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Keiner behaupten wird, der mit seinem Glauben einigermaßen auch die Erfenntniß verbindet, in welcher er erst durch seinen Glauben im Besitz der Wahrheit ist. Aber selbst, wenn erst im Christenthume das Bewußtsein von der Unsterblichkeit käme, wäre die Lehre von der Unsterblichkeit eine anthropologische Lehre1).

Der Mensch fühlt in sich einen Trieb zur Verlängerung der Fortdauer des Daseins, der mit dem Prinzip der Selbsterhaltung zusammenfließt. Es ist ihm, seiner Natur nach, bei dem physischen und moralischen Interesse, das er hat, eben diese Fortdauer sich auf's weiteste hinaus lebhaft vorzustellen, beinahe unmöglich, sich uneristirend zu denken; daher in den früheren Zeiten der noch unentwickelten Vernunft, was der erhöhtere Verstand, der von jenen dunklen Wahrnehmungen des inneren Sinnes ausgeht, in der Folge zu demonstriren suchte und noch nicht befriedigend zu demonstriren gelernt hat die Ahnung der Unsterblichkeit 2).

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So erscheint die Unsterblichkeitsidee als psychologische Thatsache; aber noch einen anderen Ursprung muß sie haben. Wenn Sokrates glaubt, daß die Philosophie vom Himmel zu den Sterblichen gekommen sei, so scheint uns besonders die Unsterblichkeitsidee göttliche Tradition in der Menschheit zu sein 3), wenn sie auch außerdem im Selbstbewußtsein ruht und durch dialektische Untersuchungen zu vollerer Klarheit gebracht wurde *).

Die Unsterblichkeitsidee hat somit eine doppelte Ge= schichte und ein doppeltes, verschiedenes Schicksal, je nachdem sie als dunkles Bewußtsein oder als Urtradition im Geiste und Munde der Völker sich fortpflanzte durch die Jahrhunderte, oder sich entwickelte im Verstande der Philosophen. Im Volksglauben erhielt sich die Unsterblichkeitsidee meistens aus ethischen Gründen: der sinnliche Mensch konnte sich bei dem niederschlagenden Gedanken an die oft siegende Bosheit, an den ungleichen Wurf eines launischen Glückes um so leichter trösten, wenn ihm sein Priester sagte: Die Seele dieses jetzt glücklichen Tyrannen wird zur Strafe in dieses oder jenes bösartige Thier fahren 2c. Wenn auch der Verstand nichts gewann bei diesem gutgemeinten Traum, so gewann doch vielleicht das Herz. Hiezu kann man noch die sehr alten Vorstellungen von der Nothwendigkeit einer Läuterung, um des Mitgenusses an dem Zustande reinerer Geister theilhaftig zu werden, rechnen, die freilich ein Produkt der Einbildungskraft ist. Bei der unwillkürlich sich aufdringenden Wahrnehmung so vieler Unvollkommenheiten in der Welt, der Schranken, die hier unserem Verstande, dort unserem Willen gesezt sind, des über

1) Schmidt, Krit. p. 111-113.

2) Seelenwanderungshypothese 1833 p. 1–2. 3) Flügge dagegen (I. 78) will durchaus keine göttliche Offenbarung in diesem Punkte, findet sogar eine derartige Belehrung als den Menschen herabwürdigend. ) Man ist vielfach in letterer Beziehung zu weit gegangen. Conradi z. B. macht Alles vom intellektuellen Wissen abhängig: „Der Mensch ist erst mit dem Selbstbewußtsein unsterblich.“

