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davon ein nicht undeutliches Zeugniß. Unsere Aufgabe ist es nicht, hier weitere Untersuchungen anzustellen, aber im Interesse der Lehre über die Götter der Unterwelt lag es, auf den orientalischen Einfluß etwas hinzuweisen, auch bezüglich der griechischen Philosophie ist dieß nothwendig.

Sprechen wir von einem allgemeinen Einfluß orientalischer Völker auf die griechische Philosophie, so können nur die Aegypter und Hebräer hieher einigermaßen gezählt werden. Ueberweg (Grundr. I. 16) bemerkt: Die Religion der Aegypter soll die Lehre von einem Gerichte über die abgeschiedenen Seelen und von der Seelenwandrung enthalten haben, die nach der Meinung Herodots (II. 53. 81. 123) von ihnen an die Orphiker und Pythagoräer gelangt ist. Ihre Götterlehre scheint kaum irgend welchen Einfluß auf die griechischen Denker geübt zu haben. Der jüdische Monotheismus, der wohl kaum bereits auf Anaxagoras einen (mittelbaren ?) Einfluß geübt hat, wird später, von der Zeit des Neupythagoreismus an, ein in den Entwicklungsgang der griechischen Philosophie bedeutsam eingreifendes Moment. In wiefern die vorsophistische Philosophie auf orientalischem Einfluß beruhe, ist ein Problem, dessen Lösung erst von dem Fortgang der orientalischen und insbesondere der ägyptologischen Forschungen gehofft werden darf; doch ist gewiß, daß die Griechen nicht ausgebildete philosophische Systeme bei den Orientalen vorgefunden haben. Eigent= liche Philosophie und überhaupt Wissenschaft im strengen Sinne gab es vor den Hellenen noch nirgends, auch nicht bei den alten Indern '); fraglich bleibt nur, ob und in welchem Maße orientalische Religionsanschauungen die Spekulation griechischer Denker (besonders über Gott und die menschliche Seele) zu einer von dem Typus der nationalen Bildung der Hellenen abweichenden Richtung auf das Jenseitige, den Erfahrungskreis Ueberschreitende, Transscendente, welche Richtung im Pythagoreismus und Platonismus culminirt, veranlaßt haben. Im späteren Alterthume haben Juden, Neupythagoraer, Neuplatoniker und Christen den orientalischen Einfluß in unhistorischer Weise überschäßt die neuere Kritik hat früh begonnen, solche Annahmen zu beseitigen und immer mehr aus einem inneren Entwicklungsfortschritt des hellenischen Geistes die Philosopheme zu verstehen gesucht, sich aber vielleicht hiebei dem entgegengesetzten Extreme zu sehr angenähert. Eine Reaction gegen dieses Extrem bezeichnen die Arbeiten von Röth und Gladisch; während aber Röth's Combinationen zuviel Willkürliches haben, besigen Gladisch's Annahmen einen nicht geringen Grad von Wahrscheinlichkeit 2). Wenn nun aber auch Gladisch's Behauptung 3) richtig ist, daß

1) Gladisch, Religion und Philosophie p. 90. 2) Ueberweg, Grundriß der Geschichte der Philosophie. Berlin 1865. I. 30. Gladisch führt in einer Reihe von Schriften durch: 1) daß die Weltansicht des Pythagoras im Grundwesentlichen derjenigen der alten Schinesen gleiche; 2) dieselbe Gleichheit zwischen Heraklit und Zoroaster, 3) zwischen den Eleaten und den indischen Wedantinen, 4) zwischen Empedokles und den alten Aegyptern, 5) zwischen Anaragoras und der Lehre der Jsraeliten sich zeige (ibid.). 3) Religion und Philosophie Vorrede VI.

in den Lehren des Sokrates, Plato und Aristoteles '), mit denen sich die Geschichte der hellenischen Philosophie vollendet, nur das Bewußtsein, welches der Kunstreligion und dem gesammten eigenthümlichen Leben des hellenischen Volkes zu Grunde liegt, sich wissenschaftlich verklärt hat, so ist somit der Einfluß des Orientalismus für diese Periode, nicht aber für die frühere und anfängliche bezüglich der Unsterblichkeitslehre ausgeschlossen 2).

§. 1. Homer.

