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den großen Vortheil, daß mit einer Lähmung des Gehirns nicht nothwendig Alle willkürliche Bewegung, Alle Empfindung und Perception aufgehoben wird. Aber auch für die physiologische Erklärung des Bewußtseins und Selbstbewußtseins dürfte dieselbe von Bedeutung sein; denn es ist klar, daß an dem Punkte, wo die motorischen und sensiblen Körpernerven im Gehirn sich kreuzen, die Nervenfasern beider Hälften des Körpers sich gegenseitig berühren müssen: Der Kreuzungspunkt ist zugleich der Knotenpunkt eines Zusammentreffens der Nervenfasern und mithin auch der von ihnen nach dem Hirn geleiteten Reize (Sinnesaffektionen), durch welche die Empfindung und Perception bedingt ist. Und daß die physiologische Basis des Bewußtseins einen solchen Knotenpunkt fordert d. h. daß nur unter Voraussetzung eines solchen die Mitbedingtheit des Bewußtseins durch das Gehirn, sowie umgekehrt die Einwirkung desselben (des bewußten Willens) auf den Körper denkbar ist, liegt klar zu Tage, weil ja das Bewußtsein seinerseits als ein Centralpunkt aller Empfindungen, Gefühle, Perceptionen, Begehrungen 2c. so unabweisbar sich kundgibt, daß Bewußtsein und Einheit des Bewußtseins als gleichbedeutende Begriffe gelten dürfen. Damit wäre dann aber auch die alte Streitfrage entschieden, ob den (höheren) Thieren Bewußtsein in demselben Sinne, in welchem wir vom menschlichen Bewußtsein sprechen, beizumessen sei oder nicht. Fehlt allen thierischen Gehirnen jene Kreuzung, und damit der Knoten und Einheitspunkt der peripherischen durch den Körper vertheilten Nerven, so fehlt ihnen die physiologische Grundlage des Bewußtseins, d. h. die Physiologie muß von ihrem Standpunkte aus den Thieren das Bewußtsein im engeren Sinne absprechen.

Der auffallende Umstand, daß die Physiologie diese verschiedene Construktion des menschlichen und des thierischen Gehirns bis jetzt nicht direkt nachweisen, sondern nur aus der verschiedenen physiologischen Thätigkeitsweise beider zu erschließen vermag, bestätigt die Bemerkung Bischoffs, daß unsere Kenntnisse der feineren Strukturverhältnisse und der chemischen Mischung des Gehirns noch sehr unvollkommen seien, - daß soviel Wunderbares und Räthselhaftes auch das psychische Leben der Menschen und Thiere darbiete, die Bildung des Gehirns noch ebenso viele Wunder und Räthsel in sich schließe". Welche Anmaßung diesem Bekenntniß der Wissenschaft gegenüber, bemerkt Ulrici (ibid.) mit Recht, wenn Leute wie Vogt, Moleschott u. A. es unternehmen, das ganze psychische und geistige Leben auf rein physiologische Funktionen des Gehirns zurückzuführen!

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Obgleich auch der bekannte Camper'sche Gesichtswinkel hier in Erwägung zu ziehen wäre und der aufrechte Gang, die größere Vielseitigkeit und Ausbildungsfähigkeit der Bewegungen des ganzen Körpers, die Sinneswahrnehmungen 2c. als unterscheidende Merkmale in der menschlichen Organisation gegenüber derjenigen der Thiere anzuführen wären, so glauben wir doch bereits durch die gegebenen Erörterungen für unseren Zweck den hinreichenden Beleg geliefert zu haben, daß Mensch und Thier keineswegs

auf derselben Stufe stehen in der planmäßig fortschreitenden Entwicklungsscala vom Niederen zum Höheren, welche durch die ganze Schöpfung durchgeht, und daß somit unser Schicksal auch nach dem Tode mit dem der Thiere nach Obigem nicht zusammenfallen dürfte, weil wir Wesen anderer Art sind.

§. 2. Geist und Körper.

