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Welt auf unsere Sinne und unsere Seele einwirkt, in sie gewissermaßen eingeht, ihr präsent und diese wiederum jener offen ist. Man kann dieses zwischen bloßem Zustand und Thätigkeit schwankende Sein allenfalls als Aktuosität bezeichnen, ohne damit freilich einen klaren Begriff gegeben zu haben. Als eigentliches Bewußtsein und Selbstbewußtsein kann das Wachsein nicht gelten, wenn es auch die Möglichkeit dazu enthält und die Grundbedingung dazu bietet, ja eigentlich auch schon die Keime oder Anfänge dazu enthält, wie etwa der Embryo in den ersten Zeiten noch kein bestimmtes, organisirtes Nervensystem enthält, doch aber die Anfänge, die treibende Kraft und die Norm dazu. Eine Modifikation des Wachseins ist die Empfindung, wodurch das Wachsein erst zu Selbstgefühl angeregt wird und in dieses übergeht, zugleich aber auch eine Bestimmtheit erhält, so daß im Selbstgefühl nicht bloß das Sein, sondern auch das Sosein oder die innere Beschaffenheit im bestimmten Augenblick erfahren wird. Der Mensch (wenigstens in der ersten Lebenszeit, vor der Ausbildung des flaren Bewußtseins und Selbstbewußtseins) hat nicht bloß Empfindung, er wird Empfindung, er geht in diese so zu sagen auf, ist entäußert in sie, ohne noch im Bewußtsein sich selbst während der Empfindung als Empfindendes zu besißen und demselben gegenüber sich zu behaupten, und zwar nicht bloß in der ersten Lebenszeit, sondern auch in späterer Zeit geschieht dieß noch, wenigstens in einzelnen Momenten, wo das eigentliche Bewußtsein von der Uebermacht der Empfindung überwältigt wird, wie sich ja der Mensch momentan in einen bestimmten Gedankenkreis so ganz verlieren kann, daß er gleichsam in denselben aufgeht. Eigentliches Bewußtsein und Selbstbewußtsein ist auch die Empfindung nicht, wenn sie auch in bestimmterer Beziehung zu denselben steht als das bloße Wachsein. Sie enthält zwar eine bestimmte Erfahrung als modificirtes Daseinsgefühl und dadurch ist freilich auch eine Gewißheit und insofern eine Art Wissen damit gegeben. Zum eigentlichen Bewußtseinsakt fehlt aber der Empfindung der vom psychischen Akt unterschiedene Inhalt desselben, denn der eigentliche Bewußtseinsakt faßt immer ein Anderes, vom Wissen Verschiedenes als Gewußtes in sich. Dieß ist bei der Empfindung nicht der Fall, wenigstens so lange nicht, als das klare Bewußtsein entwickelt ist; in dieser ist kein solcher Unterschied, der Empfindende unterscheidet sich nicht von der Empfindung und dem Empfundenen, er ist Alles unmittelbar selber. Man kann daher die Empfindung zwar ein Jnnewerden eines Zustandes der eigenen leiblich - psychischen Natur nennen, aber nicht wohl eine Vorstellung davon, denn Lust und Schmerz selbst wird dabei erfahren, nicht etwa ein Bild als Aequivalent dafür; auch nicht die Ursache davon wird in der Empfindung als solche schon wahrgenommen, sondern dieß geschieht erst durch das eigentliche Bewußtsein, durch unmittelbare Sinneswahrnehmung oder durch Erinnerung und durch Denken. In diesem Falle kann dann die Empfindung sogar als unmittelbar Gewisses, Selbst= erfahrnes und Unbestrittenes Grundlage wissenschaftlicher Forschung und Entscheidung werden, wodurch auch der Wissensschaß, der in denselben ver

borgen ist, erst eigentlich gehoben, zum klaren Bewußtsein gebracht wird. Man kann also sagen, in der bloßen Empfindung ist der Mensch seiender Bewußtheit theilhaftig, aber noch nicht des wissenden Seins oder Bewußtseins. Die Empfindung selbst ist noch kein bestimmter Bewußtseinsakt in dem Sinne, in der Weise, wie etwa die Erinnerung an eine Empfindung, die man früher hatte, ein solcher Bewußtseinsaft ist, wenn dieselbe auch als eine Art Bewußtseins zustand betrachtet werden kann, bei dem keine Vorstellung und Unterscheidung von Anderem nothwendig ist. Empfindung schließt also zwar dunkle Bewußtheit eigenthümlicher Art in sich, sonst könnte sie keine Erfahrung bilden, kein Jnnewerden sein, aber das Bewußtsein ist nicht umgekehrt bloße Empfindung oder weiter ausgebildete Empfindung und etwa vermittelt durch die sensiblen oder EmpfindungsNerven. Empfindung schließt andererseits einen höheren oder geringeren Grad von Unbewußtheit in sich, aber sie ist kein Zustand und Akt der Bewußtlosigkeit, denn in solchem Zustande ist Empfindung gar nicht

möglich.

