Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

Wenn ferner Richter sagt: Der Unsterblichkeitsglaube ist Egoismus), so entgegnet ihm Schmidt ganz entsprechend: Recht ist es von den Läugnern der Unsterblichkeit, den Grund des vermeintlichen Irrthums zu suchen, aber ungründlich, nicht weiter zu untersuchen, wie der Grund beschaffen sei. Wenn nun doch unter ihrem Worte Egoismus die Persönlichkeit versteckt wäre, dann hätte die Unsterblichkeit ihren guten Grund. Gibt es einen Ego, so muß es auch einen Egoismus geben, oder weil man den unschuldigen Wörtern ihre Unschuld geraubt, eine Egoität geben, und wer wagt es, sie anzuklagen? Ist sie eine Lügnerin, dann ist ohne Ausnahme Alles eine Lüge; nun aber ist das Wahrheit, was da ist und darf sich selber im Namen seines Ursprungs vertreten. Wer das nicht wagen muß, der hat das Bewußtsein der Freiheit nicht, Gott ist ihm in seinem Selbstbewußtsein nicht offenbar geworden, und die Welt lügt ihm überall etwas vor. Wer mehr sein will, als er ist und Alles, der ist ein Egoist im schlimmen Sinne des Wortes, nicht aber wer im Selbstbewußtsein sich selbst zu erkennen sucht, und überzeugt ist, daß sein eigenes Wesen ihm die nächste Wahrheit ist 2).

VI. Der kosmologische Beweis

oder der Schluß von der Größe, Manichfaltigkeit und physischen Verbindung der Weltkörper auf die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer Verbindung ihrer Bewohner. Dabei liegt der Gedanke nahe, daß nach dem in der Natur herrschenden Gesetze der Manichfaltigkeit, sowie nach den Ideen der Weisheit und Güte Gottes die Welten nicht bloß Geschöpfe, die auf ihnen leben und sterben, sondern auch solche enthalten müssen, welche fähig und bestimmt sind, in andere Welten überzugehen und ein höheres Leben zu beginnen, und daß der Mensch als ein vernünftiges Wesen ein solches Geschöpf Gottes ist.

Wie man ferner aus dem Umstande, daß die Menschen durchaus nicht das Ziel ihres Strebens und ihrer Vervollkommnung hier erreichen, auf einen Zustand der Vollendung im Jenseits folgert, so steht auch (per inductionem) der andere Schluß offen, aus der theilweisen Erreichung unserer Strebsamkeit und unserer Berufsaufgaben und deren Aenderung auf die sofortige Anweisung eines neuen Berufes, einer neuen Sphäre von Thätigkeit: Du bist erkrankt in deinem Amte, erhältst ein leichteres, erholst dich, wirst wieder zu einem anstrengenderen berufen, du änderst somit in Folge äußerer

„Mein Geist findet sich nun einmal nicht in die Schranken des heiligen Landes (der Theologie), mein Sinn steht in die weite Welt, meine hab- und herrschfüchtige Seele will Alles in sich verschlingen; mein Verlangen ist schlechthin unbegrenzt, ich will die Natur, vor deren Tiefen die feige Theologie zurückbebt, ich will den Menschen, aber den ganzen Menschen, der nicht dem Theologen, dem Anatomen oder Juristen, der nur dem Philosophen Gegenstand ist, an mein Herz drücken." 1. c.

1) Die lezten Dinge I. p. 114.

2) Kritik des Selbstbewußtseins p. 143.

Einflüsse, die von der göttlichen Providenz zugelassen sind, deine Thätigkeitsweise und ihr Ziel, zuleßt erliegst du der Anstrengung. Der Tod gibt dir eine neue Verwendung im Jenseits, denn warum sollte ein Aufhören der Thätigkeit eintreten? Ein Grund hiefür läßt sich nicht ersehen ').

