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Erster Theil.

Einleitung.

Erfter Abschnitt.

Cap. I. Vorbemerkungen.

Unsterblichkeit der Seele glaubt die Seele,

Die Anspruch macht auf ste, die andre glaubt sie nicht.

Gleim.

s gibt im Leben für jedes Ding eine Stunde, einen Punkt der Reife, und es kommt bisweilen vor, daß die klarsten Wahrheiten sich erst spät über den Horizont unseres Verstandes erheben. Man wundert sich dann, sie nicht früher begriffen zu haben, ja sie angestarrt und nicht gesehen, bekämpft und nicht einmal gekannt zu haben; ähnlich jenen Reflerge= mälden, deren eigentliches Bild man nicht anders vollständig entdeckt, als bei einem gewissen wahren Lichte unter tausenden, die falsch sind, und dessen richtiges Treffen von einer höheren und niederen Stufe, vor einer größeren oder geringeren Entfernung, wie oft der Zufall es bringt, abhängt. So hängt auch das völlige Sehen gewisser Wahrheiten, namentlich aber moralischer und religiöser Wahrheiten, die man mit Recht Reflerwahrheiten nennen kann, weil sie zum Unterschiede von den mathematischen Wahrheiten tausend Consequenzen erzeugen, die unseren Neigungen mehr oder weniger entgegen sind, oftmals ab von diesem oder jenem Grade der Sittlichkeit, von dieser oder jener Stimmung für das Beharren in der Sünde oder für die Rückkehr zur Tugend, von dieser oder jener Verfassung des Geistes oder des Herzens, von diesem oder jenem Umstande des Glücks oder der gesellschaftlichen Beziehung, welches Alles mit jedem Augenblicke oder doch wenigstens mit jeder Lebensperiode wechselt und für jeden Menschen, der mit sich selber im Klaren sein will, eine strenge Durchsicht der großen Wahrheiten seiner Bestimmung nöthig macht'). Wenn nun dieß im Allgemeinen

1) Nicolas phil. Stud. IV. 13. „Alles hat seine Zeit," sagt Baader (Tgb. 104), „und die Stunde des Findens der Wahrheit schlägt Jedem aus uns anders, aber auch Jedem schlägt sie nur einmal, und darum laßt uns dem Gesindel im Vorhof Stille gebieten, damit wir sie nicht überhören."

von der Wahrheit gilt, so hat es umsomehr seine Geltung bezüglich der Unsterblichkeitsfrage. Sowohl Beschaffenheit und Nichtung des Verstandes als auch des Herzens fällt beim Forschen in dieser Frage bedeutend in die Waagschale. Daher sagt Schelling (I. 9, 6. 20): Nur die geordnetsten Gemüther sollten sich mit der Frage nach einem zukünftigen Leben beschäf tigen, nur heitere Gemüther jenen Regionen der ewigen Heiterkeit und Stille sich nähern. Keiner sollte sich dieser Untersuchung weihen, der nicht in der gegenwärtigen Natur einen festen und unverlierbaren Grund gewonnen, darauf er seine Gedanken aufführt. Nur wer das jetzige Leben begriffen, sollte vom Tode und einem zukünftigen Leben reden. Da aber das Nachdenken über die größten Wahrheiten des Lebens allen Menschen zusteht, so hat es auch mit Fr. Hoffmann's Bemerkung ') seine Richtigkeit: Wenn uns der ärgste Sünder zuerst die mathematischen Wahrheiten mitgetheilt hätte, so würden doch die Wahrheiten Wahrheiten bleiben und wir würden Wahrheiten gewonnen haben, möchten die Mittheiler sonst Sünden auf Sünden gehäuft haben und möchte die Absicht der Mittheilung gewesen. sein, welche sie wollte. Man könnte freilich sagen, mit philosophischen Wahrheiten sei es etwas Anderes, und freilich kann die arge Sündhaftigkeit eines Forschers kein günstiges Urtheil für die Wahrheit seiner Lehre erwecken, allein dieß kann uns doch der Aufgabe nicht überheben, seine Behauptungen einer unbefangenen Untersuchung zu unterwerfen.

Freilich erscheint uns das ideale Fortleben (des Geistes im Jenseits) als eine Abstraktion und das Fortwirken des Geistes gestorbener Menschen. in den Lebenden nur als ein leeres Gedankending, aber nur darum, weil wir keinen Sinn haben, die Geister auf der dritten Stufe (der Ahnung des Jenseits) in ihrem wahren, die Natur erfüllenden und durchdringenden Sinn zu erfassen 2).

