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zur Blüthe gelangt, und in den Greisen wieder abnimmt. Darauf erwiedert Lactantius vor Allem mit der Unterscheidung von Vernunft Geist (mens) und Seele (anima) und sagt, daß nur die Vernunft, das denkende Prinzip, die geistige Thätigkeit der Seele einer Zu- und Abnahme fähig sei, daß aber die Seele selbst nach ihrer Substanz, in welcher jene geistige Thätigkeit gründet, stets sich gleich bleibe. Daß aber die Seele, was die Entwicklung ihrer geistigen Thätigkeit betrifft, den verschiedenen Phasen des körperlichen Lebens folgt, komme daher, daß sie eben nicht für sich allein eristirt, sondern mit dem Leibe verbunden und daher in der Entfaltung ihrer Kräfte von ihm abhängig ist. Aber selbst diese Abhängigkeit vom Leibe gehe nicht soweit, daß immer und in jedem Falle die Abnahme der geistigen Kräfte mit dem Zurückgehen der körperlichen Kraft gleichen Schritt halte. Denn das Alter vermindert ja gewöhnlich nicht die Weisheit, sondern vermehrt sie vielmehr. Und wenn das Alter eine Abnahme der sinnlichen Kräfte nach sich zieht, so liegt die Ursache davon nicht in der Seele, sondern im Leibe. Indem nämlich der Leib seiner Auflösung entgegengeht, mindert sich mehr und mehr seine Fähigkeit, der Seele als Organ ihrer Thätigkeit zu dienen; und so kann denn auch diese Thätigkeit selbst in Folge der Desorganisation ihres Organs nicht mehr so kräftig und lebendig sich gestalten, als es vorher der Fall gewesen (instit. VI. c. 12).

Aber, sagt Lucretius weiter, der Zustand der Seele richtet sich stets nach dem jeweiligen Zustande des Körpers. So raubt z. B. die Trunkenheit der Seele den freien Gebrauch ihrer Kräfte, jeder Schmerz, jede Krankheit in den leiblichen Organen wird auch von der Seele gefühlt, und dadurch ein Zustand in ihr herbeigeführt, welcher dem leiblichen Zustande homogen ist, und anderweitige geistige Thätigkeiten hemmt und hindert.

Dazu kommt, daß auch die Seele wie der Leib Krankheiten unterworfen ist und von denselben wieder geheilt wird, ja daß die Seele unter Voraussetzung gewisser leiblicher Zustände sogar auf längere oder kürzere Dauer ihr Selbstbewußtsein verlieren kann und wirklich verliert: lauter Erscheinungen, welche mit der Annahme einer wesentlichen Verschiedenheit der Seele vom Leibe, einer Unkörperlichkeit derselben sich schlechterdings nicht vereinbaren lassen.

Diesen Argumenten gegenüber, die von den späteren Materialisten wieder hervorgeholt wurden '), weßhalb wir hier sogleich eingehender sie be= handeln, macht nun Lactantius zuerst darauf aufmerksam, daß gerade zu dem Zwecke Weisheit und Tugend nothwendig sei, um die Seele dieser Abhängigkeit von den Zuständen des Körpers möglichst zu entzichen und ihr die Herrschaft über den lezteren zu vindiziren.

Die Seele könne und müsse sich durch Tugend und Weisheit über die Einflüsse des Körpers derart erheben, daß die Empfindung derselben, welcher sie sich nun einmal in Folge ihrer Lebensverbindung mit dem Leibe nicht

') cf. Büchner, Kraft und Stoff (5. Aufl.), p. 105 und 122 ff.

