sein zwischen Eltern und Kindern 1). Darauf wird der Wolf kommen und die Sonne verschlingen, ein anderer den Mond, die klaren Sterne erlöschen am Himmel, die ganze Erde erbebt, Bäume werden entwurzelt, Berge stürzen zusammen, alle Ketten und Banden zerreißen. Der Wolf Fenrir reißt sich los, das Meer tritt über seine Ufer, weil die Midgardschlange wüthend das Land sucht. Das Schiff Naglfar wird flott und von dem Riesen Hrymr geführt, gefolgt von allen Hrymthussen. Fenrir reißt den Nachen auf, daß sein Unterkiefer die Erde, sein Oberkiefer den Himmel berührt, Nase und Augen sprühen Feuer. Die Midgardschlange an seiner Seite speiet Gift aus, Luft und Meer werden von ihrem Hauche vergiftet. Bei diesem Lärm unten bricht auch der Himmel oben: Die Feuersöhne Muspellheim's, vereint mit Loki, geführt von Surtur mit dem Schwerte, glänzender als die Sonne, umgeben von einem Flammenmeer, reiten heran. Die Götterbrücke Bifröst, auf der sie hernieder reiten wollen, bricht unter ihnen zusammen. Auf der Ebene Vigrid (schwebender Wahlplatz Vafthr. 18), hundert Nasten weit nach allen Seiten hin, stellen sie die schimmernde Schlachtordnung auf. Fenri's Wolf, Jörmangandr und alle Riesen sind mit auf ihrer Seite. Zugleich stößt Heimdallr, der schon von ferne die Gefahr nahen sah, aus allen Kräften in sein Horn und ruft die Götter zu Rathe. Allein es gibt keinen Rath mehr, die alte Esche Yggdrasill, wo man sich sonst zum Rathe versammelt, bebt nach allen Seiten; im Himmel und auf Erden ist nur eine Noth und eine Furcht. Da reiten dann auch die Götter zum Kampfe: Odin mit Gungnir, Goldhelm und glänzendem Harnisch, an der Spize; Thor ihm zur Seite gegen die Midgardschlange; Freyr gegen Surtur, Thr gegen Garmur, den Höllenhund (Grimnism. 43), der sich auch losgerissen hat. Leßtere tödten sich gegenseitig. Freyr fällt, von Surtur überwunden, da ihm sein schönes Schwert fehlt, das er an Skirnir zur Werbung der Gerdur gegeben (Förskirnis 8, 9). Thor tödtet die Schlange, verliert aber, von dem Gifte ihres Hauches angesteckt, sein Leben auch. Odin, der gegen den Wolf sich gewendet, wird von diesem verschlungen, aber von Vidar gerächt, der dem Ungeheuer seinen Fuß in den Unterkiefer setzt, und ihm den Schlund aus dem Rachen reißt (Vafthr. 52, 53); Surtur wirft Feuer und verbrennt die ganze Erde 2). So ging fie unter die alte, freie, germanische Welt, in Wasser und Feuer, blutroth wie die Sonne am Abend im Westen, wenn der Himmel mit regenschwangeren Wolken bedeckt ist. Aber wie die Sonne immer wiederkehrt von Osten, lieblich, rosenroth, wenn die Wolken herniedergegangen, wenn ausgetobt ihre Gewitter, wenn der Himmel wieder blau und offen ist: so sollte auch ein neues Leben heraufkommen und eine neue Sonne aufgehen im Osten, eine Sonne der Liebe, über dieses neue Leben. „Die Asen 1) Jüngere Edda 48; Vafthr. 44; Völupsa 37. 2) Dieser Kampf ist besungen Völupsa 38-51. sammeln sich wieder am Ida 1).“ Sommer und Winter, Licht und Finsterniß werden fortan friedlich nebeneinander bestehen. Das Gemüth des Menschen wird wieder seine Anerkennung finden, neben ihm, neben Baldr aber auch Hänir, Vile, der so lange vor den Göttern verweist war, und die Söhne der beiden anderen Brüder, Odin und Ve, d. h. alle Götter werden zusammen bewohnen Windheim, die weite Welt (Völups. 