Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

saße über dieses Gedicht kurz den Inhalt der achtzehn Gesänge desselben an. Diese Philosophie in poetischer Form hat für uns um so mehr Werth, als sie rein ist von den abergläubischen Spielereien der Yoga-Lehre und die Grundzüge der indischen Theodiceen, Ethik und Psychologie enthält. Da wir in Humboldt, was Terteskenntniß und richtiges Verständniß der indischen Philosophie betrifft, einen Gewährsmann haben und mit ihm auch andere Kenner der indischen Sprache und Philosophie bezüglich der meisten Begriffe und Ausdrücke sowie ihrer Deutung übereinstimmen -nur bezüglich des Logos Brahma findet eine Abweichung und Unentschiedenheit statt, so dürften wir gerade und hauptsächlich in dieser Dichtung die eigentliche Unsterblichkeitslehre der Inder gefunden haben. Den Gesammtinhalt der fraglichen Dichtung bildet eine Aufforderung zur Vollbringung großer Thaten, die der Gott Krischnas, der zum achten Male incarnirte Wischnu) an einen Sterblichen, den Helden Ardschunas ergehen läßt. Die Beweggründe, welche der Gott dem Helden zu diesem Behufe vorführt, concentriren sich in den zwei Hauptsäßen: Daß der Geist als einfach und unvergänglich seiner ganzen Natur nach von dem zusammengesetzten und vergänglichen Körper geschieden ist - und daß von den nach Vollendung Strebenden jede Handlung ohne alle Rücksicht auf ihre Folgen und mit völligem Gleichmuth über dieselben vorgenommen werden muß. Der menschliche Geist ist dem überall waltenden Geiste identisch und deßhalb auch unsichtbar, unvorstellbar, überall hindringend, einfach und ungetheilt (Humboldt 1. 30). Weil der göttliche Geist in den einzelnen Individuen vertheilt ist, bleibt seine Einheit unsichtbar, doch ist er ungetheilt und unvergänglich. Der göttliche Geist wird als das All bezeichnet: Vasudevas (d. i. Krischnas, der Sohn des Vasudevas) ist das All (p. 40). Nach verschiedenen Schilderungen des göttlichen Wesens muß dasselbe einander entgegengesetzte Eigenschaften in sich fassen, deren Widerspruch sich nur in der Allheit seiner Natur auflöst. So sagt Krischnas von sich (p. 43): „Unsterblichkeit und Tod bin ich, was ist, was nicht ist, Ardschunas!" (Gef. 9. 19). Wollen wir sehen, wie bei dieser pantheistischen Auffassung des göttlichen und menschlichen Geistes die indische Philosophie eine Unsterblichkeitsidee findet. Vor Allem sei bemerkt, daß nach vorliegendem Gedichte Seelenwandrung und Unsterblichkeit nicht sich deckende Begriffe sind. Den meisten Menschen steht die Seelenwandrung bevor, die Frommen gehen, ohne dieselbe durchmachen zu müssen, in die Welt Brahma's ein; ihren geistigen Läuterungs- und Bildungsprozeß machen die letzteren schon während dieses Lebens durch. — So sehr die persönliche Vollendung und Ausbildung als Vorbedingung zum Eintritt in den Himmel der Weisen betont wird, so ist doch die pantheistische Grundidee überwiegend und die eigentliche Unsterblichkeit der Frommen als keine persönliche, sondern als ein Aufgehen in das Al zu fassen, obgleich

1) Das zur Persönlichkeit erhobene Brahma (Urkraft).

Krischnas (8, 3) das Uebergeistige Adhyatman (in das die Frommen übergehen) durch einen Ausdruck bezeichnet, der buchstäblich „das eigene Sein" bedeutet und gewöhnlich (so 5, 14; 18, 60) die einem Wesen anhängende Natur, seinen Charakter, seine Persönlichkeit bezeichnet (cf. Humb. 55). Führen wir nun an, was unser Gedicht über die einstige Fortdauer der Seele enthält: Die Körper der ihnen inwohnenden Seele sind endlich und veränderlich, wie die ewig strömenden Elemente, aus denen sie bestehen (2, 14-18), die Seele ewig unvernichtbar, fest und unveränderlich (2, 24. 25). Sie verbindet sich mit neuen Körpern, wie der Mensch neue Kleider annimmt (2, 22), wie im Körper selbst Kindheit, Jugend und Alter wechseln (2. 13). Diese Unvergänglichkeit ist wahre Ewigkeit, ohne Anfang wie ohne Aufhören (Humb. 28). Daß die Frommen zur Seelenwandrung (hier Geburt genannt) beim Tode nicht gehen, erhellt aus folgenden Versen, in welchen Krischnas spricht (Humb. 50):

