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153): es ist die der ewigen allgemeinen Verwandlung, wie sie Apollonius ausgesprochen hat.

§. 3. Plinius.

Was endlich noch zwei andere berühmte Männer betrifft, Plinius und Tacitus, so ist der erstere Vertreter eines hylozoistischen Pantheismus, lezterer trägt Fatalismus zur Schau und läugnet die diesseits vergeltende Gerechtigkeit der Götter (Aen. 16, 33). Dieses hat Plinius vor Tacitus veraus, wenn man so sagen wollte, daß er in seiner Naturgeschichte (VII. 56) in höchst pueriler Weise gegen die Unsterblichkeit argumentirt 1) und daß er, wie Göschel (Unsterblichkeit p. 3) bemerkt, durch die Naivität seines sinnlich derben Materialismus troß aller seiner verdienstlichen Gelehrsamkeit mit seinem fast leidenschaftlichen Spott gegen die Unsterblichkeit der Seele über, und des Leibes unter der Erde leicht selbst zum Gespötte werden kann, wie ein La Mettrie, der selbst vor dem Tode zitterte.

§. 4. Tacitus.

Was Tacitus betrifft, so huldigte er keinem besonderen Systeme, obwohl er sie kannte; man kann nicht sagen, daß er seine Lebensbetrachtung aus dem Lehrsysteme damaliger Philosophen entwickelt habe, sondern diese ist ein im Bewußtsein seines Volkes wurzelndes, durch eigene Erfahrungen und geschichtliche Forschungen angeregtes, mit einer gewissen Nothwendigkeit selbstständig an den Tag getretenes Naturerzeugniß seines Geistes.

Welche Ansicht Tacitus über menschliche Unsterblichkeit und das Verhältniß der Heimgegangenen zu den Lebenden gehabt, spricht er in folgender Stelle aus: „Wenn es für die Manen der Frommen eine Stätte gibt, wenn, wie die Weisen meinen, große Seelen nicht mit dem Körper erlöschen, so ruhe sanft, und uns, Dein Haus, leite von unkräftiger Sehnsucht und weibischen Klagen zur Betrachtung Deiner Tugenden, welche weder zu betrauern, noch zu beklagen recht ist. Wir wollen Dich viel mehr durch Bewunderung als durch zeitliche Lobsprüche, und wenn es unsere Natur gestattet, durch Nacheiferung Dich erheben. Dieß ist die wahre Ehrenbezeugung, dieses die fromme Liebe jedes dir eng Verbundenen. Das möchte ich auch der Tochter und Gattin rathen, so des Vaters, so des Gatten Andenken zu ehren, daß sie alle seine Thaten und Worte bei sich erwägen, und mehr die Gestalt und Form seines Geistes, als seines Körpers festhalten. Nicht, daß ich den Bildern entgegentreten möchte, wie sie der Marmor und das Erz ausprägen. Aber wie das Gesicht der Menschen, so sind die Bildnisse des Gesichts hinfällig und sterblich; die Ge=

') Plinius erklärte dort den Gedanken an Fortdauer für „Erdichtung kindischen Unfinns und des unersättlichen Wunsches der Sterblichen, nie aufzuhören“.

stalt des Geistes ist ewig, und sie festhalten und ausdrücken können wir nicht durch fremden Stoff und nicht durch Kunst, sondern nur wir selbst durch eigene Sitten. Was wir an Agricola geliebt, was wir an ihm bewundert haben, bleibt und wird bleiben in den Seelen der Menschen, in der Dauer der Zeiten, in dem Rufe der Geschichte; denn viele der Vorfahren, gleich als wären sie unberühmt und unedel, wird die Vergessenheit begraben; Agricola, der Nachwelt geschildert und übergeben, wird unsterblich sein." Agric. 46.

In dieser Stelle spricht Tacitus von Unsterblichkeit in zweifachem Sinn: von der Fertdauer der menschlichen Seele nach dem Tode des Körpers und von der ewigen Dauer des Sittlichschönen von unsterblichem Ruhme hienieden. Die Unsterblichkeit der Seele nimmt er an, wenn sie nicht mit dem Körper erlösche, wie die Weisen behaupten"; er vindicirt sie nur großen Geistern, wie Agricola. Unsterblich ist für Tacitus nur das Sittlichschöne, insofern es in den Seelen der Menschen fortlebt. Diese Anschauung entspringt seinem Begriff von der Würde des Menschen. Das war seine eigentliche Religion, bemerkt Joh. Stockreiter '), welche, wie die des Römers überhaupt, in ihrer Wurzel sittlich war 2).