Bestimmter tritt das Bewußtsein hervor in der Sinnes wahrneh mung, die vermittelt wird durch die sensuellen Nerven, wenn auch allerdings bei einzelnen Sinnen namentlich bei dem Tastsinn Empfindung und Wahrnehmung nicht immer ganz bestimmt unterschieden und abgegrenzt werden können, am wenigsten in der frühesten Lebenszeit. Die Sinne sind unmittelbar auf Objektivität angelegt d. h. dazu bestimmt Anderes wahrzunehmen, als solches von dem eigenen Sein, zuerst dem psychisch-leiblichen, später vom eigentlich psychischen zu unterscheiden. Wird auch gewiß anfänglich bei Sehen und Hören noch nicht bestimmt an das Gesehene und Gehörte gedacht oder dasselbe vom eigenen Sein und dem Zustand desselben unterschieden, so führt doch dieß in Verbindung mit der Empfindung allmählig dazu und damit zum eigentlichen Bewußtsein.

Das Bewußtsein im eigentlichen Sinne ist, wenn man genauere Unterschiede machen will, zu unterscheiden einerseits von der Unbewußtheit, die auch während des Zustandes des Bewußtseins vorhanden ist, mehr oder weniger und in diesem Leben nie ganz überwunden werden kann, und andererseits von der Bewußtlosigkeit, dem Zustande geschwundenen eder gehemmten Bewußtseins. Bewußtheit und Unbewußtheit bezieht sich mehr auf das Inhaltliche, Bewußtlosigkeit mehr auf die Form der in Frage stehenden psychischen Zustände und Thätigkeit. Bewußtsein schließt in sich einen beharrenden, eine identische Continuität bildenden Zustand und eine wechselnde Reihe von Akten, die zum Inhalt bestimmte Objekte haben. Das erste Moment erscheint als fortgebildetes erhöhtes Wachsein oder inneres Hell- und Aufgeschlossensein, das zweite Moment ist das in diesem wachen und hellen Zustand der inneren Natur stattfindende Wahrnehmen und innere Besizen beständig wechselnder vorüberziehender Objekte, seien diese durch die Sinne dargeboten oder innerlich durch Gedächtniß, Einbildungskraft oder Denken reproducirt und producirt, sei es

freiwillig durch Anstrengung oder unfreiwillig in plößlichen Einfällen. Dieses Bewußtsein als Zustand und Thätigkeit der Wahrnehmung eines vom Wahrnehmenden, Wissenden, Verschiedenen theilt sich dann nach diesem Anderen, Inhaltlichen wiederum in das Ander- und Selbstbewußtsein, wovon jenes sich wiederum scheidet in das Welt- und Gottesbewußtsein.

Wir redeten hier bisher von einem Bewußtsein im psychologischen Sinne als einem psychischen Zustand und einer psychischen Funktion, und hierauf soll sich auch unsere spätere Beweisführung gründen. Sehen wir aber auch auf den Inhalt des Bewußtseins, so haben wir das historische Bewußtsein; da redet man sodann von einem religiösen, politischen Standesbewußtsein, philosophischem Bewußtsein 1) 2c. Bleiben wir beim Bewußtsein im psychologischen Sinne stehen und betrachten noch etwas näher dessen Entwicklungsprozeß bis zur Vollendung im Selbstbewußtsein. Der Prozeß der Bewußtseinsbildung, bemerkt Frohschammer weiter (II. 108), ist ein Prozeß der Aufnahme des Andern in die Klarheit des eigenen Seins (in formaler Umgestaltung) und einer gewissen Hingabe daran, zugleich aber auch ein Befreiungsprozeß von diesem Andern, das dadurch immer mehr in den selbstständigen Besitz des Geistes kommt, über den er schon als bewußter sich erhebt, freilich nur durch das in der Anlage oder selbst schon in der Aktualität vorhandene Selbstbewußtsein. In dieser Beziehung schreibt Geiße): Bewußtsein ist Wissen des Menschen von sich, das sich erfaßt haben, das Weilen der Seele in ihrer eigenen Lebenstiefe, das Gesammtsein der manichfaltigen Richtungen des Lebens in einer einigen selbstständigen Mitte, in welcher alles Daseiende vergeistigt wird, alles Geistige aber aus dem Materiellen entlehnte Gestalt annimmt, es ist also die Subjektivi tät des Lebens.

