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Die Seelenwanderungslehre gehört überhaupt nicht unter die philosophische Lehre von der Unsterblichkeit, denn wie Blasche') richtig bemerkt, liegt dieser Meinung der Gedanke einer zufälligen Verbindung der Seele mit dem Leibe zu Grunde oder er ist vielmehr in der Meinung selbst enthalten, ein Gedanke, der nur bei der Unkenntniß der Einheit und Gegenseitigkeit gegensätzlicher Verhältnisse entstehen konnte und keine wissenschaftliche Beleuchtung verträgt. Daß ein lebendiger gebildeter Menschenleib nicht denkbar sei ohne menschliche Beseelung 2), gibt man zu, aber man läugnet, daß ebenso wenig eine menschliche Seele (wissenschaftlich) denkbar ist ohne menschliche Verleiblichung. Man sett also einseitig das eine Glied des Gegensazes von Seele und Leib selbstständig, das andere unselbstständig und abhängig vom andern, ohne zu bedenken, daß man so gegen den Begriff eines Ganzen verstößt.

Noch ist jetzt die mystische Seite des menschlichen Geistes zu berücksichtigen, welche J. Fichte erwähnt, da er Troxler's Lehre vom „Urbewußtsein“ und „Urich" behandelt 3). Troxler geht auf ein Urbewußtsein im Menschen zurück, welches als ruhende Grundlage ebenso seiner ersten, sinnlichen Erkenntniß vorangeht, die unter- oder vorsinnliche Psyche" in ihm ist, als auch die weitere Entwicklung des Bewußtseins in das reflektirende Denken begleitet, in seiner höchsten entwickeltsten Gestalt aber, weit über dessen Reflexionsstandpunkt hinaus, in das reine gegensaßlose An= schauen, das intuitive Einssein mit Gott und dem Wesen der Dinge sich erhebt, welches die Mystiker und Theosophen als Contem= plation oder göttliche Weisheit uns geschildert haben, das meistens jedoch, während es Ziel und Vollzustand unseres Geistes sein sollte, in Verküm

1) philosophische Unsterblichkeitslehre p. 20. Dagegen sagt derselbe Verfasser p. 161: Unter allen Formen, in welchen sich die Völker die Unsterblichkeit des Menschen seit dem Beginne der Weltgeschichte bis auf unsere Zeit gedacht oder versinnlicht haben, ist die uralte Lehre von der Seelenwandrung dicjenige, welche unserer philosophischen Ansicht am nächsten kommt. Er meint eben die Wanderung nur wieder in menschliche Körper und redet, wie Herder, von einer „kreislaufenden Metamorphose“. 2) Nach der Etymologie verbindet das deutsche Leib, verwandt mit leben und bleiben (aus beleiben), in sich die Vorstellungen der Eristenz und der willkürlichen Belebung. In anderen Sprachen indogermanischen Stammes heißt der Leib bezüglich seiner organischen Einrichtung und Bestimmung das Lebendige, das Wachsende, das Werkzeug der Bewegung, das Gemachte, das Gestaltete, das Zusammengefügte mit Hervorhebung eines Ganzen zur Einheit verbundener Glieder; hinwiederum wird dem Unvergänglichen, Geistigen gegenüber sein endlicher Charakter hervorgehoben: er heißt das Hinfällige, das Sterbliche, das Zerfließende, auch Hütte, Zelt, Wohnung, Gewahrsam der Seele wird er genannt, diese daher die Kennerin der Wohnung; Siß des Begehrlichen, Verunreinigung, Befleckung heißt er, ähnlich wie, jedoch im christlichen Sinne, das Fleisch (6άok) die menschliche Natur in ihrer Sündhaftigkeit und Sterblichkeit bedeutet, dem Geiste gegenüber, der aus der Gottheit seinen Ursprung hat; sogar das Grab der Seele wird er genannt. C. Hoffmann, etymologische Bedeutsamkeit der deutschen Sprache. p. 8.3) Fichte Anthropologie p. 113 ff.

merung und Verborgenheit zurückbleibt. „Sowie nämlich die menschliche Seele von ihrem Ursprung aus als untersinnliche Psyche hervorgeht in die Sinnlichkeit, sich als Ideales realisirend, so wendet sie sich als übersinnliche Psyche, in der entgegengesetzten Richtung die Wirklichkeit in sich aufnehmend oder sich als Reales idealisirend, ihrer Vollendung zu bis zu jener geistigen Anschauung, die nur sich selbst anschauen und nicht weiter von einer noch höheren angeschaut werden kann, welche daher Occam treffend bezeichnet als die visio quae non potest videri. Diese Vision ist das göttliche Hellsehen, in welchem das menschliche Urich als Ding an sich, sich selbst durchsichtig wird. Dieß ist die Selbsterklärung des Geistes, der die Schlüsselgewalt der Geheimnisse des Alls in sich selbst trägt in dem Maße, wie er sich durch Religion, durch Weisheit und Tugend der schaffenden Natur Gottes in ihrer Offenbarung nach innen und ihrer Verwirklichung nach außen anzunähern vermag 1)."

