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§. 6. Krause,

der seinen philosophischen Schriften, wie Ueberweg ganz richtig bemerkt (Grdr. III. 217), die Verbreitung unter den Deutschen durch seine wunderliche Terminologie, die reindeutsch sein soll, aber undeutsch ist, selbst be= schränkt hat, sucht über den Pantheismus des Identitätssystems zu einer All in Gott-Lehre oder einem „Panentheismus“ hinauszugehen. Schelling's Pantheismus lehre nur, daß Gott alles Endliche in, unter und durch sich wese". Spinoza, Schelling, Wagner, Hegel hätten darin Recht, daß sie die Philosophie als Absolutismus, d. h. als Lehre vom Absoluten dargestellt haben. Die Philosophie nun löst die ihr hiebei erwachsende Aufgabe der Vermittlung des Subjektivismus und Absolutismus so, daß sie in zwej „Lehrgänge" zerfällt, von welchen der erste, der subjektiv-analytische, vom Selbstbewußtsein als dem ersten gewissen Erkennen ausgeht und sich allmählig zum höchsten Grundgedanken erhebt, von welchem dann in dem objektiv-synthetischen Lehrgange herabgestiegen wird zu dem, wovon ausgegangen ward, woraus sich begreiflicher Weise ergibt, daß im ganzen System Alles zweimal vorkommt. Was den subjektiv-analytischen Lehrgang betrifft, so sagt er uns u. A., daß mit der „Selbstschauung Jch", an deren Wahrheit nicht gezweifelt werden kann, ein fester Ausgangspunkt, sowie ein subjektives Kriterium der Wahrheit gefunden ist. Was so gewiß ist, wie das Ich bin, das ist. Sehen wir aber genauer zu, was oder wie wir uns in diesem Inneren finden, so zeigt sich, daß die Selbstschauung Jch ein Vereinswesen von Leib und Geist (Seele)" enthält, oder menschliches Jch ist. Die Endlichkeit, die sich in der Selbstschauung Ich findet, sowohl durch das Begrenztsein durch andere Jchs, an deren Dasein ich nicht zweifeln kann, als dadurch, daß sich die einzelnen Funktionen des Jchs begrenzen, führt über das Ich hinaus. Endlichkeit oder Begrenztheit kommt nur dem zu, was Theil eines Ganzen ist; da der Theil zum Ganzen in dem Verhältnisse des Begründeten zum Grunde steht, so postulirt nicht jedes Dasein, wohl aber jedes endliche Dasein einen Grund oder ein Ganzes, in dem und von dem es begründet ist. Das Jch, indem es Vereinswesen und auch endlich ist, weist also auf zwei Ganze, auf die Natur, von der sein Leib (es als Leibwesen), und auf die Vernunft, von der sein Geist (es als Denkwesen) ein Theil ist. Ebenso weisen aber diese beiden, eben weil sie sich begrenzen, auf ein Wesen über ihnen hin, das eben darum Urwesen genannt werden kann. Aber auch dieses weist auf einen noch höheren Gedanken die Silbe Ur (Ueber) deutet eine Relation an. Das über alle Relationen Hinausgehende, darum absolut nicht - Relative ist Gott, oder Wesen schlechthin. Aus Krause's objektiv-synthetischem Lehrgang müssen wir dessen Anthropologie etwas näher in Untersuchung ziehen. In seinen desbezüglichen Werken entwickelt unser Philosoph u. A. in seinem Urbilde der Menschheit, in den Grundwahrheiten, in seiner Philosophie der Geschichte" folgende

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Theorie: Der Mensch ist zwar nicht die einzige, aber die höchste Verbindung von Natur und Vernunft, indem hier die höchste Synthese in dem Reiche der Natur, den vollkommensten Thierleibern, verbunden sind in unveränderlicher, nie sich mehrender Zahl, da die Menschheit des Alls nicht wächst. Nur einen Theil derselben, die Erdenmenschheit kennen wir bis jetzt. Die höchste Bestimmung des Menschen ist, nicht bei der Selbstinnigkeit stehen zu bleiben, sondern sich zur Ander-, endlich zur Gottinnigkeit zu erheben. Darum bildet die Religionsphilosophie den Schlußpunkt nicht nur der Anthropologie, sondern aller Wesenlehren, weil sie zeigt, wie hier der Mensch dahin kommt, Gott darzuleben, Gott dazu, sich dem Menschen hinzugeben, was jedoch nicht so verstanden werden darf, als wenn in Gott irgend eine Veränderung fiele. Gott ist nicht aber er zeigt hier die Eigenschaft der Liebe. Mensch heißt aber hier nicht nur der Einzelne, sondern auch die Verbindungen der Menschen haben zu ihrer Basis den Gottbund, zu dem sich die Kirche nur als schwacher Abglanz verhält, da sie ja noch nicht einmal die Erdmenschheit ganz befaßt.

