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höheren Natur als solcher, sondern von seinem eigenen thätigen Verhalten ab. Der geistige Lichtkeim ist in allen Menschen, wie in Allen auch die Materie und der böse Trieb (das ávтíμμov ävεýμatos) ist; an Alle ohne Unterschied ergeht der Ruf zur Buße und die Verheißung der Seligkeit; weder vom Einen, noch vom Andern ist irgend Einer ausgeschlossen, alle wvzai vizai follen gerettet und beseligt werden... und nicht bloß die Erkenntniß der Mysterien des Lichts, nicht bloß der Empfang der Sakramente ist es, was die Seligkeit bedingt, sondern auch, daß man das thue, was der Mysterien würdig ist, daß man der Welt und der Materię, der Sinnlichkeit und der Lasterhaftigkeit absage."

Die langen Reihen von Zwischenwesen und Geistern Aeonen welche die Kluft zwischen dem Unendlichen und Endlichen ausfüllen, verrathen zwar auf der einen Seite nur den der Gnosis als einem echten Erzeugnisse des Orients überhaupt eigenen Hang zum Mysterienwesen und der Unterscheidung von zahlreichen Stufen, Ordnungen und Weihen, auf der anderen Seite dienen sie aber allerdings, wie Köstlin bemerkt 1), der Idee absoluter Gerechtigkeit, „kraft welcher jeder Art von Gesinnungs- und Handlungsweise, jedem Verdienste und jeder Schuld, jedem größeren oder geringeren Grade des einen oder des andern, jeder einzelnen höheren oder niederen Stufe geistiger Erkenntniß und Reinheit, zu welcher der Mensch sich erhebt, auch ein bestimmter Ort und Grad der Belohnung oder Strafe, eine bestimmte Abstufung der Seligkeit und Herrlichkeit oder der Qual und Verdammniß ensprechen muß. Das Thun des Menschen ist auch sein Schicksal; je nach der Höhe oder Tiefe, zu der sein geistiges Leben sich erhoben hat oder herabgesunken ist, bestimmt sich auch der Play, den er im Jenseits einnehmen, und das Loos, das ihm dort zu Theil werden wird, und darum sind auch manigfaltige und verschiedene ein für alle Mal geordnete Stufen, sowohl in der lichten Welt der Seligkeit, als in der dunklen Region der Verdammniß nothwendig, in welchen Jeder nach Verdienst seinen Ort finden kann." Das ist die ethische Tendenz des Systems. So ist denn bei allem Vorzug, der auch hier noch der Gnosis im spezifischen Sinne gesichert bleibt, die metaphysische Scheidewand zwischen Pneumatikern, Psychikern und Hylikern niedergerissen und an deren Stelle die Willensfreiheit und die durch diese bedingte Vergeltung gesezt, wie sie das Christenthum kennt. Obgleich die Pistis - Sophia sicher mehr als ein halbes Jahrhundert jünger als Marcion ist, so gehören doch, besonders in letterer Beziehung, beide Systeme zusammen. Die Bedeutung Marcions für die Geschichte der Gnosis, bemerkt Lipsius (1. c. p. 298), liegt aber keineswegs allein in seiner schroff ablehnenden Stellung zum alten Testamente und der gesammten vorchristlichen Zeit, sondern vor Allem in den tieferen Motiven, die diesem seinem Antijudaismus zu Grunde liegen. Diese aber sind in letter Instanz keineswegs im Dualismus von Geist und Ma

') In Ersch's Encl. I. 71. p. 295.

terie zu suchen, sondern im Gegensatz der Güte und Gerechtigkeit Gottes, aus welchen alle anderen Ansichten Marcion's geflossen sind. Allerdings ist der Christengott, wie Tertullian (I. 8) den Marcion sagen läßt, ein neuer, den Juden unbekannter Gott, das Christenthum die schlechthin neue Religion, aber nur insofern, als an die Stelle des harten Geseßjoches das Evangelium, an die Stelle des unerbittlichen jus talionis die in Christus offenbar gewordene Gnade getreten ist. Das Christenthum ist die schlechthin geistige Religion nur insofern es die allein ethische ist; die Idee der Gerechtigkeit, um welche die Religion des alten Testaments sich bewegt, hat für Marcion durchaus keinen ethischen Werth, weil sie für ihn vom Begriffe unbarmherziger Strenge und tyrannischer Grausamkeit unabtrennbar ist (Tertull. I. 25. II. 11. 27). Dieß ist der Gegensatz, auf welchen Marcion in seinen berühmten Antithesen, soviel wir Kunde haben, immer wieder zurückkehrt (Tertull. IV. 1). Marcion will den christlichen Begriff von strafender und belohnender Gerechtigkeit im Jenseits. Die christliche Lehre vom Gott, der die Liebe ist und freie Willenshingabe von Seite des Menschen begehrt, ist ihm die neue Religion".