Es hat ausgezeichnete Physiologen gegeben, welche sich einbildeten, durch den Organismus würden Kräfte entwickelt, die der Materie von Natur aus nicht zustünden, und die Sensibilität sei eine Eigenschaft, welche von irgend einer unbekannten Combination unbekannter ätherischer Elemente abhinge. Aber solche Vorstellungen scheinen uns unphilosophisch und nichts weiter als die Annahme unbekannter Worte für unbekannte Dinge. Es ist unglaublich, daß irgend eine Theilung, Veredlung, Verfeinerung, Jurtapposition oder Anordnung von Theilchen der Materie ihr Sensibilität verleihen, oder daß die Intelligenz das Resultat von Combinationen sinnloser, rein materieller Atome sein könne. Ebenso leicht könnte man sich einbilden, daß sich die Planeten nach eigenem Willen und Entschluß um die Sonne bewegen, oder daß die Kanonenkugel raisonirt, während oder indem sie eine Parabel beschreibt. Die Materialisten citiren für sich einen Ausspruch Locke's ob es nicht Gott möchte gefallen haben, der Materie die Kraft zu denken zu gewähren". O der große Denker! in diesem Zweifel liegt jedenfalls wenig von der ge= wöhnlichen Stärke seines Geistes; er hätte gerade so gut fragen können, ob es Gott nicht hätte gefallen können, ein Haus zum Bewohner von sich selbst zu machen. Doch wir wollen eine wissenschaftliche Untersuchung über Geist und Körper anstellen und hiebei verschiedene Ansichten einer Kritik unterwerfen.

Bei der ersten Bildung und Zunahme von Theilen belebter Wesen erscheinen sie fast ganz wie krystallisirender Stoff, ausgerüstet mit der einfachsten Art von Leben, das kaum eine Spur von Empfindung zeigt. Die stufenweisen Operationen, durch welche sie neue Organe, und neue, diesen Organen entsprechende Kräfte gewinnen, bis sie zur vollen Reife gelangen, drängen dem Geiste den Gedanken auf, daß die Lebenskräfte eben in der Anordnung begründet seien, vermöge welcher Organe hervorgebracht werden. Ferner, ebenso wie eine graduelle Zunahme der Kraft im Verhältnisse der zunehmenden Vollendung der Organisation stattfindet, — ist auch eine allmählige Abnahme der Kraft mit dem Verfalle des Körpers verknüpft. Ebenso wie das Unvermögen des Kindes im Verhältniß steht, zu der Schwäche der kindlichen Organisation, so die Energie des Jünglings und die volle Kraft des Mannes zu der Stärke ihres dann entwickelten Leibes, und die Schwachheit und der Aberwiß des Greisenalters entsprechen der Abnahme in der Vollkommenheit der Organisation. Die geistigen Kräfte scheinen im hohen Alter zugleich mit den leiblichen zerstört zu werden bis die endliche Auflösung des Körpers eintritt, wo die Elemente der todten Natur zurück

gegeben werden, von der sie ursprünglich genommen waren. Es gab also eine Periode, in welcher der größte Philosoph, Staatsmann oder Held, der jemals existirte, nichts weiter war als ein lebendes Atom, eine organisirte Form, lediglich mit dem Vermögen der Wahrnehmung ausgerüstet, und es kann nicht gedacht werden, daß die Combinationen, welche ein Newton vor der Geburt oder unmittelbar nach derselben bildete, den geringsten intellektuellen Charakter an sich getragen hätten. Wenn wir annehmen müssen, daß ein besonderes Prinzip der Intelligenz nothwendig sei, so muß dasselbe durch die gesammte Natur hindurch vorhanden sein. Der Elephant steht dem Menschen in intellektueller Kraft näher als die Auster dem Elephanten, und vom Polypen bis zum Philosophen kann eine ununterbrochene Kette von Empfindungsvermögen nachgewiesen werden. Nun ist aber im Polypen das empfindende Prinzip theilbar, aus einem Polypen oder einem Wurme können zwei oder drei ge= bildet werden, welche jeder für sich vollkommene Thiere mit Wahrnehmungsvermögen und Willenskraft werden, demnach hat das empfindende Prinzip mit der Materie wenigstens die Eigenschaft der Theilbarkeit gemein. Fügen wir zu diesen Schwierigkeiten noch die Abhängigkeit aller höheren Geisteskräfte von dem Zustande des Gehirns hinzu, erinnern wir uns daran, daß nicht nur die intellektuellen Kräfte, sondern selbst das Empfindungsvermögen durch den Druck von etwas Blut auf das kleine Gehirn aufgehoben werden, so nimmt das Dunkel über diesen Gegenstand immer mehr zu '). Denken wir ferner auch an die Aufhebung der Lebensthätigkeit in Fällen, wo keine Zeichen des Lebens z. B. bei einem Sturze in's Wasser vorhanden sind und die Belebung nur mit der Thätigkeit der Organe wieder zurückkehrt; gewiß, in allen diesen Verhältnissen erscheint alles dasjenige, was wir gewöhnlich zum Geiste gehörig betrachten, in der vollsten Abhängigkeit von der Anordnung und den Eigenschaften der Materie.