VII. Der historische Beweis.

Der Glaube an Unsterblichkeit ist ein uralter, und unter den geschichtlichen d. h. cultivirten (civilisirten) Völkern allgemein verbreiteter Glaube. Und daß einem solchen Glauben etwas Wahres zu Grunde liegen müsse, ist allerdings eine Behauptung, die sich rechtfertigen läßt; die Rechtfertigung liegt schon in der ganz einfachen unwiderlegbaren Bemerkung, daß ein so alter und allgemeiner Glaube nirgends anders als in der menschlichen Natur selbst gegründet sein kann 2). Oder kann sich der Empiriker, fragt Gumposch, ohne weiteres über den sog. Consensus gentium omnium hinwegsetzen, weil er etwa in der Mathematik etwas mehr Gewißheit findet, als in den Erfahrungsthatsachen des Gemüthes oder des Selbstbewußtseins? Sieht sich ja doch der Mensch bei jedem tieferen Eingehen, bei jeder erschöpfenden Behandlung eines Gegenstandes von der bloßen Wahrnehmung auf das Gemüth, auf die Intelligenz, auf die Geschichte, auf diesen Consensus omnium zurückgeworfen (p. 5). Auch Cicero kommt in seinen Beweisen wiederholt auf diesen Consensus zurück und stüßt sich auf denselben 3). Und in der That! es ist eine aufallende Erscheinung: Alle Nationen beobachten mehr oder weniger Gebräuche in Todtfällen, selbst die Wilden aller Erdtheile machen wenigstens einige Umstände mit den Entseelten, zum Zeichen, daß sie wenngleich nur rohe Vorstellungen vom menschlichen Geiste, und von einem anderen, nach diesem Leben eintretenden Zustand haben, und sich daher vor dem drohenden Dunkel der Zukunft und vor den Göttern scheuen, ihre Todten unanständig und sorgenlos zur Erde zu bestatten. Oder hat es je Völker gegeben, welche die Verstorbenen ganz gleichgültig und ohne alle Umstände irgend einem der Elemente übergeben oder gar nichts von einem anderen Leben sich denken? Völker, die den entseelten Körper mit mehr oder weniger Umständen verbrennen und nur die Asche in Urnen aufbewahren, haben jedenfalls am wenigsten über das Geheimniß des Todes nachgedacht). So geben die Leichenbegängnisse, Todten

1) Dieser Beweis für Unsterblichkeit findet sich geführt einem Sterbenden gegenüber Magazin für Erfahrungsseelenkunde von Morig I. p. 61. 2) Blasche Einleit. p. 1. - 3) Tusc. I. 12. Ut deos esse natura opinamur qualesque sint ratione cognoscimus, sic permanere animos arbitramur consensu nationum omnium, qua in sede maneant, qualesque sint, ratione discendum est. 14: Maximum vero argumentum est naturam ipsam de immortalitate animorum tacitam judicare quod omnibus curae sunt et maxime quidem, quae post mortem futurae sint.) Heynig, p. 46. cf. Trusen, die Leichenverbrennung (Breslau 1855) und unten „die Naturvölker".

feste, Opfer und Gebete für die Todten, die Todes weihe, Todtenorakel, sowie der Glaube an Geistererscheinungen, wie sich dies allenthalben bei den Völkern findet, unumstößliches Zeugniß für den Unsterblichkeitsglauben.

Freilich meint Simon: Wenn die allgemeine Beistimmung der Völker in einer oder der anderen Meinung ein vollwichtiger Beweis für die Wahrheit derselben wäre, so müßte der Lehrsatz vom Dasein der Gespenster gewiß sehr gegründet sein, denn es ist kein Volk in einem Winkel der Erde, das, besonders im Finstern, nicht vor diesen Schattenbildern zurückbebt, welche seine Phantasie erfunden und seine abergläubische Furcht ausgemalt hat '). Nach dem bekannten Ariom, daß jedem Jrrthum eine Wahrheit zu Grunde liegt, dürfte es wohl der Mühe werth sein zu untersuchen, was es mit diesen Gespenstern für eine Bewandtniß habe und dürfte überhaupt das Urtheil Simons zu wegwerfend sein, wenn er sagt: Aber wie nichtig ist ein solcher (d. i. obiger) Beweis dem Menschenforscher, der die ersten Keime der räsonnirenden Vernunft sorgfältig auffaßt, und dessen Schritte bis zur Morgendämmerung einer werdenden Aufklärung unpartheiisch ausspäht? Hier zerstiebt dieser fürchterliche Popanz in Nichts, wird ein Gegenstand entweder des Gelächters oder Mitleids und bleibt für künftige Zeiten ein entehrendes Schandmal (!) der Geistesverirrung der Sterblichen ').

