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Geschichte. Biographie.

Archiv für die Geschichte der Republik Graubünden. Hrsg. von
Conr. v. Moor. 33. Heft.

Inb. Codex diplomaticus. Urkunden zur Geschichte Graubündent. III. §.
(Schl.) J. U. v. Salis-Seewis gesammelte Schriften. (Sci.)

Reinkens, Dr. Jos., Prof., die Universität zu Breslau vor da Vereinigung der Frankfurter Viadrina mit der Leopoldina. Festicrit der kathol.theolog. Facultät. Breslau, 1861. Aderholz. (V 132 S. 4.) 1 Thlr.

wie es sich selber giebt, und nicht anders” und,,man ist ein Narr, | während ihres Vorsichgehens in der Nacht müßte beobachten kön wenn man glaubt, die Seele zeige sich zu wenig, um erforscht nen. Wenn er es nun für möglich hält vom Wachen aus fünft werden zu können; vielmehr zeigt sie sich zu viel und zu häufig | liche Unstalten zu treffen, um während des Schlafs zum Zwecke und die Allgewöhnlichkeit ihres immateriellen Lichts macht ihre der Beobachtung der Träume,,auf der Lauer zu liegen", und ver Wirkungen auf uns minder empfindlich, zumal sie wie materieller sichert, daß man bei der nöthigen Uebung dadurch eine geschärfte Stros (sic!) nicht wirkt" (S. XIV). Nach diesen Andeutungen Empfindkraft für alle Traumvorgänge erreiche, so bescheidet sid über die Methode der Forschung denn der Verfasser liebt nicht | Referent, dies dahingestellt sein lassen zu müssen, da er, so lange ,,lange Vorschweife, sondern die Forschungs that" und will er körperlich gefund ist, troß der Versicherung des Verfassers: ,,original zu forschen und neue Gesichtspunkte über die Seele zu,,daß es wohl keinen treueren Freund gebe, der uns das ganze eröffnen sich so sehr bemühen, als es in seiner entschloffenen Kraft Leben so liebevoll begleite, als den Traum“ (S. 1), schlechter: und angebornen Begeisterung für die Seele liegt" (S. XV) - dings gar nicht träumt oder, falls es wahr ist, daß es keinen fest er den Leser davon in Kenntniß, daß er außer dem vorliegen traumlosen Schlaf giebt, sich dessen wenigstens bei'm Erwachen den Buche seine,,Entdeckungen“ noch nach sieben andern,,Ge- nicht erinnert. sichtspunkten vorzuführen beabsichtigt: die Seele im somnam= bülen Zustande, die Seele in vollausgeprägter Individualität gefaßt (die Seele Friedrich's des Großen, Construction derselben), die Formation der Menschenseele nach Mann und Weib u. f. w. find die Themata, welche die folgenden Bånde dieser Entdeckungen behandeln zu sollen scheinen. Referent glaubt es dem Leser überlassen zu dürfen, nach diesen Anführungen das Maß der wissenschaftlichen Belehrung bei sich selbst zu bestimmen, welche er von den Erörterungen über das,, Leben des Traums" in physiologischer oder psychologischer Beziehung hier zu erwarten hat. Die Abhandlung selbst zerfällt in drei Abschnitte, von denen der erste den Traum,,nach seiner Universalerscheinung“, der zweite ,,nach seiner innern Organisation", der dritte,,nach dem Reichthum der Traumtypen in Gattung und Art vorführt." Der 1. Abschnitt (S. 1–56) ist mehr eine poetische, bisweilen an die Grenze des Ueberschwenglichen streifende Schilderung, als eine wissenschaftliche Analyse des Traumlebens; der 2. (S. 57-133) enthält die Theorie desselben, deren Mittelpunkt, so viel Referent hat sehen können, der Saß ist:,,daß das Leben der Seele zu je der Zeit in zwei Hauptströmen fließt, indem es theils leiblich in Gestaltung der Naturstoffe zum Dienste der Seele, theils geistig im Schaffen des Gedankens und des Ideellen um seiner selbst willen webt. Dieses leibliche und geistige Leben der Seele durch dringen einander zu jeder Zeit, weil aber in beiden zugleich die Gegensäglichkeit der je besonderen Artung herrscht, so streben sie zugleich von einander und es sucht sich jede Strömung für sich besonders geltend zu machen." Dies geschieht in dem regel mäßigen Wechsel von Wachen und Schlaf; das Wachen ist die Herrschaft des bewußten Lebens der Seele, das Schlafen die der Lebenskraft oder der leibschaffenden Strömung der Seele. Soll nun das ,,Bewußtleben der Seele zur Zeit des Schlafs sich der Lebenskraft fügen, so mußte es vorher in sich eine solche Gestalt annehmen, welche der plastischen Kraft jener sich befreundet. Und dies geschieht dadurch, daß das polare Leben der Subjectivität in seiner Centralkraft, welche das Ich ist, sich ableitet und entnervt, resp. die Spontaneität der Ichheit verliert", und die,,hierdurch entstandene eigenthümliche Organisation des Bewußtlebens ist diejenige, welche dem Leben des Traums allzusammen zu Grunde liegt" (S. 57.58). Die folgenden Paragraphen dieses Übschnittes schildern nun diese dem Traume zu Grunde liegende Organisation des Bewußtlebens in der,,engen Peripherie des Traumspharos", der,, Decentralisation" der Lebensbewegung und des Erkenntniß vermögens im Traume, sammt den Wirkungen dieser Decentralisation auf das Gefühl, den Willen u. f. f. Der 3. Abschnitt (S. 133-374) behandelt die einzelnen Arten der Träume, die in 11 Hauptgruppen aufgezählt werden, als da sind: die Schablonen: traume, die Associationsträume, die markierten Traume, die Nervenreizträume u. f. w., über deren charakteristische Merkmale und mehr oder weniger zahlreiche Unterarten auf das Buch selbst verwiesen werden muß. Den Beschluß machen die Ahnungs träume, fie sind der,,Gipfel des Traumlebens. Großmächtig, wie die Natur des Geistes, erstrecken sie ihre Fühler weit in das All hinaus und es entspricht die Strahlweite ihrer Empfindkraft der in der Geistes substanz zusammengehaltenen Dichtheit, enor men Feinheit und Schwingungsmächtigkeit der psychischen Seins kraft" (S. 322). Die große Masse von Träumen, die dieser ganze legte Abschnitt mittheilt und deutet, würde belehrender sein als sie wenigstens für Referenten gewesen ist, wenn man durch aus die Zuversicht haben könnte, einen genau constatierten Thatbestand vor sich zu haben. Der Verfasser spricht S. 133 selbst aus, daß die Feststellung der Thatsache gerade hier ihre besonderen Schwierigkeiten hat, indem man die Traumbildungen eigentlich

