Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

Phädon auf die Natur des Wissens als einer Wiedererinnerung, wie im Menon (siehe oben), das dritte Argument gründet er auf die Verwandtschaft der Seele als eines unsichtbaren Wesens - mit den Ideen als unsichtbaren, einfachen und unzerstörbaren Objekten. Er stellt nämlich (Phäd. 78. b) den Grundsaß auf, daß nur das Unzusammengesetzte, das Einfache, auch unauflösbar und unzerstörbar sei; zeigt dann (78. c), daß die Ideen die einfache Wesenheit der Dinge darstellen, und schließt daraus, daß sie sonach unveränderlich und unzerstörlich seien. Indem er dann alles Seiende in zwei große Gebiete theilt, von welchen das eine das Unsichtbare (Uebersinnliche), das andere das Sichtbare (Sinnliche) umfaßt (79. a) und findet, daß die Seele in das Gebiet des Unsichtbaren, Uebersinnlichen, der Körper hingegen in das Gebiet des Sichtbaren, Sinnlichen gehöre, macht er folgende Reflerion: Daß nämlich die Seele, wenn sie sich der Sinneswahrnehmung des Körpers hingebe, vom Körper zu dem, was sich niemals gleichmäßig verhalte, hingezogen werde, und daß sie dann selbst als mit dergleichen Gegenständen beschäftigt, in der Irre schweife, und sich beunruhige und, wie berauscht, vom Schwindel ergriffen fühle. „Wenn aber, fragt er dann weiter, sie selbst für sich selbst forscht, wendet sie sich nicht dorthin zu dem Reinen, dem Ewigseienden, Unsterblichen und gleichmäßig Beschaffenen, und weilt, als ihm verwandt, stets bei ihm, sobald sie sich allein gehört und es ihr gestattet ist, und findet Rast von ihrem Umherschweifen und befindet sich, mit Jenem beschäftigt, stets als mit dergleichen Geschäften in Berührung kommend, in demselben gleichmäßigen Zustand? Und wird nicht dieser Zustand Nachdenken genannt? Welcher von den beiden Gattungen scheint dir nun ferner die Seele ähnlicher und verwandter zu sein? Jeder wird zugeben, daß sie überhaupt und in jeder Beziehung verwandter ist dem stets gleichmäßig, als dem nicht so Beschaffe= nen; der Körper aber dem Anderen." (78. c-e).

Hieran reiht sich als viertes Argument gegenüber dem Einwand (des Simias), daß die Seele vielleicht nur die Resultante und gleichsam Harmonie der körperlichen Elemente sei, dieß, daß die Seele zur Herrschaft über den Leib befähigt sei und eine substanzielle Da= seinsweise habe, sowie daß sie präeristire (siehe oben), wornach, wäh rend eine Harmonie mehr Harmonie sein könne als eine andere, eine Seele nicht mehr und nicht weniger sei als jede andere, und die Seele die Harmonie als Eigenschaft an sich tragen könne, sofern sie tugendhaft sei.

Die Seele bezeugt nach Plato, wie wir gesehen, im Besitze der Ideen ihre Verwandtschaft mit dem einfachen und unsterblichen Wesen, wie der Körper in der sinnlichen Wahrnehmung seine Verwandtschaft mit dem Zerstörbaren und Zusammengesetzten kundgibt. Sie beweist damit, daß sie selbst die Natur des einfachen und somit unauflöslichen Wesens an sich trage. Denn obgleich Plato zugesteht, daß sich die Seele mit ihrem Streben auch dem Körperlichen zuwenden könne, so findet er doch, daß dieß nicht ihrer höheren, sondern nur ihrer niederen Natur entspreche. So kommt er zum

Schlusse, daß die Seele Herrschaft über den Körper besiße und daß dieser ihr unterworfen sei, wie das Sterbliche dem Göttlichen (Phäd. p. 80), und fährt dann fort, daß der Seele das Göttliche, Unsterbliche, Geistige und Gleichgestaltete und stets gleichmäßig mit sich selbst in demselben Zustande Beharrende, dem Leibe dagegen das Menschliche, Sterbliche, Vielgestaltete, niemals in demselben Zustande mit sich selbst Beharrende entspreche, und daß es fonach auch dem Leibe angemessen sei, schnell sich aufzulösen, der Seele dagegen etwas ganz Unauflösbares und dem Aehnliches zu sein (80. a-b).