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Hiernach ist auch, meint Fichte (1. c.) die gewöhnliche Lehre von der Apriorität der Ideen zu berichtigen. Sie sind nicht Werk oder Ausdruck unserer Vernunft, sondern vorherbestimmte Anlagen unseres selbst apriorischen Geisteswesens - Troyler drückt dieß auf's bezeichnendste anderswo durch den Saß aus: nihil est in sensu quod non fuerit in instinctu, welche, indem sie wirksam werden, sich im Bewußtsein kenntlich machen, im Erkennen Grundanschauungen, im Willen ein Grundwollen, im Fühlen Grundgefühle erzeugen, welche nur am Lebendigwerden des Bewußtseins zum Vorschein kommen und daher doppelt irrig, entweder empiristisch (Lockisch) als Produkte der aus der Erfahrung abstrahirenden Vernunft, oder subjektivistisch (Kantisch) als in der Vernunft bereitliegende Formen gefaßt werden, in welche der ursprünglich heterogene Inhalt der Erscheinung aufgenommen wird. Ebenso wenig kann aber auch nach dem Identitätssysteme Schelling's und Hegel's, welche das Prinzip der Identität um eine Stufe zu niedrig faßten, die Vernunft, das Denken, als dieses Prinzip angesehen werden; die Vernunft fällt selbst schon innerhalb des Gegensages, sie ist die mit der Sinnlichkeit schon in Verwachsung gerathene, versinnlichte Bewußtseinsform des Geistes. Das Prinzip der Einheit liegt jenseits in dem gemeinsamen Creaturgrunde und in jener ewigen Creaturexistenz, an der auch der Geist Theil hat, woraus von selbst sich ergibt, daß die Kategorien und Ideen mit der (wahren) Natur in innigster Uebereinstimmung stehen, ja ebenso Gesetze der Natur wie des Geisteslebens sein müssen, weil in ihnen die ursprünglichsten Grundeigenschaften aller Dinge und aller Verhältnisse sich kennbar machen. Darum sind die Kategorien des Denfens: Substantialität und Causalität, zugleich Archinomien des Seins, das Verhältniß von Subjekt und Objekt zugleich die Verbindung von ratio und rationatum. Gleicherweise sind Vernunft und Erfahrung nicht, wie Kant wollte, zwei verschiedene Quellen der Er

1) Trorler, Naturlehre des menschlichen Erkennens oder Metaphysik. Aarau 1828. §. 169-173. 174.

kenntniß, sondern nur die verschiedenen Beziehungen des Geistes auf den Sinn und des Sinnes auf den Geist. Darum sind beide untrennbar, indem nur das eigentlich Erfahrungsmäßige Wahrheit ist, was der Vernunft als eine übersinnliche Wahrheit gilt. Auf analoge Weise ist der Gegensatz von Verstand und Herz ein nichtiger und unwahrer; im Urmenschen oder Urbewußtsein, welches im Hintergrund all unserer sinnlich-geistigen Entwicklung liegt und das wir nur vollständig in uns erwecken sollen, ist kein Unterschied zwischen dem Wahren und dem Guten. Die Ueberzeugung, der recht leitende Wille entscheidet in Beidem und theoretisch und praktisch gleich richtig. So ist endlich auch die Religion kein besonderer oder ausnehmender Zustand, sondern jener hellste Gipfel unseres geistigen Bewußtseins. Das Reich Gottes ist nur diese höhere, innere oder göttliche Natur des Menschen, welche sich in der Vernunft und im Gewissen geoffenbart, die aber auch zum Schauen und zur Weisheit sich erheben soll, worin eben die Religion besteht'). Soviel über die übersinnliche Eristenz des Menschen innerhalb seines sinnlich empirischen Daseins.

§. 4. Die menschliche Persönlichkeit.