In Breslau wurde bekanntlich 1702 unter dem Namen de Leopoldinischen eine aus einer theologischen und einer philosophi fchen Facultät bestehende Jesuiten - Universität gegründet. De Studienplan an derselben war der bekannte jesuitische, die Be feßung der Lehrstühle stand ausschließlich der Ordens-Obrigkeit z alle Lehrer waren Mitglieder der Gesellschaft Jesu. Auch nat der Auflösung des Ordens wurde die alte Einrichtung so viel ma möglich conserviert, die Erjesuiten blieben die Lehrer und wurden nur der Aufsicht der Staatsbehörde unterworfen. In diesem 3 stande verblieb die Lehranstalt, bis sie 1811 zugleich mit der Frant furter Viadrina in die neu errichtete Breslauer Universität aufging. Wie alle ausschließlich in den Händen der Jesuiten beinde lichen Universitäten war auch die Leopoldina ein auf die Wissens schaft gänzlich einflußloses Institut von sehr untergeordneter Be deutung, und ihre Geschichte ist daher nur von localem Interesse, ohne einen irgend erheblichen Beitrag zur allgemeinen Geschichte der Wissenschaften zu bieten. Nur das negative Resultat ist wichs tig und von dem Verfasser mit dankenswerther Klarheit ents wickelt, daß die Leopoldina eben deßhalb nichts leisten konnte, weil sie nichts als eine Jesuitenschule war. Alles übrige, was der Verfasser mittheilt, steht an Wichtigkeit in keinem Verbaitnis zu der Ausführlichkeit, deren er sich befleißigt. Es beschränkt sich darauf, daß der Breslauer Rath schon 1505 vom König Wladislaus das Privileg zur Errichtung einer Universität erworben hat, weld nach den Intentionen des antihussitischen und gut katholische Raths eine Pflanzstätte und Stüße der katholischen Religion set: sollte, daß dieselbe aber nie in's Leben trat, weil es an Gelehrten, besonders aber an der erforderlichen Dotierung fehlte und der e heimische Klerus keineswegs gefonnen war, für eine solche Um versität Opfer zu bringen, ja im Gegentheil aus Furcht, durch lehrte Theologen verdunkelt zu werden, ihr entgegenwirkte. 17. Jahrhundert spielte dagegen das entgegengefeßte Stück. D Jesuiten, welche bereits seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in Breslau mit dem eingestandenen Zwecke, den Protestantis mus daselbst zu vernichten (S. 22), eine Schule zu gründe fuchten und dies 1644 zum Schrecken der eifrig protestanti Stadt wirklich durchseßten, wollten diese Schule am Ende de Jahrhunderts zu einer Universitát erheben und betrieben dist durch den Rector, den damals in Wien allmächtigen Jesui Pater Wolff auf das Nachdrücklichste. Die Breslauer, die stat hin in der Freiheit ihrer Religionsübung so hart bedrängt mar zitterten natürlich vor dieser neuen Festung, die dem Katholics mus in ihrer Mitte errichtet und die zu einer Zwingburg be evangelischen Lehre werden sollte. Sie machten daher bei Kaiser dringende Gegenvorstellungen, konnten aber bei dem katholischen, von jesuitischem Einflusse gänzlich umgarnten ku Leopold ihr Hauptargument nicht betonen, sondern musten a auf allerhand Nebengründe von freilich oft leichtem G

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flügen, insbesondere hoben sie die Befürchtung hervor, daß Handel und Wandel durch die Erceffe der Studenten leiden wür den. Selbstverständlich ist es, daß die Stadt bei Hofe gegen die Jesuiten nicht durchdrang. Der Verfasser schildert nun sowohl den vergeblichen Versuch einer Universitätsgründung von 1505 als die Opposition der Breslauer gegen die Jesuiten-Universität mit unnöthiger Breite und mit einem Hang, bei der ersten Epifode den geizigen und bornierten Klerus, bei der leßteren den Eifer der Bürger in sarkastischer Weise lächerlich zu machen, so daß die Schrift mehr den Eindruck eines Pamphlets als den einer ruhi- | gen, historischen Abhandlung macht.

Smitt, Frdr. v., zur näheren Aufklärung über den Krieg von 1812. Nach archival. Quellen. Mit 1 lith. Karte. Leipzig, 1861. C. F. Winter. (VI, 558 S. 8.) 3 Thlr.

ung zu geben.

