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dauer der Seele nach dem Tode. Die Seele vergehe mit dem Leibe, sagten sie, verwarfen also auch die Auferstehung (Josephus Arch. 18. 1, 4). Sie behandelten übrigens die Sache mehr eregetisch als aus Vernunftgründen. Der vorherrschend negative Charakter der Sadducäischen Schule machte es Personen von sehr verschiedenen Ansichten leicht, sich derselben anzuschließen; der Masse der Nation jedoch standen die Sadducäer fremd, mit Abneigung und Mißtrauen von ihr betrachtet, gegenüber.

Weder die Sadducäer noch die Pharifäer waren Sekten im gewöhn= lichen Sinne, wie man gewöhnlich meint. Im Grunde genommen, war die Nation überhaupt pharisäisch gesinnt; die Pharisäer als „Abgesonderte" sind es nicht dem Volke gegenüber gewesen; sie waren vielmehr in den Augen der Nation die theils standesmäßig berufenen, theils freiwillig sich darbietenden Wächter aller geistigen Güter des Judenthums, der reinen Lehre, der Satzungen und des gesetzestreuen Lebens und der nationalen Würde und Freiheit. Einerseits reflektirten sie als treuer Spiegel die im Volke lebenden Anschauungen und Neigungen, andererseits wirkten sie wieder durch ihre Autorität bestimmend auf die Vorstellungen des Volkes ein. Die Lichtseiten wie die Schattenseiten des National-Charakters und der allgemeinen Sinnesweise mußten sich in ihnen potenzirt darstellen. Unter ihnen befand sich die Aristokratie des jüdischen Geblütes, derjenigen, deren Geschlecht sich rein erhalten hatte von griechischem und syrischem Blute, die Hebräer der Hebräer, die sich rühmten, geborene Gerechte und Söhne.der Gnade zu sein 1).

Der Pharisäer Josephus hat durch seine dem griechischen Sprachgebrauche sich anbequemende Darstellung zu der Behauptung Anlaß gegeben, es habe nicht nur bei den Essäern, sondern theilweise selbst bei den Pharisäern eine fatalistische Weltanschauung geherrscht. Von letzteren gilt dieß wohl insofern, als Manche unter ihnen sich mit Astrologie beschäftigten und auf diesem Wege zur Annahme eines an den Lauf der Gestirne gebundenen Fatums kamen (Epiphan. här. 16, 2). Mit Sterndeuterei gaben sich, wie Philo (de migr. Abr. p. 415) berichtet, viele Juden ab seit dem babylonischen Eril. Josephus hat durch seine hellenisirende Darstellung auch ein Mißverständniß über die pharisäische Lehre vom Zustand nach dem Tode verursacht. Er vermeidet es, von der den Griechen so an

berufen; Josephus jedoch versichert, daß alle Juden die 22 Bücher des alten Bundes als göttlich geachtet haben (Döllinger p. 746). In den Propheten nun ist die Eschatologie weiter entwickelt.

1) Steinschneider (in Ersch's Encl. II. 27. p. 341) äußert sich einerseits: In den Händen der Pharisäer ging das Judenthum einer vollständigen Verknöcherung entgegen, ein längeres, mumienartiges Fortbestehen um den Preis edlerer Güter erkaufend; andererseits: Die Pharisäer haben in allen Stücken dasselbe Schicksal gehabt, welches auch den Jesuiten vorbehalten war; wesentliche Verdienste mancherlei Art, besonders auch um die Wissenschaft, wegen einer zweideutigen Moral vergessen und troß eines verrufenen Namens zuleßt die alleinigen Stüßen einer Kirche zu sein, deren Aufgabe für die Menschheit noch lange nicht gelöst erscheint.

stößigen Auferstehung des Leibes zu reden, und sagt dafür, die Seelen der Guten gingen in einen anderen Leib ein (Arch. 18. 2, 3; bell. Jud. 2. 7, 14; 3, 8, 5; 3, 8, 7) oder im Umschwunge der Weltperioden erhielten sie wieder reine Körper zur Wohnung 1). Seine Worte sind wohl absichtlich so gestellt, daß der Grieche aus denselben eine Metempsychose, der Jude die ihm wohlbekannte Auferstehungslehre, durch welche Pharisäer und Sadducäer sich so scharf von einander schieden, herauslas. Daß eine Seelenwandrung durch griechische und orientalische Einflüsse auch bei den Juden seit der Maccabäer Zeiten Eingang gefunden habe, dafür zeigen sich allerdings Belege, aber es war dieß nicht herrschende Lehre und nicht pharisäisches Bekenntniß.