58). In Hoddmimir's Wald waren verborgen vor Surtur's Brand zwei Menschen, Namens Lif und Lifthrasir (d. i. die weibliche passive und die männliche aktive Lebenskraft), die sich, statt der Speise, von Morgenthau nährten. Von ihnen wird ein so großes Geschlecht abstammen, daß der ganze Erdkreis wieder bevölkert wird (jüngere Edda 49). Merkwürdig ist es, bemerkt Schrader (p. 270), daß keineswegs von einer gänzlichen Umwälzung alles Vorhandenen, sondern nur eines Theiles zwischen zwei Polen die Rede ist. Der eine feste, unveränderliche Endpunkt der Welt ist gegen Norden, Niflheim mit dem Urbrunnen Hvergelmir und seiner Leichenküste Naströed. Hier sollen alle Missethäter wohnen und ihre Strafe erhalten, wenn Helheim mit der übrigen Welt sich neu gestaltet haben. Gegen Süden aber, Muspellheim zu, da ist Gimlir, der höchste von allen Götterpalästen, und heller als die Sonne: er wird stehen, wenn Himmel und Erde vergehen 2). Aufwärts noch von Gimlir, näher dem Urquell des Lichtes, da ist Ginden, Andlangr und Vidblaing: hier werden alle guten Menschen und alle lichten Alfen in ewiger Freude zusammen wohnen, wenn die Götterdämmerung vorüber ist (jüngere Edda 15). In Odin's Walhalla nun und in der eiskalten Wohnung der Hela haben wir Himmel und Hölle. Odin nahm, wie schon bemerkt wurde, nur die durch Waffen in der Schlacht Getödteten auf, Hel Alle, die eines anderen Todes gestorben. Surtur versammelt um sich auf Gimlir alle guten Menschen, alle schlechten Menschen fahren zur Hölle. Völupsa 35 (cf. jüng. Edda 49) heißt es: Dort sieht sie waten Meineidige Menschen 1) Völupsa 7; jüng. Edda 12. Diesen Göttersiß, Ida, haben die Germanen mit den Griechen, Phrygiern und Indern gemein. 4. cf. Völupsa 57, wo es heißt: -- Einen Saal sieht sie stehen, Heller als die Sonne, Gedecket mit Gold, Auf Gimle, der hohen. Hier sollen die guten 2) Jüng. Edda 15. Grimnism. Und die anderen Verlobten Dort saugt Nidhöggr Der Wolf zerfleischt sie. Versteht ihr es wohl? Was endlich die äußere Gottes verehrung der Germanen betrifft, so schreibt Tacitus: „Die himmlischen Geister sind ihnen zu erhaben, als daß sie in Wänden sich einschließen, oder irgend einer Menschengestalt sich nachbilden sollten" (Germ. 9). Allein ganz frei von Aeußerlichkeiten ist die Religion der alten Deutschen durchaus nicht. Wir finden Opfer, die anfangs von jeder Familie selbst, später durch Priester gebracht wurden. Der höchsten Gottheit brachte man sogar Menschenopfer außer den Rossen. Was fonnte ein kriegerisches Volk Besseres geben, als ein Streitroß und einen Kriegsgefangenen? meint Schrader (p. 280). Die Feinde seiner Freiheit mußten natürlich auch für Feinde seiner Gottheit angesehen werden, und erlitten also beim Opfer zugleich ihre Strafe, ebenso die Missethäter und Verbrecher der eigenen Gemeinde, welche ebenfalls ge= opfert wurden. Von solch' einem grausigen Menschenopfer erzählt Strabo (VII. 2), sowie von Priesterinnen (!), die es vollzogen bei Gelegenheit der Römerkriege gegen die Cimbern: „Unter den mit in's Feld gezogenen Weibern, sagt er, befanden sich auch altersgraue wahrsagende Priesterinnen in weißen Gewändern. Diese gingen im Lager den Gefangenen entgegen und führten sie mit bloßem Schwerte und bekränzt, an einen ehernen Kessel, der ungefähr 20 