Wilson, Sir Rob., General, geheime Geschichte des Feldzugs von 1812 in Rußland. Aus d. Engl. von Jul. Seybt. Leipzig, 1861. Gumprecht. (339 S. 8.) 1 Thlr. 10 Sgr.

und sich von Napoleon nicht zu einer Schlacht verlocken ließ, was sich später als ein sehr richtiges Verhalten auswies. Über dieses ängstliche Vermeiden einer Schlacht, das Preisgeben der Stadt Smolensk an die Franzosen, konnte die öffentliche Meinung innerhalb und außerhalb des Lagers ihm nicht verzeihen, er wurde nun nicht mehr bloß verspottet, sondern geradezu als Ver| råther bezeichnet. Diese Volksstimmung nöthigte nun Kaifer Alerander, den altrussischen Feldmarschall Fürst Kutusow, den die Stimme von Moskau und Petersburg als Engel der Rettung bezeichnete, als Generalissimus zur Armee zu schicken, ohne jedoch Barclay abzuberufen. Kutusom befolgte aber kein anderes System der Kriegsführung als das der Zögerung und des Rückzugs, ja er hielt noch beharrlicher daran fest als Barclay, und wendete es selbst da an, wo sich Gelegenheiten zeigten, Theile der sehr zerrütteten franzöDie vielbesprochene Frage, ob die zurückweichende Verthei-sischen Armee anzugreifen und zu schlagen; auf seine Verfáumdigung der russischen Urmee gegen die riesige Heeresmacht Napo- nisse fällt der Vorwurf, daß er Napoleon und seine Generale und leon's Ergebnis eines durchdachten Planes, oder die zufällige Officiere in die Heimath habe entwischen lassen, während es in Folge der Planlosigkeit und zaghaften Unschlüssigkeit gewesen sei, feiner Macht gestanden hätte, auch diesen Rest durch geschickt ge= wird in vorliegender Schrift durch officielle Actenstücke und ein führte Schläge aufzureiben. Smitt widerlegt die häufig aufgegehende Erörterungen zum Abschlusse gebracht. Der Verfasser, stellte Behauptung, daß die Franzosen durch alle Siege der Ruswelcher schon manche dunkle Partie der neueren Geschichte durch | sen nicht gründlicher hätten aufgerieben werden können als durch Urkunden aus russischen Archiven beleuchtet hat, giebt über die die Kälte, und bestätigt die bei der Armee herrschende Stimmung, am russischen Hofe entworfenen und später befolgten Kriegspläne | daß Kutusow seine Schuldigkeit kläglich versäumt habe. Was authentische Aufklärungen. Der erste Abschnitt des vorliegenden den ursprünglich von Barclay befolgten Feldzugsplan betrifft, so Buches von S. 9 – 120 enthält eine ausführliche Kritik von geht aus einem von Smitt beigebrachten Schreiben Kaiser AlexDanilewski's Geschichte des russischen Feldzugs, wozu die Be- ander's an Barclay hervor, daß Alexander mit Klarheit und Conwerbung dieses Militärschriftstellers um den Preis der Demidoff': sequenz denselben festhielt und im voraus darauf gefaßt war, daß schen Stiftung die nächste Veranlassung gegeben hatte. Das er auf erbitterte Mißbilligung stoßen würde. Nur ist dabei unbeerste Stück ist eine dem genannten Werke ungünstige Beurtheils greiflich, wie es Alexander bei dieser Ueberzeugung über sich ge= ung eines Ungenannten, das zweite ist eine von Smitt selbst auf winnen konnte, den Feldherrn, welcher in unbeirrtem Verständniß Aufforderung der Petersburger Akademie verfaßte Kritik, welche an dem beschlossenen Kriegsplane festhielt, der irregeführten die Vorzüge und Mängel jenes Werkes nachzuweisen sucht und Volksmeinung zu opfern, und es unterlassen konnte, ihm wenigeinige wichtige Punkte der Geschichte des Jahres 1812 näher bestens nach Beendigung des Feldzugs eine öffentliche Ehrenerklär leuchtet. Diese Abhandlung hat dadurch noch erhöhten Werth gewonnen, daß mehrere bei dem Kriege betheiligte russische Generale ihre Randbemerkungen hinzugefügt haben, die nun hier mit abgedruckt sind. Der 2. Abschnitt (S. 123 — 436) enthält felbständige Erörterungen des Verfassers über die politische und militärische Geschichte des Jahres 1812 mit einigen Actenstücken. Der 3. Theil (S. 437-558) giebt die vielgenannte Denkschrift Phull's, zwei Denkschriften Barclay's und einen Brief Kaiser Alexander's. Diese Denkschriften sind nun besonders wichtig und fprechende Belege dafür, daß das Zurückweichen der russischen Urmee ein planmäßiges, zwischen Alexander und seinen Feldherrn verabredetes Verfahren war. Die ganze Darlegung Smitt's jeigt, daß der Gedanke, entscheidende Schlachten zu vermeiden und den Feind in doe, von Lebensmitteln und Menschen entblößte | Gegenden zu locken, von vielen Köpfen getheilt war und bei dem Kriegsminister und Oberbefehlshaber Barclay und dem Kaiser Anklang gefunden hatte. Eine andere Partei aber, die am Hofe und im Heere viele Anhänger hatte, wollte dem bevorstehen: den Angriffe durch einen Einfall in Polen zuvorkommen, und Barclay, der von der falschen Vorausseßung ausging, Napoleon werde nur mit einem kleinen Armeecorps den Krieg beginnen, nahm den Angriff in Polen mit in seinen Plan auf, behielt sich aber eventuell auch die andere Methode, den Krieg in die Länge zu ziehen,_vor, und theilte deßhalb die russische Armee in zwei Hauptmassen. Durch die große Uebermacht, mit der Napoleon in Rußland einrückte, wurde der erste Theil von Barclay's Kriegsplane unausführbar und es blieb nun der zweite, Rückzug in unbestimmte Fernen. Namentlich der Kaiser ergriff diesen Gedanken nit Lebhaftigkeit und sprach den Vorfah aus, lieber bis nach Rasan zurückzuweichen, als nachzugeben. Auch Barclay kam janz auf seinen ursprünglichen Rückzugsplan zurück und hielt onsequent daran fest. Da es sich nun nicht mehr um zweierlei Operationen handeln konnte, arbeitete er auf Vereinigung der jetrennten Heerestheile hin, was ihm auch endlich vor Smolensk elang. Aber nach dieser Vereinigung brachte die Eifersucht des Sommandanten der zweiten Heeresabtheilung Bagration gegen Barclay große Störung in die Operationen. Mit Bagration nachten mehrere höhere Officiere, welche der Meinung waren, nan sollte und könnte die anrückenden vereinzelten Corps der Franzosen schlagen, große Opposition gegen Barclay, der den Erfolg für unsicher hielt, bei seinem Zögerungssysteme beharrte