Die Essäer, gleichzeitig mit den Sadducäern entstanden, waren eine Gesellschaft von Asceten; ihrer Ascese lagen aber mehr griechische, orphischpythagoräische als eigentlich jüdische Anschauungen zu Grunde. Sie sind nicht aus den Chasidim oder dem Nasiräerthum hervorgegangen, sondern ihre Lehre war eine Mischung von jüdischen und heidnischen Elementen, aber ohne Beeinträchtigung des strengen Monotheismus. Sie hatten eine ausgebildete Dämonen- oder Engellehre, mit dieser hing ihre Verehrung der Sonne zusammen. Die Ehe war ihnen (eine spätere Gesellschaft ausge= nommen) untersagt, weshalb Plinius sie das ewige Volk" nennt, in welchem Niemand geboren werde (Hist. nat. 5, 15), an Nahrung und Kleidung gestatteten sie sich nur das Nothwendigste.

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Ganz pythagoräisch lehrten die Essäer, daß der Leib eine Fessel der aus dem feinsten Aether hervorgegangenen Seele sei, in welchen diese, durch eine natürliche Attraktionskraft angezogen, sich einsenke. Wenn die Seele einmal aus diesen körperlichen Fesseln wie aus langer Knechtschaft befreit sein werde, dann werde sie frohlocken und sich himmelwärts schwingen. Dabei nahmen sie jedoch auch für die Guten ein irdisches Paradies an, ein jenseits des Oceans gelegenes Land mit stets milder Witterung (Josephus de bello Jud. II. 12), während die Bösen in einem kalten und finsteren Ort wohnen und dort gequält werden würden 2).

1) Nach Josephus (bell. Jud. 2, 12) war es Meinung der Pharisäer, daß die Seelen frommer Menschen die Erlaubniß hätten, aus dem Todtenreich wieder auf die Oberfläche der Erde emporzusteigen und neue Menschenleiber zu beseelen. Hierauf be= ziehen sich die in der Schrift (bei Matth. 26, 13-14; Luc. 9, 19; 16, 27; Joh. 1, 21) befindlichen Anfragen und Vermuthungen. 2) Döllinger, Heidenthum p. 753-754.

II. Hellas und Rom.

A. Der griechische Volksglaube.

Ganz anders als bei den bisher behandelten Religionssystemen und Philosophemen, wenn anders man Aphorismen philosophischer Betrachtung so nennen kann, gestaltet sich bei den Griechen das Verhältniß der Religion zur Philosophie, und da die Resultate aus beiden bezüglich unserer Frage verschieden sind, so müssen wir vorerst dieses Verhältniß etwas erörtern, ehe wir die Unsterblichkeitslehre vom Standpunkt des Volksglaubens und von dem der griechischen Philosophie speziell untersuchen.

Der charakteristische Unterschied der griechischen Religion vor den übrigen Religionen des Alterthums liegt darin, daß sie allein Kunstreligion war, aber sie wurde es zumal durch die Philosophie, welche den Glauben des Volkes umschuf, Sokrates und Plato sind die Repräsen= tanten dieser Reform, die aber eigentlich durch die Entwicklung des religiösen Lebens bei den Hellenen naturgemäß herbeigeführt werden mußte. Es ist natürlich und die Geschichte bestätigt es, bemerkt Tennemann, daß eine Religion, die auf keinen anderen Gründen als auf Sagen, Traditionen oder Dichtungen der Poeten beruht, wie die griechische, nur so lange allgemeines Ansehen behält, als ein freierer Untersuchungsgeist noch nicht geweckt worden ist. Wenn eine Nation diesen Schritt gethan hat, so theilt sie sich immer in zwei oder drei Partheien: die eine bleibt bei dem hergebrachten System hängen und glaubt blindlings; eine andere verwirft Alles, eine dritte untersucht Alles, behält das Beste und sucht an die Stelle des Glaubens vernünftige Ueberzeugung zu setzen. Die letztere besteht immer aus einer kleinen Zahl, die beiden ersten aber machen die zahlreichste Klasse aus. Dieß war der Fall in Athen. Man kann die große Menge derer, welche zu diesen zwei Partheien gehörten, wiederum in drei Klassen theilen: Einige läugneten ganz und gar das Dasein einer Gottheit, Andere nahmen zwar die gewöhnlichen Gottheiten der griechischen Religion an, verwarfen aber alle Vorsehung und Regierung der Götter, Andere läugneten auch die lezztere nicht, hielten aber die Götter für versöhnlich und durch Geschenke bestechlich. Diese Meinungen entstanden auf folgende Art: die Religion hatte keine Gründe als das Ansehen der Dichter und das Vorurtheil des Alterthums; denkende Köpfe konnten dadurch nicht befriedigt, nicht überzeugt werden, sie verwarfen daher dasjenige, wofür ihre Vernunft keinen Beglaubigungsschein geben konnte. Insoferne sie dabei kein anderes Interesse weiter als das ihrer Vernunft und der Wahrheit hatten, handelten sie so unrecht nicht, oft war aber auch bloß Stolz und Eigendünkel, um sich von anderen Menschen zu unterscheiden, der Beweggrund ihrer Meinungen. Dazu kam nun bei Vielen das Streben heftiger Begierden, das Verlangen,