Als volksthümliche Ansicht der Griechen vom Jenseits bestand lange Zeit die homerische, weßhalb wir sie den späteren Umgestaltungen dieser alten Anschauung vorausschicken. Homer's Vorstellungen vom Jenseits finden sich vorzüglich im XI. Buch seiner Odyssee. Nach ihm verläßt die Psyche (Hauch od. Athem) den Menschen im Tode, und wird als luftiges Scheinbild (eidwλov), als ein Schatten oder Schemen von Hermes dem Psychopompos hinabgeführt, sobald der Leichnam begraben oder wenigstens mit Erde überdeckt oder verbrannt ist. Des Odysseus Mutter sagt uns dieß mit den Worten:

Nein! das ist ein Gefeß für die Sterblichen, wenn sie verblichen.
Nicht mehr haben sie Fleisch und Gebein, durch Sehnen verbunden;
Denn die gewaltige Macht hochlodernden Feuers verzehrt es,
Sowie das Leben einmal sich gelöst von dem weißen Gebeine,
Während die Seele im Fluge davonschwebt, ähnlich dem Traumbild.
(Odys. XI. 218 — 222.) 3)

Das Schattenbild des Menschen entschwebt aber nach dem Tode in die Wohnung des Hades und der Persephone; dort kehrt dem Schatten nach dem Kosten des Opfer - Blutes Erinnerung, Einsicht und geistige Kraft zurück:

1) Bei diesem wohl weniger, da er von rein psychologischem Standpunkt aus der Unsterblichkeitsidee gedenkt. 2) Voß (mythol. Briefe 3. Bd. Stuttg. 1827 p. 7 u. a. D.) verwirft „die Hypothese“ einer himmlischen Uroffenbarung, denkt sich die ältesten Griechen ganz roh und unbeholfen und nimmt die homerische Götterwelt für die ursprüngliche und für alle Zeiten normative Form des hellenischen Glaubens. Ueber die Mysterien hat er ganz rabiatte Ansichten. cf. Pauly, Realencyclop. V. p. 213-214. Vergeistigt wurde übrigens die den Mythen und Götz tern zu Grunde liegende Naturbedeutung erst in der hellenischen Periode (1000 - 300 v. Chr.) durch die Mysterien.

3)

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Αλλ' αὕτη δίκη ἐστι βροτῶν, ὅτε κέν τε θάνωσιν·

Οὐ γὰρ ἔτι σάρκας τε καὶ ὀστέα ἶνες ἔχουσιν
̓Αλλὰ τὰ μέν τε πυρὸς κρατερὸν μένος αἰθοιμένοιο
Δαμνᾷ, ἐπεί κε πρῶτα λιπῇ λεύκ ̓ ὀστέα θυμός
Ψυχὴ δ' ηΰτ ὄνειρος ἀποπταμένη πεπότηται.

(cf. Ilias XXIII. 71–76).

Da nahm ich, und schlachtete beide die Schafe

Ueber der Gruft; schwarz strömte das Blut, und es stiegen die Seelen
Erdentschwundener Todten herauf von des Erebos Tiefen.

(V. 30. cf. 95. und 147.) ')

Der König über alle anderen Mächte der Unterwelt und über die Verstorbenen (érego) ist Pluto, zugleich der Gott des Reichthums und der Fruchtbarkeit; beide Bedeutungen suchten die Mysterien in Einklang zu bringen. Er ist der Zeus der tiefen Erde (Zevs zóvios), 2) identisch mit Atdns, dem Fürsten der geheimnißvollen, unsichtbaren Welt (s. unt.). An der Seite des Zeus thront Persephone, die Führerinn der schrecklichen Erinnyen (Jl. IX. 569), die Inhaberinn des versteinernden Medusenhauptes (Odys. XI. 635), finster und grausam gegen das Leben, weßhalb man das Grab gewöhnlich Schlafgemach der Persephone (Dahauos Пlɛooεóvηs) nannte.