Was Krause's Ethik betrifft, so ist sie ihm im Ganzen: Das im Leben dargestellte Wesentliche oder das Darleben desjenigen Theils des höchsten Guts (Gottes), welcher durch den Menschen verwirklicht werden. kann. Die Sittenlehre (Vernunftlebenlehre) betrachtet den Menschen nicht nur als Einzelnen, sondern zeigt, wie er sich zum Gliede der Gesellschaft macht, die als höherer Mensch betrachtet werden muß. Dieses geschieht in dem Tugendbunde, dessen Schilderung besonders das Urbild der Menschheit gibt; wir sehen hier Krause's Freimaurer-Ideen theilweise hervortreten.

In seiner Rechtslehre perhorrescirt unser Philosoph die Vergeltungstheorie, sowie er überhaupt die Strafe einzig als Erziehungsmittel betrachtet; diese Auffassung trägt er auch auf seine eschatologischen Ansichten über.

In seiner Philosophie der Geschichte sagt uns Krause (nach Erdmann's wörtlicher Darstellung, Geschichte der Philosophie II. 591), „daß das Leben, zwar nicht des Wesens (!) schlechthin, auch nicht der unendlichen Wesen in Gott, der Natur, Vernunft und Menschheit, wohl aber der beschränkten Menschheiten und Individuen durch die drei Stadien des Keimes, der Jugend und der Reife hindurchgehe, deren jedes wieder dieselben drei im verkleinerten Maßstabe erkennen läßt. Die Erdmenschheit, durch generatio aequivoca (wie bei Oken) entstanden, hat ihr „Keimlebenalter", in dem sie in einem magnetischen, urhellen Zustande mit dem Urwesen lebte, hinter sich, und nur die Erinnerung daran dauert in den Sagen vom goldenen Zeitalter fort. Das Wachslebenalter" hat seine erste Pe= riode, des Polytheismus, mit dem an den Essäerbund sich anschließenden Jesus, seine zweite, die der monotheistischen Gottinnigkeit, welche zu Weltverachtung und Priesterherrschaft führte, mit der Wiederherstellung der Wissenschaften abgeschlossen. Seine dritte, deren zwei entgegengesetzte Richtungen die mächtigen Geheimbünde der Freimaurer und Jesuiten erzeugten, geht zu Ende und es dämmert das „Reiflebenalter", in welches die Voll

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endung aller Theilgesellschaften, sowie die Vollendung aller ächt menschlichen Bestrebungen, des Recht, Tugend- und Vereinlebens" im Großen wie im Kleinen fallen wird. Gewiß alle Glieder der Erdmenschheit, vielleicht aber sie selbst als Glied der großen Menschheit wird mit den andern Gliedern in Gemeinschaft treten. Vielleicht wird erst, nachdem wir zu Sonnenmenschen geworden sind, ein solcher über die Erde hinausgehende Verkehr uns möglich werden. Eintreten aber muß er, denn da die Zahl der Geister sich nicht mehrt, so muß, nachdem die Reife vollendet und der Tod eingetreten ist, ein anderes höheres Leben beginnen. Ist doch auch das gegenwärtige nicht das erste; die Frucht eines jeden Lebens geht in das nächste, vielleicht auf einen andern Planeten über (Sternwanderung). Genie ist eine solche Frucht des Vorlebens. Eben darum ist auch das herannahende Greisenalter weder des Einzelnen, noch der (Theil) Menschheit ein bloßes Unglück, denn zugleich nähert sich auch die Neugeburt zu einem höheren Dasein. Eben darum kommt das höchste Ziel, der allgemeine Menschheitsbund, immer näher."

Krause's Lehre vom Jenseits auf pantheistischen Voraussetzungen beruhend und die Bestimmungen der Offenbarung von der Hölle 2c. bei Seite segend, gibt uns über das eigentliche Wie der Fortdauer keinen Aufschluß und spricht sich, wenn wir vom System Krause's absehen, auch nicht über die persönliche Forteristenz des Menschen nach dem Tode bestimmt aus1).