Den Einwurf (des Simias), daß die Seele Harmonie des Körpers und also mit diesem zu Grunde gehe, gibt Plato in folgenden Worten: Es könnte doch wohl Jemand über den Einklang und über die Leier und die Saiten dieselbe Behauptung aufstellen, daß bei einer wohlgestimmten Leier der Einflang etwas Unsichtbares und Unkörperliches und vorzüglich Schönes, ja Göttliches sei, daß aber die Leier selbst und die Saiten Körper sind und körperhaft und zusammengefügt, irdischen Stoffes und dem Sterblichen verwandt" (Phädon 85. d). Indem er dann bemerkt, daß Jemand, ebenso wie Sokrates von der Forteristenz der Seele nach dem Tode des Körpers, von der Harmonie behaupten könnte, daß sie fortbestehe, auch wenn die Leier selbst zerbrochen und die Saiten zerrissen wären, fährt er fort (86. b): „Wenn also unsere Seele eben eine Art von Einklang ist, so liegt am Tage, daß wenn unser Körper von Krankheiten oder andern Uebeln übermäßig. abgespannt oder überspannt wird, die Seele, obgleich dem Göttlichen sehr nahe verwandt, nothwendig alsbald gleich den andern in den Tönen und allen andern Werken der Künstler liegenden Einklängen, untergehen muß, die Ueberreste jedes Körpers aber lange Zeit sich erhalten, bis sie entweder verbrannt werden oder verwesen." Gegen diesen Einwurf entgegnet Plato, daß die Seele die Ideen ja schon besize, bevor sie im Körper eristire, daß sie alles im Körperleben Wahrgenommene auf dieselben als auf etwas Früheres und Höheres zurückbeziehe und daß sie darum mit ihren Ideen unmöglich erst ein Resultat und eine Zusammensetzung des Körpers selbst sein könne. (Phädon 92). Ferner bemerkt er, daß wenn die Seele Stimmung des Körpers wäre, sie auch von der Art und Weise dieser Stimmung abhängig sein müßte, so daß eine bessere oder schönere Stimmung des Körpers auch mehr Seele zum Resultat haben müßte, als eine schlechtere. Da aber nach aller Menschen Ueberzeugung eine Seele gerade so gut Seele sei als die andere, möge der Körper beschaffen und gestimmt sein wie er wolle, so könne die Seele unmöglich Stimmung des Körpers sein (93. a-b). Weiter stellte Plato nicht ohne treffende Fronie die Frage, wenn die Seele ihrem Wesen nach Stimmung des Körpers sei, was dann Tugend und Laster seien, welche doch gewöhnlich für einen Einklang oder Mißklang der Seele gehalten werden? Ist die Seele ihrem Wesen nach Harmonie und Einklang, wie kann dann noch von der Tugend als von einem Einklang in ihr geredet werden? Das wäre ja dann ein Einklang im Einklang, und das

Laster wäre ein Mißklang in dem, was seinem Wesen nach Einklang ist Die besonderen Modifikationen von Tugend und Laster, als höhere Ordnung oder störende Unordnung in der Seele wären gar nicht denkbar, wenn alle Seelen ihrem Wesen nach schon Einklang wären und also keinen andern Einklang bedürften, oder ihrer Natur nach keinen Mißklang in sich vertrügen (93. 94.). Ueberdieß beherrsche ja auch die vernünftige Seele den Körper, indem sie dessen Neigungen widerstrebe und dessen Leidenschaften zügle, was doch unmöglich wäre, wenn die Seele Produkt und Resultat der Stimmung des Körpers wäre, denn dann wäre sie ja ganz vom Körper bedingt und abhängig und könnte ihn also nicht beherrschen und ihm sicherlich in Nichts widerstehen (94.). Die Eristenz der Idee in der Seele und deren ideales Leben beweisen also auf's Unwiderleglichste ihre Unabhängigkeit vom Körper und ihre Erhabenheit über denselben und widerlegen glänzend die Annahme, daß sie bloß Stimmung des Körpers sei. So wird der stärkste Einwurf des damaligen Materialismus gegen die Unsterblichkeit vom Standpunkt der platonischen Ideenlehre widerlegt, eine Widerlegung, die bis zu einem ge= wissen Grad noch immer ihre Geltung hat. Durch die Hervorhebung der Unabhängigkeit der Seele vom Körper sowie durch die Betonung ihres idealen Lebens kommt hier Plate dem eigentlichen Grund unserer Fortdauer, dem Begriff von der Persönlichkeit näher, obgleich er doch nur von negativer Freiheit und nur von der Fähigkeit, die Neigungen zu zügeln, spricht.

