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reden, noch dauern würden, da ja nichts auf Erden bestehe, sondern Alles schwinde zu seiner Zeit? Die thörichten Menschen berechnen das Jahr nur nach dem Umlauf der Sonne, während doch kein Sterblicher sein Andenken auf ein volles großes Jahr ausdehnen kann, welches dann erst vollendet ist, wenn die Sonne und alle Gestirne die nämlichen Punkte wieder erreichen. und in dem nämlichen Verhältnisse unter einander stehn, in dem sie anfangs gestanden haben. Wie gering und klein ist also der Menschen Ruhm, die faum ein Jahrestheilchen leben!

So fordert denn der alte Scipio den Enkel dazu auf, sich allein der Tugend zu weihen: „Das halte fest, sagt er ihm, daß nicht Du sterblich bist, sondern nur dieser Körper. Denn Du bist nicht der, welchen jene Gestalt anzeigt, sondern der Geist ist Jedermanns Wesen, nicht die Gestalt, welche mit dem Finger gezeigt wird. Wisse, daß Du ein göttliches Wesen bist, wenn anders das ein göttliches Wesen ist, welches lebt, welches fühlt, welches sich erinnert, welches voraussicht, welches den Körper, dem es vorgesezt ist, so regiert und leitet und bewegt, wie diese Welt jener erste Gott; und gleichwie der ewige Gott die theilweise sterbliche Welt, so bewegt der ewige Geist den zerbrechlichen Körper" 1).

Darum sorge für Deine Seele; und dieß geschieht um so mehr, je mehr sie sich vom Körper lossagt. Denn die Seelen Derer, die sich den körperlichen Genüssen hingeben und sich gleichsam zu ihren Dienern machen und aus Wollust und von Leidenschaften des Körpers verleitet, göttliche und menschliche Rechte verletzten, wälzen sich, den Körpern entnommen, auf der Erde umher 2) und kehren erst nach maßlosem Umhertreiben durch viele Jahresläufte hindurch in den Himmel zurück."

Nach diesen Worten schwand die Erscheinung und Scipio erwachte. Man findet, bemerkt Müller (p. 24), in diesem Somnium überall das platonische Vorbild nebst pythagoräischen Problemen vom Universum. Jedenfalls aber können wir Ciceros Ansicht von den letzten Dingen als die Summe der römischen religiösen Bildung ansehen.

Es kann uns übrigens nicht entgehen, daß Cicero in seinem Unsterblichkeitsglauben nicht gar zu fest begründet ist und sich manche Zweifel bei ihm regen 3), wie er denn überhaupt eine gewisse Unbeständigkeit seiner Ansichten und Urtheile über die philosophischen Systeme im Allgemeinen zur Schau trägt); doch spricht er sich sehr anerkennend für den Unsterblichkeitsglauben in den griechischen Mysterien (des Dionysos) aus, weil wir da „mit besserer Hoffnung sterben lernen" (de legg. II. 14, 36).

3) cf. de se

Als Beweisgrund folgt der Saß von der Selbstbewegung der Seele (wie bei Plato): "quae sese movent neque nata est certe et aeterna est». 2) cf. de consol. p. 1100. Platon. Phaed. p. 81. C. et Lactant. inst. II. 2, 6. nect. c. 21. 23; de amicit. c. 3-4. Orat. pro Marcello c. 9; ad Fam. IV. 6; V. 16; VI. 4. 21, 3. Die Plagen der Unterwelt nennt er ineptias et fabulas (orat. pro Cluentio), 4) Tusc. V. 11; de offic. I. 2; III. 7; de fin. II. 21; Acad. IV.