wiegenden Gewichtes unserer Sinnlichkeit, welche die Herrschaft über unsere besseren Einsichten und Neigungen so oft davon trägt, lag eine Beruhigung in dem Traume: „es war einst anders, es kann noch anders mit uns werden )." So scheint aus der Ahnung der Fortdauer der Seele aus Mißverstand die Seelenwandrungslehre entstanden zu sein, die bei den alten Völkern besonders verbreitet war. Die Lehre, daß die Seele nach ihrem Hinscheiden aus diesem Leibe der Reinigung und Sühne halber in einen anderen, sei es nun Menschen-, Thier- oder Pflanzenkörper, wandere, verdankt ihre Entstehung, wie es scheint, noch verschiedenen anderen, nicht bloß ethischen Ursachen. Einige wollen: Der Wilde sei durch die langen Ekstasen, worin er seine Jongleurs liegen sah, zu glauben verleitet worden, daß die Seelen dieser Männer von ihnen getrennt, in fremden Regionen umherschweifen und daher auch fähig wären, in andere Körper zu wandern. Andere leiten sie aus der Hochachtung gegen die Thiere her, deren Seelen sie Vernunft und den nämlichen Zustand nach dem Tode zuschreiben, den sie sich von den Menschen dachten 2). Andere gründen sie auf die Ahnung, welche die Völker von der Fortdauer ihres Selbst hatten; unwissend aber über das „Wie" der Fortdauer verfielen sie auf den Gedanken, den Seelen ihren Aufenthalt nach dem Tode in den Körpern der Thiere, Pflanzen, ja Steine anzuweisen, um so mehr als sie Alles in der Welt beseelt glaubten. Simon hält es für wahrscheinlicher, daß die Seelenwandrungslehre, wenigstens bei jenen Völkern, welche an ein Gericht, Belohnung oder Strafe nach dem Tode glauben, aus der Idee einer ausgleichenden Gerechtigkeit Gottes ent= standen sei. Jedem Sterblichen mußte die Verschiedenheit der menschlichen Schicksale in die Augen fallen, nach welchen oft der Tugendhafte im Elende darbt und der Lasterhafte im Glücke schwelgt. Konnte er wohl mit der göttlichen Gerechtigkeit den Gedanken vereinigen, daß diese hienieden herrschenden Mißverständnisse immer fortdauern und nicht nach dem Tode sollten geändert und ausgeglichen werden? Nein! der Gedanke mußte ihn beruhigen: Jenseits wird dem Gerechten sein Lohn, dem Bösen seine Strafe 3).

1) Seelenwandrungshypothese p. 4. 2) In Rücksicht körperlicher und physis scher Eigenschaften erhebt sich das Thier oft über den Menschen. Der Löwe ist stärker, der Hirsch schnellfüßiger als er, der Biber baut künstlichere Häuser, der Luchs übertrifft ihn an feinerem Gesicht, der Hund am Geruch 2c. Der Fuchs überlistet ihn weit, der Zobel spottet oft der Jäger, der Elephant besiegt ihn durch Klugheit 2c. Die Jtalmenen erzählen allen Ernstes, wie ihr Gott Kutka oft und schändlich von den Mäusen betrogen worden sei. (Meiners vermischte Schriften I. 164). Die Lappen schreiben den Bären den größten Grad von Klugheit zu; bei den Norwegern gilt das Sprichwort: Der Bär vereinige in sich die Kräfte von zehn, den Verstand von zwölf Menschen. Manche rechneten den Bären zum Menschengeschlechte. Die Peguaner schreiben den Thieren menschliche Seelen zu und behaupten, daß sie meistens bloß zur Strafe für begangene Fehler des Gebrauchs ihrer Vernunft beraubt würden. Bei Simon, Gesch. p. 286 ff. cf. ibid. über Thier - Gespenster. - 3) cf. unten „das ethische Moment der Unsterblichkeitsidee“.

Selbst der ungebildete Kamtschadale läßt den Armen nach dem Tode reich, den Reichen aber arm werden, um den Begriff einer ausgleichenden Gerechtigkeit zu retten. Den Gedanken konnte aber der Naturmensch nicht fassen und entwickeln, daß der schwache Sterbliche, der als solcher eben nie mackel- und sündelos sein kann, am Ende eines einzigen Lebens, und nach einer einzigen Prüfung auf Erden den immerwährenden Qualen einer martervollen Hölle sollte übergeben werden 1). So wie er sich Gott gerecht gedacht hat, so dachte er ihn sich auch gütig, dieses führte ihn auf die Meinung, die göttliche Vorsehung hülle ihn in andere Körper, gleichsam in neue Prüfungsschulen ein, um darin die begangenen Verbrechen abzubüßen und durch Erwerbung neuer Verdienste und Besserung zu einem besseren Leben tüchtig zu machen (p. 76).

Die Lehre, daß die Menschen erst durch verschiedene Wandrungen in den Körpern von allen Schlacken und Fehlern müßten gereinigt und ganz rein sein, bis sie mit dem reinen Lichte der Gottheit könnten vereinigt werden, eine Lehre, die fähig war, den Glauben an die Metempsychose zu erzeugen hält Simon (ibid.) für späteren Ursprungs, sie fällt ihm in die Zeit, wo bereits das Emanationssystem entstanden war. Die Schonung ferner der nützlichen Thiere und die Enthaltung von Fleischspeisen, die in heißen Ländern sehr schädlich, und daher von Sanitätswegen verboten, welches Verbot durch die Religion geheiligt ward, gilt unserem Verfasser mehr als eine Folge dieser Lehre, als eine ursprüngliche Grundursache derselben. „Gewiß ist es, sagt er (p. 78), daß der Thierdienst früher als diese Wanderungslehre war 2)." Auch die Behauptung, daß die Seelenwandrungslehre auf der Theorie vom Thierkreise beruhe, läßt er nicht gelten.