Das fünfte und von Plato selbst für entscheidend ge= haltene Argument endlich, gegenüber dem Einwand (des Kebes), daß die Seele vielleicht den Leib überdaure, aber doch nicht schlechthin unzerstörbar sei, gründet Plato auf die unaufhebbare, im Wesen der Seele liegende Gemeinschaft derselben mit der Idee des Lebens, so daß die Seele niemals leblos sein könne, eine todte Seele ein Widerspruch sei, mithin Unsterblichkeit und Unvergänglichkeit ihr zukomme, wobei supponirt wird, daß dasjenige, was, so lange es besteht, seinem Wesen nach nicht todt ist, noch todt sein kann, auch niemals aufhören könne, zu bestehen ').

Rebes bringt aber (Phädon 87. b) vor: Er gebe zwar zu, daß die Seele schon vor dem Körper eristire, ja sogar mehrere Verkörperungen hindurch forteristiren und nach dem Tode des einen Körpers wieder in einen andern übergehen könne, doch scheine sie ihm deßwegen noch nicht unsterblich, sondern nur etwas Langdauerndes zu sein, das den Körper wie ein Gewand anziehe und, wenn er verbraucht sei, wieder einen andern wähle, bis sie zuletzt auch am Elende des Körperlichen aufgezehrt werde, wie ein

1) Diese Supposition, bemerkt Neberweg (Grundr. I. p. 113) fnüpft sich sprachlich an den Doppelgebrauch von άdávaros a) im Sinne, den der Zusammenhang der Argumentation begründet nicht todt; b) im Einne, der dem Sprachgebrauch entspricht, unsterblich.

-

Mensch, nachdem er viele Gewänder verbraucht habe, zuletzt auch selbst sterben müsse. Gegen diesen Einwurf führt Plato wieder die Lehre von der Wesenhaftigkeit der Idee in's Feld und weist nach, daß die Ideen nicht in ihr Gegentheil übergehen, wie dasjenige, was bloß an ihnen Theil habe; so könne z. B. zwar wohl Schönes häßlich werden, die Schönheit selbst könne dagegen nicht zur Häßlichkeit werden. Die Seele nun sei die Idee des Lebens, der Körper dagegen nehme bloß an ihr, der Idee des Lebens, Theil; deßhalb könne zwar wohl der Körper dem Tode verfallen, nicht aber die Seele, weil sonst die Idee des Lebens, das Leben selbst, zum Tode werden müßte, was doch unmöglich sei (96—108).

Er fügt dann noch hinzu: „So dürfte von der Gottheit wenigstens und dem Begriffe des Lebens an sich und wenn es sonst noch etwas Unsterbliches gibt, einstimmig zugestanden werden, daß sie niemals untergehen. Wenn also der Tod über den Menschen kommt, so stirbt sein Sterbliches natürlich hin, das Unsterbliche enteilt unversehrt und dem Verderben nicht unterworfen, indem es vor dem Tode zurückweicht. Demnach ist die Seele vor Allem etwas Unsterbliches und Unvergängliches und unsere Seelen werden im Hades sein." Phädon 106. c-107 1).

"

Wir sehen aus diesen Säßen, bemerkt Becker wiederum (p. 142), daß Plato recht wohl fühlt, sein letzter Beweis gelte eigentlich bloß dem göttlichen Leben, welches der Inbegriff alles Lebens ist, und der menschlichen Seele nur, insofern sie von jenem umfaßt ist. - Plato, sagt er, ist also in diesem Beweise wieder ganz Pantheist und deßhalb stimmt derselbe auch so genau mit jenem zusammen, den er (legg. X. 896) für das Dasein unsterblicher Götter führt. Das Dasein der unsterblichen Seele beruht für ihn also auf demselben Beweisgrunde, wie das Dasein der unsterblichen Götter, auf der Idee des Lebens, die in der Seele realisirt ist, und die sich in der Seele des All als Gottheit offenbart." Könnte man „die Theilnahme der Seele an der Idee des Lebens" als „Bewußtsein der Unsterblichkeit" deuten, so wäre hier der Vorwurf des Pantheismus beseitigt, ja die Persönlichkeit der unsterblichen Seelen sowie der Götter, die einen gleichen Daseinsgrund haben, einigermaßen gerettet; die Seelen wären unsterblich und in ihrem Dasein präeristirend die Götter wären Götter, weil sie das Bewußtsein ihrer Fortdauer in sich tragen ein persönliches Bewußtsein! Allein Plato nimmt wirklich die Idee als