Es gab auch Gnostiker, die, um den abgeschmackten Ausdruck des Lipsius zu gebrauchen, Katholiker" waren. Dahin rechnet Lipsius den Tatian, Bardesanes u. A.

Tatian war ein Schüler des Martyrers Justin. Er ist der Verfasser des im Alterthum hochangesehenen 2óyos пoos "Envas. Frenäus beschuldigt ihn zweier Keßereien: er habe die Ehe als teuflisch verworfen und dem Adam die Seligkeit abgesprochen. Beide Meinungen hängen mit jener dualistischen Weltanschauung zusammen, von welcher schon die ganze Apologie Tatian's beherrscht ist. Zwei Reiche, das der Materie und das des Geistes, stehen einander gegenüber. Der Mensch gehört vermöge seiner natürlichen Beschaffenheit beiden an und kann zwischen ihnen wählen '). Sein avevμa ist die uoioa deov, in ihm beruht das Ebenbild Gottes und der Besiß der Unsterblichkeit; sofern aber dieses aveõμa dvvatátεqov von dem Menschen scheidet, wird er sterblich (orat. c. Graec. c. 7. 12—15). Dagegen ist die Psyche nur dεoμòs τns oαoxós, das den Körper durchdringende und zusammenhaltende animalische Lebensprinzip; sie ist nicht unsterblich an und für sich, sondern es kommt ihr nur die Fähigkeit zu, nicht sterben zu können. Wenn die Seele die Wahrheit nicht erkennt, stirbt sie mit dem Körper und steht dereinst beim Ende der Dinge mit ihm wieder auf, um den ewigen Tod, d. h. die ewige Strafe zu erleiden. Umgekehrt stirbt die Seele nicht, auch wenn sie zeitweilig aufgelöst wird, sobald sie die Erkenntniß des göttlichen Wortes erworben hat (c. 10. 13).

') cf. Dunker, Apologetarum secundi saec. de essentialibus naturae humanae partibus placita. part. II. Tatianus.

Hieraus erklärt sich das, bemerkt Lipsius (p. 303), was Tatian von der Sterblichkeit Adam's gelehrt hat, als einfache Folgerung.

Das Beispiel des Bardesanes zeigt uns ferner, meint Lipsius, daß wenigstens in der syrischen Kirche allerlei gnostische Ansichten verbreitet waren, ohne darum sofort von der katholischen Gemeinschaft zu scheiden. Sein System ist ophitisch und stimmt mit Valentin nur insoweit überein, als auch dieser auf ephitische Anschauungen zurückweist: Es ist nur Ein Gott, seinem Wesen nach ewig, unbegreiflich, der Vater des Lebendigen oder der Lebendige. Ihm gegenüber steht die unreine gestaltlose Materie, aus welcher der Teufel seinen Ursprung nimmt'). Die Ewigkeit des Teufels wurde in der Schule des Bardesanes behauptet, nicht aber, wie es scheint, von ihm selbst. Trotz der Einheit Gottes gibt es aber eine Mehrheit von Aeonen, als Offenbarungen der verborgenen Fülle des Urvaters, welche zusammen eine Siebenzahl bilden. Dem Urvater zur Seite steht als dessen weibliche Genossin die Urmutter, aus ihnen emaniren als zweite Syzygie der Sohn des Lebendigen oder Christus und dessen Genossin, der hl. Geist oder die Zeugemutter, Chakhmuth (d. i. Achamoth). Zwei andere Aeonenpaare, welche die Elementargeister darstellen, vollenden die obere Siebenzahl. Ihr Abbild in der sichtbaren Welt sind die sieben Sterngeister, von denen die obersten, Sonne und Mond, die Syzygie des Urvaters und der Urmutter wiederholen. Die Menschenseelen stammen (nach der Schrift des Bardesanes über das Fatum) aus der oberen Welt, und sind frei von Natur zum Guten und zum Bösen, nur die der Materie entnommenen Leiber sind dem Verhängnisse der Gestirne unterworfen, von denen alle Veränderung in der sichtbaren Natur, Leben und Tod, Glück und Unglüc regiert wird. Die Angabe Ephrem's, daß die Seelen von den Sterngeistern, die Leiber aus der Materie entnommen sind, steht hiemit nicht im Widerspruch, da Bardesanes ebenso wie Tatian die vernünftige und pneumatische Seele von der hylischen scheidet, und jene auf den inneren, diese auf den äußeren Menschen bezieht. Auch nach Ephrem, der hier Hauptzeuge ist, lehrte Bardesanes die Trichotomie. Die Erlösung aus den Banden der irdischen Leiber bewirkt der Sohn des Lebendigen, der selbst von dem oberen. Lichtreiche in einen pneumatischen Leib herniedersteigt, durch Maria wie durch einen Kanal hindurchgeht, und nach scheinbarem Sterben mit seinem. himmlischen Leibe wieder zum Himmel emporfährt. Auch die Menschengeister werden dereinst die Leiber aus unreinem Stoffe mit pneumatischen vertauschen, und so zum himmlischen Gastmahle und zu den Freuden im Umgange mit der Chakhmuth eingehen (Lipsius 1. c. 304). ·