Die hier angeführten Gründe für die Materialität des Geistes haben nur scheinbar, nicht jedoch in Wirklichkeit, Gewicht: Sie beweisen, daß zur Thätigkeit der Geisteskräfte eine gewisse Vollendung der leiblichen Maschine wesentlich nothwendig, aber nicht, daß die Maschine selber der Geist sei?). Ohne Augen gibt es keine sichtlichen Wahrnehmungen, und ohne das Gehirn keine Erinnerung irgend

1) Moris (Magazin für Seelenheilkunde 1830. I. 51) weist eine strenge Reciprocität zwischen gesundem Hirn und regelmäßiger Denkkraft und vice versa nach, gesteht aber darnach doch eine bloß theilweise Reciprocität zu, und daß etwas Höheres sich zeige troz aller Unregelmäßigkeit des Gehirns; die Schwiertgkeit bestehe darin, die Grenzlinie in dieser Reciprocität zu ziehen. — 2) cf. hier auch: das Selbstbewußtsein und der Materialismus in Frohfchammer's Athen II. p. 233 ff. Sehr treffend bemerkt Baader (Tgb. 166): Des Materialisten Raisonnement (von der Bewegung der Organe, welche jeden Aktus der seelischen Substanz begleitet, hergenommen) ist ungefähr folgendes: Jeden Körper be gleitet sein Schatten, also ist der Schatten der Körper selbst, und dieser

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Nichts!

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eines Gedankens, der sich auf sichtbare Gegenstände überhaupt bezieht, doch kann man weder den Augennerven, noch das Gehirn als das herrschendthätige Prinzip betrachten; beide sind nur die Werkzeuge einer Kraft, welche nichts mit ihnen gemein hat. Was man vom Nervensystem annimmt, mag man ebenso von einem anderen Theile unseres Körpers sagen. Hemmen wir die Bewegung des Herzens, und Sensibilität und Leben hören auf; doch ist das Lebensprinzip nicht im Herzen, noch im Arterienblute, welches von jenem in alle Theile des Systems gesendet wird. Das Wesen unseres Geistes selbst zu schauen ist uns nicht gegönnt, wir können daher weiter nichts thun, als eine Geschichte unserer eigenen Geister geben. Die äußere Welt oder Materie ist für uns in der That nichts als ein Haufen, eine Gruppe von Sensationen, und gehen wir zurück auf unser Selbstbewußtsein, so finden wir ein Prinzip, das wir als die Monade, als das Ich bezeichnen mögen, welches beständig gegenwärtig und innig mit einer besonderen Klasse von Sensationen verknüpft ist, die wir unseren eigenen Körper, unsere Organe nennen. Diese Organe sind mit anderen Sensatio= nen in Verbindung, und bewegen sich mit ihnen gleichsam in verschiedenen Kreisen der Existenz, indem sie für eine gewisse Zeit eine Reihe von Sensationen verlassen, um zu anderen zurückzukehren, aber die Monade ist immer gegenwärtig; wir können weder einen Anfang noch ein Ende ihrer Operationen bestimmen. Wir verlieren bisweilen im Schlafe den Anfang und das Ende eines Traumes und erinnern uns an seine Mitte und ein Traum hat keinen Zusammenhang mit einem andern, aber wir sind uns einer unendlichen Manichfaltigkeit von Träumen bewußt. Die Analogie mit diesem Verhältniß sagt Davy'), heißt uns gebieterisch an eine Unendlichkeit früherer Existenzen glauben, welche mit einander in Verbindung gestanden haben müssen; und wir dürfen das menschliche Leben als den Typus eines unendlichen und unsterblichen Lebens betrachten. Die Succeffionen von Schlaf und Wachen mögen uns ein Vorbild der Veränderungen im Tode und in der Geburt sein, welchen die Natur des Menschenlebens unterworfen ist. Daß die dem Geiste zugehörenden Gedanken ursprünglich durch diejenigen Klassen von Sensationen gewonnen werden, welche wir Organe nennen, kann ebenso wenig geleugnet werden, als daß mathematische Wahrheiten von den Zeichen abhängen, welche sie ausdrücken, aber diese Zeichen sind nicht selbst die Wahrheiten, noch sind es die Organe des Geistes.

