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ciser nachgewiesen werden könnte. Die Vernunft beurtheilt daher den Werth eines für sie geltend gemachten Grundes nach ihrer Anschauung der Unsterblichkeit, und nicht umgekehrt die Unsterblichkeit aus dem angeführten Grunde. Und würde auch irgend ein Grund für die Unsterblichkeit beweisend sein, so bliebe dieß doch ganz unerkannt, wenn nicht die Vernunft so urtheilte. Die Vernunft sieht bei diesem ihrem Urtheile nicht bloß in die Beschaffenheit des Grundes, sondern in die Wahrheit selbst hinein, und eben indem sie die Uebereinstimmung mit ihr in dem angeführten Grunde findet, spricht sie das Urtheil aus, der Grund sei ein wahrer. Aus dieser allseitigen genauen Erwägung ergibt sich, daß die Vernunft nicht im Verstandesgrunde, sondern in sich die unzerstörliche Natur ihrer Einfachheit schaue.

Diese Kraft der Vernunft (virtus intellectualis) rührt keineswegs von der Abstammung her (nequaquam est a generante), sonst würde sie die Natur und Beschaffenheit anderer Zustände, die von Abstammung herrühren, annehmen. Wie das Auge ein natürliches Verhältniß zur Farbe, der Sinn zum Objekt hat, so müßte man auch von der Vernunft sagen, sie sei nicht frei im Wollen, Gedächtniß und Erkennen, sondern durch die Natur genöthigt oder könne durch einen andern Menschen genöthigt werden, während wir das Gegentheil hievon wahrnehmen: Der Mensch ist frei in seinem Lieben, Wollen und Erkennen. Die Vernunft altert auch nicht, wie der Sinn, sie ist folglich nicht aus dem Bereiche des Sterblichen und Zerstör= lichen. Wir sehen, daß Bejahrte, während ihre Sinne abnehmen, an Erkenntniß und Weisheit zunehmen. Ferner gelangt der Mensch in dem, was er durch Abstammung hat, zu einer Grenze und zur Sättigung; es kommt ein Zeitpunkt, wo er nicht mehr sehen und hören mag, was er gesehen und gehört hat. Nicht so ist es beim Erkennen und Wollen: immer will er, was er erkennt, besser erkennen, was er liebt, noch mehr lieben. Ja die ganze Welt genügt ihm nicht, weil sie sein Verlangen nach Erkenntniß nicht ausfüllt, während ein einziges Objekt dem Sinne genügt. Nichts genügt also der Vernunft als Gott, von dem der Mensch das Sein hat, dessen Ebenbild er ist. Denn das lebendige Abbild, das geistige Leben kann weder in sich, noch in etwas Anderem Ruhe finden, sondern nur in seinem Urbilde als in seinem Prinzip, Ursache und Wahrheit. Rührte die Seele von der Abstammung her, so wären alle ihre Verrichtungen naturnothwendig, sie könnte nichts Sittliches: Gerechtigkeit, Klugheit 2c., ausüben. Ein verständiger Vater erzeugt nicht wieder einen verständigen Sohn vermöge seiner Einsicht, und der Sohn ist nicht naturnothwendig verständig, sondern er hat von Gott den Geist, der einer unsterblichen Tugend fähig ist, weil er von dem unsterblichen Vater herrührt. Wäre der Mensch von Natur aus eifrig für's Gute, so wäre dieß jeder Mensch, so gut als jeder Mensch sichtbar ist. Die vernünftige Natur ist geistig (spiritualis), daher nicht der Fortzeugung fähig. Sonst wäre sie auch zerstörlich; wie wenn aus genossenem Brode Fleisch wird, so wird die Spezies des Brodes zerstört und daraus

Fleisch gebildet. Allein die Spezies der geistigen Natur kann nicht, wie die der körperlichen Natur, die ihr Subjekt und eine verschiedener Spezies fähige Materie hat, zerstört werden. Der letzte und bedeutendste Grund dafür, daß die vernünftige Seele nicht von Abstammung herrührt, ist der: sie hat einen Endzweck, um dessentwillen sie da ist, und dieser ist höher als bloß das belebende Prinzip im Menschen zu sein; sie soll Gott erkennen und lieben. Die Vernunft stammt vom Schöpfer her 1).

