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unmöglich ein glückliches Leben hervorbringen. Man müßte also durch die Vernunft beweisen, daß, für das Vaterland zu sterben, den süßesten Freuden der Sinne um der Tugend willen zu entsagen ... allgemein sichere und nothwendige Mittel zu einem glücklichen Leben wären. Dieses ist aber rein unmöglich, 1) weil die Glückseligkeit in angenehmen Empfindungen besteht, die in verschiedenen Subjekten auch von verschiedenen Ursachen entstehen, deren Erkenntniß auf jedes eigener Erfahrung beruht und worüber schlechterdings keine absolut allgemeinen und nothwendigen Vorschriften möglich sind, 2) sind die Mittel, welche die Vernunft zu diesem Zwecke in ihrer Gewalt hat, weder zureichend noch sicher. Denn ein jeder weiß, daß die menschliche Glückseligkeit wenigstens größtentheils von physischen Ursachen abhängt, die nur nach dem, was uns Erfahrung lehrt, bisweilen zufälliger Weise mit den moralischen zusammenstimmen und also hätte die Vernunft einen Zweck, den sie zu erreichen nicht die gehörige Gewalt hat. 3) Läßt es sich zwar denken, wie die Vernunft, wenn sie sich Glückseligkeit zum Zwecke macht, nothwendig Uebel und Leiden zu übernehmen anrathen könne, wenn sie einsieht, daß dadurch ihre Lust vermehrt werde; wie sie aber bei diesem Zwecke rathen könne, auch den Tod nicht zu achten, ist schlechterdings nicht begreiflich.... Jak. S. 29–36.

Einige lassen die Sittenlehre ganz als Glückseligkeitslehre gelten (p. 52). Deßbezüglich lassen sich für unsere Frage zwei verschiedene Untersuchungen anstellen: ob Glückseligkeit der letzte und ver= nünftigste Zweck in der menschlichen Natur überhaupt sei, und ob diejenigen freien Handlungen, welche durch die Vorstellungen derselben verursacht werden, deßhalb Pflichten genannt werden können? Ist das erstere, so müssen natürlicher Weise die Befolgungen der Pflicht diesen letzten Zweck mitbefördern helfen, wenn anders die menschliche Natur selbst etwas zur Erreichung ihres Endzwecks beitragen kann. Aber ob Handlungen deßhalb Pflichten heißen müssen, weil sie durch die Vorstellung der dadurch zu erlangenden Glückseligkeit hervorgebracht sind, daran ist zu zweifeln. Denn angenommen, die menschliche Natur habe einen ganz anderen uns bis jetzt zwar unbekannten, aber doch weit erhabeneren Zweck als den Genuß der Glückseligkeit, und angenommen, daß der lezte Zweck unserer Natur nicht nur hier in der Welt, sondern auch in einer beträchtlichen Zeitfolge nach dem Tode in einem anderen Leben völlig unerforschlich bliebe, und endlich angenommen, daß wir schlechterdings keinen nothwendigen oder wirklichen Zusammenhang zwischen Tugend und Glückseligkeit entdeckten, so würden die Vernunftgebote dennoch für uns ihre vollkommene Gültigkeit behalten und wir würden alle Macht der Vernunft anwenden müssen, sie auszu= führen, weil wir wenigstens diese einzige Bestimmung unserer Natur mit vollkommener Gewißheit erkennen, daß wir nach den Vernunftgesetzen handeln müssen. Die Vernunftgesete müssen als freie von allen Dingen unabhängige Ursachen wirken, wenn wir von unseren Handlungen sollen sagen können, daß die Pflicht einigen Theil daran habe.

Es ist zwar vernünftig, für sein Glück zu sorgen, aber kein Mensch nennt dergleichen Handlungen Handlungen aus Pflicht.

...

Sobald die Vorstellung des Vergnügens, das aus einer Handlung entspringt, die alleinige Ursache der Handlung ist, so verdient sie schlechterdings nicht den Namen der Tugend, sondern es ist an jeder Handlung nur soviel tugendhaft als die bloße Vorstellung des allgemeinen und nothwendigen Vernunftgesetzes gewirkt hat. Denn wäre das Vergnügen, welches aus der tugendhaften Handlung entsteht, als die Ursache desselben anzusehen, so müßte das Vergnügen oder die Glückseligkeit auch ein Maß sein, die Tugend und das Verdienst der Handlungen zu messen: es wäre eine Handlung um so tugendhafter, je glücklicher sie mache, keiner wäre lasterhaft als der Elende.