§. 7. Hegel

hat, indem er das von Schelling vorausgesetzte Identitätsprinzip nach der von Fichte geübten Methode dialektischer Entwicklung begründet und durchgeführt, das System des absoluten Idealis mus geschaffen, dem die endlichen Dinge nicht (wie dem subjektiven Jdealismus) als Erscheinungen für uns gelten, die nur in unserem Bewußtsein wären, sondern als Erscheinungen an sich, ihrer eigenen Natur nach, d. h. als solches, was den Grund seines Seins nicht in sich, sondern in der allgemeinen göttlichen Idee hat. Die absolute Vernunft offenbart sich in Natur und Geist, indem sie nicht nur als Substanz beiden zu Grunde liegt, sondern auch als Subjekt vermöge fortschreitender Entwicklung von den niedrigsten zu den höchsten Stufen aus ihrer Entäußerung zu sich zurückkehrt. Die Philosophie ist die Wissenschaft des Absoluten. Als denkende Betrachtung der Selbstentfaltung der absoluten Vernunft hat die Philosophie zu ihrer nothwendigen Form die dialektische Methode, welche im Bewußtsein des denkenden Subjekts die Selbstbewegung des gedachten Inhalts reproducirt. Die abs

1) Das Werk von H. S. Lindemann „übersichtliche Darstellung des Lebens und der Wissenschaftslehre Krause's und dessen Standpunkt zur Freimaurerbrüderschaft“, München 1839 ist uns leider nicht zur Hand gekommen, weßhalb obige Darstellung

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an einigen (jedoch unwesentlichen) Mängeln leiden mag.

solute Vernunft entäußert sich in der Natur und kehrt aus ihrem Anderssein in sich zurück im Geiste. Ihre Selbstentwicklung ist demnach eine dreifache, nämlich 1) im abstrakten Elemente des Gedankens, 2) in der Natur, 3) im Geiste, nach dem Schema Thesis, Antithesis, Synthesis 1).

Wir werden hier unsererseits unwillkürlich an die pantheistische Auffassung Plato's erinnert, welchem ja „das Göttliche im Menschen" die Idee das Unsterbliche ist, wobei er es nicht zum persönlichen Dasein und Forteristiren der Seele bringt, weil er nur (wie Hegel) die Ideen, das Denken, und in diesem Denken wieder eigentlich nur das göttliche Denken, „die göttliche Jdee" kennt, das Wollen, die Freiheit des Willens aber, worin ein wesentliches Moment der Persönlichkeit beruht, ganz vergißt. Wir sehen hier bei Hegel Gott als „absolute Vernunft", die nach ihrer Entäußerung in Natur und Geist, denen sie als Substanz zu Grunde liegt, und nach fortschreitender Entwicklung zu sich zurückkehrt. Der Geist wird Gott nimmt an der Unendlichkeit der absoluten Vernunft Theil, ist und wird sie selbst Alles thut hiebei das Denken, vom Wollen im rechten Sinn also von der anderen Vorbedingung zur Bildung des Persönlichkeitsbegriffs ist keine Rede. Das Individuelle bei der Entäußerung des Absoluten ist etwas Vorübergehendes, nichts Bleibendes, Selbstständiges bei der großen Fortentwicklung; das Bleibende ist nur die absolute Vernunft, das Allgemeine 2).

In Hegel's System findet die Unsterblichkeitsidee nach dem Angeführten keinen Platz, besonders wenn wir darunter persönliche Fortdauer verstehen, denn es fehlt am wahren Begriff von Wollen. Die Phänomenologie endet in ihrem lehten, theoretisch-praktischen Theil, welcher speziell „Psychologie" heißt, mit der Idee der Glückseligkeit, d. i. der durch die Reflerion des Verstandes hervorgebrachten Vorstellung von einer Befriedigung aller Triebe! in diesem allgemeinen Zwecke schließen sich die besonderen Willen der Vielen zu einem vernünftigen Gemeinwillen zusammen, in dessen Realisirung Jeder auch seinen besonderen Zweck und seine individuelle Befriedigung, somit seine Freiheit findet. Dieser allgemeine objektive Wille ist nach Hegel der objektive Geist überhaupt. Zuerst nun realisirt sich der freie Wille als einzelner, d. i. als Person3), worunter