Was uns von der Untersuchung über das Wesen des Menschen hier noch erübrigt, ist der Begriff von Person. Dieser Begriff ist im Alterthume wenig entwickelt und verstanden worden; pantheistische Anschauungen stunden seiner Entwicklung von jeher entgegen; mit dem christlichen Theismus ist auch die menschliche Persönlichkeitsidee zur Entfaltung und zum puren Verständniß gekommen.

Leib und Seele bilden durch ihr inniges Ineinandersein den Menschen; der Gipfelpunkt der Menschennatur aber ist seine Persönlichkeit. Obgleich die Thätigkeiten des menschlichen Leibes denjenigen der Seele nicht gleich, und Leib und Seele als zwei ihrer Beschaffenheit nach entgegengesetzte Prinzipe zu betrachten sind, so laufen doch alle Akte des sinnlichen und geistigen Prinzips in den Einheitspunkt der Person aus: Der Leib schläft und doch sagt man: der Mensch schläft als ob auch die Seele schliefe; die Seele denkt und doch sagt man: Ich denke, oder der Mensch denkt als ob auch der Leib denken könnte. Diese Hypostase ist in concreto die Basis der Persönlichkeit. In abstracto aber, d. h. als Begriff beruht die Persönlichkeit auf dem Begriffe von Individualität. Diese ist ein Grundcharakter alles Endlichen, indem jedes endliche Wesen bei allem Gemeinsamen mit seiner Gattung wieder ein bestimmtes Einzelnes ist, d. h. durch eigenthümliche Merkmale von jedem anderen seiner Gattung sich unterscheidet?). Persön= lichkeit ist natürlich etwas Höheres als Individualität, schließt leßtere in sich.

1) Troxler, Naturlehre §. 269 - 308. Psychologie. Stuttgart 1860. p. 15.

2) Beck, Grundr. der empiristischen

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nämlich ein in der vernünftigen

Daher gibt S. Thomas') die Definition: Person bezeichnet das, was das Vollkommenste in der ganzen Natur ist, Natur Subsistirendes (für sich Sciendes). nünftiger Natur wird Person genannt.

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Jedes Individuum von verPerson ist eine Hypostase".

Die Definition von Person und Persönlichkeit ist für unsere Abhandlung von besonderer Bedeutung, denn daß es bei den Beweisen für Unsterblichkeit, wie Schmidt bemerkt, vor allen Dingen auf den Begriff der Persönlichkeit ankommt, ist leicht einzusehen und in ihm kann auch erst der Begriff der Gattung und des Individuums verstanden werden. Hier hängt die Lehre von der Unsterblichkeit mit derjenigen von einem persönlichen Gott auf's genaueste zusammen2), indem überall nur von Persönlichkeit ge= redet werden kann, wenn es einen persönlichen Gott gibt und weil es Persönlichkeiten gab, es einen persönlichen Gott geben müßte. So ist alle wahre Persönlichkeit, welche die durch sein Wesen ihm zugestandene und in ihm zukommende Selbstständigkeit eines Ichs ist, ausschließlich durch die Persönlichkeit Gottes bedingt, in ihr ruht vermöge der Freiheit alle menschliche Persönlichkeit, in der absoluten Freiheit und nur in ihr die endliche d. h. menschliche. Wie nun die Freiheit des Menschen seine Unsterblichkeit möglich macht, so macht das Verhältniß derselben zur göttlichen sie gewiß und zwar die Unsterblichkeit als ewige Fortdauer, welche so im Selbstbewußtsein den göttlichen inneren Grund hat. Daher ist diesem allein jedes wahrhafte Zeugniß für die Unsterblichkeit überlassen. Dieß ist ebenso nothwendig als es gewiß ist, daß Gott freie Wesen geschaffen hat3).

§. 5. Das Bewußtsein.

Das eigentliche Bewußtsein, sagt Frohschammer, ist nicht im Menschen fir und fertig bei seiner Geburt, sondern es beginnt faktisch und entwickelt sich aus dem Wachsein, aus der Empfindung und der Sinneswahrnehmung. Am Beginne des Lebens, bemerkt er (Athen II. 101 ff.), die Zeit gleich nach der Geburt weiß bekanntlich der Mensch noch nichts von sich und auch nichts von der Außenwelt, wenigstens nichts mit Klarheit, wir können es am Kinde in diesem Lebensstadium erkennen - und es ist eine allgemeine Erfahrung und

