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wolle, sei eine solche Erkenntniß möglich, wie er sie ja auch dem Moses, Paulus und der heiligen Jungfrau gewährt habe; er gesteht sogar in gewissem Sinne zu und im Grunde ist dieß das Ziel seiner mystischen Theologie daß die Seele in die Fülle Gottes übergehen und in ihr ideales Sein, das sie von Ewigkeit hat, gewandelt werden könne, nur dürfe dabei die Selbstständigkeit (Persönlichkeit) der Seele nicht aufgegeben werden (ibid.). Gesteht nun Gerson dem Realismus nicht nur die Ewigkeit, bemerkt Schwab (1. c. p. 299), sondern auch die Realität und Verschiedenheit der Ideen in gewissem Sinne zu '), so hat er damit den Hauptgedanken des Systems acceptirt. Der Grund liegt in der mystischen Richtung Gersons. Alles Gefühl und auf ihm ruht überwiegend die Gerson'sche Mystik ist realistisch, der Verstand nominalistisch. Wie seine spekulative Mystik dahin gerichtet ist, die Theologie des Verstandes mit der Theologie des Gefühles zu vereinbaren, so macht sich diese Vermittlung auch in dieser spekulativen Frage geltend. -Aus dieser vermittelnden Stellung erklärt sich auch Gersons Auffassung des Verhältnisses zwischen Philosophie und Theologie, Glaube und Wissen. Während der Nominalismus an sich auf ein Auseinanderhalten beider hinarbeitet, ist er gegen die Trennung der Philosophie von der Religion in dem Sinne, als wenn erstere allein sichere Erkenntniß gewährte und die letztere nur durch sie ihren Halt gewänne; im Gegentheil erhalte die Philosophie erst durch die Theologie ihre volle Sicherheit und wer beide trenne, verliere beide 2). Er weist dieses Verhältniß nach in der Bestimmung des Begriffes vom höchsten Gute 3).

Wie alles Wissen, sagt Gerson weiter, so muß auch die Theologie der Liebe Gottes dienstbar werden, darin besteht ihre Vollkommenheit, ihre Freiheit, ihr Adel *), denn nicht in subtiler Forschung, sondern in der Pflege der Liebe besteht Gottes Reich und die Erlangung des ewigen Lebens 5). So hoch daher Gerson auch Thomas von Aquin stellt, sein Liebling und sein Ideal bleibt doch Bonaventura um der praktischen Richtung willen, die sich durch seine Theologie hindurchzieht.

Was die Mystik Gerson's betrifft, so ist ihr Grundzug die Erkenntniß Gottes aus und durch Liebe. Was sich hierüber in den Schriften der Heiligen findet, will er in zweckmäßiger Ordnung und Form geben. Wer zur mystischen Theologie gelangen will, muß Sehnsucht nach Gott haben, die Hindernisse (der Einigung mit Gott) entfernen und um den gött

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1) Wie besonders: de concord. Metaph. IV. 825: »sicut sunt plures res creatae sic dici possunt plures ideae" etc. 2) Sermo II. de omnib. Sanctis opp. III. 1517: »Hoc faciamus tum ad consolationem nostram, quatenus fides in intelligentiam migrans lucidius emicet, tum ad concludendum linquam magniloquam eorum, qui se dici philosophos volunt et non sunt, quoniam dum a religione secernere putant philosophiam utrumque perdunt." 3) cf. Schwab, Joh. Gerson p. 300 ff. ) Centilog. de concept. IV. 806. 5) de concord. Metaph. IV. 829: Non in subtili inquisitione veritatis, sed in cultu charitatis consistit regnum Dei et impletio legis consecutioque salutis.

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lichen Beistand flehen. Das erste geschieht durch Betrachtung der Schönheit Gottes, das Zweite durch die Einsicht in unsere eigenen Gebrechen, das Dritte durch heißes Gebet'). Entsprechend der praktisch kritischen Haltung seiner mystischen Theologie scheidet Gerson die Mystik in einen spekulativen und praktischen Theil, eine Scheidung, die ihm allein angehört. Die spekulative Mystik beginnt mit der Erörterung des dem Areopagiten entlehnten Unterschiedes zwischen symbolischer, eigentlicher und mystischer Theologie. Die lettere führt auf vollkommene Weise durch Abstraktion von allem Crea= türlichen und durch Hinaustreten des Geistes (per excessus mentales) in die göttliche Finsterniß zu Gott (consideratio I. 365).