Uebrigens überläßt sich Cicero mit beredtem Schwunge der zuversichtlichen Erwartung jenes herrlichen Tages, an welchem er jene göttliche Versammlung und Gemeinschaft der Seelen wandern werde, ausscheidend aus diesem Gewühl und Gemische (de senect. 23) „und, fügt er bei, wenn ich darin irre, daß ich die Seelen der Menschen für unsterblich halte, so irre ich gerne und will mir diesen Irrthum, an dem ich Freude finde, so lange ich lebe, nicht entreißen lassen. Sollen wir nicht unsterblich sein, so ist es doch für den Menschen wünschenswerth, zu seiner Zeit zu verlöschen." Der Zweifel, der sich in diesen Worten verräth, tritt in seinen Briefen noch stärker zu Tage. Hier sind seine Trostgründe für sich und Andere nicht von der Unsterblichkeit, sondern von der Empfindungslosigkeit hergenommen '). Ist auch im Tode nichts Gutes, so doch gewiß auch nichts Böses (de offic. 3, 28). Er selbst fühlte und sprach es aus, daß seine Gründe, die er stets nur von der feinen, luftigen, feurigen oder ätherischen Natur der Seele entlehnt, nichts als eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu begründen vermöchten; ethische Gründe waren ihm dabei ganz fremd; weder die göttliche Vorsehung, noch die vergeltende Gerechtigkeit Gottes schienen ihm die Unsterblichkeit zu fordern; die letztere um so weniger, als er die strafende Gerechtigkeit der Gottheit entschieden läugnet. Indeß führt ihn seine Ansicht von der Präeristenz der Seelen weiter zu der Vorstellung, daß die irdische Eristenz überhaupt ein Zustand der Strafe und Buße für die in einem früheren Leben begangenen Sünden sei; er sprach dieß in jeinem Hortensius und in der Trostschrift aus, die er nach dem Tode seiner Tochter Tullia verfaßte, zugleich mit der gleichfalls den Griechen entlehnten Bemerkung, daß nicht geboren werden das Beste, so bald als möglich sterben das nächst Gute sei 2). Er will seine Tochter in den Kreis der Götter versetzt wissen. (cf. Dölliger, Heidenthum p. 591).

Die meisten seiner Zeitgenossen und die Römer der nächstfolgenden Zeit brachten es nicht einmal zu einer solchen halb hoffenden halb zweifelnden Stimmung. Daß mit dem Tode Alles zu Ende und jenseits desselben weder Schmerz, noch Freude stattfinde, darüber waren Cäsar und Cato im Senate einverstanden (Sall. Cat. 5). Auch Cicero erwähnte da mals in seiner Rede gegen Catilina der Lehre von der Vergeltung nach dem Tode nur noch als einer ehemals von den Alten gehegten Meinung. Virgil, Ovid, Horaz suchten sich, wie wir geschen, gegen den trostlosen Gedanken des unabwendbaren Hinabsinkens in die traurige Nacht der Unterwelt“, in den ewigen Schlaf" durch den Genuß des gegenwärtigen Augenblicks, durch die Freuden der Tafel und des Weines und der Weiberliebe und den heiteren Verkehr mit Gleichgesinnten zu schützen 3).

2.

Großen Antheil an diesem allgemeinen Unglauben, bemerkt Döllinger

1) ad L. Mescin. Epp. 5, 21; ad Toran. 6, 21; cf. de amic. c. 4; Epp. 6,

2) Lact. 3, 18, 19; Aug. contr. Julian. 4, 15. 3) Aen. VI. 390. 401; Hor. Od. 1, 4, 15; 2, 3. 27 u. a. D.

(p. 592), hatten die Vorstellungen von der Natur der Seele, wie sie damals herrschten. Den Philosophen mangelte durchaus das Verständniß der Persönlichkeit; in materialistischen Ansichten befangen, verstanden sie unter der Seele irgend eine Sekretion oder Ausdünstung des Gehirns, des Blutes oder des Herzens, oder die Respiration (Cic. Tusc. 1, 9. 10. 11); fie be= schrieben sie als eine feine, luftartige oder feurige Substanz, oder sie meinten auch, sie sei eine bloße Qualität, gleich der Harmonie eines musikalischen Instruments, welche mit der Auflösung des Körpers verschwinde 1). Damit ergab sich denn von selbst die Alternative, entweder die Seele mit dem Leibe erlöschen zu lassen, oder sie für einen Theil, einen Ausfluß der göttlichen Weltseele zu erklären. In leßterem Falle konnte man allerdings mit manchem Philosophen in pomphaften Ausdrücken reden von der himmlischen Herkunft der Seele, die aus dem Schooße der Gottheit herabgekommen sei in dieses Leben, und die nach dem Tode in ihre Heimath zurückkehre, damit war aber doch nicht mehr gemeint, als was auch die Epikuräer z. B. Lucretius (2, 990) von dem himmlischen Samen, aus dem wir Alle entsprossen seien, sagten. Die Rückkehr war eben die Refusion des vom Ganzen vorübergehend abgesonderten oder losgerissenen Theils in dieses Ganze mit Erlöschung alles individuellen Bewußtseins; man dachte sich das Verhältniß, wie das des Oceans, in welchem eine Anzahl mit Wasser gefüllter Flaschen schwimme; zerbricht eine derselben, so wird der bisher gesonderte Theil des Meerwassers mit dem Ganzen vereinigt.