Ihre Entstehung soll die Seelenwandrungstheorie den Aegyptiern verdanken; allein, wenn Herodot (II. 123) diese Lehre bei den Aegyptiern zuerst gefunden hat 3), so beweist dieß noch nicht, daß

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1) Das Christenthum, den reinen Begriff von einer absoluten Gerechtigkeit sowie von der Heiligkeit Gottes bietend, klärt uns darüber auf; es ist somit ein Rückschritt (und eine Einseitigkeit), wenn man sich jetzt wieder auf den Standpunkt jener „Naturmenschen" stellen will. 2) und citirt: Plessing, Versuch vom Ursprung der Abgötterei p. 578. Ezour Vedam I. 30. 3) Diese Lehre lautet: Die Psyche verbindet sich sogleich nach ihrer Trennung vom Leibe mit der Materie, und dann bereitet ihr Gott oder die Natur einen organischen Stoff, einen Thierleib, der sie empfängt und den sie belebt. In ein belebtes Thier tritt sie nicht. Wenn sie alle Formen der Thierleiber durchwandert hat, auf der Erde, im Wasser und in der Luft, tritt sie wieder in einen werdenden Menschenleib; ihre Umwandrung vollbringt sie in 3000 Jahren. (Herod. ibid.). Es gibt übrigens drei Arten von Seelenwandrungen: Eine im Kreise, zufolge der die Seele immer wieder in neue verschiedene animalische Verbindungen zurückkommt, ferner die aufwärts zum Ort der Seligen und von da zur Hölle und die rückwärts von der Hölle in's Elysium. Nach der Angabe Herodot's, der die Kreiswandrung annahm, war bei den Aegyptern die Seelenwandrung für alle Menschen gleich (bei Pythagoras nur für die Bösen). Ueber die Verbreitung und Modifici=

fie nicht bei anderen Völkern zugleich und in eben jener Zeit auch schon entstanden war. Sollte der menschliche Forschungsgeist, der in vielen anderen Punkten bei mehreren Völkern zu gleicher Zeit auf denselben Gedanken gekommen ist, nicht auch auf diesen wichtigen Punkt von selbst zu gleicher Zeit verfallen sein? Simon weist auch darauf hin, daß diese Lehre nicht bloß Mysterium (Tradition) der Priester, sondern anerkanntes Dogma beim ägyptischen Volke war (p. 78). Wenn wir endlich auch nicht mit historischer Gewißheit entscheiden können, ob alle Seelen oder nur die der Lasterhaften nach jener Meinung einer Wanderung unterworfen sind, so steht doch fest, daß mit derselben die Idee von einer Reinigung und Läuterung, die durch die Wanderung bezweckt werde, verbunden war.

Ob Pythagoras diese Lehre aus Aegypten zu den Griechen gebracht habe, wie der Verfasser ohne weiteres annimmt, bleibt noch eine Frage (siehe unten). Woher Pindar (olymp. od. VI.) seinen Glauben an diese Lehre herbekommen habe, ist wohl auch nicht zu ermitteln, wenn wir nicht annehmen, es sei dieß griechischer Volksglaube überhaupt gewesen von Anfang. Bei Empedokles, Plato und späteren findet sich dieser Glaube ausgesprochen, ob er aber persönliche Ueberzeugung jener Männer war, ist zu bezweifeln 1). Immer aber sind solche Ideen über das Jenseits den besseren Geistern eines Jahrhunderts eigen, die zugleich auch den psychologischen Grund der allgemeinen Ideen suchen. Jede Idee ethischer Natur hat einen psychologischen Grund, allein das einfache Volk bringt sich denselben nur insoweit zum helleren Bewußtsein, als es durch äußere Erfahrungen und Verhältnisse zum Nachdenken gezwungen, das moralische Gefühl des Trostes fühlt und dadurch befriedigen zu können wähnt. So mußten oft häusliche Verhältnisse zum Glauben an die Fortdauer der Seele veranlassen, z. B. der Tod eines theueren Geliebten: so beweint Plinius seinen Freund

rung der Seelenwandrungslehre bei den Aegyptern hatten Plutarch und Epiphanius andere Ansichten als Herodot.