Die Wohnung des Hades hat weite Thore (Odys. XI. 571), aus denen zu gehen unmöglich ist, sobald man eingetreten, denn sie sind bewacht von Cerberus dem Höllenhund (Virg. Aen. VI. 126). Es sind da die düsteren Haine der Persephone (άoεα лεобεqovɛing) von Weiden und Silberpappeln, düstere Bäume. Hier findet sich auch die bekannte Asphodeloswiese (dogodekos hetμáv), bedeckt mit Unkraut. Auf ihr schweben die Schatten der Verstorbenen hin und her, oft wie kleine geflügelte Wesen dargestellt, die wie Nachteulen den Hermes (der die Seelen der ermordeten Freier einführt Odys. XXIV. 11) umschwirren. Andererseits finden wir die Inseln der Seligen (Odys. IV. 560), das Elysion, wo die Menschen das glückseligste Leben führen. Ueber den Ort, wo sich die Unterwelt befindet, gibt Homer verschiedenen Aufschluß: Nach Jliade IX. 568 (cf. XXII. 482; XX. 61) ist er in der tiefen Erde, nach Odyssee X. 508 ist die Unterwelt wie ein Jenseits gedacht, das im fernen Westen auf einer Insel im Okeanos, wo Sonnenuntergang und Nacht sei, zu suchen. Odysseus schifft nämlich über den Okeanos, bis er an eine niedrige Küste ge= langt, wo die Haine der Persephone und das Haus des Hades sich befin= den, sowie die Flüsse Styr, Acheron, Periphlegeton, Kokytos und Lethe.

Nach Odyssee XI. 475 ist das Leben im Hades im Allgemeinen ein düsteres, trauervolles:

Niederzusteigen zum Hades erkühnst Du Dich, wo sie bewußtlos
Haujen, die Todten, die Schatten der Sterblichen, welche verblichen. 3)

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Ἐς βόθρον, ρέε δ' αἷμα κελαινεφές αἱ δ' ἀγέροντο

Ψυχαὶ ὑπεξ Ερέβεις νεκύων κατατεθνηώτων.

2) Eigentlich des Dunkels Cópos der tiefen Erde und der gestaltlosen Unsicht

barkeit. J. XV. 187.

3)

Πῶς ἔτλης Αϊδόςδε κανέλθεμεν, ἔνθα τε νεκροί

Αφραδες ναίουσι βροτῶν εἴδωλα χαμόντων;

Gemeinsam wohnten in der Unterwelt Gute und Böse, Fromme und Frevler beisammen, zu gleichtraurigem Schattenleben verurtheilt. V. 541: Aber die anderen Seelen der erdentschwundenen Todten

Standen in Trauer umher und verkündeten ihre Geschicke. ')

Nur wenigen Auserwählten und Lieblingen der Götter war dort ein freundlicheres Leben gewährt, manchen sogar eine Fortdauer sammt dem irdischen Leibe, da sie lebend der Erde entnommen wurden. Die Vernichtung des Leibes hat entscheidenden Einfluß auf den Zustand im Jenseits. Bei den meisten Menschen war der Körper der Vernichtung übergeben, darum ihr Schattenleben dort ohne Körper; bei den Lieblingen der Götter dagegen blieb der Körper erhalten, darum existirten sie auch fort mit dem irdischen Leibe.

Zu denen, welche die griechische Mythe als Auserwählte der Götter bezeichnet, gehören Radamanthos, Minos, Menelaos, denen Pindar (Ol. II. 143) noch den Peleus, Kadmos und Achilleus hinzufügt. Von Minos singt Homer (Od. XI, 568-571):

Und nun sah ich den Minos, den glänzenden Sohn des Kronion,
Der mit goldenem Stabe geschmückt, Recht sprechend den Todten
Da saß; Andere suchten ihr Recht, um den König versammelt,
Sißend und stehend daselbst, an des Aïdes räumigen Thoren. 2)

Auch Hercules wurde des Umgangs mit den ewigen Göttern ge= würdigt, während sein Schattenbild, von den Todten umschwirrt, die Bewegungen eines kampflustigen Helden zeigt. V. 601 ff. So hatten die treff= lichsten Helden ein düsteres Dasein im Jenseits (cf. V. 485. Jlias XXIII. 77). Einige Götterfeinde und Frevler sind zu besonderer Strafe verurtheilt, wie Tityos, Tantalos und Sisyphos (Odys. XI. 576, 582, 593).

Von einer gerechten Vergeltung des ganzen Erdenlebens traf Odysseus Nichts im Schattenreiche; erst bei Hesiod tritt der Glaube deutlicher hervor, daß alle Guten und Edlen in die seligen Eilande eingehen, die Frevler aber namhafte Strafen zu erdulden haben. Aus diesem düsteren Aufenthalt konnten nach Homer die Eidola durch Zaubermittel wieder hervorgerufen werden, Odysseus thut dieß von Circe darüber belehrt (Odys. XI. 1)3).