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Den drei Kräften des Erkenntnißvermögens entspricht eine dreifache Form der Erkenntniß: Die Vorstellung (cogitatio) der sinnlichen Erkenntniß, die Meditation der Vernunft, die Contemplation der reinen Intelligenz 2). In der mystischen Theologie gelangt die vernünftige Seele auf den Ruf des Herrn, dessen Hauch die Seele schwellt, vermittelst der Liebe in den Hafen der Vergöttlichung, aus dem Meere der Sinnlichkeit zur Ruhe des ewigen Ufers. Es liegt dieses im Wesen der Liebe, die hinreißt (rapit) zum Geliebten, mit ihm verbindet und einigt (unit) und indem sie nichts als den Geliebten will, befriedigt (satisfacit. cons. 38, 390). Die weiteren theoretischen Erörterungen hierüber können wir füglich übergehen 3).

Die ganze mystische Theologie Gersons ist eigentlich nichts Anderes als eine praktische Explikation der Unsterblichkeitsidee, denn der Gedanke an das Jenseits sowie an die letzten Dinge überhaupt ist allenthalben in diese Mystik hineingewoben und das Gewebe ist für jeden dazu präparirten Geist ein höchst zaubrisches. Das einzige und letzte Ziel unseres armseligen irdischen Daseins, die einstige Vereinigung mit Gott, soll schon hier durch die Mystik in höchst möglichster Weise anticipirt werden. Die persönlichen Verhältnisse, die Verfolgungen, denen der edle Gerson (Fremdling) ausgesetzt war, sind theilweise Schuld an dieser Geistesrichtung; sie sind auch Veranlassung zu seiner herrlichen Schrift vom Troste der Theologie", die sich an die ihm von Jugend auf theure Schrift des Boethius „vom Troste der Philosophie“ anschließt *).

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1) Tract. VII. super Magnif. IV. 343. 2) Ueber den Unterschied zwischen spekulativer und mystischer Theologie bei Gerson cf. Echwab 1. c. p. 339 ff. 3) Ueber den praktischen Theil der mystischen Theologie cf. Schwab p. 364 ff. 4) Diese Schrift verfaßte der Flüchtling im J. 1418 auf dem Schlosse Rattenberg am (oberen) Jnn, ein Ashl, das ihm der Herzog Albrecht von Bayern geboten hatte (cf. op. IV. 783). Jn einem Briefe vom 10. August 1418 aus Neuburg in Bayern steigert sich sein Wunsch nach dem Ziele seiner Pilgerfahrt. Er schreibt seinen Brüdern Nikolaus und Johann, daß die Seinigen weniger bekümmert um seine äußeren Verhältnisse, ihn wie todt be= trachten und nur für sein ewiges Wohl beten mögen: Nolite quomodolibet solliciti esse, qualis in peregrinatione mea sit corporalis aut futurus status meus, sed existimantes me quasi mortuus et perditum super terram totam vestrae recogitationis aciem vertite ad rogandum ea, quae ad pacem sunt. Deus pure gratis

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Die Schrift Gersons ist ein Dialog zwischen Verstand (intellectus discursivus Volucer), Meditation (int. meditativus - Monicus) und Contemplation (int. contemplativus Peregrinus). Dem Inhalte nach will der Trost der Theologie da anheben, wo der Trost der Philosophie zu Ende gegangen, bei dem Hinweis auf Gott als den allwissenden Richter. Daß Gott Richter der Welt sei, das hat die Philosophie noch erreichen kön nen, aber wie er richtet, lohnt, straft, das liegt jenseits ihres Gesichtskreises. Die in stolzer Wißbegierde unternommene Betrachtung der Gerichte Gottes stürzt in Verzweiflung und Gotteslästrung, geschieht sie aber in Demuth und gläubiger Unterwerfung, dann führt sie auf den Weg des wahren Trostes, der in den Worten liegt: „Denen, die Gott lieben, gereichen alle Dinge zum Besten 1). Die Untersuchung kehrt sich sogleich der paulinischen Form des göttlichen Gerichtes, der Prädestination zu, um die Nichtigkeit menschlichen Scharfsinns zu zeigen, der darin nur Härte und Parteilichkeit sehe. Gott, der Niemanden verpflichtet ist, trifft solcher Vorwurf nicht, gebrauchen ja auch die Menschen die Dinge der Welt in sehr verschiedener Art. Wenn Gott, um den Neichthum seiner Herrlichkeit zu offenbaren, den Einen aus Erbarmen beseligt, den Andern aus Gerechtigkeit verläßt, ergibt sich aus dem Dur der Gerechtigkeit und dem Moll der Barm= herzigkeit nicht die schönste Harmonie 2)? Je weniger beseligt werden, desto mehr offenbart sich in den Beseligten die Gnade; nur auf die Einzelnen darf sich die Forschung nicht richten, warum z. B. Petrus und Paulus gerettet, Judas verworfen wurde; denn so wenig ein anderer Grund ange= geben werden kann, warum von dem vielen Möglichen gerade Dieses ge= schaffen worden ist, Jenes nicht, als weil es Gott so gefallen, ebensowenig ist dieses bezüglich der Regeneration möglich; denn der ewige Wille Gottes, Diesen zu beseligen und Jenen nicht, hat keine weitere Voraussetzung, nur das muß festgehalten werden, daß Niemand ohne Schuld verdammt, Niemand ohne Gnade beseligt wird3).

