltig beseitigt.

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