Nach Tacitus lebt also das Wahre, Gute und Schöne, das wir im Leben darstellen, mit oder ohne unsern Namen fort in den Seelen der Menschen durch alle Zeiten. Wir wirken auf Generationen. Da aber die Tugend das Entscheidende, Ausschlaggebende ist, so folgt, daß Tacitus den Trost des Lebens nicht, wie wir, unmittelbar in der Unsterblichkeit, in der ewigen Fortdauer der Seele nach dem Tode des Körpers, sondern in der Tugend sucht, in welcher ja des Lebens alleiniger Werth liegt und welche allein das höchste Gut ist. Und so findet er auch bei dem Hinscheiden des geliebten Vaters den Trost nicht in dem Gedanken der Wiedervereinigung und des Wiedersehens in einem besseren Leben, viel weniger in dem erhebenden Glauben an eine göttliche Weltregierung, welche einem Jeden das gibt, was für ihn das Beste ist, im Leben und im Tode, im Spiele des Glückes oder Unglückes, sondern er sucht und findet seinen Trost in der Betrachtung der geistigen Wohlgestalt des Geschiedenen und in der Nacheiferung seiner Tugenden. So trug ihm die Religiosität, welche aus dem Sittlichschönen entsprungen war, sogleich wieder die beste Frucht. Sie entrückte ihn nämlich nicht durch weibische Trauer und Klagen, nicht durch schwächliche, thatlose Sehnsucht der Erde und dem Menschenleben, sondern sie veredelte ihn auf jener und für dieses, indem mit der edelsten Seelenvereinigung sich die nacheifernde That vermählte. -Aus der sittlichen Lebensansicht des Tacitus, der an der Tugend, als der Hauptsache festhielt, floß aber auch noch der Gedanke, daß dem sittlich guten Menschen nichts

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1) Progr. „Geist der alten Klassiker, mit besond. Bezieh. auf Tacitus“. Krems 1856. p. 12. 2) Von einer Unsterblichkeit, wie sie Tacitus kennt, schreibt Sallustius: "Ingenii egregia facinora sicuti anima immortalia sunt». ibid.

Böses geschehen könne, daß also alle Uebel und selbst der Tod nur vorübergehende Erscheinungen seien, welche das höchste Gut, die Tugend, weder minderten, noch verdunkelten: „Es gibt kein Uebel, außer die Sünde" 1).

§. 5. Seneka und seine Nachfolger.

Dauernden Beifall und Anhang fand in Rom neben den mehr vorübergehenden Erfolgen des Epikuräismus nur die stoische Lehre 2). Doch nicht bloß in Rom, auch in den übrigen Theilen des Reiches erloschen die Philosophenschulen seit dem Beginn des Kaiserreiches; nur diejenigen erhielten sich, deren Richtung eine vorherrschende praktische, auf das ethische Gebiet gerichtete war. Zu Seneka's Zeit war die alte und neue Akademie bereits ausgestorben, Pyrrho's Schule verstummt (Seneca quaest. nat. 7, 32). Die überwiegende Richtung der Zeit war, nichts Reelles als was körperlich war, nichts über der Natur Eristirendes anzuerkennen; alle Wissenschaft zur bloßen Physik zu machen. Die Metaphysik erschien als ein reines Trugbild, denn alle unkörperlichen, intelligiblen Wesen galten für bloße Abstraktionen des Gedankens, Sensation für die einzige Quelle unserer Erkenntniß. So war die Philosophie, besonders im Stoicismus, viel einfacher, übersichtlicher und bequemer geworden; Platon's Ideen, „die reine Intelligenz" des Aristoteles, waren beseitigt. Der sensualistische Dogmatismus der stoischen Physik, der für alle Fragen eine greifbare Lösung in Bereitschaft hatte, sagte den Römern zu. In diesem Systeme sind Gott und die Welt nur logisch unterschieden, der Mensch ist Gott gleich, ja er steht höher als Gott, die göttliche Natur kommt eigentlich erst im Menschen zur Vollendung. Diese Lehre schmeichelte dem Stolze des Römers, aber sie war auch besser als jedes andere System griechischer Spekulation im Stande, das ganze, dem Staatsmanne so wichtige und unentbehrliche Religions- und Götterwesen zu rechtfertigen und die Theilnahme daran als etwas auch dem Philosophen Ziemendes, wodurch er in keinen Widerspruch mit seinen Grundsätzen verwickelt werde, erscheinen zu lassen. Denn der stoische Material-Pantheismus gestattete, in jedem Naturprodukt oder Bruchtheil eines solchen, in jeder Manifestation einer physischen Kraft die Alles durchströmende und bewegende göttliche Kraft zu verehren, und achttausend Götter oder Personifikationen physischer Stoffe und Kräfte hatten hier ebensoviel Wahrheit und Berechtigung als Einer oder zwei 3). Dann aber fühlte