Es ist aber auch gar nicht erweislich, daß die Beobachtung der moralischen Gesetze jederzeit und nothwendig mit Glückseligkeit verbunden sei 1).

Eingehender noch führt Abel einen Beweis für Unsterblichkeit mit Rücksicht auf die sittliche Bestimmung des Menschen, wenn er sagt (p. 25 ff.): „Es fließen aus dem sittlichen Prinzip widersprechende Pflichten, sobald die Unsterblichkeit des Menschen geläugnet wird, denn es gibt Fälle, wo ich entweder mein Leben lassen, oder einen Meineid, ein Unrecht, kurz irgend eine Sünde begehen muß. Ich habe mich z. B. durch wiederholten Eid anheischig gemacht, mein Leben für mein Vaterland aufzuopfern, sobald es das Wohl desselben fordere, nun fordert es dieses, Tausende meiner Mitbürger stehen in Gefahr, Vermögen, Leben, Alles zu verlieren, nur ich, wenn ich dem Vertrage gemäß mein Leben aufopfere, kann sie retten, sollte es in diesem Falle nicht Pflicht für mich sein, sie zu retten, also mein Leben aufzuopfern, aber wenn mit dem Leben Alles aus ist, dann kann ich diese Pflicht nicht beobachten, ohne daß durch ihre Beobachtung mein Dasein und also auch das Dasein meiner Vernunft und meines vernünftigen Willens mit seinen Geseßen und Zwecken, das höchste Gut und meine Bestimmung folglich der Grund aller einzelnen Pflichten und dieser Pflicht mein Leben zu lassen, selbst gerichtet wird, so daß also durch diese Pflichterfüllung sogar auch die Möglichkeit gut zu sein und gut zu handeln für alle Zukunft aufgehoben wird. Nun sind aber Vernunft, vernünftiger freier Wille das höchste Gut, unsere Bestimmung und dergleichen das Höchste, durch welches alles Andere bestimmt werden soll und welches eben deswegen in keinem Falle irgend einem anderen aufgeopfert werden darf, daher kann eine Handlung, durch die unser Leben und mit diesem alles eben Genannte aufgehoben wird, nicht geboten werden. So stehen Pflicht und der Grund aller Pflichten in offenbarem Widerspruch."

Auch stünde die Sterblichkeit mit dem nothwendigen Naturgesez des Glückseligkeitstriebes in Widerspruch (wie bereits gezeigt wurde). Ferner wäre Lohn der Besseren, die die Pflicht erfüllt, Aufhebung

1) cf. Jacob S. 58 ff.

des Daseins und aller seiner Freuden, während die Schlechteren, welche die Pflicht verlezen, dasselbe noch ferner genießen würden. Demnach dürfen wir also keine solche Pflicht anerkennen, vielmehr muß, der genannten Folgen wegen, Aufopferung des Lebens als pflichtwidrig und dagegen Erhaltung des Lebens als pflichtgemäß, ja, sofern ohne Leben keine Pflicht mehr statthaben kann, als die Pflicht, welche keiner andern aufgeopfert werden darf, betrachtet werden, q. e. abs.

Es gibt ferner Pflichten, deren Erfüllung, wenn auch nicht das Leben, doch das Glück dieses irdischen Lebens und also des ganzen Daseins entreißt. Ich soll ein Amt antreten, das mir ausgebreitete Gelegenheit, für die Menschen Gutes zu wirken, verschafft und das fein anderer mit gleichem Erfolg zu versehen vermag, aber ein Amt, das mir, wie ich mit Gewißheit voraussehe, unzähligen Verdruß zuziehen und alle Freuden dieses Lebens, ja selbst die Empfänglichkeit für Freuden rauben wird, wogegen ich, wenn ich das Amt nicht annehme, ein heiteres frohes Leben noch fernerhin genießen kann. In diesem Falle fordert die Pflicht, das allgemeine Wohl dem Privatwohl vorzuziehen; allein, wenn Sterblichkeit unser Loos ist, so ziehe ich mir durch Befolgung dieser Pflicht im Ganzen meines noch übrigen Daseins größeres Unglück zu, was zu thun, nach dem Vorherbemerkten, Vernunft mir nicht gebietet und ich, wenn sie es auch geböte, nicht erfüllen könnte.