„Mein göttlich Thun und mein Werden, wer so in reiner Wahrheit kennt, Der in Geburt im Tod nicht geht, zu mir der gehet, Ardschunas (4, 5-9). Das Erkennen der Wahrheit ist also vor Allem für den erforderlich, der beim Tode zu Krischnas oder Brahma (ohne Geburt) kommen will. Dieses Erkennen ist nach jener Philosophie um so leichter, als alles Geistige mit einander verwandt und Eins und dasselbe ist und der Mensch in sich, d. h. in seinem geistigen Selbst, alle übrigen Geschöpfe und in ihnen Gott erkennen kann'). Noch andere Vorbedingungen für den Eintritt in Brahma's Welt sind gestellt (Humb. 53):

(Derjenige, der) zum Gottheitwerden Kraft gewinnt,

Geworden Gottheit, ruhathmend, begehrt er nicht und trauert nicht,

Für alle Wesen gleichfühlend, erreicht er meinen höchsten Dienst,

Durch meinen Dienst erkennt er wahrhaft mich, wie groß und wer ich bin,

Dann mich erkennend wahrhaft geht in mich er ohne Zögern ein. (18. 53. 6--55). Dieses Eingehen selbst bleibt theilweise räthselhaft, indem gesagt wird, der menschliche Geist sei im Brahma, das Brahma dagegen nicht im menschlichen Geist. Im Gesang 12, 1-6 wird die Frage aufgeworfen, wer die am frommsten Vertieften 2) sind, die Krischnas überhaupt oder die ihn als das Einfache (Om) anbeten? worauf die Antwort lautet, daß beide zur Vollendung gelangen, aber die Arbeit der zuletzt genannten schwieriger ist, weil der körperbegabte Mensch sich schwer zu einer Vorstellung des Unsichtbaren erhebt (Humb. 55-56). Diese Erkenntniß Gottes als Einfaches (Om) von Seite der Frommen wird deßhalb hervorgehoben, weil Om 3) oder das

') Humb. 38. Die Sprache verbindet den Begriff des Geistes und der Selbstheit in demselben Worte miteinander. 2) Fromm ist, wer das âtman, den Welthauch, die Weltseele erkannt hat. cf. Ersch Encycl. Indien p. 167. - 3) Das Wort soll ganz besonders die Einfachheit der Gottheit bezeichnen, Om ist ein heiliger mystischer Name derselben, indem drei Töne a, u und ein Nasenlaut in Einen Buchstaben verschlungen find, da a und u in ein hier nasales o zusammenfließen. Nach der indischen Philosophie bildet das Einfache, Unsichtbare den Gegensatz des getheilten Seins, das

Einfache gleichsam der höchste und allgemeinste göttliche Urstoff ist, denn es ist der Ursprung der Gottheit selbst. Wir führen an:

„Wer Om so sagend, eintönig die Gottheit nennt, gedenket mein,

Und dann den Körper läßt scheidend, der wandelt hin den leßten Pfad. (8, 13). Aus all' diesem geht hervor, daß Glaube, Erkenntniß, (intellektuelle) Vertiefung und jede andere Seelenübung zum höchsten Ziel die Befreiung von der Nothwendigkeit neuer Geburt nach dem irdischen Tode hat (5, 50; 4, 9; 5, 61; 13, 23). Der Mensch kann durch Wiedergeburt in edlere und glücklichere Wesen übergehen (6, 41. 42), er kann in den Zwischenzeiten himmlische Freuden genießen (9, 20. 21), aber das letzte Ziel ist das gänzliche Hinaustreten aus diesem ewig rollenden Wechsel wiederkehrenden Entstehens, die Lösung von den Banden der Geburt (2, 51). Die Erreichung dieses letzten Zieles wird den Frommen und Gläubigen in dem Gedichte öfters verheißen; es ist auch schon von den Heiligen, Munis erreicht worden (14, 1) und wird von denjenigen erreicht, welche sich ausschließlich dem Höchsten widmen, keinem niedrigen Wesen dienen und ihre Gedanken allein auf ihn richten '). Denn wem sich der Mensch widmet, zu dem gelangt er nach dem Tode (5, 53; 8, 13; 9, 25; 16, 19). Vorzüglich ist die Gedankenrichtung in der Todesstunde entscheidend (8, 5. 6).