1) Stockreiter, Progr. p. 13. 2) Anhänger des Stoicismus waren bereits Scipio Afrikanus und sein Freund Lälius, welche schon mit berühmten Meistern der stoischen Lehre Panätius und Diogenes von Babylon in vertrautem Umgang standen.

3) Seneka z. B. spottet „über das gemeine Göttergesindel, welches der Aberglaube in der Länge der Zeit zusammengehäuft habe“ und schließt doch mit der Mahnung, eben diesen Götterpöbel möge man anbeten, nur aber nicht dabei vergessen, daß solche Verehrung bloß Sache der Sitte sei (Augustin. Civ. Dei 6. 10).

sich der bessere Römer auch angezogen durch das Ideal des stoischen Weisen, welches dem allgemeinen Verderben gegenüber in um so glänzenderen Farben strahlte. Ihn bestach eine Doktrin, welche den ihr Ergebenen gegen die zerstörende Gewalt eines feindlichen Geschickes unverwundbar zu machen. verhieß, und in einer Zeit gezwungener Unterwerfung unter eine despotische Herrschaft schien die stoische Apathie, die ruhige Zufriedenheit mit allen Fügungen des Schicksals, die kalte Resignation und stete Bereitwilligkeit zu selbstgewähltem Tode die dem Römer am besten anstehende Gesinnung. So ergab sich der Römer dem Stoicismus und läugnete mit ihm die Unsterblichkeit.

Auch Seneka, sagt Töllinger, dieser berühmte Philosoph, der freilich weit mehr glänzender, in Antithesen und epigrammatischen Kraftsprüchen sich gefallender Rhetor, als ruhiger Forscher war, und mehr für einen Eklektiker als für einen zünftigen Stoiker gehalten sein wollte, kam doch nirgends wirklich über die Schranken des stoischen Systems hinaus. Der stoische Hochmuth zeigt sich bei ihm besonders. Der Weise, sagt er, lebt mit den Göttern auf einem Fuße der Gleichheit (ep. 59), denn er ist eigentlich selbst Gott und trägt einen Theil der Gottheit in sich. Der gute Mensch ist nur durch die Dauer von Gott verschieden. Trotz dieses Gottes im Busen gibt es nun schlechte Menschen; diesen Widerspruch sucht Seneka zu lösen durch die Erklärung: die Menschen seien von einem allgemeinen Wahnsinn heimgesucht (quaest. nat. 3, 30). Auch von der weltordnenden Macht oder „Weltseele" weiß Seneka viel Schönes zu sagen (de provid. 5).