Wenn auch dieser Sinn für höhere göttliche Ideen Einzelnen abhanden gekommen sein sollte, so findet er sich doch bei der Menschheit im Allgemeinen als Religionsinstinkt. Dieser, bemerkt Sprenger 3), ist der Kompaß der Menschheit auf den Fluthen der Zeit und um ihn zu be greifen, muß man ihn mit dem Instinkt der Sitten und Sprachen vergleichen. Alle drei haben soviel miteinander gemein, daß sie wie Elektrizität, Licht und Wärme sich als Zweige desselben Stammes erweisen dürften. Die Vernunft ist die Dienerin der heiligen Inspirationen dieses Gottes in uns. Noch näher bezeichnet Paschasius Radbertus) den Glauben als die nothwendige Voraussetzung zu aller tieferen Einsicht in die Wahrheit. Diese Einsicht wird um so vollkommener, je reineren Herzens der Mensch in Folge eines in Liebe thätigen Glaubens ist. Durch den Glauben muß hienieden.

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') über Schopenhauer in Frohschammer's Athen II. 396. 2) Mises, Büchlein v. Leben p. 8. 3) in s. Mohamed I. 224. - 1) de fide, spe & charitate I. 7, 2. ed. Migne.

die Intelligenz erst gereinigt und geklärt werden, damit sie dann im Jenseits auf die Stufe der Schauung emporsteigen könne ').

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Was unsere Frage betrifft, so ist nach Geiße) zu jenem Hinabsteigen in die Tiefe des geistigen Lebensprinzips (außer dem Glauben!) Tiefsinn erforderlich, der Sinn, mit welchem wir des idealen Bewußtseins geheime Sprache (also die göttliche Offenbarung der Vernunft) verstehen lernen, wenn er mit dem Scharfsinn, welcher, da er in der Kraft des Unterscheidens des scheinbar Aehnlichen besteht, auf die Dinge sich bezieht, den heiligen Bund geschlossen hat. Denn der Scharfsinn muß ihn vor mystischer Täuschung bewahren, in welche zu verfallen, er in unablässiger Gefahr ist, wenn er sich einseitig entwickelt hat. Nur in jener heiligen Verbindung mag er die Welt in ihrem Ideale anschauen und die Dinge als ewige Substanzen frei in sich aufnehmen, den freien lebendigen Glauben haben und dieses Glaubens sich freuen." Auch eine gewisse Skepsis ist hier zulässig. Zweifelei wenn von rechter Art, sagt Baader (Tgb. 106), ist allemal nur kritische Trübung des von Lüge genesenden Geistes, weissagt, drängt und treibt zur Wahrheit. Ganz ohne Wahrheit kann auch kein Menschengeist sein, wenn er nicht völlig apoplektisch vom Schlage des sittlichen Seelentodes getroffen oder mit den Pestdünsten einer faulen Suburra viehischer Sinnlichkeit umdampft und gelähmt ist. Aber ein mit einem Bischen Wahrheit und unzähligen Zweifeln erfüllte Geist wird die Unsterblichkeitsidee nicht schauen, höchstens ahnen. Und doch soll, wie Huber (Unsterblichkeitsidee p. 2) hervorhebt, die Unsterblichkeit nicht (bloß) physische Eigenschaft, Prädicat des Geistes, sondern seine eigene Erhebung, seine eigene That sein, das Ewige soll schon hier der Inhalt des Lebens sein, wozu höchste Energie des Geistes erforderlich ist.

Auf Viele machen die Beweise für die Fortdauer der Seele, ja für die Religion überhaupt keinen Eindruck und sie behaupten geradezu,, es hänge nicht von ihnen ab, da sich ja Niemand den Glauben geben könne; auf diesem Ruhepolster schlafen sie ein. Wäre eine solche Sprache richtig, so hätte man gewiß allen Grund, sich darüber zu wundern, daß die nämlichen Beweise, die den Glauben des Einen entscheiden, auf den Andern gar keinen Eindruck machen, während doch beide oft die gleiche Fähigkeit des Urtheils haben, und über jeden andern Gegenstand der Prüfung sich einig finden. Wie kommt es, daß zwei Menschen, die über alle gewöhnlichen Dinge in der Regel die nämlichen Ansichten haben, sich mit Einem Male nicht mehr verstehen, wenn es darauf ankommt, religiöse Dinge zu beurtheilen, etwa gar Thatsachen? Dieß kommt nun daher, daß jedesmal, wenn sich ein Faktum mit einem allgemeinen Grundsatz enge verknüpft findet, unsere Art und Weise, dieses Faktum anzusehen, sich nothwendig nach dem Gesichtspunkte richtet, von welchem aus wir den Grundsatz betrachten. Besonders gilt dieß

1) 1. c. I. 8. 2. 2) Forschungen über die Unsterblichkeit aus dem Standpunkt der Philosophie. Marburg und Leipzig 1842. p. 11.

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