1) Ὁ δὲ γε θεός, οἶμαι, ἔφη ὁ Σωκράτης, καὶ αὐτὸ τὸ τῆς ζωῆς εἶδος καὶ εἴ τι ἄλλο ἀθάνατόν ἐστι, παρὰ πάντων ἂν ὁμολογηθείη μηδέποτε απόλλυσθαι. . Ἐπίοντος ἄρα θανάτου ἐπὶ τὸν ἄνθρωπον τὸ μὲν θνητόν, ὡς ἔοικεν, αὐτοῦ. ἀποθνήσκει τὸ δ' αθάνατον σῶν καὶ ἀδιάφθορον οἴχεται ἀπιόν, ὑπεκχωρήσαν τῷ θανάτῳ· παντὸς μᾶλλον ἄρα, ἔφη, ὦ Κέβης, ψυχὴ ἀθάνατον καὶ ἀνώλεθρον, καὶ τῷ ὄντι ἔσονται ἡμῶν αἱ ψυχαὶ ἐν "Αιδου.

etwas Reales und die Theilnahme der Seele und der Götter an der Idee (des Lebens) als eine reale, nicht als eine ideale, durch das bloße Bewußtsein vermittelte.

Schließlich müssen wir noch Einiges über das subjektive Verhalten des Philosophen, sofern es für die Fortdauer im Jenseits nach Plato entscheidend ist, anführen. Plato äußert sich also (Phädon 80. d-84. b): Die Seele, als das Unsichtbare, ziehe ihrem Wesen gemäß auch nach einem unsichtbaren Reiche hin zu einem guten und verständigen Gott, und zerwehe um so weniger mit dem Tode des Körpers, je mehr sie sich bemühe, sich schon in diesem Leben durch das Streben nach Weisheit dieser wahrhaften Vorbereitung auf den Tod, von ihm loszulösen und ihm abzusterben '). Sei sie dann vollständig vom Körper getrennt, so gelangt sie wirklich zu dem ihr Aehnlichen, Göttlichen, Unvergänglichen, in die Glückseligkeit, befreit von allen Uebeln des Leibes. Scheide sie dagegen ungeläutert vom Körper, bethört von dessen Sinnlichkeit, so sterbe sie zwar nicht mit dem Körper, aber das Körperliche bleibe ihr, da sie sich von ihm habe durchdringen lassen, auch nach dem Tode noch irgendwie anhaften, so daß sie nicht vermögend sei, aufwärts zum Göttlichen sich zu erheben, sondern herabgedrückt werde in das Sinnliche. Daher komme es denn, daß uns an den Gräbern die Gestorbenen als Gespenster körperlich sichtbar erschienen, weil die durch die Begier lichkeit so sehr an das Körperliche angeheftete Seele sich nicht vollständig davon losmachen könne. Es seien darum immer nur die Schlechteren, die so erscheinen müßten, zur Strafe für ihre frühere Lebensweise. Und zwar müßten diese so lange umherschweifen, bis sie zuleßt wieder in solche Körper zurückgekehrt wären, die ihrer früheren Begierlichkeit entsprächen, so daß Manche wegen ihrer früheren Gefräßigkeit unter das Geschlecht der Esel, Andere dagegen wegen ihrer früheren Ungerechtigkeit und Gewaltherrschaft unter das der Wölfe und Raubthiere verseßt würden.

Plato redet also hier vom Tode, der ihm bloß Trennung der Seele vom Leibe ist, von Glückseligkeit der Guten nach dem Tode, von Läuterung der nicht vollkommen Guten, von unaufhörlicher

1) Sokrates stellt gleich anfangs (im Phädon) den Saß auf, „der wahre Philosoph strebt darnach und sinnet zu sterben" - oder wie es Cicero wiedergab: Vita sapientis est meditatio mortis. Der Tag der Erlösung naht für den Weisen, ein Tag, nicht der Trauer sondern des Sieges über Leben und Tod. Dieß erhellt daraus, daß Sokrates, wenn auch „bestimmt nicht zu den guten Männern, so doch gewiß zu den Göttern, zu guten Herren zu kommen hofft, und daß es für die Verstorbenen etwas gebe, wie ja schon von Alters her gesagt wird, etwas viel Besseres für die Guten als für die Bösen." Daß solchem Glauben, bemerkt Müller (Eschatolog. Pla= to's, p. 17) ganz andere Begriffe von Leben und Tod zu Grunde lagen als die Menge hegte, fühlten und wußten des Sokrates Schüler, daher wünschten sie nähere Auskunft.

« VorigeDoorgaan »