') So etwas glaubt ein „Katholiker“ nicht!

D. Scholastik.

Wie dem Drange der Gemeinde, Kirche zu werden, die patristische Philosophie, so entspricht dem Verlangen der Kirche, ihren Dogmen bei den natürlich denkenden Menschen Eingang zu verschaffen, eine Philosophie, die wegen der Aehnlichkeit ihrer Aufgabe mit jener der Missionäre ') mit Recht den Namen der Scholastik oder der scholastischen Philosophie erhalten hat. Ihre Repräsentanten haben nicht der Kirche zur Existenz zu verhelfen, sondern die Lehre derselben zu bearbeiten, sie sind daher nicht Patres, sondern Magistri ecclesiae. Ihre und der Kirchenväter Aufgabe kann zwar unter ein und dieselbe Formel gebracht werden, meint Erdmann, denn beide wollen, was der Glaube besitzt, der Vernunft zugänglich machen, nur heißt Glaube“ bei den Kirchenvätern: was in der Bibel steht, dagegen bei den Scholastikern: die von den Vätern festgestellten Dogmen (?). Die Ersteren haben das Dogma gemacht (!), die Letzteren haben es verständig zu ordnen und verständlich zu machen. Wenn daher das Philosophiren der Scholastiker immer von Säßen ausgeht, welche durch Autorität feststehen, so ist dieß keine Beschränktheit, es ist die nothwendige Beschränkung auf ihre Aufgabe. Die Philosophie der Scholastiker ist kirchlich, daher auch ihre Sprache, das (Kirchen-) Latein, die eigentlich katholische Sprache, vermöge der die Glieder der allerverschiedensten Völker gleichzeitig in ihrer (der Kirche) eigenen Sprache das Evangelium vernehmen und auslegen. Mit der verschiedenen Aufgabe der Kirchenväter und Scholastiker hängt es auch zusammen, daß die Scholastiker besonders solche Schriftsteller hochstellen, aus denen in Bezug auf die Form am meisten zu lernen ist (Aristoteles), während die Kirchenväter sich besonders an solche frühere Philosophen halten mußten, deren Lehren hinsichtlich des Inhalts mit dem Evangelium die größte Aehnlichkeit zeigten (Plato) 2). Führen wir nun die Unsterblichkeitslehre der vorzüglichsten Scholastiker, sowie diejenigen Scholastiker an, die sich vorzüglich mit der Lehre von der Fortdauer beschäftigten.