§. 2. Kritik der Beweise 2).

Es ist leicht einzusehen, daß der theologische Beweis bezüglich seiner Voraussetzungen unerwiesen und aus der Vernunft unerweisbar ist, insofern also geglaubt werden muß; daß ebenso der logische Beweis aus dem Begriff der Fortdauer geführt, nur zwingend sein kann, wenn der Schluß vom Denken auf's Sein prinzipiell zulässig gelten darf. Was den ersten der metaphysisch-psychologischen Beweise betrifft, hergenommen aus dem Verhältniß des Geistes zum Körper, so ist die Möglichkeit der Forteristenz des Geistes allerdings sehr probabel eruirt, allein auch hier keine absolute Ge= wißheit erzielbar, ebensowenig als durch den Beweis aus der Einfachheit der Seele, woraus eigentlich nur die Möglichkeit der Fortdauer erschlossen werden kann, mag auch das Selbstbewußtsein die purste Einfachheit der Seele constatiren. Sofern aber die Continuirlichkeit des Selbstbewußt

"

') Geschichte des Glaubens an das Hereinragen einer Geisterwelt, Einleitung. cf. oben p. 97. ff. Geistererscheinungen“. – 2) Eine gute, aber zu kurze Uebersicht über die philosophischen Unsterblichkeitsbeweise gibt Bretschneider (Dogm. 3. Aufl. II. 369). Am ausführlichsten hat Sintenis, Prediger zu Zerbst, in seinem Elpizon das Thema behandelt; leider ist aber die Abhandlung zu breit gehalten und theilweise unhaltbar.

seins in allen normalen sowohl, als abnormen Zuständen des Geistes nicht geläugnet, ja vielmehr durch Folgerungen aus thatsächlichen Erscheinungen im psychischen Leben (wenn auch nicht mit vollster Evidenz) bewiesen werden kann, ist für unsere Frage resp. für die Beweisbarkeit der Unsterblichkeit viel gewonnen. Dieser eigentlich rein psychologische Beweis wird durch den darauffolgenden (von Gumpesch) noch verstärkt, welcher das Verhältniß von Ursache und Wirkung hereinzieht und den Satz betont, daß man durchaus nicht aus dem Aufhören der Wirkung auf das Vergehen der Ursache schließen dürfe, obgleich auch hiemit nur die Möglichkeit der Fortdauer erwiesen ist. Die Beweise aus der Idee des Unendlichen und des Wahren, welche der Seele innewohnen, machen die Fortdauer probabel. Der stichhaltigste philosophische Beweis ist und bleibt der aus dem thatsächlich im Menschen vorhandenen Unsterblichfeits-Bewußtsein, welches weder geläugnet, noch wegdemonstrirt werden kann.

Daß die teleologischen Beweise nur relative Gewißheit bieten, aber im praktischen Leben nebst den moralischen das größte Gewicht haben, braucht wohl nicht bemerkt zu werden. In der Beweisführung des kosmologischen Beweises durch Analogie kündet sich uns die mindere Beweiskraft desselben selbst an. Wenn nun aus allen diesen Beweisen die Möglichkeit der Fortdauer mit höchster Gewißheit hervorgeht, so ist außerdem noch die Thatsache, daß der Unsterblichkeitsglaube ein allgemeiner ist, unumstößlich und die Wahrheit der Unsterblichkeit durch den historischen Beweis wissenschaftlich (indirekt) festgestellt.

Wie wir sehen, dient allen angeführten Beweisen aus dem Wesen und der Beschaffenheit der Seele entnommen, eigentlich der historische Beweis als Voraussetzung, d. h. die angeführten psychologischen Thatsachen sind als jelche von der Mehrheit der Menschen als wahr anerkannt. Mit dem Consensus gentium, bemerkt Göschel (p. 2), ist die Majorität (oi noλλοí) zu verstehen, nicht alle Einzelnen, sondern deren Mehrzahl. Namentlich zählen hier die Materialisten so wenig mit, wie bei den Gottesbeweisen die Atheisten.

