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Wir müssen wohl einen besonderen Akt annehmen, der wahrscheinlich erst dem letzten Grade der Weihe, der Epoptie angehörte. Dieß läßt sich wohl denken, da die Einzuweihenden oder theilweise Eingeweihten bis dahin μvora, Leute mit verschlossenen Augen hießen, und nun erst, nachdem sie mit eigenen Augen das Leben nach dem Tode gesehen hatten, Schauende (enónτai) hießen. Um den Eindruck zu erhöhen, ließ man den Gegensatz zwischen den Schrecken des Todes und den hellbeleuchteten Gefilden der Seligen scharf hervortreten 1). Auch fehlte eine Andeutung vom Schicksal der Ungeweihten nicht, die in Schlamm und Koth sich wälzten bei nebelhafter Dunkelheit. Zuerst Irrgänge und mühevolles Umherschweifen und erfolglose Gänge in der Finsterniß, dann vor der Weihe alle Schrecknisse, Schauer und Zittern, Schweiß und ängstliches Staunen. Darauf bricht ein wunderbares Licht hervor; freundliche Gegenden und Wiesen mit erhabenen Chorgesängen und heiligen Erscheinungen, in denen der ganz Geweihte frei wird und im Gefühle der Sicherheit umhergeht, bekränzt feiert, mit frommen und reinen Männern zusammenlebt, indem er dort den ungeweihten Haufen derer, die ein unreines Leben führten, in vielem Koth und Nebel von einander getrennt sich herumtreiben, und aus Furcht vor dem Tode, aus Unglauben an die Götter dort in den Uebeln verharren sieht. Denn von dort her wirst du begreifen, daß die Verbindung und Gemeinschaft der Seele mit dem Leibe etwas Widernatürliches ist." - Jm lezten Saze will Plutarch (1. c.) offenbar in den Mysterien eine Bestätigung der pythagoreischen Ansicht finden, daß die Seele mit dem Leibe zur Strafe verbunden sei. Daß übrigens der Unterschied der Seligen und Unseligen keineswegs bloß von der Einweihung abhängig war, sondern die moralische Besserung als nothwendige Folge vorausgesetzt ward, zeigt der Schluß des Chores der Mysten (Aristoph. ran. 455), der gesungen beim Hinzug nach Eleusis die Erinnerung wachruft an die bereits empfangenen Weihen:

Denn uns allein ist Sonnenschein,
Und frohe Tageshelle,

Die einst wir die Weihe empfahn,

') Plutarch. de anima Fr. II. §. 2. aus Stob. Flor. 5. CXX. 28, p. 604. Plut. ed. Hutten vol. XIV. p. 270, wo oi rederais μɛyadais narogyıatóμɛvoi nur von den Eleusinien verstanden werden kann, von denen es heißt: лìávαi rà лowrα xai περιδρομαὶ κοπώδεις καὶ διὰ σκότους τινὸς ὕποπτοι πορείαι καὶ ἀτελέστοι· Diejes vor dem Eintritt in's Telesterion. Auf die Darstellung gehen die Worte (1. c.): éx đè τούτου φῶς τι θαυμάσιον ἀπήντησεν ἢ τόποι καθαροὶ καὶ λειμώνες ἐδέξαντο, φωνὰς καὶ χωρείας καὶ σεμνότητας ἀκουσμάτων ἱερῶν καὶ φαντασμάτων ἁγίων ἔχοντες· ἐν οἷς ὁ παντέλης ἤδη καὶ μεμνημενος ἐλεύθερος γεγονώς καὶ ἄφετος περιίων ἐστεφανώμενος ὀργιάζει, καὶ σύνεστι ὁσίοις καὶ καθαροῖς ἀνδράσιν, τὸν ἀμύητον ἐνταῦθα τῶν ζώντων ἀκάθαρτον ἐφορῶν ὄχλον ἐν βορβόρω πολλῷ καὶ ὀμίχλῃ πατούμενον ὑφ ̓ ἑαυτοῦ καὶ συνελαυνόμενον, φόβῳ δὲ θανάτου τοῖς κακοῖς ἀπιστία τῶν ἐκεῖ ἀγαθῶν ἐμμένοντα· ἐπεὶ τό γε παρὰ φύσιν τὴν πρὸς τὸ σῶμα τῇ ψυχῇ συμπλοκὴν εἶναι καὶ συνέρξιν, ἐκεῖ θεν ἄν συνίδοις.

Gut waren mit Jedermann,
Dem Fremdlinge wohlgethan,

Und dem eignen Landsmann.