1) Die Aufgabe der Missionäre der römischen Kirche, bemerkt Erdmann (Gesch. d. Philos. 1866. I. 245), ist eine ganz andere, als die der Apostel war. Nicht die frohe Botschaft von dem Heile, das erschienen ist, sondern den Lehrbegriff der römischen Kirche haben sie dem Geiste der (namentlich germanischen) Völker zugänglich, die kirchliche Verfassung denselben zur Gewohnheit zu machen. Dazu bedarf es nicht nur des apostolischen Eifers, sondern einer gründlichen Einsicht in das ganze System der Dogmen, und wieder einer großen dialektischen Fertigkeit, um Lehren, die mit Hilfe einer Philosophie erzeugt waren, in der sich vereinigt hatte, was der klassische und orientalische Geist auf dem Höhepunkt ihrer Bildung gemeinschaftlich hervorgebracht hatten, dem natürlichen, unverkünftelten Verstande roher Völker annehmbar zu machen. Es ent= stehen daher Missionsschulen (scholae), deren Zöglinge, wenn sie von einer zur andern wandern, sehr oft als Lehrer und Schüler zugleich wirken, und frühe den Namen Scholastici bekommen. 2) Erdmann, Gesch. d. Philos. I. 246 ff.

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§. 1. Joh. Scotus Erigena.

Dieser Philosoph steht auf kirchlichem Boden. Die Wahrheit des Dogma's, sagt Huber'), ist ihm noch nicht zweifelhaft geworden, er will bloß ein tieferes Verständniß desselben gewinnen. Aber Glauben und Wissen reichen nicht völlig aus, ihre Vollendung ist erst die Anschauung (comment. 341 a.), die Autorität der heiligen Schrift ist eine unerschütterliche (incocussa autoritas divinae scripturae de div. nat. III. 17). Der Anfang jedes Raisonnements muß aus der heiligen Schrift genommen werden (ibid. II. 15). Den Ideen und Auslegungen der Kirchenväter schließt sich Erigena meistentheils an, und meint, daß man niemals unbedachtsam über sie urtheilen dürfe (ibid. IV. 17). Hienach wären für freie Vernunftforschung enge Grenzen gezogen, allein Erigena hegt die Ueberzeugung, daß Vernunft und Autorität sich nicht widersprechen, sondern nur zwei verschiedene Formen seien, unter denen dieselbe Wahrheit vermittelt werde, daß man daher beide. gebrauchen müsse, um die Wahrheit zu finden (I. 56). Doch scheint unser Philosoph der Vernunft den Vorrang einzuräumen.

Die Lehre Erigena's von der Ueberwesentlichkeit und Persönlichkeit Gottes, von der Schöpfung der Welt, vom Bösen 2c. können wir, weil sie mit der christlichen Theologie im Wesentlichen congruiren 2), hier übergehen; desgleichen die Darstellung Erigena's von Form und Materie im Aαgemeinen, da dieß auf seinen Unsterblichkeitsbegriff keinen Einfluß hat. Während er in vielen anderen Punkten fremden Ansichten folgt, ist er durch eigenes Denken zu dem Resultate gekommen, daß jedes Leben oder jede einen Körper beherrschende Seele durch Theilnahme an einem uranfänglichen Leben oder einer uranfänglichen Seele die Subsistenz oder das Leben empfangen habe, welche Theilnahme, ob sie nun in der Beherrschung der Leiber stattfinde oder nicht, sie vernunftgemäß niemals gänzlich verlassen kann (de div. nat. III. 39). So dauert die Thierseele substanzial seiend fort. Was seine Lehre vom Menschen 3) betrifft, so ist der Gipfelpunkt der Schöpfung und das Band ihrer Gegenfäße, der himmlischen Welt der

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1) Scotus Erigena" p. 128. Th. Christlieb, „über Scotus Erigena“. Gotha 1860. sowie Nic. Möller, „J. Scot. Erigena und seine Irrthümer“. Mainz 1844. find uns nicht zur Hand gekommen. 2) Hanne (Idee der absol. Persönlicht. 428) findet bei Erigena „einen trüben gährungsvollen Zustand eines vagen Schwankens zwischen naturalistischem und akosmistischem Pantheismus“, was sich besonders in der Anthropologie bemerkbar mache. Ueber Erigena's „Idealwelt" cf. Huber, p. 220 ffWie Dionysius der Areopagite (nach Helfferich) die reale, so vertritt Scotus Erigena eigentlich die ideelle Mystik, doch können wir ihn in anderer Beziehung mit Ueberweg u. A. zu den Scholastikern zählen, um so mehr, als Erdmann (Gesch. d. Philosophie. I. 470) bemerkt: „Der eine Bonaventura würde ausreichen, um zu beweisen, daß Myftiker und Scholaftiker keinen Gegensatz bilden." 3) cf. Helfferich, die chriftl. Mystik. Gotha 1842. I. p. 206 ff.

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