sie ohne Abbruch zu befriedigen, und die Unannehmlichkeit des Zwanges, welchen die Religion, wiewohl nur durch Furcht ihnen auflegte. Sie warfen sich also in den Schooß der Leidenschaften und vertilgten aus ihrer Seele alle religiösen Empfindungen (die Theorie Epikur's.) Nur wenige edlere Seelen bemühten sich, der verdorbenen Religion ein besseres und ver nünftigeres System an die Seite zu sehen und es als Angelegenheit der Menschheit durch stärkere Gründe zu befestigen. Das konnten nur Wenige thun, weil Ruhe von wilden Leidenschaften, Forschungsgeist, ein hoher Grad von moralischer Bildung und Eifer für die Interessen der Menschheit dazu erfordert werden, Eigenschaften, die sich selten zusammenfinden 1). Solche edle Männer waren, wie bemerkt, Sokrates und Plato. Durch sie geschah, nach Baur (Symb. I. 353), unter den Griechen zum ersten Mal der große Schritt: Was der ahnende Geist in göttlichen Dingen bewußtlos geschaffen hatte, mit Selbstbewußtsein und philosophischer Reflerion zu reconstruiren, und was den früheren Philosophen, selbst einem Heraklit und Pythagoras kaum dunkel vorschweben mochte im Symbolisch-Mythischen und im Philosophischen dieselbe Offenbarung des Geistes anzuerkennen 2). Dieselbe Grunderkenntniß, wie Gladisch bemerkt, die sich als der Kern und die Angel der hellenischen Kunstreligion, sowie auch der hellenischen Mythologie erweist, die Auffassung der übersinnlichen und ewigen reinen VernunftBegriffe oder Ideen als des Göttlichen und Wahren oder als Götter, machte Hellas auch zu dem Boden, auf welchem zuerst in der Weltgeschichte alle eigentliche freie Wissenschaft und insbesondere die Philosophie erblühte.

Ferner ist hier noch anzuführen, was Hanne (absolute Persönlichkeit p. 39) über den geistigen Bildungstrieb der Hellenen hervorhebt. Schon früh, sagt er, brach sich im griechischen Volke die geistige Richtung des menschlichen Wesens auf seine eigene reine Menschlichkeit, d. i. auf die sittliche Selbstverfassung und auf die Herausbildung der ideellen Seite im Wesen des natürlichen Menschen Bahn. Dieses Streben nach ächter Humanität mußte denn auch immer mehr zur Emancipation des Gedankens von seiner Gebundenheit durch die dumpfen Schauer des polytheistischen Aberglaubens und eben damit zum Anfang der Philosophie führen.