Amphoren hielt. Es befand sich daneben eine Erhöhung. Auf diese traten sie, zogen dann jeden über den Kessel hinüber und schnitten ihm die Kehle ab. Aus dem in den Kessel fließenden Blut sagten sie wahr; andere zerrissen die Eingeweide und prophezeihten den Jhrigen Sieg." Obwohl Haine, Berghöhen 2c. die eigentlichen Cultusstätten der Germanen waren, so finden sich doch z. B. in der Fridthjofs-Sage, also zur Zeit des Verfalls der germanischen Religion, sowie später zur Zeit der Einführung des Christenthums, germanische Tempel. Im Jahre 742 n. Chr. hielt Bonifacius bereits ein Concilium Germanicum '). b. Todtengebräuche. Wohl dem Menschen, sagt Schrader (p. 52), der, wenn ihn endlich der Tod von allen seinen Beschäftigungen abruft, nur körperlich vor den Augen der Seinigen verschwindet, um geistig nur desto lebendiger in ihnen fortzuleben; der gute und große Thaten zur Genüge vollbrachte, um in den Gesängen seines Volkes fortzuleben. So dachte auch der Germane, lebte 1) cf. Huber, Scotus Erigena p. 1. Die Germanen und das Christenthum, innere Entwicklung dess. 2c. darnach und sah freudig dem Tode entgegen. Am liebsten fand er seinen Tod in der Schlacht, mit Brust und Stirnwunden überdeckt, vor den Augen seines geliebten Weibes und seiner tapferen Genossen. Er verab= scheute ihn stets, wenn er unverhofft und blutles in seiner Hütte ihm nahete und kam ihm dann wohl mit eigener Hand zu Hülfe, indem er sich selbst eine Wunde beibrachte. Lebensmüde Greise ließen sich von ihren Kindern tödten 1). Man schmückte den gefallenen Helden mit seinen Lieblingswaffen, legte ihn auf seinen Schild und trug ihn im feierlichen Zuge dem erwählten Begräbnißplaße zu. Hier versammelte man sich zum festlichen Mahle, wobei auch nochmals dem Todten Speise vorgesezt wurde, thürmte dann einen Scheiterhaufen auf, legte die theure Leiche mit allen Waffen, ja oft sogar mit seinem Lieblingshund, seinem Kampfroß, einigen gefangenen Feinden und nicht selten mit seiner Gattin darauf, und ließ unter den feierlichen Gesängen seiner tapferen Thaten die Flamme über der Leiche zusammenschlagen und die befreite Seele vom Sturme, der durch den hl. Eichwald daherbrauste, den Göttern zuführen oder senkrecht aufsteigen, was am be= deutungsvollsten schien. Was vom Leichnam nicht verbrannte, wurde in eine Urne gelegt und dazu vom Manne eine Lieblingswaffe, vom Weibe die Spindel 2c. Man setzte dieses auf die flache Erde, bildete ein einfaches Steinhaus um den Aschenkrug (Hünenbett) und thürmte einen Erdhügel (Hünengrab) oder auch ein größeres Steingebäude darüber, um an diesem Orte eine hl. Opferstätte der Erinnerung für die Zurückbleibenden zu bereiten. Es fanden sich außer den Hünenbetten und Hünengråbern noch Gräber mit unverbrannten Gerippen. " Wie erwähnt, findet sich bei den alten Deutschen auch die Todes= weihe: Die Frau hatte die Freiheit, bemerkt Bolten?), lebendig in's Feuer zu springen" sie war also eine freiwillige. So sehen wir Brunhilde, welche die Ehre in Anspruch nimmt, mit Sigurt verbrannt zu werden; sie durchsticht sich mit dem Schwerte und mit ihr opfern sich zugleich alle Mägde (Sämund Edda 235). Andrerseits stirbt Baldr's Geliebte Nana vor Gram und wird mit ihm auf Einem Scheiterhaufen verbrannt. Sigen erhängt sich, um ihrem Hagbarth zu folgen und