entziehen kann, ihr nicht den freien Gebrauch ihrer Kräfte gänzlich raube, sondern daß sie vielmehr die Herrschaft darüber behaupte und jene Leiden= schaften und Gemüthszustände, wie sie aus leiblichen Einflüssen in ihr resultiren, selbst durch ihre sittliche Kraft beseitige oder wenigstens mildere. Sie kann und muß auch durch Tugend und Weisheit jene äußeren Ursachen ferne zu halten suchen, welche das leibliche Leben in Unordnung bringen und dadurch auch in der Seele irreguläre Zustände veranlassen. Das ist es also, worauf Lactantius hier vor Allem aufmerksam macht und er will damit gewiß nichts Anderes sagen, als daß gerade diese Fähigkeit der Seele über die Einflüsse des Körpers sich zu erheben und die Herrschaft darüber zu behaupten als ein vollgiltiger Beweisgrund dafür betrachtet werden müsse, daß sie keineswegs mit demselben identisch, sondern vielmehr wesentlich von ihm verschieden sei. -Was aber die weitere Instanz betrifft, daß nämlich die Seele Krankheiten unterworfen sei, wie der Leib, ja daß sie in Folge körperlicher Zustände sogar das Selbstbewußtsein verlieren könne: Το ercipirt dagegen Lactantius, daß solche Vorkommnisse nicht die Seele als solche d. i. ihre Substanz betreffen, sondern nur eine bestimmte Kraft derselben, nämlich die intellektive Kraft, die mens. Da nun die intellektuelle Thätigkeit von der Seele in einem gewissen Theile des Körpers vollzogen wird, so muß dieselbe, wenn dieses körperliche Organ durch eine Krankheit oder durch einen anderweitigen widrigen Einfluß beschädigt, desorganisirt oder in Unordnung gebracht wird, die geistige Thätigkeit ebenfalls behindert werden. Diese zieht sich gleichsam aus jenem Theile des Körpers zurück und kehrt erst dann wieder, wenn das Organ wieder in den Stand der vorherigen Gesundheit zurückgekehrt ist. Nicht die Seele an sich also ist es, welche erkrankt, oder welche die dem Selbstbewußtsein zu Grunde liegende Kraft oder Thätigkeit verliert, sie wird nur gehindert in der regelmäßigen Ausübung ihrer geistigen Funktionen dadurch, daß der Körper ihr Organ in einem Zustande sich befindet, in welchem er vielmehr ein Hinderniß als ein Förderungsmittel jener geistigen Thätigkeit ist. Ueberall also können und müssen derlei Vorkommnisse in dem geistigen Leben des Menschen aus der Verbindung der Seele mit dem Leibe und aus den durch diese Verbindung herbeigeführten besonderen Verhältnissen erklärt werden und es ist weder nothwendig, noch kann es gestattet sein, aus solchen Vorkommnissen auf die Körperlichkeit der Seele, auf deren Identität mit dem Leibe zu schließen (ibid.).

Dem Aristoredus gegenüber, der die Seele nichts weiter als eine Harmonie des Leibes sein ließ, bemerkt Lactantius, daß dieser Philosoph zwar gesunde leibliche Augen, aber ein blindes Herz gehabt habe, weßhalb er nicht sah, daß er lebe und daß er einen Geist habe, mit welchem er ge= rade diesen Gedanken zu denken vermochte, welchen er über das Wesen der Seele aussprach (instit. VI. c. 13). Der Sinn ist offenbar dieser: daß jede auch die materialistische Definition der Seele eine Reflexion des denkenden Prinzips auf sich selbst vorausseßt und daß eine solche Reflexion un

möglich sei in der Voraussetzung, der Mensch sei nichts weiter als Materie. Und das ist nicht nur vollkommen wahr, sondern wir erkennen darin auch einen der hauptsächlichsten Stützpunkte in der Beweisführung für die Immaterialität der Seele. Der Materialismus kann bloß die Thatsache der Neflerion constatiren, erklären kann er sie nicht, er muß sie als etwas Unerklärliches anerkennen und bekennen.

Wenn also Origenes das eine Hauptmoment der Beweisführung für die Immaterialität der Seele, nämlich die höhere Erkenntnißkraft der Seele überhaupt, sofern sie sich auf das Uebersinnliche bezieht, besonders hervorgehoben hat, so war es dem Lactantius vorbehalten, auf den anderen Hauptbeweisgrund, welcher im Selbstbewußtsein liegt, hinzuweisen. (Katholik. Zeitschr. 1863 I. p. 618 ff.)

Was nun die Unsterblichkeitslehre des Lactantius speziell betrifft, so ist merkwürdig, daß er in der Beweisführung für die Unsterblichkeit der Seele auch deren natürliche Beschaffenheit gar nicht reflektirt; er nimmt die Beweise aus seiner Ethik. Sein höchstes Gut kann der Mensch nach Lactantius nicht gemein haben mit den übrigen lebenden Wesen 1), ja es muß auch von der Art sein, daß es nur der Seele eigenthümlich ist und nicht auch dem Leibe eignet 2). Ebenso darf es nicht erhöht und nicht vermindert werden können, weil es ja in diesem Falle gerade aufhören würde, das höchste Gut zu sein 3). Diese Eigenschaft kommt ihm wieder nur zu, unter der Bedingung, daß es ewig ist ). Somit fällt das höchste Gut des Menschen über diese Zeitlichkeit hinaus, ist aber die Unsterblichkeit selbst 5), und diese Unsterblichkeit ist das ewige selige Leben in Gott). Sie ist aber nicht eine Folge der Natur, sondern nur der Lohn für die Tugend 7); doch nimmt Lactantius auch die ewige Dauer der Verworfenen an 8).