Die Vorstellung von Untergang eder Fortdauer des Menschen sind aber ferner auch bedingt durch die Meinungen über den Ursprung der ganzen Menschheit. Diejenigen, die sich nicht mit den Mythen von Prometheus und Deukalion begnügen wollten, hatten damals die Wahl zwischen zwei Theorien. Die eine, von den Peripatetikern und Pythagoräern verfochtene, war, daß die Menschheit so wenig als die Welt einen Anfang gehabt habe, sondern von Ewigkeit her, in einer unendlichen Menge successiver Generationen bestehe. Die andere Ansicht ließ einen Anfang des Geschlechtes zu, aber begreiflich, nicht durch einen Schöpferaft; die Menschen sind Produkte der Erde: gleich den übrigen Thieren krochen sie zuerst paarweise aus dem von der Sonnenwärme geschwängerten oder sich selbst befruchtenden Schlamme hervor 2c. Beide Vorstellungen führten zur Annahme eines völligen Untergangs der Individuen, die erste mußte die Geschichte des Menschengeschlechtes als einen großen Kreislauf ewigen Entstehens und Vergehens ohne irgend bleibende Persönlichkeit auffassen; die zweite mußte, zur Annahme einer nur feineren körperlichen Seele gedrängt, diese dem Schicksale alles aus der Erde und dem Schlamme Erzeugten überlassen.

In der Zeit des Uebergangs aus der Republik in die Monarchie war es Quintus Sextius, welcher eklektisch und synkretistisch Bestandtheile ver

1) Stob. Ecl. phys. 80; Seneca ep. 88; Pseudo-Plut. de plac. philos. 4, 23.

- 2) cf. die Bemerkung von Gassendi, Animadv. in Diog. Laërt. 1, 10. p. 550.

schiedener Systeme mit einander verschmelzend der Stifter einer ephemeren Schule wurde, zu der auch Sotion, der Lehrer Sencka's gehörte. In ihr wurde eine praktische, theils stoische, theils pythagoräische Moral vorgetragen, besonders wurde hier Enthaltung von Fleischspeisen oder thierischer Nahrung überhaupt mit Hinweisung auf die Seelenwandrung gefordert ').

§. 7. Jüdisch alexandrinische Philosophie.

Philo (40 n. Chr.).

Wenn sich im Alterthum und im jüdischen Volke selbst die Begriffe vom Wesen des Judenthums auf sehr verschiedene Weise gestalteten, worauf Steinschneider 2) hinweist, das Verfahren, welches das Judenthum mit Hilfe des christlich-kirchlichen Lehrsystems definirt und beurtheilt, ist und bleibt das allein richtige für Alle, welche die katholische Anschauung über altes und neues Testament und deren Zusammengehörigkeit festhalten. Die vielgerühmte historische Wahrheit und Gewißheit“ ist uns bezüglich des Judenthums garantirt durch den Canon der alttestamentlichen Bücher, welche uns die wesentlichen Aufschlüsse über dasselbe geben, während wir durch sonstige authentische Denkmäler" 2c. entweder nichts Wesentliches, oder nur eine Bestätigung des in den canonischen Büchern Enthaltenen erlangen. Vor einem historischen Begriff" vom Judenthum (oder gar vom Christenthum), wobei die Inspiration und Authentität der heiligen Bücher in Frage gestellt werden dürfte, bewahre uns Gott; eine derartige „Kritik“ weisen wir zurück, um so mehr als sie durchaus nicht vorurtheilsfrei ist, fast immer einen höchst subjektiven Maßstab anlegt und Alles nur natürlich" findet. So ist z. B. für Steinschneider die levitische Priesterschaft spurlos untergegangen und das Judenthum hat bestanden" aus natürlichen Gründen!

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Während durch die Pharisäer das Judenthum in sich verknöcherte, wie sich derselbe Verfasser (p. 342) ausdrückt, war der Sadducäismus eine politische Annäherung an das Fremde; gleichzeitig gab es aber auch eine philosophische Befreundung mit demselben, bei welcher die religiöse Eigenthümlichkeit des Judenthums zu kurz kam. Es hat sich in der Folge herausgestellt, daß der jüdische Nationalgeist so sehr als irgend ein anderer der höchsten Aufgabe der menschlichen Vernunft, sich Rechenschaft zu geben über Gott, die Welt und sich selber, gewachsen war. Es ist daher nicht zu ver wundern, daß er sich auch nach dieser Seite hinwandte. Den nächsten Ausgangspunkt für die jüdische Metaphysik gaben mehrere populäre, zum Theil bildliche, zum Theil dichterische Ausdrücke für die Beziehungen

') Seneca ep. 59. quaest. nat. 7, 32; Sotion ap. Stob. serm. 14, 10; 84, 6-8. 2) über das Judenthum in Ersch's und Gruber's Encyclopädie, Sect. II. Bd. 27. p. 324 ff., dem wir Manches entnehmen, obwohl uns seine bisweilen pöbelhafte Sprache abstößt. cf. p. 345.