Zur höchsten Weihe gehörten noch andere dramatische Aufführungen (dowμɛva) oder wie Schömann (Gr. Alt. II. 350) es wohl richtiger bezeichnet, lebende Bilder, zu denen von Chören heilige Gesänge gesungen wurden. So sei (nach Euseb. praep. ev. III. 12, 3) der Hierophant in Gestalt des Demiurgen aufgetreten 2c. Am wahrscheinlichsten haben wir uns eine Prozession unter glänzender Beleuchtung vorzustellen, und mit gleicher Wahrheit hat Plato (Phaedr. c. 28. 30) zunächst diese Umzüge im Sinne, wenn er die Umzüge der Götter im überhimmlischen Orte die höchste Weihe für die mit umfahrenden und zuschauenden Seelen nennt, durch welche sie selbst vollkommen würden. Diese Umzüge wurden von Plato als die ewigen Urbilder der Dinge bezeichnet, und ebenso wie hier erscheinen die Götter im Verhältniß zum Zeus in einem der meist beglaubigten Fragmente ') der orphischen Theogonie, welche den Inhalt der Weihen bildete. Wurden, wie wir nicht zweifeln dürfen, die Götter auf ihre Naturbedeutung zurückgeführt, die Natur aber in ihrem göttlichen Ursprung als Einheit gefaßt, so hängt da mit ohne Zweifel die Vorstellung vom Sterben der Götter zusammen, die Cicero, der in die Eleusinien eingeweiht war, als Inhalt der Mysterien angibt (Tusc. I. 13), gewiß aber nicht im euhemeristischen Sinne, wie man gewöhnlich annimmt. Welchen Zweck aber kann es in den Eleusinien gehabt haben, so weit auf den Ursprung aller Dinge zurückzugehen? Ich wüßte keinen andern Grund, bemerkt der gelehrte Verfasser in Ersch's Encycl. (S. II. Th. 82. p. 266), als den Vegetationswechsel und den Wechsel von Leben und Tod der Menschen auf eine Einheit des vegetativen und menschlichen Lebens im Göttlichen zurückzuführen und als eine göttliche Weltordnung erkennen oder vielmehr durch Versenkung in das Göttliche gleichsam die Theilnahme unmittelbar empfinden zu lassen.

Daß die eleusinischen Mysterien wirklich die aus den Mythen und Gebräuchen entwickelte Bedeutung hatten, wird durch Zeugnisse der hervorragendsten Werke und Männer des Alterthums wenigstens im Allgemeinen auf das Entschiedenste bestätigt. Welker 2) hat sie in großer Fülle zusammengestellt, wo er den Einfluß der Eleusinien zu erkennen glaubt. Schon der sogenannte homerische Hymnos, der nur den Raub und was sich daran knüpft, als den Juhalt der Eleusinien kennt, faßt die Bedeutung der Orgien,

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1) Dieses Fragment u. A. bei Mullach, Fragm. Philos. Graec. Paris 1860. p. 168. Auch Plato kennt cs cf. legg. IV. 715. e. In diesem Fragment hieß Zeus der Demiurg, insofern er den Phanes (bei Diodor Sicul. I. 11 Sonne), in dem schon die ganze Welt und die Götter vorgebildet waren, verschlang, und dann als die Welt der Wirklichkeit wieder aus sich hervorgehen ließ. Der Jakchos - Dionysos scheint bei den Orphikern mit Phanes identificirt worden zu sein. cf. Sophocl. Antig. 1106. 2) Griechische Götterlehre. Göttingen 1857. II. 511 ff.

in denen er sie die Fürsten von Eleusis und deren Töchter unterrichten läßt, rein geistig in den Worten v. 480 zusammen:

„Seliger, wer das schaute der sterblichen Erdenbewohner!

Wer ungeweiht, wer fremd ist dem Heiligen, nimmer gemeinsam

Hat er das Loos, auch ein Todter in dumpfiger Wüste des Nachtreichs. “ Auch Pindar legt rühmendes Zeugniß für die Mysterien ab, wie wir (unten) sehen werden.

Eine ebenso klare als bestimmte Lobpreisung der Mysterien finden wir bei Sophocles, der im Oedipos Kolonos den Chor singen läßt V. 1042: „O wär' ich. . . . am

Gestade der Fackeln,

Wo fromm der Ehrwürdigen Paar mit hehrer Weihe

Die Menschen feiern, welchen dort

Auch der Eumolpidenpriester goldnes Schloß die Zunge hemmt.

Ein Fragment desselben stimmt ziemlich mit dem homerischen Hymnos überein (s. unten).