In anderen Fällen ginge bei Voraussetzung der Sterblichkeit wenigstens ein Charakter des Pflichtmäßigen verloren, der in eben denselben bei Voraussetzung der Fortdauer feststeht (p. 32). Habe ich mich auch für eine andere Welt zu bilden, so ist nichts von dem, was ich hier an Bildung errungen habe, verloren, und ich kann und werde also ohne Rücksicht darauf, ob es mir hienieden nüßen werde oder nicht, fortfahren, immer weiter und weiter von jeder Seite mich zu bilden. Auch wenn hienieden gar keine Frucht meiner Anstrengungen sich zeigen sollte, der Blick auf die künftige Welt spornt meine Thätigkeit.

Aber ist kein Leben nach dem Tode, so habe ich hienieden nur für die irdische Bestimmung mich zu bilden und werde also eine andere, für dieses Erdenleben nicht nöthige, vielleicht nicht einmal angemessene Bildung mir nicht zu erwerben, vielweniger sie durch Anstrengung und Schmerzen zu erkaufen suchen. Nun lassen sich aber Stufen und Richtungen der Bildung, sowie einzelne Handlungen denken, welche bei Voraussetzung einer gewissen Lebensdauer hienieden heilsam und also zu befördern, ohne diese aber hienieden, und also so lange wir noch existiren, mehr nachtheilig und also nicht zu befördern, sondern zu meiden sind; kann dann in solchen Fällen nicht mit Zuversicht vorausgesehen werden, ob diese oder jene Voraussetzung statthaben werde, so ist man ungewiß und schwankend, ob man die befragte Stufe oder Richtung der Bildung zu erwerben suchen solle oder nicht, was auf Beobachtung der Pflichten sehr nachtheiligen Einfluß hat.

Nur wenn ich aus Achtung für das Sittengeset oder die

Quelle desselben, meine Vernunft oder den Schöpfer dieser und aller andern Dinge, die Gottheit, handle, ist mein Bestimmungsgrund ächt, meine Handlung gut, aber wird die Achtung für beide erstere noch bestehen können, wenn sie so voll Widerspruch sind; ja wird Achtung und Verehrung selbst dem Schöpfer noch wie vorher gewidmet werden, wenn dieser nur als Schöpfer eines so unvollkommenen Werkes betrachtet wird?

Jezt sind auch unsere herrlichsten Ueberzeugungen verloren. Schon die Kürze unseres Daseins und die nun viel bedeutendere Abhängigkeit des Jchs vom Körper und äußeren Dingen seßen unsere Natur herunter.

Am meisten aber wird sie heruntergescht durch die Menge von Widersprüchen, die unter Voraussetzung der Sterblichkeit in unserem Vermögen und ihren edelsten Produkten statthaben. Selbst Sittlichkeit, ohne welche auch Freiheit nicht behauptet werden kann, kann dann so vieler Widersprüche wegen nicht mehr angenommen werden, und nun ist auch der hohe Vorzug unserer Natur, selbst Zweck zu sein, nicht mehr.

Unter Voraussetzung der Sterblichkeit wird der Mensch nie besser als er am Ende des Erdenlebens war, und wie fern ist er in diesem Augenblick noch von Vollkommenheit? Nun ist auch besonders unsere Bestimmung eine viel niedrigere und überdieß unerreichbar.

Ohne Glauben an Sittlichkeit kann auch von moralischer Weltordnung nicht mehr die Rede sein, und dieser beraubt verliert endlich auch der Glaube an die Gottheit seine Stüße, kurz der Glaube an ein höheres Uebersinnliches ist nicht mehr haltbar.

Sittlichkeit ist unabweisbare Bedingung der Glückseligkeit, daher ist auch diese mit Voraussetzung der Sterblichkeit nicht vereinbar und ohnehin kann nun nicht mehr von Harmonie beider mit einander die Rede sein.

Fest steht also das Resultat: Unsere ganze Bestimmung ist mit Vorausseßung der Sterblichkeit nicht vereinbar, und diese muß also, da jene, die aus unserer vernünftig-sinnlichen Natur nothwendig hervorgegangen ist, nicht aufgegeben werden kann, aufgegeben werden. Dieses muß um so mehr geschehen, da, sobald Fortdauer angenommen wird, alle erwähnten auf Nichtfortdauer sich gründenden Widersprüche sogleich verschwinden.