Wenn wir im Vorhergehenden die Religion der Hellenen als Kunstreligion bezeichneten, so gilt dieß von derselben vorzugsweise seit der Epoche eines Sokrates und Plato, durch deren Philosophie und Wissenschaft die griechische Religion zur Kunstreligion erhoben wurde. Von dieser Zeit an erscheint auch die griechische Religion unbeeinflußt von Außen, unvermischt mit fremden Elementen, rein aus dem Hellenismus entwachsend und in ihm allein gedeihend. Anders verhält es sich dagegen mit der griechischen Religion

1) Tennemann, die Lehren der Sokratiker üb. Unsterblichk. p. 75. — 2) Besonders erscheint die platonische Philosophie mit den mythischen Vorstellungen des Volksglaubens verwandt. Die aristotelische dagegen nimmt diesem Glauben gegenüber eine Sonderstellung ein, obgleich ihn Aristoteles weder befehdet noch mißachtet.

vor dieser Periode. Dort ist der Einfluß des Orientalismus unverkennbar, wenn auch nicht so ausgedehnt, wie vielfach angenommen wurde. Als Endpunkt der ersten Periode der griechischen Religionsgeschichte nehmen wir das Zeitalter des Homer und Hesiod an (nach Baur I. 335). „Es erhellt von selbst, meint dieser Autor, daß dieß diejenige Periode sein muß, in welcher noch das Orientalische dem Hellenischen, das Symbolische dem Mythischen voranging. Wir wollen zwar die sogenannte Orphische Theologie nicht als die dem Orient verwandte esoterische Secte der griechischen Religion betrachten, auf welcher sich etwa erst das Mythisch-Hellenische gebildet hätte, aber wir glauben auf einige Zeugnisse hinweisen zu müssen, die diese Meinung vom Ursprung der orphischen Lehre aus dem Orient etwas nahe legen. Für's Erste findet sich dort die ein stimmige Frage, ob Orpheus erst nach Griechenland gekommen sei und zweitens die ausdrückliche Behauptung von Herodot (II. 22), daß Or= phisches mit Aegyptischem identisch sei 1)." Herodot ist es, der überhaupt den Orientalismus im Hellenismus selbst der späteren Zeit allenthalben sieht und findet 2). Er glaubt segar, daß die ganze Götterlehre von Homer und Hesiod erdichtet sei und daß es vorher nur pelasgische und ägyptische Götternamen gegeben habe. Allein diese Behauptung ist wesentlich einzuschränken. Hat je ein Einfluß von Seite jener entlegenen Culturstaaten des Orients auf Hellas stattgefunden, so ist derselbe weit eher von den Phöniziern und Völkern Kleinasiens und Creta's, als von den Aegyptern abzuleiten. Was Homer und Hesiod betrifft, so haben dieselben viel zur Verbreitung und Ausbildung der polytheistischen Bilder beigetragen, aber Erfinder derselben sind sie nicht3). Die Hellenen hatten zuvor eine Naturreligion, einen Mythus, den diese Dichter vorfanden. Baur (I. 249) läßt auch aus Persien Einfluß auf die griechische Religion ausüben, er sagt: daß aus Persien, dem iranischen Lande des Licht- und Feuerkultus religiöse Ideen, Symbole und Mythen nach Griechenland gekommen sind, muß an und für sich schon wahrscheinlich sein, und die Namen selbst geben uns

1) Lobeď dagegen in seinem Aglaophamus sive de theologiae Graecorum mysticae causis (Regiemont. 1829 libr. III) vertheidigt den reinen Hellenismus so sehr, daß er die orphische Lehre von Pythagoras herleitet, obgleich diese Ansicht als unhistorisch bezeichnet wird. cf. Eckermann Lehrbuch der Religionsgeschichte. Halle 1845 I. 326 sowie unten „Dionysos und Orpheus“. Laforet sucht eine auf ursprünglicher Wahlverwandtschaft beruhende Tradition des indischen und griechischen Religionssystems nachzuweisen (wie es der Aegyptiologe Lauth in seiner Schrift „Homer und Aegypter" München 1867 Progr. bezüglich des Verhältnisses der ägyptischen zur griechischen Cultur thut). Er beruft sich vor Allem auf das Zeugniß Herodots (II. 52), daß in der ältesten pelasgischen Periode der Polytheismus der Hellenen noch im Pantheismus schlummerte. Bekanntlich hat Schelling in seiner „Vorlesung über Religionsphilosophie Achnliches behauptet, desgleichen Ulrici, cf. Herzog's Realler. XII. p. 700. Der Kritiker Laforets (in Fichte's Zeitschr. 1867) meint, eine religiöse Autochthonie gelte jedenfalls heute für ein Curiosum. 3) Preller griechische Mythologie I. 14.

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