Der höhere Zustand nach dem Tode wird in der BhagavadGitá verschieden bezeichnet: Als das Höchste (3, 19), die Befreiung (3, 31; 4, 15), der höchste (6, 15), der ewige (18, 56), der nie zurückkehrende Pfad (5, 17), die Vollendung (12, 10), die höchste Ruhe (4, 39), das Gehen zu Gott, Krischnas und zur Gottheit, Brahma (4, 9. 24), die Berührung mit ihr (6, 28), das Eingehen in Gottes Dasein (4, 10), das Verwehen (nirvána von vá wehen) in die Gottheit (2, 72), die Fähigung zur Gottheit zu werden (14, 26), die Verwandlung in die Gottheit (5, 24) - Brahma; lettere ist die Grenze der Wiedergeburten (14, 2). Wohl dem, der in Indras Himmel gekommen 2)! (cf. Humboldt p. 78).

über den Geschöpfen ist; diesen ist als Eigenthümlichkeit ihre geschiedene Persönlichkeit, also ihre Selbstständigkeit und Vereinzelung (Humb. 53).

[ocr errors]

1) Hieraus möchte man folgern, daß die Umwandlung des menschlichen Wesens in das göttliche bloß durch intellektuelle Vertiefung (intuition, ähnlich dem aristotelischen Jewọɛiv) stattfinde; allein wir glauben, daß diese Vertiefung eine wirkliche Thatkraft ist, und zwar eine solche, die etwas außer dem Laufe der Natur Befindliches hervorzubringen. die Art und die Schranken des Daseins zu ändern vermag. Humboldt bemerkt (p. 79): Dieß ist auch begreiflich bei einer Auspannung des Gemüthes, die vorzugsweise auf der festen Beharrlichkeit des festen Willens beruht und zu welcher dasselbe durch Besiegung der Leidenschaften, Unterdrückung der Sinnenregungen und Entfernung von allen äußeren Eindrücken, ja Aufhebung aller Körperverrichtungen vorbereitet wird. cf. Patandschalis Yoga-Lehre oben. 2) Paradies, im Sanskrit para-desa bedeutet Hochland, jene Gotteshöhe, Himmelsberg, Meru, der sich aus der vom Meere aufwachsenden heiligen Lotos des Vischnu erhebt. Sepp, Heidenthum I. 112.

Eine Darstellung der indischen Seelenwandrungslehre ist Wilh. v. Humboldt's Sonnette: „Die Seelenwandrung" Band II. p. 393:

Unzählige Jahre hat mich Brahma's Gnade
Geführet durch die Seele vieler Frauen,
Nach jedem Tode mußt' ich Leben schauen
Und wieder geh'n der Erde dunkle Pfade.
Viel Loose zog ich aus des Schicksals Rade
Oft sah' ich Freuden meinen Weg umthauen,
Oft mußt' ich hartem Mann mich anvertrauen,
Daß auf mich Schmerz und saure Müh' er lade.

Die Freuden nun, die Leiden sind verschwunden,
Seit mich hat Indra's') Himmel aufgenommen,
Wie schwerer Traum davon mir vor nur schwebet;
Doch Ein Bild deutlich strahlend in mir lebet,
Und niemals wird aus meiner Seele kommen

Der Mann, mit dem ich ward zuerst verbunden.

Schließlich weisen wir noch auf eine eigenthümliche erhabene Vorstellung hin, die sich in der indischen Eschatologie findet nämlich die Idee eines Opfers, wodurch die Auferstehung zur Unsterblichkeit bewirkt wird. Es ist eine tiefsinnige Anschauung, sagt Fr. Windischmann 2), daß die Unsterblichkeit der Auferstandenen durch ein Opfer vollbracht wird, und zwar durch jenes Opfer, welches bereits während der irdischen Weltdauer das Hauptopfer der zarathustrischen oder vielmehr arischen Cultus war, nämlich durch die Darbringung des Haoma 3).

Was endlich die Hölle betrifft, so denken sich die Indier (oder Hindus) die Qualen derselben sehr sinnlich. Die Lasterhaften, sagen sie, werden in die Hölle (Padalon) gestürzt, wo Feuerflüsse, scheußliche Ungeheuer, mörderische Waffen, pestilenzialischer Gestank und alle möglichen Uebel zusammengehäuft sind. Sobald ein solcher Elender stirbt, führen die Emaghinhillinos,