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Der englische General Wilson war schon im Jahre 1806 als Militärcommissar in's russische Hauptquartier geschickt worden, hatte sich damals mit den ausgezeichnetsten Führern des russischen Heeres befreundet, im Jahre 1812 durch Betheiligung an dem Abschlusse des Friedens von Bukarest Verdienste um Rußland erworben und das besondere Vertrauen Kaiser Alexander's gewonnen und war nach dessen Wunsch als englischer Kriegscommissår beauftragt worden, dem russischen Hauptquartier zu folgen, und von dem Kaiser ermächtigt, wenn er bei den Führern des Heeres eine Neigung oder Absicht bemerken sollte, den Interessen der russischen Krone zuwider zu handeln oder sie zu benachtheiligen, mit aller ihm zu Gebote stehenden Macht und mit seinem ganzen Einflusse zum Schuße der russischen Interessen einzugreifen und zu vermitteln. Damit war er zur scharfen Beobachtung und Kritik der russischen Heeresführung angewiesen. Das Ergebniß seiner Beobachtungen, das er seiner Zeit dem Kaiser Alexander und der englischen Regierung mitgetheilt hat, ist nun nach seinem Tode in der Fassung, welche er selbst im Jahre 1825 zum Behuf der Veröffentlichung niedergeschrieben, im vorigen Jahre in England herausgegeben worden und in vorliegender Uebersehung für Deutschland bearbeitet. Dieser Bericht eines sachkundigen, in die Verhältnisse eingeweihten, scharfen und doch wohlwollenden Beobachters ist nun, wie sich erwarten läßt, ein sehr wichtiger, in mancher Beziehung neue Aufschlüsse gebender Beitrag zur Geschichte des russischen Vertheidigungskrieges. Auffallend aber ist es, daß Wilson's Bericht mit den Enthüllungen Fr. Smitt's in manchen Punkten gar nicht übereinstimmt. Wilson weiß nichts von einem festen, zwischen dem Kaiser und Barclay vereinbarten 3ögerungsplane, glaubt dagegen, Barclay habe aus zu weit gehender Furcht vor Napoleon's numerischer Uebermacht und überlegenem Feldherrntalente vom Beginn des Feldzugs an auf das Wagniß einer allgemeinen Schlacht verzichtet, habe aber nicht Festigkeit und Einfluß genug gehabt, um seine Ansicht auch nur dem Kaiser einzugestehen, habe mit der Meinung Underer coquettierend, schwankend und unsicher herumgetastet ohne jedes feste System, wonach er seine Operationen hätte regeln können. Dabei

erhebt Wilson besonders den Tadel gegen Barclay, daß er durch übereilte, anstrengende und planlose Bewegungen Kraft und Stimmung der Armee herabgebracht und eine gerechte Unzufriedenheit mit seiner Führung hervorgerufen habe. In Folge davon befestigte sich auch bei Wilson die Ansicht, daß Barclay nicht der rechte Führer sei, und in dieser Ueberzeugung übernahm er nun | von einer Anzahl von Generalen eine Sendung an den Kaiser, um ihn von der Stimmung der Armee in Kenntniß zu sehen, ih- | ren Wunsch für Barclay's Absehung und Ernennung eines neuen Oberbefehlshabers kundzugeben und gegen den Kaiser den Ver dacht auszusprechen, daß die rückgängigen Bewegungen ihren Grund in der franzosenfreundlichen Politik des Ministers Romanzow hatten. Im Gegensaze gegen diese Bestrebungen sollte Wilson dem Kaiser erklären, die Armee würde jeden von Peters: burg kommenden Befehl, die Feindseligkeiten einzustellen, als einen durch falsche Darstellungen dem Kaiser abgedrungenen be: trachten, demselben nicht gehorchen, vielmehr den Kampf fort feßen, bis der Eindringling über die Grenze zurückgeworfen fei. Diefen Auftrag übernimmt Wilson, er berichtet dem Kaiser offen die Stimmung der Armee, er verhehlt ihm nicht das Mißtrauen gegen die Politik seines Ministers und gegen die Führung Barclay's. Der Kaiser hdrt ihn nicht ohne einigen Ingrimm gegen die rebellische Stimmung seiner Armee an, versichert aber den Ueber bringer der Botschaft seines größten Vertrauens, verspricht der Armee Pfänder seines Entschlusses für Fortsetung des Krieges | gegen Napoleon zu geben, erklärt, den Minister Romanzow könne er zwar nicht abseßen, aber giebt in Beziehung auf den Oberfeldherrn nach und ernennt statt seiner Kutusow, sagt aber selbst gegen diesen Vertrauensmann, als der Wilson erscheint, kein Wort davon, daß die Armee mit ihren Voraussetzungen ganz im Irr thume sei, daß Barclay nicht in Friedensabsichten, sondern um den Feind zu verlocken und zu verderben, rückgängige Bewegungen gemacht habe, daß er vielmehr ganz im Einverständniß mit ihm handle. Entweder war Wilson nicht der Vertrauensmann des Kaisers, als den er sich giebt, oder es war Alexander wirklich mit der Kriegsführung Barclay's nicht einverstanden. Dann aber wer den Smitt's Aufklärungen zunichte gemacht. Es bleibt nun der historischen Kritik noch die Aufgabe, zwischen Smitt's durch Briefe und Denkschriften begründeten Angaben und Wilson's Dar stellung zu entscheiden. Referent ist geneigt, Wilson in diesem Falle für den minder Eingeweihten zu halten. In anderen Punk: ten, besonders in der Kritik von Kutusow's Kriegsführung, stimmt Wilson mit Smitt überein. Die Uebersehung leidet an manchen Nachlässigkeiten, Ungenauigkeiten und Druckfehlern.