1) In der christlichen Zeit findet sich (wie früher bei den Jndern, Aegyptern und Griechen) die Seelenwandrungslehre bei den Gnostikern, besonders bei Basilides und den Valentinianern, bei den Manichäern; auch Origines (regi doxŵv) scheint nicht ganz über sie hinweggekommen zu sein. Frenäus (adv. haeres.) eifert gegen diese Lehre. In der neueren Zeit hat sie Lessing (in seinen „Aphorismen“ 1780) hervorgezogen, ihm ging fie aus seiner Lieblingsidee von der Erziehung des Menschen hervor, er findet diese Hypothese nicht so lächerlich. Schlosser in seinem Dialog Eugenius und Cleomanthus" ergänzt Lessing; auch Herder sucht sie wissenschaftlich zu begründen (siehe unten). cf. Flügge, Gesch. d. Glaub. an Unsterblichkeit. I. 158. 168. Selbst Göthe soll geäußert haben, daß er schon tausendmal dagewesen sei. Loße (Microc. I. 425) würdigt dagegen diese Theorie mit den Worten: „Die Träume der Seelenwandrung sind bisher Träume der Einbildungskraft geblieben, und noch nie hat man erfolgreich ihr eine böhere sittliche Bedeutung für die Ordnung der Welt zu geben vermocht; endlich zwingt keine Nothwendigkeit unserer Vernunft, den Gedanken der Entstehung der Seele zu fliehen."

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Verginius und glaubt ihn unsterblich 1). Ovidius 2) und Cicero 3) sprechen Aehnliches aus.

Bei dem Tode gefeierter Helden, großer Männer mußte sich ein Volk fragen, wohin wird ihr Geist entflohen sein? es mußte fragen: die Heroen, die gefeierten, sollte der Tod auf ewig vernichtet haben? Das konnte ein so edles, geistig entwickeltes Volk, wie es z. B. die Griechen waren, nimmermehr annehmen. So entstund der Heroencultus, man ehrte das Andenken berühmter Helden, weihte ihnen Sternbilder, errichtete Altäre *).

Angesichts dieser historischen Sachlage ist es eine gewagte Aeußerung Richters 5), dieses Bewußtsein der Unsterblichkeitsidee, das sich auf Grund äußerer Verhältnisse entwickelte, als puren Egoismus zu bezeichnen 6).

Fürwahr! die Sehnsucht, die jedem Menschen innewohnt, denen, die ihm hier schon am liebsten waren, nach dem Tode wieder zu begegnen, mit ihnen wieder zu verkehren, muß wohl gestillt werden '). Zudem, kann etwa eine Idee, die so allgemein in der Menschenwelt stattfindet und sich überall auf ähnliche Weise äußert, einen anderen als wahren Grund haben? Nur dadurch gelangt der Geist der Menschen zur Idee von einem ferneren und besseren Leben, daß dieselbe als Wirkung des Gefühls und Nachdenkens dunkel oder deutlich dem Wesen des menschlichen Geistes entquillt und sich durch den inneren Sinn ausspricht (Heynig p. 48). Das Räthsel unseres jetzigen Geisteslebens, der Durst nach Erforschung der Wahrheit, die uns zum Theil hier nichts frommt, das Streben jedes rechten Geistes, Werkzeuge zu schaffen, die bloß der Nachwelt zu Gute kommen, das Gewissen mit der Neue, das uns eine unergründliche Angst wegen schlechter Handlungen einflößt, die uns doch hier keinen Nachtheil bringen, gehen aus ahnendem Vorgefühl hervor, was uns alles dieß in jener Welt eintragen wird, wo selbst die Frucht unserer kleinsten und verborgensten Thätigkeit uns als ein Theil unseres Selbst anheimfällt (Mises p. 11). Kurz! die Seele fühlt sich unsterblich, wenn sie es auch nicht beweisen kann, wie Göschel (p. 5) be= merkt. Wenn nun Herder die Unsterblichkeitsidee als eine bloße Blüthe der Hoffnung bezeichnet, die von der Phantasie weiter ausgebildet, aber ein Werk des Wissens werden kann, so fragt Schmidt (Krit.

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') epist. II. 1: Vivit enim vivetque semper; postquam ab oculis recessit. Verginium cogito, Verginium jam vanis imaginibus recentibus tamen audio, alloquor, teneo. 2) de Ponto I. 9: Ante meos oculos tanquam praesentis imago Haeret, et extinctum vivere fingit amor. cf. Xenoph. Cyrop. VIII. 7; Cic. de senect. 22. 3) tusc. I. 13: Rationes et causas rerum non tenebant visis quibusdam saepe movebantur hisque maxime nocturnis, ut viderentur ii, qui vita excesserant vivere. 4) cf. II. Theil 1. Abschnitt. Griechischer Volksglaube. 5) Lehre von den leßten Dingen I. 114. 6) Schmidt (Krit. 143) bemerkt ihm gegenüber: Richter hat nicht Unrecht, wenn er meint, die Unsterblichkeit könne z. B. daraus nicht gefolgert werden, daß so manches Gute, das hier nicht ausgeführt würde, dort realisirt werden müsse und macht mit Recht den Begriff der Freiheit geltend, allein daß das Gute den Sieg behalten muß, ist nichts weniger als Egoismus.) Mises, p. 29.

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