Der Glaube der Menschen an ihre Unsterblichkeit von geistiger Seite im Gegensatze der Sterblichkeit des Leibes verband sich von jeher mit dem Glauben an Vergeltung, und eine natürliche Folge dieser Verbindung waren die sinnlichen (räumlichen und zeitlichen) Vorstellungen von einem Himmel und einer Hölle, als Wohnungen der Seligen und Verdammten. Dem Glauben an Vergeltung lag die Idee von Gerechtigkeit zu Grunde und diese verband sich mit der Voraussetzung eines sittlich nothwendigen Zusammenhangs zwischen dem Moralischen und Sinnlichen, zwischen der Tugend und Glückseligkeit. Da nun beide in diesem Leben meist in Widerspruch oder wenigstens in einem Mißverhältnisse zu einander stehen, wie die tägliche Erfahrung beweist, was war natürlicher als die Ausgleichung

von einem anderen Leben jenseits des Grabes zu erwarten? einen Gott, als den ewigen Vergelter und höchsten Richter über Gutes und Böses, Glückseligkeit und Elend, Himmel und Hölle zu denken? Obgleich nun Blasche (p. 11) diese Anschauung als eine der natürlichen Vernunft ganz entsprechende findet, weiß er doch, wie er meint, sehr triftige Einwendungen vorzubringen: „Bei gleichartigen Dingen," sagt er, ist eine Ausgleichung möglich. Das diesseitige und jenseitige Leben sind aber unendlich verschieden, also ist eine jenseitige Ausgleichung unmöglich." Dieß ginge zunächst auf den Sah hinaus, eine ewige Ordnung der moralischen Welt ist unmöglich, welchen Blasche jedenfalls nicht beweisen kann. „In der christlichen Lehre von der Vergeltung sei eine Inconsequenz: indem auf endliche Vergehen endlose Strafen gesezt und für unvollkommene Tugend eine vollkommene Belohnung bestimmt sei." Solche Einwürfe zeugen von oberflächlicher Kenntniß der christlichen Lehre von der unendlichen Majestät, Heiligkeit und Liebe Gottes, welche nur Unendliches bietet in Lohn und Strafe. Da aber das menschliche Wesen wegen seiner Endlichkeit nicht fähig ist, die wegen Vergehen gegen eine unendliche Majestät verschuldete endlose Strafe zu tragen, so ist diese Strafe in eine endlose der Zeit nach verwandelt '). Wenn Gott aus freiem Willen unvollkommene Werke mit vollkommener Belohnung vergibt, so entspricht dieses seiner unendlichen Güte und Liebe und es steht uns nicht zu, seine einmal faktisch so und nicht anders eingerichtete Heilsökonomie und Gnadenordnung, die allerdings über den Horizont der menschlichen Denkweise hinausliegt, anzutasten. Freilich, wer die thatsächliche Anlage des Menschen für unendliches Sein läugnet und behauptet, die ganze Glückseligkeit des Menschen soll hier auf Erden enden mit dem Bewußtsein, daß man der Gattung gedient habe und nur für sie lebe, der mag zuletzt das ganz natürliche und vollständig gerechtfertigte Verlangen nach ewigem Lohne für Lohnsucht und den Glauben an Unsterblichkeit für Egoismus ausgeben. So negirt Ludwig Feuerbach die Unsterblichkeit, nicht bloß, wie er sich ausdrückt, aus dem metaphysischen Grunde, daß er sich ohne den Körper keine Persönlichkeit denken kann, sondern zugleich aus sittlicher Entrüstung" über die „Lohnsucht, die gewöhnliche Tugend", die nur um des jenseitigen Gewinns willen im Diesseits sich das Eine und Andere versagt; er negirt die Unsterblichkeit aus warmem Schmerz darüber, daß die Menschen durch die Hoffnung auf das Jenseits sich von der vollen Ausbeutung der Gegenwart abhalten lassen 2). Wir fragen aber, wo ist mehr Lohnsucht und gewöhnliche Tugend zu suchen und zu finden, bei Einem, der nur für diese kurze Spanne Zeit lebt und nur sie genießen will 3), oder bei jenen Menschen, die um des Jenseits willen Opfer bringen?

') fiehe III. Th. christliche Eschatologie, Einwendungen gegen die ewige Strafe. 2) Encyclopädische Darstellung der neuesten Zeitgeschichte. II. Band. Leipzig 1849. „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit“, anonym (von L. Feuerbach) p. 90. — 3) Schr charakteristisch ist in dieser Beziehung der Brief L. Feuerbach's an seinen Vater (1825):

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