Unter allen Beweisen für die Unsterblichkeit ist es besonders Einer, welcher unter den manichfaltigsten Metamorphosen erscheint, er ist unter dem Namen des moralischen oder praktischen bekannt und vorzüglich bei Spalding, Jerusalem, Mendelssohn, Kästner, Kampe, Jakob, Sintenis populär geworden. Insofern er von der Zweckbestimmung der Seele auf deren Erreichung übergeht, ist er teleologisch; er entspricht hiedurch dem Gottesbeweis dieses Namens. Und wie dieser lettere auch physikotheologisch gefaßt wird, so ist auch der moralische Seelenbeweis nicht allein nach seiner Beziehung auf Gott theologisch, sondern auch nach der organischen Fortentwicklung des endlichen Geistes und deren Analogie mit dem Naturorganismus physiologisch, näher anthropologisch gefaßt worden. In der letteren Be

ziehung beruht er namentlich auf der Idee der Schöpfung, hiemit auf der Voraussetzung Gottes als des Schöpfers, sowie alle selbstbewußte Teleologie das theologische Prinzip, das Bewußtsein der absoluten Persönlichkeit voraussezt. Daher sind die Zwecke, welche wir in der menschlichen Seele lesen und als Grundlage dieses Beweises kennen, auch als die Absichten Gottes gefaßt worden, die sich in seinem Werke vorfinden und aus diesem folgen.

Bei der bunten Manichfaltigkeit, in welcher die concreten Formen dieses Seelenbeweises durcheinanderlaufen, lassen sich dennoch, näher angesehen, bei dem moralischen Beweise, wie bei dem metaphysischen wesentlich zwei Stufen unterscheiden. Nach seiner dogmatischen Fassung ist der Beweis zunächst auf die Zukunft gerichtet, als auf das Jenseits, das noch nicht ist; es liegt ihm eine Unendlichkeit der Zwecke zu Grunde, welche nie erreicht werden, weil die Unendlichkeit selbst noch nicht in sich vermittelt ist. Die Wahrheit dieser Ansicht besteht aber darin, daß die Zukunft in der fortschreitenden Gegenwart gefunden und als schon daseiend erkannt wird, wornach auch die Unendlichkeit nicht mehr darin besteht, daß die Zwecke nie vollkommen erreicht werden, sondern vielmehr darin, daß sie auch erreicht nie aufhören, während ein endlicher Zweck, wenn er erreicht ist, zu Ende geht (daher auch Ziel und Ende von der Sprache wechselweise gebraucht werden).

In Beziehung auf den metaphysischen oder theoretischen Beweis ist übrigens der moralische oder praktische die höhere Stufe. Es liegt schon in der Benennung, daß jener die Seele als Objekt, dieser hingegen schon als Subjekt anzusehen anfängt. In jenem wird die Seele zunächst als Ding, in diesem als Thätigkeit gefaßt. Dort besteht die Unsterblichkeit darin, daß die Seele zunächst als einfach unverändert bleibt, was sie ist, während sie hier nicht stehen bleibt, sondern fortgeht, ohne sich zu verlieren. Und wenn demnächst in der höheren Fassung der erste Beweis, weil er auf der Einfachheit der Seele beruht, das Selbstbewußtsein derselben als ihr Wesen zu seiner Grundlage hat, so erkennt nunmehr auch der zweite Beweis in seiner Steigerung, weil er auf der unendlichen Bestimmung der Seele beruht, das Gottesbewußtsein, welches der Seele innewohnt, als das höhere Prinzip (Göschel p. 36. 38)1).

Hiemit tritt immer mehr hervor, sagt Göschel ferner, wie der mora= lische Beweis zugleich als physiologischer und physikotheologischer auf dem Bewußtsein Gottes beruht, in welchem (wie er meint) eigentlich die Seele besteht. Nach dem metaphysischen ist die Seele schon durch ihre Beschaffenheit, nach dem sittlichen durch den Willen Gottes, den wir in der Seele lesen, vor dem Untergang geborgen. Nach dem ersten Beweis könnte sie Gott doch, und er allein, zerstören; nach dem zweiten will er es nicht, sein Wille ist in der Seele selbst ausgedrückt, und der Wille Gottes ist unveränderlich 2).

1) cf. Anselmus die betreffenden Beweise. III. Th. 2. Abschnitt. Timaeus.

[blocks in formation]
« VorigeDoorgaan »