Das war die alte homerische Anschauung, welche so lange im Volke bestand. Dieser hohen Autorität wurde in den Mysterien entgegengetreten und der Glaube an eine gerechte Vergeltung, an eine strenge Scheidung

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Χρύσεον σκήπτρον ἔχοντα θεμιστεύοντα νέκυσσιν

Ἥμενον· οἱ δέ μιν ἀμφὶ δίκας εἴροντο ἄνακτα

Ημενοι, εσταότες τε κατ' εὐρυπυλὲς Αίδος δῶ. (cf. B. 37-43.)

3) Auch das Opferblut, das sie, wie es scheint, saugen, hat auf die „Schatten“ belebenden Einfluß. In Bezug auf Odyf. 24,‍5 nennt sie Thym (Lehre v. Fortd. im alten Testament, p. 9, Anmerkung) „pipende Schatten“.

des Guten und Bösen, die sich schon im seligen und finsteren Aufenthalte manifestirte, immer mehr zu verbreiten gesucht. Auf Annahme konnte diese Lehre nur dann Aussicht haben, und die homerische Anschauung nur dann durch sie beeinträchtigt oder verdrängt werden, wenn der Begründer derselben sie auf seine eigene Erfahrung zurückführte, wenn er über das, was er lehrte, an Ort und Stelle sich überzeugt hatte. Da nun Orpheus als Begründer der Mysterien galt, so mußte nothwendig an ihn der Mythus seines Hinabsteigens in die Unterwelt sich anschließen. War dieser Mythus einmal verbreitet, dann konnte Orpheus mit antihomerischen Anschauungen hervortreten; denn er stand dem homerischen Besucher der Unterwelt, dem Odysseus gleichberechtigt zur Seite, und was er gab, war dann nicht mehr bloße Lehre oder Meinung, sondern das durch eigenes Schauen gewonnene Wissen. Aus diesem erhellt auch zur Genüge, meint C. Arnold1), warum die solchen antihomerischen Anschauungen huldigende Priesterschule gerade den mythischen Heros Orpheus für ihren Stifter ausgab.

§. 2. Die Götter der Unterwelt und ihr Cultus im
Allgemeinen.

Hades hat schon bei Homer, wie wir gesehen, sein unterirdisches Reich, und mit ihm seine Gemahlinn Persephone, aber sie bilden nicht, wie später, den Mittelpunkt einer abgesonderten Gruppe. Die Mitglieder derselben tra= gen in dieser Zeit meist einen doppelten Charakter. Alle nehmen eine mehr oder weniger andere Stelle ein als bei Homer, neu kommt Hekate hinzu, die dem Homer ganz unbekannt, zuerst bei Hesiod (Theog. 403-453) mit einer Fülle von Macht hervortritt, wie keine andere Gottheit, aber doch nicht in's Zwölfgöttersystem aufgenommen ist2). Zur Gruppe der chthonischen Götter gehören: Hades, Persephone, Demeter, Hermes, Hekate und die Erinnyen und Eumeniden 3). Dazu kommt Dionysos, aber nicht seine Umgebung und Begleitung (Semele, Ariadne, Silenos, Pan, Satyrn 2c.), mit denen er auf der Oberfläche der Erde waltet. Obgleich die chthonischen Götter sämmtlich über die Fruchtbarkeit walten, so werden sie doch ihrer Furchtbarkeit wegen gefürchtet. Furchtbar erscheinen sie zunächst wegen der als schrecklich vorgestellten Finsterniß ihres

*) Unsterblichkeit der Seele nach den Ansichten der Alten. Progr. München 1861, p. 8 ff. 2) Anmerkung. Was das griechische Volk besonders zur Verehrung und Anrufung dieser Götter veranlaßte, war das Schuldbewußtsein. Daher die SühnFeste und Opfer. Dieß ist der Grundgedanke von Hesiod's „Werke und Tage"; findet sich in den griechischen Tragödien und besonders bei Thukydides ausgedrückt. Nach Herodot war die Ursache des Bösen, der Sündhaftigkeit und Schwäche „der Neid der Götter". Man vergleiche ferner Nägelsbach, nachhomerische Theol. Nürnb. 1857. 6. Abschn. sowie besonders Ersch und Gruber, Encl. II. Sect. 82. Th. p. 222 ff. 3) cf. das samothrakische Göttersystem und die Kabiren. Ersch, Encl. II. 82. p. 249 ff. Ueber die Eumeniden cf. ibid. p. 329.

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