Gottes zur Welt, die sich in den Schriften der Propheten vorfanden. Aus ihnen heraus und nicht ohne bedeutende Kraft der Abstraktion, ließ sich eine rein jüdische Theologie und Kosmologie bilden, deren Spuren und Lehrsätze sich auch wirklich in hebräischen Schriften der jüngeren Zeit, z. B. in den Spruchsammlungen und in den Targums vorfinden, wo sie mit den Vorschriften einer populären Moral Hand in Hand gehen. Allein die Bekanntschaft mit ausländischer, besonders griechischer Philosophie führte auf neue Wege. Die zuletzt im Judenthume sich geltend machende Substanzialitätsanschauung ist es besonders, sagt Hanne (p. 247 ff.), worin sich der spätere vorchristliche Judaismus in seiner immer mehr hervortretenden Hinneigung zur Philosophie mit dem gebildeten Ethnizismus in dessen platonisirender Hinneigung zum Religiösen begegnet, indem sich beide in diesem gemeinsamen Elemente immer mehr gegenseitig anziehen und paralisirend erregen und durchdringen. Es geschah dieß aber vorzüglich in Alexandrien, diesem wichtigen Bildungsherde, wo die Hauptströme des geistigen Lebens sich in den letzten Zeiten vor Christus sowohl vom Orient wie vom Occident her auf das Manichfaltigste mit einander vermischten und in ihren elementaren Bestandtheilen gegenseitig modificirten. Besonders das Judenthum erlitt hier und zwar vorzüglich durch seine Verschmelzung mit dem Platonismus eine, die innersten Prinzipien desselben berührende Umbildung.

Als die entwickeltste Ausbildung dieser bedeutsamsten Conception des platonisirenden Judenthums bietet sich die philonische Logosvorstellung dar. Philo geht in seinem Monotheismus von Voraussetzungen aus, die außer der Substanzialitätsanschauung auch einen dualistischen Zug in sich repräsen= tiren. Im Geiste der platonischen Substanzialitätsanschauung ist es, wenn Gott als das namen und eigenschaftslose, allein wahrhaft seiende Wesen (ὁ ὄντως θεός, ὁ εἷς ὄντως θεός, ὁ ἀληθείᾳ θεός), als δαβ reine (tò ov) dargestellt wird 1), das an sich selbst ohne alle Beziehungen zu den endlichen Dingen sei 2). Somit verhält sich Gott als die in sich selbst verschlossene absolute Substanz, welcher gegenüber alle endlichen Wesen als schlechterdings haltlos in sich selber und eben damit nach Analogie bloßer Accidenzien erscheinen. An den Dualismus hingegen, ebenfalls in Anlehnung an Plato erinnert es, wenn Philo eine ewige Materie annimmt, die er, um zugleich dem jüdischen Postulat der Schöpfung aus Nichts gerecht zu werden, als das Nichtseiende (μỷ öv) bestimmt. Ebenso finden sich Anklänge an die Aristotelische Prinzipienlehre, wenn als Endursache (causa efficiens) der Welt die Gottheit, als das Woraus oder Element derselben (causa materialis) die Materie, als das Wodurch oder Werkzeug derselben (causa instrumentalis) der Logos, und endlich als der Zweck (causa finalis) derselben die Güte Gottes angeführt wird (de Cherub. p. 128).

*) de som. I. 599: λέγεσθαι γὰρ οὐ πέφυκεν ἀλλ ̓ ἢ μόνον τὸ ὄν· μαρτυρεῖ δὲ καὶ τὸ θέσπιθεν λόγιον τῷ πυνθανομένῳ εἴ ἐστιν ὄνομα αὐτῷ, ὅτι ἐγώ εἰμι ὁ ὤν. * de nom. mut. p. 1048: τὸ γὰρ ἂν ᾗ ἂν ἐστι οὐχὶ τῶν πρός τι

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