Als fernere Beweise für die Unsterblichkeit führt Lactantius an, daß die Seele nicht bloß das Vermögen besitzt, sondern auch von Natur aus den Drang in sich hat, Gott zu erkennen und zu lieben. Ist Gott als der Gegenstand dieser Erkenntniß und Liebe ewig, so muß nothwendig auch die Seele ewig d. i. unsterblich sein 9). Aehnlich verhält es sich mit der Tugend, denn da auch diese vermöge ihres Wesens etwas Bleibendes und Ewiges ist, so muß dieß auch jene Seele sein, welche allein der Tugend fähig ist,

3) ibid.

1) Lact. instit. III. c. 8: Oportet summum summi animalis bonum in eo constitui, quod commune cum caeteris animalibus esse non possit. 2) ibid. III. 9: Ut sit solius animae nec communicari possit cum corpore. et a. 1. III. 11. 4) 1. c. III. 8: summum autem bonum non potest efficere quemquam beatum nisi semper fuerit in ipsius potestate. 5) ibid. III. c. 12; VII. 8. 6) ibid. III. 12; VII. 5; Lact. erklärt, wie dieses höchste Gut erreicht wird. cf. Stöɗl, p. 257. 7) Lact. inst. VII. c. 5. 9) ibid. V. 19; VII. 5 und 11. 9) Lact. instit. VII. 9: Cum autem sapientia quae soli homini data est nil aliud sit, quam Dei notitia, apparet animam non interire neque dissolvi sed manere in sempiternum, quia Deum, qui sempiternus est et quaerit et diligit ipsa cogente natura, sentiens vel unde orta sit vel quo reversura.

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nämlich die menschliche '). Jedoch abgesehen von dieser ewigen Dauer der Tugend weist dieselbe auch noch insofern auf die Unsterblichkeit und ewige Dauer der Seele hin, als nicht bloß der Lohn, der ihr gebührt, erst nach dem Tode eintreten kann, indem der Tod für die Tugend erlitten gerade der höchste Akt der Tugend ist 2), sondern auch ohne die Voraussetzung der Unsterblichkeit der Seele die Tugend vielmehr schädlich als nützlich, vielmehr ein Uebel als ein Gut sein würde, weil sie dem irdischen Wohlsein nicht förderlich, sondern vielmehr entgegengesezt und hinderlich ist 3).

Die Unsterblichkeit der Seele erweist sich endlich auch noch aus der Göttlichkeit ihres Ursprungs) und aus der ewigen Dauer der Werke der Seele im Gegensatz zu denen des Körpers 5).

Von Arnobius, dem Lehrer des Lactantius, wird die Seele als eine mittlere Natur zwischen der sinnlichen und übersinnlichen bezeichnet ) und ihr die höhere Natur abgesprochen; er behauptet, die Seele stamme, weil nicht von Gott, so von einer tief unter Gott stehenden Macht 7). Sie ist ihm deßhalb auch nicht von Natur unsterblich; die Unsterblichkeit kann vielmehr einzig und allein nur auf äußeren Ursachen beruhen 8), ein Lehrsaß, dem bekanntlich auch Lactantius in gewissem Grade beigepflichtet hat.

§. 4. Athanasius.

Die Seele des Menschen ist nach Athanasius eine vom Körper wesentlich verschiedene und darum unkörperliche geistige Substanz 9). Dieß beweist sich daraus, daß die unvernünftigen lebenden Wesen (die Thiere) nur an dem hängen, was eben (hic et nunc) ihren innen vorschwebt, auf ihre Sinne einwirkt, ohne daß dieselben sich darüber Rechenschaft geben oder urtheilen können. Der Mensch dagegen, nicht auf die jeweilige Sinneswahrnehmung beschränkt in seinen Vorstellungen, urtheilt auch über das in der Erfahrung Wahrgenommene und bestimmt, welcher von den Gegenständen