Wenn der Glaube an Gott und der Glaube an persönliche Fortdauer, bemerkt Döllinger (Heidenth. p. 588), im engsten Zusammenhang mit einander stehen, wenn die Leugnung oder Verkennung der göttlichen freien Persönlichkeit folgerichtig auch zur Annahme des Zerfalles menschlicher Persönlichkeit mit dem Tode führt, dann dürfen wir erwarten, daß die Vorstellungen der Philosophen und der Gebildeten überhaupt von dem jenseitigen Zustande des Menschen in der Zeit zwischen Sylla und den Antoninen uns ein ähnliches Bild von Unsicherheit, Zweifel, Verwirrung und Widersprüchen darbieten werden, wie ihre religiösen Ideen. Den größten Einfluß übte hicbei die stoische Schule. In Seneka, dessen Ansichten wir entwickelt haben '), spiegelt sich die Meinung der gebildeten Römer jener Zeit. Auch die späteren Stoiker verrathen eine große Unsicherheit in ihrer Meinung über das Jenseits und unterscheiden sich in einigen Punkten von der alten Stoa. Die älteren Stoiker hatten gelehrt, daß die Seelen, deren Substanz eine Ausdünstung des vom ätherischen Feuer der Weltseele durchdrungenen Blutes sei, nach dem Tode wohl noch einige Zeit in gesonderter Eristenz fortbeständen, besonders wenn es Seelen von Weisen seien, daß aber keine Seele länger als bis zum allgemeinen Weltbrand dauern könne, denn in diesem werde sie absorbirt und kehre in das Grundfeuer zurüď.

1) S. oben II. B. Griech. Philos. c. Stoiker.

Dieser Ansicht scheinen die Zeitgenossen des Seneka Cornutus und Musonius noch gewesen zu sein. Epictet dagegen, der berühmte stoische Moralist und Schüler des Musonius, welcher durch seine Ethik auf spätere Geschlechter noch einwirkte, scheint die Refusion der Menschenseele in die Weltseele gleich bei ihrer Scheidung vom Körper angenommen zu haben. Der Tod ist ihm eine freundliche Rückkehr und Verbindung des Menschen mit den ihm verwandten Elementen; was in seiner Zusammensetzung Feuriges war, kehrt in's Element des Feuers zurück 2c. Einen Hades, Acheron, Cocytus gibt es nicht (Epict. Diss. 3, 13, 1).

Der stoische Moralphilosoph Kaiser Marcus Aurelius endlich ist ebenfalls ungewiß (wie Seneka) darüber, ob die Auflösung und Refusion der Seele unmittelbar beim Tode oder erst beim Weltbrand erfolge, neigt sich jedoch mehr zum Ersteren. An der Hauptsache, daß nämlich die Seele etwas früher oder später sich verflüchtigen oder verschmelzen werde, aufgesogen von der die Keime aller Wesen enthaltenden Weltseele 1), zweifelt er nicht. Jeder Theil von mir, sagt er, wird bei seiner Auflösung in den entsprechenden Theil des Universums zurückgehen, und dieser wieder wird in irgend einen anderen Theil des Universums verwandelt werden, und so in alle Ewigkeit fort (Döllinger 589).

§. 6. Cicero.

Wenn wir Marcus Tullius Cicero den bedeutendsten und einflußreichsten unter den römischen Freunden der Philosophie nennen, so ist zu= nächst zu erinnern, daß er nicht mit dem tiefen Ernste und der spekulativen Begabung der großen griechischen Denker zur Philosophie herantrat, und weit entfernt war, solche Forschungen als die höchste Aufgabe seines Lebens zu betrachten. Ihm war die Philosophie nur eine Ausfüllung freier Stunden und eine Beschäftigung unfreiwilliger Muße, und ohne selbstständiger Denker zu sein, wollte er nur die Ergebnisse der griechischen Systeme in anmuthiger, gemeinverständlicher Ferm den Römern genießbar machen, alles Heil lag ihm übrigens in der Philosophie, nicht in der Religion (Döllinger p. 568). Jedech war Cicero, was unseren Gegenstand betrifft, der Einzige, der in Rom eine wirkliche, individuelle Fortdauer der Seelen nach dem Tode philosophisch zu begründen unternahm. Er that es als Platoniker 2); aber seit Plato hatte die Philosophie in dieser Frage keine Fortschritte gemacht; die Peripatetiker Dicäarchus und Aristorenus hatten geläugnet, daß es überhaupt Seelen gebe. Der Stoiker Panaetius hatte erst kürzlich, indem er die Lehre seiner Schule von der periodischen Weltverbrennung aufgegeben,

1) Antonin. medit. 4. 21; εἰς τὸν τῶν ὅλων σπερματικὸν λόγον. 2) Ueber Cicero's Verehrung Plato's cf. Kühner, M. T. Ciceronis in philosophiam ejusque partes merita, Hamburgi 1825. p. 73 ff.

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