Auf diese Weise ist der Prozeß des Bewußtseins auch ein von Innen her erfolgender Entwicklungs- und Ausbildungsprozeß des Geistes selbst, dessen Resultat sich sowohl kundgibt im Momente des inneren Hell- oder Lichtseins, als auch im Momente der Aufnahme oder Wiedereinführung in das Beleuchtungsgebiet des Bewußtseins. Das erste gewinnt an Klarheit und Nachhaltigkeit, das zweite an Fülle, Bestimmtheit und Energie. Doch gehen wir über zur Betrachtung des Selbstbewußtseins.

§. 6. Selbstbewußtsein.

Unter Selbstbewußtsein ist dieß zu verstehen, daß man nicht bloß empfindet, sinnlich anschaut, innerlich Anderes vorstellt und denkt, endlich will und fühlt, sondern sich auch als Subjekt von allen diesen Thätigkeiten

1) Leßteres nennt Blasche (p. 119) ein Wissen um das Wissen, ein Erkennen der wechselnden Erkenntnisse, sich selbst gleich, immer dasselbe.—2) Forschungen über Unsterblichkeit p. 3.

weiß, von dem sie ausgehen, worauf sie sich beziehen, als das Beharrende und Wirkende bei allem Wechsel, das dann das Substrat seiner Lebensgeschichte, das Subjekt seiner Gedanken und Einsicht ist und sich verantwortlich weiß für seine Willensthaten. So lange der Mensch nur empfindet, wahrnimmt, innerlich vorstellt und will, hat er nur Bewußtsein, sobald er auch weiß, daß er empfindet, wahrnimmt, denkt und will, oder sobald er sich selbst als Wahrnehmendes, Denkendes 2c. weiß, hat er Selbstbewußtsein, und zwar nicht als Resultat mühsamer Selbstbeobachtung und Untersuchung, sondern in Folge unmittelbaren inneren Aufleuchtens, — denn jene sette Selbstbewußtsein schon voraus. Dieses Selbstbewußtsein oder das Selbstbewußtseiende, das Jch, ist nämlich zwar Resultat eines Prozesses, aber es ist nicht bloß Resultat, sondern zugleich bestimmendes Prinzip in diesem Entwicklungsprozeß, und darum verliert es troß aller Vermittlungen doch auch seine Unmittelbarkeit nicht '). ́

Auch das Selbstbewußtsein ist im Anfang des Lebens nicht plötzlich fir und fertig, sondern aus dem Wachsein, der Empfindung, der Sinneswahrnehmung und dem Bewußtsein sich entwickelnd, bildet es sich in leisen Anfängen 2) und tritt, wie es scheint, anfänglich nur in einzelnen Akten mit Bestimmtheit auf, dann wieder in das bloße Bewußtsein oder wenigstens in Unbestimmtheit zurücksinkend, um erst allmählig, gradweise in volles, ständiges Selbstbewußtsein (Jch) überzugehen. Dahin deutet auch die Thatsache, daß das Kind zuerst nur in der dritten Person von sich spricht, also von sich selbst nur ein Bewußtsein, noch nicht ein eigentliches Selbstbewußtsein hat. Es weiß sich da nur als Anderes, als Objekt, noch nicht als Subjekt, darum gebraucht es nicht die erste Person, Jch, von sich, sondern die dritte oder vielmehr seinen Namen. Ist aber das volle Selbstbewußtsein als Zustand faktisch eingetreten, dann besteht es zunächst und im gewöhnlichen Zustand darin, daß der Mensch sich als Subjekt weiß, nicht aber darin, wie man oft annimmt, daß er sich selbst wiederum auch denkt d. h. fortwährend als Objekt oder in sich hat (Subjekt-Objekt) 3).

1) Frohschammer Athen II. 114. 2) Erinnerungen aus den frühesten Jahren der Kindheit, von mehreren Personen nebeneinander gestellt, würden vielleicht erweisen, meint Morit (Magaz. I. 68), wie sich die Ideen zuerst von der Farbe, dann von der Gestalt, dann von der verhältnißmäßigen Größe der Gegenstände nach und nach in der Seele firirt haben. Und könnte man nicht auf die Weise vielleicht dem geheimen Gange nachspüren, wie das wunderbare Gewebe unserer Gedanken entstanden ist, und mit der Zeit die ersten Grundfäden desselben auffinden? 3) In einer Art Selbstvers doppelung, bemerkt Frohschammer (II. 116) besteht das unmittelbare Selbstbewußtsein als gegebene Thatsache nicht, so daß das Subjekt in sich ein Subjekt und Objekt sezte und sich dadurch für das Bewußtsein gewänne. Dieß findet wohl statt bei der Analyse der Momente des Selbstbewußtseins, also in der Reflerion darüber, aber nicht in ihm selber, denn es wäre schon nothwendig, damit dieser Prozeß nur stattfinden fönnte, es müßte also vor sich selber sein. Auch mit Selbstseßung ist der Vorgang des unmittelbaren Selbstbewußtseins nicht angemessen ausgedrückt, sofern dieß leicht mißverstanden werden kann, als sei eigentliche Wesensseßung damit gemeint, während