Sein eigenes Gefühl bei dieser Anschauung spricht Gerson in den Worten aus: „Ich weiß, o Herr! daß die Verdammten in der Hölle dich hassen und als ungerecht und grausam lästern, und wäre ich dort, vielleicht

agens nobiscum sit misericordia nostra, refugium, susceptor in die mortis inevitabilis, quae janua aperit ad patriam. bei Gence, Jean Gerson restitué et expliqué par lui-même. Paris 1836. p. 34.

2) Ibid. I. 137.

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1) Gersoniana I. 135. bei Schwab p. 750. $) Ibid. : Sicut nulla ratio potest assignari, cur inter tot res possibiles fieri, ista non, illa facta est, nisi, beneplacitum Dei: ita de recreatione seu regeneratione ad vitam spiritualem multo magis dici debet: neque confugiendum est ad illorum merita vel opera quos ab aeterno praedestinat Deus, quia si ex operibus, jam non ex gratia, sed neque priorem aeterna Dei voluntas causam habet, qui fecit omnia propter semetipsum, impium quoque in diem vindictae: nihilominus fatendum est, quod nemo sine culpa damnabitur sicut absque gratia salvabitur nullus.

that ich es auch; aber noch frei von diesem schauervollen Gefühle liebe ich dich, weil du der Liebe würdig bist, und halte dich für den Gerechtesten und Liebevollsten und preise dich und deine Heiligen, was immer dein. Wille über mich verhängen wird, ich glaube und bekenne mit Herz und Mund, daß in dir kein Unrecht, und du heilig bist in allen deinen Werken!" Bei solcher Demuth führt die Theologie „durch Verzweiflung am Menschen zur Hoffnung auf Gott, durch Trostlosigkeit zum Troste."

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Dieses der Inhalt des ersten Buches, während das zweite sich mit der Lösung der Frage über das Verhältniß der Freiheit zum göttlichen Willen beschäftigen will, in Wirklichkeit aber großentheils in scholastischen Untersuchungen über die Formen des Willens und der Erkenntniß verläuft, die von dem in der Mystik über die Vis affectiva" handelnden nicht wesentlich verschieden sind. Da Gott Alles vorhersieht, die ganze Reihenfolge der Ursachen, und Alles leitet, so muß ihm Alles dienen, das Gute wie das Böse; der Mensch aber soll die Gottähnlichkeit seines Willens damit be= weisen, daß er Gott nicht dient, nur um Segen zu erhalten oder Unheil abzuwenden, das wäre Rückfall in den Stand des alten Bundes, denn die Tugend ist herrlicher als aller zeitliche Lohn, und Jene gehen irre, welche durch Verheißung zeitlichen Segens den Menschen zur Liebe Gottes bestim= men wollen; aber man soll auch nicht mit den Stoikern sagen, daß die Tugend ihr eigener Lohn sei, wie jedes Laster eine Strafe mit sich führe, denn um die Menschen zu den Beschwerden der Tugend an und von den Reizen der Lust abzulenken, war ein eigener hoher Lohn und besondere Strafe nothwendig, von denen die Philosophie nichts weiß (ibid. I. 135). Ungeachtet Alles von Gott vorhergewußt und gewirkt ist, so ist er doch in diesem Wissen und Wirken frei, und daraus folgt, daß wir unser Gebet nicht umsonst zu ihm empor senden, der, an sich unveränderlich, Alles ändern kann, wenn er will; denn wie das Geistige über dem Zeitlichen steht, so wird dieses auch immer der gnadenvollen Leitung der Geister zur Seligkeit gemäß bestimmt. Darauf beruhen die Charismen.