macht sammt ihren Mägden ihre Kammer zum Scheiterhaufen. Ebenso theilten in Schweden bis zur Einführung des Christenthums oder noch in den Tagen Olav Trag= vanson's die Frauen das Loos ihrer Männer 3). Die Todesweihe findet sich besonders bei den alten Ditmarsen (Bolten 1. c.). Diese hatten noch besondere Ceremonien. Man sammelte die nicht verbrannten Gebeine nebst der Asche in eine Urne, die nächsten Freunde vermischten sie mit ihren Thränen und gaben sie dem Priester, welcher sie dreimal mit Wasser be= 1) cf. Grimm, deutsche Rechtsalterthümer 455. 486 ff.) Leichenfeierlich= keiten der alten Ditmarsen (in deren Gesch. I. 315-319). 3) Sepp, Heidenthum II. 158. sprengte und reinigte und setzte den Krug im Begräbnißhügel bei. Nach völlig geendigter Beerdigung ward dem Verstorbenen eine Lobrede gehalten; man schloß dann einen Kreis und wünschte ihm eine glückliche Reise in die Ewigkeit mit den Worten: Fahr han nach Walhall, oder fahr han nach Wodan, oder Thor bewahre Dich, Thor erhalte Dich. Hierauf kehrte man zum Hause des Verstorbenen zurück und machte sich an das dort bereitete Erbbier') oder Begräbnißmahl, wobei das Essen und Trinken vielfältig Tage und Nächte durch getrieben ward, bis man den ganzen Vorrath_ver= zehrt hatte." III. Unsterblichkeitsglaube der Naturvölker. Ehe wir die thatsächlichen Aeußerungen der Naturvölker bezüglich der Fortdauer der Seele historisch nachweisen, müssen wir etwas über die Meinungen und Begriffe derselben von der Menschenseele selbst handeln 2), um zu sehen, wie weit die Voraussetzungen des Unsterblichkeitsglaubens bei diesen Völkern vernünftig oder widervernünftig und abergläubisch seien. Es müssen schon mehrere Fortschritte der sich bildenden Vernunft vorausgegangen sein, ehe der Mensch an das Dasein einer Seele in ihm gedacht hat, und noch weit mehrere, ehe er sich zum Gedanken der Geistigkeit derselben hat emporschwingen können. Der rohe Naturmensch, seinen eigenen Kräften allein überlassen, ist gedankenleer; weiß nichts vom Gebrauche der Sprache, die ihm auch in seinem isolirten Stande wirklich unnüß wäre, und seine Vernunft schlummert im tiefen Schlafe, weil sie sich nur auf den Erwerb der nöthigsten und unentbehrlichsten Bedürfnisse einschränkt. Solange dieser „Sohn der Natur" nur für die fümmerliche Nahrung und für eine Bekleidung, die kaum seine Blöße deckt, sorgen muß; solange ihm bei der Erhaltung am heutigen Tage der morgige ungewiß bleibt; solange die Jagd bei seinen ermüdenden Streifzügen ihm nur einen ungewissen Fang gewährt, solange bleiben seine Verstandeskräfte ungenüßt und die Verwendung seiner Mühe und Zeit ist bloß auf körperliche Erhaltung 1) Diese echt deutsche, auf's Trinken hinausgehende Sitte hat sich noch jezt in manchen Gegenden erhalten in der sog. Todtensuppe. 2) Wir folgen hiebei zunächst Simon („Gesch. des Glaubens an das Hereinragen einer Geisterwelt in die unsrige 2c." Heilbronn 1834), der eine reichhaltige Literatur für unseren Zweck bietet, aber, wie uns scheint, im Allgemeinen zuviel auf „Reisebeschreibungen" hält, obgleich er da, wo diese seiner Ansicht entgegen sind, mit Buhle (Gesch. des philosophirenden Menschenverstandes p. 12) „die Stimme der Reisebeschreiber nicht für so bedeutend und gültig, als man sie gemeiniglich nimmt", gelten läßt. |