Aeschylos erwähnt die Mysterien nirgends und war auch nicht in sie eingeweiht 1). Die Ansicht Plato's haben wir bereits erwähnt. Isocrates (Panegyr. 6) führt an, wie Demeter den Vorfahren zwei Geschenke gemacht, welche die größten seien: Die Früchte, das Getreide und die Weihe, deren Theilnehmer für das Ende des Lebens und für die Ewigkeit süßere Hoffnungen haben. Der Stoiker Chrysippus bezeichnete die philosophische Untersuchung über die göttlichen Dinge als Weihe (Teλetus), weil sie die letzten seien und nach allem Uebrigen gelehrt werden müßten, nachdem die Seele schon Festigkeit erlangt habe und im Stande sei, zu schweigen 2). Schließlich mag noch Cicero's Ansicht erwähnt werden: „Viel Treffliches und Göttliches scheint mir Athen hervorgebracht und zum Leben beigetragen zu haben; nichts Besseres aber als jene Mysterien, durch welche wir von einem rohen und wilden Leben zur Menschlichkeit gebildet und gesittigt sind, und in den Weihen (initia) erkennen wir in der That die Grundlagen (principia) des Lebens und wir lernen nicht bloß froh zu leben, sondern auch mit besserer Hoffnung zu sterben“ (de leg. II. 14, 36).

Wenn Galenus bezeugt 3), daß den Mysterien und ihren heiligen Mythen eine religiöse Auffassung der Natur zu Grunde lag, so ist dieß eben die Grundlage der Mythologie überhaupt und als das Beste an der ganzen Sache hervorzuheben.

§. 5. Dionysos und Orpheus.

Zu den vergötterten Heroen wird von den Griechen ziemlich allgemein auch Dionysos gezählt, und doch läßt sich nicht erweisen, daß seine schon von

1) Lobed Agl. p. 77. cf. dagegen Aristophanes ran. 886. f. unten Tragifer. 2) Etym. magn. s. v. reλery. 3) de usu part. VIII. 14. p. 469. Tit. IV. Ch. p. 576.

Homer und Hesiod anerkannte Gottheit') in Vergessenheit gerathen sei. Wann, wo und wie diese Veränderung eingetreten sei, darüber weichen die Ansichten von einander ab. Dionysos ist von einem Geber des Weins, der an die Stelle der als Göttertrank vorgestellten Feuchtigkeit getreten war, später zu einem die ganze Natur belebenden, ja die ganze Welt beherrschenden Gott geworden 2).

Indem wir die Forschungen über den Bildungsprozeß der DionysosMysterien übergehen, bemerken wir nur, daß phrygische und ägyptische Elemente in diese Mysterien aufgenommen wurden und thrakischer Einfluß sich geltend machte 3). Daß Orphens in Thrakien Träger der Dionysos-Mythen geworden ist *), dafür sprechen ganz besonders die lesbischen Ueberlieferungen, in denen immer Orpheus, Dionysos und Thrakien zusammengehen. Es muß alte lesbische Sage gewesen sein, daß das Haupt des zerrissenen Orpheus von den thrakischen Frauen in's Meer geworfen, mit der Lyra an die Küste von Lesbos getrieben und dort bei der Stadt Antissa begraben sei, wo seitdem seine Grabstelle ein Drakel war 5). Der Mythos von der Zerstückelung des Dionysos knüpft sich an den Beinamen 3a greus, der uns zuerst in einem Bruchstücke des epischen Gedichtes Alkmaeonis (Etym. Gud. s. v.) begegnet, welches Epos ohne Zweifel in die Zeit des Pisistratos hinaufreicht ®). Aus den „Weihen“ (tɛkɛtai), einem Gedichte, das bald dem Orpheus, bald dem Onomakritos zugeschrieben wurde, wird ausführlicher berichtet 7), daß Zagreus Sohn des in eine Schlange verwandelten Zeus von der Persephone, aber nicht verschieden von Dionysos ist. Da diese orphische Ueberlieferung sich zuerst bei Terpander findet, der nur noch thrakische, nicht auch schon phrygische Elemente aufgenommen hatte, so muß der Mythos aus Thrakien stammen. Wird nun Apollon in der Verfolgung und Tödtung seines Priesters Orpheus durch thrakische Frauen angefeindet, so dürfen wir in Orpheus wahrscheinlich den Apollo selbst erkennen, und der hier siegreich erscheinende Dionysos ist eben der Regengott ), der die Sonne verdunkelt und in dem Herabsteigen des Orpheus in den Hades ist ursprünglich das