Den Trost, den die Theologie durch Förderung der Geduld gewährt, schildert das dritte Buch, von dem der Schluß lautet: Der Mensch ist nun einmal zu Kampf und Mühe bestimmt; hast du gefehlt, so beuge dich ge= duldig der Last; bist du dir nichts bewußt, so freue dich der Mühen, dein Lohn ist um so größer! Ohne Versuchung geht es nun einmal im Leben nicht ab; trage, die du einmal hast, denn weicht sie von dir, so rückt nur eine schwerere an ihre Stelle. Gott hat den Menschen nicht aus dem Paradiese gestoßen, um in ein neues ihn zu versetzen, sondern daß er in Mühe lebe, durch Trübsal Friede, durch Schmach Ehre, durch Armuth wahren Reichthum und durch Elend Seligkeit gewinne (ibid. I. 168).

Das vierte Buch endlich bietet den Trost eines über sein Wirken be= ruhigten Gewissens. Da die Quelle der Leiden Gerson's und des Unglücks, das über seine Freunde gekommen, in dem Widerstande liege, den sie der Herrsch- und Habsucht der burgundischen Partei entgegenstellt, so seien sie

glücklich zu preisen, wenn sie auch äußerlich unterliegen; wer immer für die Vertheidigung der Wahrheit und Gerechtigkeit den Tod erleidet, ist vor Gott ein Martyrer, wie auch die Menschen über ihn urtheilen ').

Wie Gerson überhaupt auf dem Boden der christkatholischen Lehre steht, so glaubt er auch an den Rapport, in den wir mit den Heiligen des Himmels treten können, er will von ihnen „das Almosen ihrer Fürbitte" bei Gott.

Gegen Ende des Jahres 1428, wo Gerson Anstalten traf für den Fall seines Todes durch Stiftung eines Anniversariums, Testament 2c., mag auch die Abfassung von seinem „täglichen Testament des Fremdlings" fallen, in welchem seine letzten Wünsche zusammengedrängt sind, und das uns besonders von seinem lebendigen Glauben an ein Jenseits Zeugniß gibt; es lautet: „Ich erscheine, Vater! vor dem Hofe deiner Barmherzigkeit, und trete mit Vertrauen zu dem Throne deiner Gnade, um Erbarmen und Gnade zu erlangen. Gib mir stete Gesundheit des Geistes, wahre Buße, wenigstens im Verlangen (in affectu), die heilige Communion und Delung, vollen Nachlaß meiner Sünden, den Trost der Heiligen gegen die feindlichen Mächte und das ewige Leben! Das Zeitliche der Welt lassend, kehre der Staub zur Erde zurück - zum kirchlichen Begräbnisse, und der Geist zu Gott, der ihn gab. Herr Jesus nimm meinen Geist auf." Am 12. Juli 1429 starb Gerson, ebenso ausgezeichnet durch Frömmigkeit, wie durch Gelehrsamkeit (Schwab, p. 772-773).

§. 3. Meister Echart.

Die Anthropologie Eckhart's ist die der aristotelischen Scholastik. Seine Theorie der Zeugung lautet ganz aristotelisch 2). Er ist Creatianer, aber nicht so, daß er die göttliche Thätigkeit und die Naturgesehe als äußere Gegensäße darstellt. Gott ist die absolute Form der Welt in freier schöpferischer Weise, ebenso auch die Form der menschlichen Seele. Die Zeugung ist „ein Werk der Natur und eine Schöpfung von Gott" (ib. 265. 5 ff.). Der Mensch ist die Spiße der materiellen Schöpfung, in welcher diese ihr Ziel erreicht hat. Derselbe ist gesezt zwischen Zeit und Ewigkeit, zwischen die Welt und Gott 3).

Die übrigen Creaturen sind ein Fußstapfen Gottes, die Seele des Menschen aber ist Bild Gottes; gemacht ist der Mensch nach dem Bilde der heiligen Dreifaltigkeit (81. 14). In den übrigen Bestimmungen vom Wesen der Seele folgt Eckhart dem Aristoteles und lehrt ferner: „So wie die Seele dem Leibe Leben gibt, so ist Gott der Seele Leben. So wie die

') ibid. I. 182. cf. Schwab p. 759-761.

2) Meister Eckhart ed. Pfeiffer 151. 1. 260. 32., bei Bach „Meister Eckhart, d. Vater d. deutschen Spekulation." Wien 1864. p. 65. 3) 406. 29. 170. 12. 95. 14. 409. 39. 136. 35. Thom. Summa theol. I. qu. 75. a. 1. contr. gent. 1. II. c. 57.

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