1) Ueberweg, Grundriß der Philosophie III. 217. 2) Hegel scheint auch in Plato seine Anschauung in Bezug auf die Seele gefunden zu haben, weil er nach Be= leuchtung der Aussprüche Plato's über Unsterblichkeit mit Wohlgefallen hervorhebt, „daß Plato das Wesen der Seele ganz im Allgemeinen erhält und ihre Wahrheit und Sein nicht in sinnliche Einzelheit seßt, und die Unsterblichkeit der Seele nicht im Sinne der Vorstellung bei ihm genommen werden kann, in welchem wir sie nehmen, als ein einzelnes Ding." Auch den Mythus Plato's von dem Aufenthalte der Seele nach dem Tode läßt er nicht im wörtlichen Sinne gelten. Gesch. d. Philos. in Hegel's ges. Werken. Wien 1833. Bd. XIV. p. 214. cf. weiter unten die Bemerkung.

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nicht bloß die geistig-leibliche Persönlichkeit im engeren Sinne zu verstehen ist, sondern Alles, was zur vollständigen Organisation der individuellen Freiheit auch äußerlich gehört, namentlich also das Eigenthum, denn „Alles, was Sache ist, ist prästabilirt, ein willenloses Glied des Menschen, sein Mittel und Werkzeug zu werden, so daß er erst in diesem Umkreise sich selbst, sein eigenes Können und Vermögen besitzt. Sodann aber reflektirt auch der freie Wille sich aus dieser Aeußerlichkeit und Wirklichkeit zugleich in sich selbst, ist in jener auch für sich; es ist dieß das Recht des subjektiven Willens, die Moralität, auch particular für sich und individuell für sich bestimmt zu sein')." Daß nun die Sehnsucht des Geistes nach Fortdauer auch von Hegel als eine durch Reflexion vom Verstande hervorgebrachte Vorstellung eines Triebes, der Befriedigung verlangt, betrachtet werden müsse, läßt sich wohl nicht in Abrede stellen. Ob aber Hegel diesen „Trieb" als Motiv zum Unsterblichkeitsglauben annimmt, das ist die Frage, welche mehr Schwierigkeit bei der Entscheidung entgegenstellt, als jene, ob Hegel seinem Systeme gemäß die Unsterblichkeitsidee anneh= men konnte oder wollte. Und so bemerkt Geiße (Forschungen p. 35): Eine der schwierigsten Aufgaben dieses (des Hegel'schen) Systems scheint gerade die zu sein, die Gegensäße zwischen Glauben an die Unsterblichkeit und Nichtglauben zu versöhnen. Da es nun, sagt er weiter, gewiß ist, daß zwischen den Säßen es gibt“ und „es gibt nicht" keine Vermittlung durch einen dritten Saß, welcher jene beiden sich widersprechenden verschmelze, möglich ist, so muß sich zwar auch die Hegel'sche Philosophie zu einem von beiden Säßen bekennen, aber sie faßt nun die Gegensäße in ihrer subjektiven Weise, und sucht sie zu versöhnen, indem sie einerseits den Glauben an die persönliche Fortdauer zur Befriedigung der unendlichen Sehnsucht des Geistes, ja als derselben sogar widersprechend darstellt, und andererseits das Bangen und Zagen des Herzens bei dem Gedanken an die völlige Auflösung des Lebens oder an die Sterblichkeit des Geistes und das Aufhören der Individualität und Persönlichkeit im Tode entfernen will. Anders, meint Geiße, kann freilich die Versöhnung zwischen Glauben und persönlicher Fortdauer und Nichtglauben nicht gedacht werden.

Das Hegel'sche System verwirft die Unsterblichkeit der Seele, d. h. die Fortdauer der Individualität und der Persönlichkeit des Geistes nach dem Tode 2). Nach Hegel ist kein Jenseits mehr, denn es ist Alles gegenwärtig und in dieser unendlichen Gegenwart sind alle Wider= sprüche gelöst. - Ist der Mensch sterblich? Ja, als endliches Wesen. Unsterblich? Ja! als Wesen in und aus und mit Gott! Aber Gott suche

1) Chalybäus, histor. Entwicklung der Philosophie, p. 337. *) Dieß darf uns nicht wundern, wenn wir erwägen, was Fr. Hoffmann (in Frohschammer's Athen I. 590) hervorhebt, daß der absolute Idealismus Hegel's von Haus aus gar nicht wahrhaft über den Naturalismus hinaus sei und dem Materialismus zur Beute werde, wozu Feuerbach bereits das Vorspiel geliefert habe.

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