') S. Theol. I. qu. 29 art. 3: Persona significat id, quod est perfectissimum in tota natura scil. subsistens in rationali natura. Nomen persona ad significandum aliquos dignitatem habentes. Quia magnae dignitatis est in rationali natura subsistere ideo omne individuum rationalis naturae dicitur persona... Persona est hypostasis proprietate distincta ad dignitatem pertinente. - Suarez bemerkt disput. metaph. 34. qu. 29. art. 3. und qu. 75: Subsistere dicitur aliquid, in quantum est sub esse suo, non quod habeat esse in aliquo sicut in subjecto, sed onme per se fit, et quasi in se sustentetur, quum nec fit quasi primum subjectum et quasi fundamentum sui esse. cf. S. Augustinus. Ferner über die geistige Bedeutung der menschlichen Persönlichkeit" cf. Steffens Religionsphilosophie I. p. 16. 2) cf. unten „die Gottesidee und die Unsterblichkeitsidee“. — 3) Krit. des Bewußtseins p. 136.

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Annahme, daß wir Alle erst allmählig zum Bewußtsein und Selbstbewußtsein kommen und beides erst mehr und mehr vervollkommnen müssen, wodurch offenbar ist, daß dieß am Beginne des Lebens noch nicht vorhanden, wenigstens noch nicht entwickelt war. Darum darf man aber noch nicht annehmen, daß der physische Zustand der Kinder in dieser Lebenszeit der einer vollkommenen Bewußtlosigkeit sei, etwa, wie man öfter meint, vergleichbar mit dem Schlafzustande der Erwachsenen; denn bewußtlos in dieser Weise ist der Mensch auch in frühester Lebenszeit nur im Zustande des Schlafes, durchaus aber nicht im Zustande des Wachseins, wenn sie auch in diesem noch gar nichts Bestimmtes wahrzunehmen und noch weniger vorzustellen und zu denken vermögen. Dieser Zustand des Wachseins, wenn er auch verläufig noch gar keinen bestimmten (psychischen) Inhalt hat, bietet wenigstens die leibliche und psychische Möglichkeit, Empfindungen zu haben, theils leiblich innerliche, wie Hunger 2c. theils äußerliche durch mancherlei Berührungen; ebenso die Möglichkeit zu Sinneswahrnehmungen, die anfänglich wohl auch vorherrschende (subjektive) Empfindungen, noch nicht (objektive) klare Wahrnehmungen von Gegenständen sind. Indem nun einerseits durch Empfindungen die Kraft der Seele stets angeregt, innere Erfahrung erzielt wird und das Selbstgefühl sich bildet, durch Wahrnehmungen oder sinnliche Anschauungen aber theils innerer Besitz errungen, theils Orientirung über das eigene Sein gegenüber von Anderem erreicht wird, geht das Wachsein immer mehr über in Bewußtsein d. h. das Wachsein verbindet sich immer mehr mit dem klaren Wissen dessen, was uns unmittelbar umgibt, und mit Erinnerung und innerer Nachbildung von dem, was wir früher geschaut oder gehört, überhaupt wahrgenommen haben. Daran schließt sich endlich das Selbstbewußtsein d. h. Wahrnehmen und Wissen, daß unser Wesen der beharrende und stets identische Mittelpunkt all der Empfindungen, Wahrnehmungen, Vorstellungen, Gedanken und Willensstrebungen sei, all' des Denkens, Thuns und Leidens, das den Inhalt unseres Lebens ausmacht. Von da an beginnt dann die eigentliche Lebensgeschichte des persönlichen Wesens mit seiner intellektuellen Entwicklung, seinen ethischen Thaten und Gemüthsbewegungen oder Gefühlen. Daraus ergibt sich das Verhältniß der verschiedenen intellektuellen Entwicklungszustände und Thätigkeiten zu einander und nach einander."

Wenn es gelingt, die Continuität dieser Zustände und Thätigkeiten und auch ohne dieselben die des Bewußtseins (im obigen Sinne) als that= sächlich nachzuweisen, dann sind die Prämissen für den Schluß gewonnen, den man aus dem Selbstbewußtsein für die Fortdauer des Menschen zu ziehen pflegt.

Betrachten wir nun das Wachsein. Es ist, wie wir wahrnehmen können, ein leiblich-psychischer Zustand, nicht eigentliche Thätigkeit, aber es ist doch auch nicht Ruhe und Unthätigkeit, sondern ein gewisses inneres Erschlossensein und ein Hellsein oder vielmehr ursprünglich ein Dämmerungssein, das die Möglichkeit bietet und die Ursache ist, daß auch die äußere

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