Briefe des jungen Börne an Henriette Herz. Leipzig, 1861. Brockhaus (VII, 188 S. gr. 8.) 1 Thlr. 15 Sgr.

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| nes Mannesalters, endlich himmelstürmende und doch schwäch-
liche Vorsäge, welche leider den Kraftworten seiner späteren Zeit
| zum Verwechseln ähnlich sehen, z. B.: „O káme einst die Kraft
mir bei zu können was ich wollte und der Muth zu wollen was
ich könnte, hätte ich einen Arm von Eisen und eine Brust von
Stahl, das Philistervolk sollte vor mir zittern, wie es mich jest
belächelt." Als Dr. Herz bald nach Börne's Ankunft starb,
mußte der Zögling die Geliebte verlassen; er schrieb noch eine Zeit
lang Briefe an die,,liebe Mutter", und später, als Frau Herz
zu wissen wünschte, wie diese Neigung in ihm entstanden sei,
übergab er ihr, ruhiger geworden, eine Sammlung von Stellen
aus seinen Tagebüchern und Briefen. Diesen Gewahrsam der
Familie hätten die Briefe nimmermehr verlassen sollen! Gewiß tin-
nen einige der Briefe auf jene warme Theilnahme zählen, deren der
lebendige unmittelbare Ausdruck der Leidenschaft immer sicher ist.
Aber was soll aus dieser büchervollen, büchertollen Welt werden,
wenn jeder leidenschaftliche Brief gedruckt wird? Und müssen
wir darum noch diese Masse läppischer Knabeneinfälle mit genier
ßen? Getrost fragen wir die Bewunderer dieser Briefe, ob auch
nur einer unter ihnen das Buch ganz gelesen hat. Bon
Börne's Wesen lehren uns diese Briefe nur was wir lángst tens
nen: in den Worten des Jünglings offenbart sich dieselbe Misch-
ung von jüdischem Wig, polterndem Zorn und sentimentalet
Weichheit, die den Mann bezeichnet. Nur Eines erfreulichen
Gedankens wird sich der Leser nicht entschlagen können, der Eins
ficht, um wie viel männlicher und verschlossener die modernen
Menschen geworden sind. Ein junger Mann von Börne's Begat:
ung ist heute allerdings Gottlob noch im Stande die gleiche Leis
denschaft zu empfinden, aber er wird sich darüber sicherlich nict
mehr mit solchem Behagen der Selbstbespiegelung, mit Angabe
von Stunde und Minute der schönen Gefühle, Rechenschaft ge
ben! Somit sei das Buch warm empfohlen als Trösteinsamkeit
| für Liebhaber des literarischen Klatsches.

Naturwissenschaften.

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Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft f. vaterland. Cultur.
Abthig. für Naturwissenschaften u. Medicin. 3. Hft.
Inh. Davidson, zur Geschichte der anatom. Abbildungen. W. Viol
zur modificirten Linearextraction kernhaltiger Staarformen. G.
Lewald, Untersuchungen über die Ausscheidung von Arzneimittela
aus dem Organismus etc. L. Auerbach, über die Wirkungen to-
pischer Muskelreizung. Paul, ein Fall von Tracheotomie. — Ders,
über Mastdarmpolypeu bei Kindern. Middeldorpf, die percalese
Umstechung der Arterien in der Continuität, eine neue Methode der
Unterbindung.

Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. Red. voo
C. Giebel u. W. Heintz. 17. Bd. 6. Heft.

Inh.

R. A. Philippi, über eine dem Hyraceum ähnl. Substanz, welche sich in Chile findet. Ders., Beschreibung einer neuen Fliege, deren Larveu in der Nase u. Stirnhöhle einer Frau gelebt hatea. — C. Giebel, die Federlinge der Raubvögel aus Chr. L. Nitzsch's handschriftl. Nachlass zusammengestellt. M. Siewert, über das Atomgewicht des Chroms.

Scholl, G. H. F., Dekan u. Schulinsp., gemeinfaßliche Naturlehre mit Inbegriff der Chemie. Sehr erweiterte u. verb. Ausgabe des in 5. Aufl. erschienenen Grundrisses der Naturlehre. Mit 121 dem Terte beigedr. Holzschn. Ulm, 1861. Wohler. (VI, 292 S. 8.) 1 Thit.