Die ganze Geschichte unseres Verstandes ist eine Geschichte von Veränderungen nach einem gewissen Geseze, und wir behalten die Erinnerung lediglich an diejenigen Veränderungen, welche uns nüßlich sein mögen. Der Säugling vergißt, was im Mutterleibe mit ihm vorging; die Erinnerungen. des Kindes in den zwei ersten Jahren gehen ihm ebenfalls bald verloren, doch bleiben manche in diesem Alter angenommene Gewohnheiten durch das

') Tröstende Betrachtungen auf Reisen, oder: Die lezten Tage eines Naturforschers. Deutsch von Martius. Nürnberg 1839. p. 200.

ganze Leben. Das empfindende Prinzip gewinnt Gedanken durch materielle Werkzeuge, und seine Empfindungen verändern sich sowie diese Werkzeuge sich verändern, und im hohen Alter schläft der Geist gleichsam ein, um zu einer neuen Existenz zu erwachen. Mit ihrer gegenwärtigen Organisation ist die Intelligenz des Menschen natürlich beschränkt und unvollkommen, aber dieß hängt von ihrer materiellen Maschine ab, und wir dürfen annehmen, daß sie in einer höher organisirten Form unendlich höhere Kräfte besißen. Von hier aus können wir einen Blick werfen auf das Problem von der Unsterblichkeit des Leibes. Wäre der Mensch mit seiner gegenwärti= gen leiblichen Hülle unsterblich, bemerkt Davy (l. c.), so würde sich diese Unsterblichkeit bloß auf die Maschine beziehen und rücksichtlich des geistigen Gewinnes würde er in der That alle zwei- oder dreihundert Jahre sterben, d. h. nur eine gewisse Summe von Gedanken könnte dann in seiner Erinnerung haften und das als unsterblich angenommene Wesen würde zu dem, was sich vor tausend Jahren zugetragen hat, in demselben Verhältnisse stehen, in welchem sich der Erwachsene dermalen zu dem befindet, was sich in seinem ersten Lebensjahre zutrug. Ein Versuch, die Art und Weise zu erörtern, in welcher die Organe mit den Empfindungen zusammenhängen, würde fruchtlos sein. Die Nerven und das Gehirn haben eine gewisse unmittelbare Beziehung auf diese Lebensfunktionen, wie sie aber wirksam sind, können wir unmöglich sagen. Die Schnelligkeit und Manichfaltigkeit der Phänomene der Wahrnehmung machen es äußerst wahrscheinlich, daß sich im Gehirn und in den Nerven eine Materie befinden müsse, welche bei weitem zarter und feiner als irgend Etwas ist, was durch Beobachtung und Experiment entdeckt worden, und daß der unmittelbare Zusammenhang zwischen dem empfindenden Prinzip und dem Körper durch eine Art ätheri= schen Stoffes hergestellt werde, der niemals in die Sinne fallen kann, und sich vielleicht zur Wärme, zum Licht und zur Elektrizität ebenso verhält, wie diese Formen oder Erscheinungsweisen der Materie sich zu den Gasarten verhalten 1).

Gegen die Ansicht nun, um auf die Unsterblichkeit des Leibes zurückzukommen, daß unser Geist in einem neuen Leibe fortdauere, läßt sich Verschiedenes einwenden. Wenn wir Alles, was dem materiellen Leben angehört, von der Organisation des Leibes abhängig denken, so hat die Annahme,

1) Davy (p. 202) sagt: „Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dem empfindenden Prinzip irgend eine sehr verfeinerte Maschinerie des Denkens selbst in einem anderen Zustande der Eristenz anhänge; denn obschen die Organe der gröberen Empfindungen, die Nerven und das Gehirn, durch den Tod zerstört werden, könnte doch ein gewisses Etwas von ätherischer Natur weniger zerstörbar sein, und bisweilen bilde ich mir ein, daß manche jener Kräfte, die man instinktartig nennt, dem verfeinerten Gewande des Geistes angehören.“ Diese Auffassung ist im Allgemeinen zu billigen, durchaus aber nicht beizustimmen, wenn er meint: Das Gewissen scheint in der That eine ungewisse unbestimmte Quelle zu haben, und dürfte in Beziehung zu einer früheren Eristenz stehen."

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