') ibid. VII. 10: Virtus sine ulla intermissione perpetua est, nec discedere ab ea potest, qui eam semel cepit. Nam si habeat intervallum si aliquando ea carere possumus, redibunt protinus vitia, quae virtutem semper impugnant. Ipsa ergo virtutis perpetuitas indicat, humanum animum, si virtutem ceperit, permanere; quia et virtus perpetua est et solus animus humanus virtutem capit. 2) ibid. VII. 10: Virtus nunquam nisi morte finitur, quoniam et in morte suscipienda summum ejus officium est. Ergo praemium virtutis post mortem est. - 3) 1. c. VII. 9. 4) ibid. VII. 12: Interire anima prorsus non potest quoniam ex Dei spiritu qui aeternus est originem ducit. 5) 1. c. VII. 11: At vero animi opera aeterna videmus. Nam quicunque contemtui praesentium studentes, in memoriam monimenta ingeniorum factorumque magnorum reliquerunt, ii plane mentis ac virtulis suae nomen indelebile quaesierunt. Ergo si opera corporis ideo mortalia sunt, quia ipsum mortale est sequitur ut anima ex eo immortalis appareat, quia videmus opera ejus non esse mortalia. 6) adv. gent. II. 31: Medietas ergo quaedam et anceps ambiguaque natura animarum. 7) ibid. II. 36; s. Stöckl, p. 263. — *) l. c. II. 14. 32. 9) de incarn. Chr. p. 626; de salut. adv. Chr. 634.

besser als die anderen, welcher den anderen vorzuziehen sei. Die Funktion des Auges besteht bloß darin, daß es den Gegenstand sehe, die des Ohres, daß es höre 2c.; über das Gehörte und Gesehene aber zu urtheilen, oder zu bestimmen, was man hören und sehen wolle oder solle, ist nicht mehr Sache des Sinnes. Es muß also in uns ein eigenes Prinzip vorausgesetzt werden, welchem diese Funktion eignet, das ist eben die vernünftige Seele 1).

Diese verhält sich in der gedachten Beziehung zur Gesammtheit der Sinne wie der Künstler, welcher den Saiten der Leyer die Harmonie der Töne entlockt. Jede Saite gibt, wenn sie angeschlagen wird, ihren Ton, aber ein harmonisches Zusammenstimmen dieser verschiedenen Töne ist wesentlich dadurch bedingt, daß eine Künstlerhand in selbe eingreift und durch das Spiel die Vielheit der Töne zur Einheit der Harmonie verschmilzt. So haben auch die verschiedenen Sinne des Menschen ihre verschiedenen Funktionen, aber damit in diesen verschiedenen Funktionen das sinnliche Leben sich einheitlich und harmonisch gestalte, ist nothwendig, daß Eine Seele allen jenen Funktionen vorstehe, sie regle und als deren Prinzip und Endziel sie alle in sich zur Einheit zusammenfließen lasse. So allein kann dann die Seele über die Funktionen und Relationen der verschiedenen Sinne urtheilen. und bestimmen, was in diesem oder jenem Falle zu thun oder zu unterlassen sei 2).

Wir sehen wie Athanasius schon auf der untersten Stufe der menschlichen Erkenntniß, auf der Stufe der bloßen Vorstellung einen genügenden Stützpunkt zur Beweisführung für die Immaterialität der Seele findet. Diesem Beweise wird zu seiner Kräftigung beigefügt: Da die Sinne vermöge ihrer eigenen Natur auf das ihnen entsprechende Objekt hingerichtet sind und, wenn dieses Objekt gegenwärtig ist, an und für sich nicht ohne Bethätigung in Bezug auf dasselbe bleiben, vielmehr unter den gegebenen Bedingungen die Empfindung desselben in ihnen mit Nothwendigkeit eintreten muß, so ist im Menschen, dessen Sinne von diesem ihrem Gegenstand gar häufig abgewendet werden und von welchem ihnen ihre Befriedigung so oft nicht gestattet wird, zur Erklärung solcher Erscheinung ein anderes, von den Sinnen und vom Körper verschiedenes Prinzip voraussehen, in dessen Hand jene Herrschaft über die Sinne gelegen ist (ibid. p. 35).

Selbst das Verhältniß des Menschen im Zustande des Schlafes gibt Zeugniß von dem Dasein eines solchen geistigen Prinzips in ihm. Denn auch im Schlafe ist der Mensch in seinem inneren Leben nicht unthätig; er denkt und imaginirt oft in der eigenthümlichsten Weise; ja selbst ein gewisses Schauen in die Zukunft kommt manchmal im Menschen in solchem Zustande vor. Was kann das thätige Prinzip hier anders sein, als eben die vernünftige Seele, welche nicht, wie das Sinnenleben des Leibes in die Ruhe des Schlafes versinkt, sondern fortwährend thätig bleibt (1. c. p. 34).

Auch der auf die höhere Erkenntniß gestüßte Beweis für die Imma

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