Wir mögen lustig der Thorheit lachen, wenn schwarzgallige Krittler unserer Zeit eine alexandrinische Bildung andichten wollen. Aber sicherlich sind wir auf dem besten Wege Alexandriner zu werden, wenn der heillose Unfug fortdauert, welcher heute mit der Herausgabe aller Nichtigkeiten aus den Papierkörben unserer Våter getrieben wird. In Jahrhunderten Einmal erscheint ein Liebling der Götter wie Goethe, so normal, so vorbildlich in jedem Zuge feines Daseins, daß die Nachwelt ein Recht hat auch an den Kleinigkeiten seines Lebens sich bewundernd zu erfreuen. Aus dem Privatleben anderer bedeutender Männer wird nur müßige Neugier mehr erfahren wollen als was Aufschluß giebt über ihren Bildungsgang oder ihr öffentliches Wir- Der Unterricht in der Naturkunde wird für die Volksschult ken. Was sollen wir aber sagen, wenn von einem Manne, den täglich wichtiger wegen der immer tiefer eingreifenden Bedeutung das gereiftere Urtheil der Nachwelt längst nicht mehr zu den Er- der Naturwissenschaften in das tägliche Leben. Referent freut få sten unseres Volkes zählt, das Liebesstammeln und die Tagebuchs- daher, wenn ein Schulinspector, wie der Verfasser, dies Bedürft überschwenglichkeit seines noch halbkindischen Alters der Bewun- niß durch Herausgabe eines Buches anerkennt,,,aus welchem derung der Nachlebenden dargeboten wird und leider auch diese ein Volksschullehrer Alles entnehmen könnte, was er sich nach den Bewunderung findet! Als 17jähriger junger Mensch kam Börne Forderungen der Zeit von den Lehren der Physik und Edemie an 1802 in das Haus des bekannten Dr. Herz zu Berlin und vers zueignen babe." Leider kann Referent nicht sagen, daß dem Br liebte sich dort in Schleiermacher's schöne, geistvolle Freundin, die fasser die Ausführung seines Planes sonderlich gelungen ist. Erü: 38jährige Frau Henriette Herz. In solcher Lage schrieb er in sein | lich müßten doch die nächstliegenden Erscheinungen, die wichtig verschwiegenes Tagebuch Liebesgeständnisse, so sentimental, sosten Maschinen, welche Jedermann zu sehen bekommt, besonders haltlos und zerrissen, wie ein 17jähriger Mensch in jener gefühls: klar und ausführlich besprochen werden, hierin aber zeigt des feligen Epoche schreiben mußte; dazwischen natürlich knabenhafte Buch eine nicht zu rechtfertigende Ungleichmäßigkeit. Die Damp Redereien, wie eine Grabschrift auf zwölf bei'm ersten Besuche maschine, welche bald auf allen Feldern arbeiten wird, wie særen einer Conditorei verstorbene Groschen, allgemeine Weltschmerz jezt in allen Städten, ist auf 2 Seiten Tert u. 1 Seite Abbildung betrachtungen, Wige noch specifischer jüdisch als die Scherze seis abgemacht; der Verf. fagt S. 147:,,eine der verbreitetsten Dampf

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maschinen ist die Fig. 97 dargestellte, und dann folgt keine | Dampfmaschine, sondern die Zeichnung einer Dampfkammer und hierauf so gut wie nichts über Einrichtung und Wirksamkeit der Maschine. Ebenso ungenügend ist der Abschnitt über die einfa chen Maschinen (S. 26–39), über die Wasserräder (S. 56) u. A., wogegen sich der Verf. unnöthig weitläuftig auf 5 Seiten mit dem elektrischen Telegraphen beschäftigt. Ferner ist die Ungenauig- | keit der Angaben zu tadeln, denn wenn auch die Zahlen vielleicht | nicht großen Werth für die Volksschule haben, so kostete es doch nicht mehr Mühe, die richtigen Werthe anzugeben. So ist z. B. das über die Geschwindigkeit der Elektricitat Gesagte (S. 161) unrichtig, die Ausdehnungsgrößen S. 137 find fast sämmtlich ungenau (Luft 134000 statt 137000, Eisen 100546 statt 100366) u.f.w. Der chemische Theil (S. 205 — 280) enthält zwar häufigere Hinweise zur Anwendung der Lehre auf das tägliche Leben, doch bleibt auch hier Vieles zu wünschen übrig, namentlich aber fehlt überall die so nothwendige und leicht zu gebende Anweisung für den Lehrer zur Anstellung einfacher chemischer Versuche. Kurz, dem Volksschullehrer ist vom Verfasser zu Weniges geboten und muß derselbe, wenn er nur aus diesem Buche Physik und Chemie lernen foll, seinen aufgeweckten Schülern viele Fragen unbeantwortet lassen.

Bruckmüller, Dr. A.. Prof., die Vorbereitungswissenschaften für das thierärztliche Studium. (In 4 Abthign.) 1. Abth.: Lehrbuch der Physik. Wien, 1861. Braumüller. (XVI, 280 S. gr. 8. mit eingedr. Holzschn.) 1 Tblr. 10 Sgr.