2) Strabo, X. 3,

') Homer, Il. VI. 130; XIV. 325. Hesiod, Opp. 612. 9-15; cf. Homer, II. XVIII. 561 und in Plutarch. de cupid. divit. c. 8. Aristoph. Ach. 243. 3) Ersch, Encl. 1. c. p. 270 ff., wo die betreffenden Untersuchungen angeführt sind. 4) Diese Eigenthümlichkeit theilt er mit Chrysothemis, Musäos und Eumolpos; mit Thamyris und Musäos aber die, daß er auch eine Theogonie gedichtet haben soll; im Uebrigen scheint Orpheus der heimischen Ueberliefe= rung der Hellenen fremd, wie wir später sehen werden. 5) Bode, Geschichte der Hellenischen Dichtkunst I. 1. §. 25, 29–30. p. 140 ff. die Quellen. 6) Weltker, der erische Cyclus, Bd. II. p. 38 ff., p. 405. 7) cf. Lobeď, Agl. p. 547 ff. — ®) Philolaos (Fr. 20 p. 154 ed. Boeckh) bei Proklus, oder dieser nach Pythagoräern zu Euklid. Elem. I. p. 38 erflärt: καὶ ὁ μὲν Αιδης τὴν χθονίαν ὅλην συνέχει ζωήν, ὁ δὲ Διόνυσος τὴν ὑγρὰν καὶ θερμὴν ἐπιτροπεύει γένεσιν, ἧς καὶ ὁ οἶνος σύμβολος ὑγρὸς wv nai dequos. cf. Plut. de Is. et Osir. c. 35, sowie über den Namen Zagreus Elym. Gud. s. v.

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Verschwinden der Sonne und des Lichtes im Winter zu verstehen, weshalb Dionysos selbst auch Hades wird. Wenn dagegen Lycurgos (Avzołoyos, der Lichtwirker), den Dionysos und seine Ammen (den Gott des Regens und der durch die aufsteigenden Dünste ihn nährenden Gewässer) verjagt'), so ist darin die Sonne gemeint, die siegt, indem der Regen verschwindet. Schließt nun des Aeschylos Likurgia mit der Versöhnung, ja mit der Verschmelzung des Dionysos und Likurgos, so muß der Gegensatz der die Fruchtbarkeit wirkenden Kräfte als Einheit gefaßt sein. Wenn nun nach pierischthrakischem Mythos Zagreus - Dionysos Demeter's und Persephone's Sohn von Zeus heißt, so bedeutet er die Vegetation, besonders den Weinstock und seine Zerreißung durch die Titanen, die Entblätterung derselben durch die Stürme des Herbstes 2). So erhellt, wie Orpheus (nach Aeschylos) ein Prophet oder Priester des als Helios gedachten Appollon und Feind des Dionysos3), nach Onomakritos aber oder den orphischen Ueberlieferungen Schöpfer und Verbreiter der mit den Orgien zusammenhängenden Mythen von Dionysos, Urheber der „Weihen" und der darin enthaltenen Theogonie geworden ist, und wie er die der griechischen Mythologie ursprünglich fremde Gleichstellung des Apollon, Dionysos und Hades in denselben lehren konnte, die auch der orphische Hymnos 33 im Bakchischen Apollon anerkennt, und welche Plutarch für den Inhalt der Mysterien (wie Spätere) betrachtet *).

Ehe wir nun eine eingehendere Betrachtung über die fraglichen Mysterien anstellen, wollen wir vorerst die in den „Weihen" mitgetheilte Zagreus-Sage erzählen: Dionysos-Zagreus, der Sohn des Zeus und der Persephone wurde mit besonderer Liebe von seinem Vater behandelt. Derselbe ließ ihn an seiner Stelle Plaz nehmen, Blize schleudern und durch die Kureten und Apollo gegen die Nachstellungen der Hera bewachen. Trotz dieser Vorsicht wird der Knabe ein Opfer der Hera. Diese hatte nämlich die Titanen zu dem Werke gewonnen. Unbemerkt waren sie in das Gemach zu dem Knaben geschlichen, hatten anfangs mit allerlei Spielwerk seine Aengstlichkeit beseitigt und ihn dann plötzlich überfallen; jezt setzte sich der Kleine wohl zur Wehre und versuchte durch allerlei Verwandlungen ihren Händen zu entrinnen, doch Alles war umsonst. Die Titanen zerrissen ihn, kochten seine Glieder und verzehrten ihn. Nur das Herz wird von Athene gerettet und dem Vater gebracht. Zeus verschlingt dasselbe und empfängt

1) Homer, Il. VI. 130; Aeschyl. Liturgia Fragm. Nauc 23, 24. 56-65. 120-122 2c. 2) Das Weitere bei Ersch, Encl. 1. c. p. 274. 3) Eratosth. Catast. 24 und Schol. Arat. p. 67. Naud, Frag. Fr. Aesch. p. 7. 4) Plut. Is. et Osir. c. 35. Macrob. Sat. I. 18 u. A. Daß die „Weihen“ alt sind und Orpheus zum Verfasser haben, bezeugen auch Aristoteles, Plato, Eudemus, Heraclit, Philolaos. cf. Ersch, Encl. 1. c. p. 275. Ueber die Zerreißung des Zagreus durch die Titanen und die ähnliche Zerstücklung des Osiris durch Typhoeus, die Gleichstellung beider in Delphi, sowie die Bedeutung derselben cf. ibid. p. 277.

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