1) Anmerk: Indra ist der Gott des Himmels, bat den Beinamen Dyàus, genannt divás, der dem griechischen Zeus (Zevs genannt Aiós) in Form, Accent und Bedeutung entspricht: es ist der helle Himmel, der Jupiter der Römer, genannt Jovis; denn Jupiter ist Ju - Diu - Dies, zusammengesezt mit pater, und hat die Nebenform Diespiter, dem im Indischen Divas pati entspricht. Die Bedeutung hat sich ganz bes stimmt und klar erhalten in den Redensarten: Zɛvç vει, sub Jove frigido und sub dio und im Worte dies. Von derselben Wurzel (dyu, div) scheinen die Götter überhaupt ihre Namen zu haben. Griechisch Gevs, römisch deus pl. dii, indisch devas. Daß auch unser Wort Gott denselben Ursprung hat, entsprechend dem gothischen Guth, dem indischen jut-jyut-dyut-dyn-diu glänzen, hat L. Meyer gezeigt (Zeitschr. für vergl. Sprachf. VII. p. 12). cf. Ersch Encycl. 1. Sect 82. Tb. p. 77. 2) Zoroastr. Studien Mythologie und Sagengeschichte des alten Iran ed. Spiegel. Berlin 1863. p. 249. 3) Der in der Liturgie dargebrachte Haoma, dessen Saft (Parahaoma) ausgepreßt wird ist die gelbe Haoma. Mithra hat zuerst das Haoma dargebracht. Die Wirkungen des Haoma sind: Preis des Haoma, weil er des Armen Geist ebensogroß macht, wie den des Reichsten 2c.

Diener des Jama, Gott des Todes und Königs der Hölle ihn gefesselt dorthin, wo er dann geprügelt, mit Ruthen gestrichen und mit Füßen getreten wird, auf spißigen Nägeln gehen muß; sein Leib wird von Raben zerhackt, von Hunden zerrissen und endlich in einen Feuerstrom geworfen. Dann erst wird er vor Jama gebracht, und von diesem strengen Richter seinen begangenen Verbrechen gemäß verurtheilt. Alle, welche die Religionslehre verachten, werden auf einen Haufen schneidiger Waffen geworfen, und so viele Jahre gepeinigt, als sie Haare auf dem Leibe haben. Die, welche die Brahminen und andere hohe Würdenträger beschimpfen, werden in Stücke gehauen. Die Ehebrecher müssen eine glühende Statue umarmen. Die, welche die Pflichten gegen ihre Familie versäumen, werden unaufhörlich von Raben zerhackt. Die Sünden gegen die Eltern werden in einem Feuer gestraft, dessen Flammen 10,000 Joschenais hoch auflodern. Wer an alten Leuten und Kindern sich verfehlt hat, wird in einen glühenden Ofen geworfen. Die sich bei Tage mit Huren zu Bette legen, müssen auf Dornen gehen. Die Verläumder werden auf Betten von glühendem Eisen gebunden und müssen ihren Unflath fressen. Die Geizhälse dienen den Würmern zur Nahrung. Die, welche die Brahminen bestehlen, werden in der Mitte entzweigesägt. Die falschen Zeugen werden von Berggipfeln herabgestürzt. Die Müssiggänger, Wollüftlinge und Unbarmherzigen werden in brennende Schlünde geworfen, unter Mühlsteinen zerquetscht, von Elephanten zertreten und ihr zerrissenes Fleisch von Thieren aufgezehrt ').

"

Ganz ähnliche Ansichten über die Hölle haben die Thibetaner und Mongolen. Es sei noch bemerkt, daß die Hindus wie überhaupt die meisten. Völker eine Ewigkeit" der Hölle nicht annehmen, lassen sie ja sogar die gefallenen Geister wieder zu Gnaden kommen. Es lebt also nur die Seele fort. Eine historische Erscheinung ist endlich hier noch in Betracht zu ziehen, welche zugleich auch für den jetzigen Glauben der Inder an die Unsterblichkeit Zeugniß gibt: Es sind die häufigen Selbstverbrennungen, welche trotz aller weltlichen Verbote und Mahnungen nicht unterlassen werden. Nach uraltem Herkommen, wie wir bereits gesehen 2), geschieht es, daß sich noch heutzutage die Gymno sophisten von der Sekte des Vischnu nicht selten bei eintretendem Alter aus freiem Entschluß auf dem Scheiterhaufen oder in einem hohlen Baumstamme verbrennen, um die Feuerlustration zu erlangen und aufgelöst zu werden in's grenzenlose All. Besonders aber ist zu erwähnen die Selbstverbrennung der Wittwe mit der Leiche des Mannes, wobei diese gleichsam als Seelenopfer zur Abbüßung seiner Verschuldung sich mit ihm darbringt. Noch im Jahre 1803 opferten sich in Calcutta und 30 englische Meilen im Umkreise 270 Wittwen, und von 1819-1823 allein in der Regentschaft Canton 3068. Siebenmal um=

1) Niekamp, Missionsgeschichte I. 97. Sammlung asiatischer Schriften I. 66 2c. bei Simon p. 99. 2) I. Theil 2. Abschnitt Cap. II. §. 2. „Todes- und Grabesweihe.“

« VorigeDoorgaan »