Es ist ganz in der Ordnung, daß bei'm Vortrage an einer
Fachschule auf die besondere Lebensaufgabe des Schülers Rück:
sicht genommen wird, jedoch darf der allgemeine Gesichtspunkt
der wissenschaftlichen Belehrung darunter nicht leiden; die Grund-
züge der Wissenschaft bleiben dieselben, wem sie auch gelehrt wer
den sollen. Die Unfitte, eine Wissenschaft in Lehrbüchern nur
mit Rücksicht auf eine bestimmte und beschränkte praktische Be=
= nußung zurecht zu machen, hat leider in lester Zeit sehr überhand
genommen, muß aber eben deßhalb immer wieder gerügt werden,
weil sie zur Halbwisferei führt. Jedes gute Elementarlehrbuch
der Physik würde ein passender Leitfaden für die Vorträge des
Verfassers gewesen sein, wobei derselbe ganz zweckmäßig die be- |
sonders für seine Schüler berechneten und recht gut behandelten
Abschnitte, z. B. S. 62-76 über thierische Kräfte und Trans-
portmittel, einschalten konnte.

Bering, Dr. Hugo, kurze Anleitung zur Ausführung maassanaly-
tischer Untersuchungen für Fabrikanten, Berg-u. Hüttenmänner,
Chemiker etc. Nebst Tabellen u. 21 in den Text gedr. Holzschn.
Leipzig, 1861. Barth. (X, 134 S. 8.) 20 Sgr.

Es ist jest allgemein anerkannt, daß die Anwendung der volumetrischen Analyse bei chemischen Untersuchungen große Vorzüge vor der Gewichtsanalyse hat, indem sie in vielen Fällen, unabbrüchig der Genauigkeit der Resultate, große Zeitersparniß und Vereinfachung der Untersuchungsmethoden ermöglicht. Sie em pfiehlt sich daher namentlich, wo eine größere Anzahl vergleichen: der Untersuchungen auszuführen ist. Obgleich nun auch die neueren Lehrbücher der Chemie, z. B. das von Scherer in Würzburg, auch der Titriranalyse Beachtung schenken und es auch an Wer fen nicht fehlt, die nur mit der Maßanalyse sich beschäftigen, so fehlte es doch bisher an einem Leitfaden zur Ausführung volu: metrischer Untersuchungen, der, alle seit Jahr und Tag in Fülle auftauchenden und noch nicht bewährten Vorschläge, von denen ein großer Theil in das speculative Gebiet gehören mag, bei Seite laffend, in concifer Form nur scharfe und bewährte, so wie allges meine Anwendung findende Methoden giebt. Der Verfasser hat nun diesem Bedürfnisse in zweckentsprechender Weise abgeholfen. Nach einer kurzen Beschreibung der wesentlichsten Titrirapparate folgen die alkalimetrischen Methoden, dann die Reductions und Orydationsanalysen und endlich die Füllungsanalysen. Es ist ein Mangel, daß der Verfasser die arsenige Säure als Reductions mittel nicht mit aufgenommen hat, die Combination von arsenig faurem Natron und Jod hat sich bereits in vielen chemischen Fabriken (Soda und Chlorkalkfabriken) eingebürgert und durfte bei ihrer anerkannten Brauchbarkeit um so weniger umaangen werden, als die jodametrischen Analysen nach Bunsen und die Messungen mit Chamäleon für den Praktiker nicht paffen. In einer zweiten Auflage, welche bei der Vortrefflichkeit des Buches

gewiß nicht lange auf sich warten lassen wird, möge der Verfaffer neben der Zuckerbestimmung auch andere technische Werthermittes lungsmethoden, wie die Stärkebestimmung, die Ermittelung der Härte des Wassers, volumetrische Seifenproben u. dergl. mit auf| nehmen; er wird dadurch der Verbreitung seines Buches sicher nur Vorschub leisten. Daß der Verfasser in der vorliegenden Auflage die Indigprobe übersehen hat, ist dem Referenten aufgefallen. Druck und Papier sind vorzüglich. Auch die Correctur, bei chemis schen Büchern ein so wichtiger Factor, ist zu loben. R. W. Burmeister, H., u. Dr. C. Giebel, die Versteinerungen von Juntas im Thal des Rio de Copiapó. Nach ihren Lagerungsverhältnissen u. physischen Eigenschaften geschildert. (Aus d. Abhdign. der naturforsch. Gesellsch. zu Halle.) Halle, 1861. Schmidt. (4 S. mit 1 lith. Taf. 4.) 8 Sgr.

Das Vorkommen jurassischer Ablagerungen in Südamerika wurde von L. v. Buch mit aller Entschiedenheit geleugnet, als Coquand und Bayle dasselbe, auf Domeyko's Sammlungen ges stüßt, nachwiesen. Der erste der Verfasser schildert hier nun | auf seine eigenen Beobachtungen an Ort und Stelle und mit Benugung der einschläglichen Literatur das Auftreten der betreffenden Formation in den Cordilleren, der andere Verfasser be= schreibt die eingesammelten Versteinerungen und deutet dieselben fast sämmtlich auf europäische Arten des obern Lias und es kann nach diesen Untersuchungen, welche neuerdings auch Philippi's Reisewerk über die Wüste Atacama bestätigt, nicht der geringste Zweifel mehr über das Auftreten des Lias, in den Cordilleren geltend gemacht werden. Die Abhandlung verdient die Aufmerksamkeit aller Geognosten und Paléontologen.

Nechtskunde.

Degenkolb, Dr. Heinr., die lex Hieronica und das Pfändungsrecht der Steuerpächter. Beitrag zur Erklärung der Verrinen. Berlin, 1861. Lüderitz' Verlg. (XII, 149 S. 8.) 24 Sgr.