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Das Selbstbewußtsein bezieht sich durchaus auf das eigene geistige Innere des Menschen, und zwar nicht auf die Vorgänge und Thätigkeiten im geistigen Inneren und deren Verlauf, sondern auf das in diesem Wechsel beharrende geistige, in sich identische Sein oder Substrat selbst, wovon jene nur Zustände sind, auf das Wissende und Wollende, nicht auf die Wissens und Wollensakte. Wenn bemerkt wird, ohne diese geistigen Akte sei auch jenes geistige Sein oder Selbstbewußtsein nicht, oder nur ein leeres abstraktes Gedankending, so hat man da nur von vorneherein eine falsche Ansicht vom Selbstbewußtsein, als sei es nämlich nur der leere Begriff des Thätigseins oder die zusammengefaßte abstrakte Summe von Thätigkeiten, während mit Selbstbewußtsein das Thätige selbst mit all' seinen Kräften und Thätigkeiten bezeichnet werden. soll. Wer daher Selbstbewußtsein als etwas Leeres bezeichnet, der denkt es nicht richtig oder hält den abstrakten Gedanken oder Begriff davon für die Sache selbst.

Das Selbstbewußtsein in unserer Auffassung wird als Ich bezeichnet. Unter Ich versteht man also nicht den Begriff des Selbstbewußtseins, sondern man versteht darunter das Selbstbewußtseiende mit seinem Wissen, seinem Wollen und seinen Erlebnissen. Es kann daher von einem allge= meinen Jch nicht die Rede sein, denn ich und Abstraktheit oder Allgemeinheit sind ein Gegensatz ').

doch jedenfalls die Selbstseßung nur auf die Form davon sich beziehen, also nur Seßung des Wissens um das Sein und Thätigsein damit gemeint sein kann. Wiederum kann ebensowenig von einer unmittelbaren eigentlichen Wesensschauung bei der unmittelbaren Thatsache des Selbstbewußtseins die Rede sein (aller Streit über die Substantialität der Seele hätte sonst ein Ende), denn das innerste Wesen erfahren wir eigentlich nicht, sondern nur daß wir sind und daß wir innerlich thätig sind, also nur unser Sein und Thätigsein in Gefühlen, Erkennen und Wollen erfahren wir, und unser Wesen nur insofern, als es freilich auch in diesem Sein und Thätigsein und hinwiederum in eben diesem Selbstbewußtsein selbst (als seiner eigentlich adäquaten Form) sich offenbart, welches Lettere aber erst als Inhalt des refleriven Selbstbewußtseins zu klarer Bestimmtheit kommt. Auch ist das Selbstbewußtsein nicht entsprechend ausgedrückt in der Formel ich denke“, denn für's Erste besteht die Aktualität desselben nicht etwa in der fortwährenden inneren Wiederholung: „ich denke“ dessen bedarf es vielmehr bei der unmittelbaren Aktualität des Selbstbewußtseins gar nicht, dann aber faßt dasselbe weit mehr in sich, als bloß das „ich bin, der es denkt“, denn es schließt auch das Selbst= gefühl mit seinen Modifikationen, dann die errungene intellektuelle Bildung und die moralische Verantwortlichkeit, das Gewissen in sich.

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1) Athen II. p. 118, wo ferner bemerkt wird: Man kann allerdings von allem wechselnden und empirischen Inhalt des Einen Ich oder aller Jch abstrahiren, und was so gewonnen wird als reines Ich bezeichnen, allein auch dieß ist kein allgemeines Jch, das als solches gedacht werden könnte, sondern es ist damit nur das Wesentliche bezeichnet, was zu jedem Jchsein gehört; Leersein oder allgemein Abstraktsein aber gehört nicht zum Wesentlichen des Ich, ohne welches etwa ein solches nicht real sein könnte. Zudem versteht es sich von selbst, daß bei der wirklichen Realisirung des Begriffs Ich nicht bloß die Combination dieser Jch-Merkmale erforderlich ist, sondern ein Mehr noch

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