Was die Eschatologie Cusa's betrifft, so hält er die christlichen Begriffe vom Untergang der Welt (Excit. V. 493 ff.) von der Auferstehung (Excit. X. 672) und vom allgemeinen Gerichte (Excit. V. 511) fest und gibt homiletische Erklärungen darüber. Ueber das Wie der Auferstehung erklärt er sich also: Die Art und Weise ist uns unbekannt, allein mit Einigen kann man sagen, im Menschen sei eine körperliche Natur, die aber viel Himmlisches (multum coelestialem) an sich hat, wie in ihm ein Geist ist, der viel Göttliches (multum divinus) hat. Diese himmlische Natur nun, die man die Quintessenz nennen kann und die elementarische Natur in sich als in der Einheit begreift, bleibt, wenn die Elementarstoffe auch zerstört sind, wie wenn Gold, das Blei mit sich vereinigt enthält, übrig bleibt, wenn auch das Blei aufgelöst ist. Der Geist des Menschen hat nun eine Hinneigung (inclinatur) zu jenem seinem himmlischen Körper und wird am Ende der Weltbewegung mit ihr wieder vereint, so daß das Gericht gehalten wird über den mit dem geistigen, himmlischen und unzerstörlichen Körper vereinten Geist, was eben das Menschenwesen ausmacht (in quibus consistit homo), und an dem Menschen nach seinen Verdiensten Himmelfahrt, oder nach seinem Mißverdienste (pro demerito) Höllenfahrt vollzogen wird (1. c.).

§. 3. Baco von Verulam,

dem, wie er selbst sagt 2), „die Macht der Menschheit zu befördern, höchste Stufe des Ehrgeizes" war, welchen Ehrgeiz auch seine Wissenschaft hatte, welches Streben ihr erster und lehter Gedanke war, steht mit der früheren Philosophie im Gegensatz, seine Philosophie ist ein völlig neues Gebäude, auf anderen Grundlagen und zu einem andern Zweck errichtet, als alle früheren. Es hat mit diesen so wenig gemein, wie Kuno Fischer in seiner Monographie Baco's 3) (die wir im Folgenden hauptsächlich benützen) schreibt (p. 197), daß es sich nicht einmal auf ihre Trümmer gründet. Baco läßt sie stehen, diese alten Gebäude der Philosophie, nachdem er gezeigt hat, wie unsicher sie sind und wie wenig geeignet, von der Menschheit bewohnt zu werden. Sein Gebäude nennt Baco selbst „Instauratio magna“.

1) cf. Scharpf, Nikolaus v. Cusa's wichtigste Schriften. Freiburg i. B. 1862. p. 462 ff. 2) Nov. org. 1, 129. *) Fr. Baco von Verulam. Die Realphilo= sophie und ihr Zeitalter. Leipzig 1856.

Den einmüthigen Plan, der das Ganze durchdringt, bildet der auf neue Entdeckungen und Erfindungen gerichtete Geist, der in keinem anderen Gebäude der Philosophie wohnen kann, als in einer auf Welterfahrung ge= gründeten Wissenschaft, die keine andere Welterfahrung brauchen kann als die experimentale, dessen Erfahrung und Wissenschaft sich vor allen andern Objekten auf die Natur richten.

Seinem Systeme gemäß konnte Baco von Gott und Seele oder Geist wenig wissen; aber dennoch fand er in seiner natürlichen, wenn auch nicht physikalischen Welterklärung Gründe genug, um das Dasein Gottes an= zuerkennen. Er entdeckte hier Endursachen, die er nicht physikalisch beweisen und brauchen, aber ebensowenig aus empirischen Gründen läugnen konnte. Die Physik erklärt die Dinge als Effekte blind wirkender Kräfte, sie kennt nur die Gesetze mechanischer Causalität, aber läugnen kann sie nicht, daß sich in diesen Wirkungen zugleich eine zweckmäßige Anordnung fundgibt. . . . Baco hat sich wiederholt darüber erklärt, daß in seinen Augen eine völlig mechanische und atomistische Naturphilosophie, wie die Systeme des Leucipp, Demokrit und Epicur eine natürliche Theologie nicht bloß zulasse, sondern verlange und mehr als jede andere Philosophie befestige. Der Atomismus läugnet die Zweckursachen in der Naturerklärung, er läugnet nicht die Zwecke in der Natur, er muß in der Natur selbst Ordnungen anerkennen, die sich unmöglich aus den zufälligen Bewegungen zahlloser Atome herleiten lassen. Um so vielmehr ist er genöthigt, einen intelligenten Welturheber anzuerkennen, der jene Ordnungen bildet. Diese Annahme erscheint dem Verstande Baco's so nothwendig, daß er lieber allen möglichen Aberglauben bejahen, als sie verneinen will. Gerade jene philosophische Schule des Leucipp, Demokrit und Epicur, die vor anderen des Atheismus beschuldigt wird, gibt, näher betrachtet, den klarsten Beweis für die Religion; denn es ist immer noch wahrscheinlicher, daß die vier veränderlichen Elemente und ein fünftes unveränderliches Wesen, die von Ewigkeit her zusammenhängen, keines Gottes bedürfen, als daß die zahllosen Atome und Keime, die ohne Ordnung umherirren, diese Ordnung und Schönheit des Weltalls ohne einen göttlichen Baumeister haben hervorbringen können 1)." So führt die natürliche Welterklärung selbst (durch die Metaphysik zur natürlichen Theologie und damit) zur Entdeckung einer göttlichen Macht, die nicht gedacht werden kann ohne Verstand und Wille. Wie nach dem Angeführten Baco nicht durch seine theoretischen Gesichtspunkte gehindert wurde, die Religion anzuerkennen, ebenso auch nicht durch seine praktischen, wie K. Fischer (p. 285 ff.) nachweist.

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In seiner Psychologie unterscheidet Baco, was die Seelensubstanz betrifft, die sinnliche Seele von der vernünftigen, ähnlich wie Aristoteles gwiden νοῦς ποιητικός unb παθητικός, wovon ber erftere θύραθεν in

1) Serm. fid. XVI. de atheismo p. 1105.

den Menschen eingetreten ist. Daraus folgt, daß bei Baco der Geist nicht aus natürlichen Ursachen erklärt werden kann, daß also die Erkenntniß des Geistes nicht zur Psychologie, sondern zur Theologie gehört, die durch Offenbarung die übernatürlichen Ursachen annimmt. Baco selbst gesteht ein, was zur Beurtheilung seiner Philosophie von größter Wichtigkeit ist: daß sie unvermögend sei, den Geist zu erklären. Wir dürfen hinzusetzen, was von der Baconischen Philosophie gilt, das läßt sich von der realistischen im Allgemeinen behaupten. Um ihn dogmatisch zu verneinen, dazu hatte Baco selbst zu viel Geist, zu wenig Selbstverläugnung, zu wenig dogmatische Sprödigkeit, aber er erklärt mit kurzen Worten den Geist für unbegreiflich; er verweist diesen Begriff aus dem Gebiete der Wissenschaft in die Religion, womit die Wissenschaft keinen Verkehr hat. Er macht zwischen sinnlicher und vernünftiger Seele einen Hiatus, von dem er selbst bekennt, daß er ihn machen müsse. So wird der Geist bei Baco zu einer unerklärlichen, und die Seele zu einer körperlichen Substanz, die ihren räumlichen Ort im Gehirn hat und nur unsichtbar ist wegen ihrer Feinheit: Der Geist wird auf Gott, die Seele auf den Körper zurückgeführt. So befindet sich Baco, was Geist und Körper (Gott und Welt) betrifft, in einem ähnlichen Dualismus wie Cartesius. Baco's Nachfolger suchten diesen Dualismus aufzulösen. Wollten sie dieß und doch dabei Baco's Grundsäßen treu bleiben, so mußten sie den Geist, den sie nicht erklären konnten, überhaupt verneinen, die Seele rein als körperliche Substanz ausgeben, und so dem Materialismus zustreben wie Cartesius dem Spinoza '). Seinem Systeme nach also konnte Baco die Fortdauer der Seele, obwohl nur im pantheistischen Sinne lehren, direkte Erklärungen finden sich nicht, doch wird Baco persönlich (abgesehen von seinem System) die Unsterblichkeit der Seele ge= glaubt haben, da er an der Theologie als der Wissenschaft von den Offenbarungswahrheiten festhält.

§. 4. Descartes,

„der wahrhafte Anfänger der modernen Philosophie", wie ihn Hegel nennt, kam durch Vergleichung der verschiedenen Anschauungen und Sitten unter verschiedenen Nationen und Parteien und durch allgemeine philoso phische Betrachtungen, insbesondere durch die Erkenntniß des weiten Abstandes aller Demonstrationen in der Philosophie und andern Doktrinen von der mathematischen Gewißzheit, zum Zweifel an der Wahrheit aller überlieferten Säße und faßte den Entschluß, durch eigenes voraussetzungsloses Denken zu gesicherten Ueberzeugungen zu gelangen. Das Einzige, woran sich, wenn alles Uebrige bezweifelt wird, nicht zweifeln läßt, ist das Zweifeln selbst und überhaupt das Denken im weitesten Sinne als die Gesammt=

1) K. Fischer, Baco v. Verulam p. 251 ff.

heit aller bewußten psychischen Prozesse. Mein Denken aber hat meine Eristenz zur Voraussetzung — daher der Satz: cogito ergo sum. Ich habe in mir die Gottesvorstellung, die ich nicht aus eigener Kraft gebildet haben kann, da sie eine vollere Realität involvirt, als ich in mir selbst trage; sie muß Gott selbst zum Urheber haben, der sie mir einprägte, wie der Architekt seinem Werke einen Stempel aufdrückt. Auch folgt schon aus dem Gottesbegriff Gottes Eristenz, da das Wesen Gottes die Existenz und zwar die ewige und nothwendige Eristenz involvirt. Zu den Eigenschaften Gottes gehört die Wahrhaftigkeit (veracitas); Gott kann mich nicht täuschen wollen, daher muß Alles, was ich klar und bestimmt erkenne, wahr sein. Aber Jrrthum beruht auf dem Mißbrauch der Willensfreiheit zu einem vorschnellen Urtheil über solches, was ich noch nicht klar und bestimmt erkannt habe. In einem solchen Systeme haben die Bestimmungen der Offenbarung über das Jenseits, da sie sich nicht ohneweiters aus der Vernunft ableiten lassen, keinen Play.

Die Seele, lehrt Descartes, kann ich als denkende Substanz klar und bestimmt auffassen, ohne sie als ausgedehnt vorzustellen; das Denken involvirt keine an die Ausdehnung geknüpften Prädikate. Ich muß andererseits den Körper als ausgedehnte Substanz denken und als solche für real halten, weil ich durch die Mathematik eine klare und bestimmte Erkenntniß von der Ausdehnung gewinnen kann und mir zugleich der Bedingtheit meiner Sinnesempfindungen durch äußere, körperliche Ursachen klar bewußt bin. Die Seele steht mit dem Körper in unmittelbarer Beziehung und Wechselwirkung nur an einem einzigen Punkte inmitten des Gehirns und zwar in der Zirbeldrüse. Bei der Zerstörung dieses Organs wäre somit auch die Fortdauer der Seele nicht weiter denkbar, obwohl Descartes andererseits daraus, daß wir eine klare Verstellung vom Denken im weitesten Sinne haben, ohne daß darin Körperliches mitvorgestellt werde, die vom Leibe ge= sonderte, selbstständige Eristenz unserer Seelen folgert'). Seele und Leib sind ihm unabhängig von einander, sie können keinen direkten Einfluß auf einander haben. Beide sind ja Substanzen, keines bedarf des Begriffes des anderen. Die Seele hat nur Einfluß, Wirksamkeit, insofern sie wesentliche Beziehung auf einander haben. Da aber jedes Totalität ist, so hat keines Bedürfniß des anderen, und ebensowenig reale Beziehung darauf. Den influxus physicus gibt Cartesius nicht zu. Um nun den Dualismus auszugleichen, und die Beziehung und Verbindung des Abstrakten und des Aeußerlichen herzustellen, sezt er Gott als Mittelpunkt der Verbindung in seinem systema assistentiae 2). Gott ist der metaphysische Grund der gegenseitigen Veränderungen von Seele und Leib, insofern er der Seele in dem, was sie nicht durch eigene Freiheit bewerkstelligen kann, Beistand leistet 3).

1) Dabei bleibt freilich die Frage, bemerkt Ueberweg (III. 51), ob nicht die άpaigeois mit dem xweisuós, die abstractio mit der realis distinctio verwechselt werde. 2) de Methodo V. p. 29. cf. p. 173. Amsterd. 1672. 3) Bekanntlich hat der

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