Eine mit Gründlichkeit und Sorgfalt unternommene Untersuchung in klarer und gewandter Darstellung, die mehr enthält, als der Titel verspricht, nämlich nicht bloß einen Beitrag zur Erklärung der Verrinen, sondern zur Erkenntniß eines Theiles des åltern Römischen Processes überhaupt bietet. Der Verfasser geht davon aus, daß die von Cicero (Verr. II, 13) behauptete Zurückführung der iudicia zwischen den aratores und den decumani auf eine lex Hieronica, also eine griechische Proceßordnung, vielfa chen Bedenken unterliegt. Es sei schon überhaupt unwahrscheinlich, daß Streitigkeiten zwischen Siciliern und römischen Bürgern nach einer griechischen Proceßordnung entschieden wurden, insbesondere aber widersprächen die nationalen Institute der Recuperatorengerichte, des conventus, des vadimonium dem Charakter des griechischen Gerichtswesens. Ausgangspunkt und Aufgabe der Untersuchung ist also, zu erklären, wie römische Institute auf die lex Hieronica zurückgeführt werden konnten (S. 118). Es kam nun vor allen Dingen darauf an, das Verhältniß des Verrinischen Edicts zur lex Hieronica festzustellen, und zu diesem Zwecke unternimmt es der Verfasser, das Verrinische Edict selbst über Zehntstreitigkeiten, und zwar hinsichtlich_der Bildung des Gerichts (S. 19-34), des Gerichtsstandes (S. 35—40), des Verfahrens (S. 41–77) einer eingehenden Erörterung und Kritik zu unterwerfen. Der Verfasser gelangt zu dem Resultate, daß 1) die Procedur nach Verrinischem Edicte im Ganzen keine neue, von dem früheren Verfahren unabhängige Erfindung war, und daß sich 2) nirgends die Aufhebung griechischer Proceßvorschrif= ten zur Anklage verstellt findet. Das Charakteristische der iudicia ex l. Hier. liege somit nicht in dem Ursprunge, sondern in der inneren Tendenz, welche sie mit allen Zehntprocessen gemeinsam haben, nämlich schleuniges Verfahren und das aus dem publicistischen Charakter des Zehntprocesses sich ergebende System von Bußen und Erecutivbefugnissen. Der Proceß in Steuersachen folgt in Sicilien im Wesentlichen römisch-rechtlichen Bestimmungen. Da nun aber das Provinzialedikt das Steuerregulativ Hiero's als lex redemptionis in sich aufnahm, so ist es leicht erklärlich, daß dem Sicilier die lex Hieron. nach wie vor als Hauptnorm für das Zehntwefen überhaupt galt, sofern eben die alte Abgabe, die Art ihrer Erhebung und das darauf bezügliche System

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metan (bilden), sceppan, wrêgan grammatische Versehen bemerklich sind, das meiste aber ebenso richtig ist, als es einfach war zu bestimmen.

D.

Dietrich, Franc., disputatio de inscriptionibus duabus runicis ad
Gothorum gentem relatis. Marburg, 1861. (4.)

von Administrativvorschriften fortbestand (S. 78—94). Der fünfte Abschnitt (S. 95143) erörtert,,das Verhältniß der legis actio per pignoris capionem überhaupt und zum prátori schen Edikt. Da ein näheres Eingehen auf den Inhalt dieses Abschnittes durch den Raum verboten wird, so mag es genügen, die Resultate des Verfassers_darzulegen. Für erwiesen hält derfelbe: 1) den publicistischen Charakter der legis actio per pigno- Diese dem Ind. lect. Marb. hib. 1861/62 beigegebene, aber ris capionem; 2) den Mangel jeder Beziehung zwischen der legis auch durch den Buchhandel zu beziehende Abhandlung, welche actio und dem in l. 1 de publican. erhaltenen Edikt; 3) das wir der Aufmerksamkeit aller Freunde des deutschen Alterthums Recht auf eigenmächtige Wegnahme des commissum auch nachempfehlen, verbreitet ein durchaus neues Licht auf die schon öfter der Zeit des Gaius. Von den bloß wahrscheinlichen Ergebnissen behandelten Runeninschriften des goldenen Horns von Tondern heben wir hervor: die Beschränkung der lex praediatoria auf und des Goldringes von Bukarest. Die erstere dieser Inschriften Rom, ihre Nichtgeltung für Sicilien und die Auffassung der ek hlevagastim holtingam horna tavido wird aufgelöst in ek pigneratio als einer formlofen Privatpfändung (S. 139). — Hlevagast tim (=pîm) Holtingam horn âtavido: ego Hlevagastus Besonders anerkennenswerth ist es, daß der Verfasser überall po Holtingis cornu effinxi vel feci, und diese Auflösung wird in al sitiven Ergebnissen nachgeht, und sich von Hypothesen und Con- len ihren Einzelheiten ausführlich begründet. Nachgewiesen wird jecturen, zu welchen ein besonderer Reiz in der Dunkelheit des die Sitte, daß neben dem Namen des Empfängers auch der des vom Verfasser behandelten Gebietes und dem mangelhaften Gebers oder Verfertigers genannt zu werden pflegte. Nachgewies Quellenmaterial liegt, stets frei zu halten gesucht hat, selbst auf fen wird ferner zur Rechtfertigung der Schreibung hlevagastim die Gefahr hin, seiner Untersuchung eine unfertige Gestalt zu ge- für hlevagast þim durch eine Reihe von Beispielen, daß in ben. Die Ausstattung ist geschmackvoll. Runeninschriften häufig zwei gleiche oder ähnliche Consonanten. zusammen durch einen einzigen wiedergegeben wurden. Der Name Hlevagast wird aus angels. bleov, hleó, bleovoð tutela, protectio gedeutet und die Trennung horn âtavido daraus a's nothwendig erwiesen, daß horn im angels. (wie auch im alts, und altfries.) durchweg Masculinum war und somit horna kein Accu sativ davon sein kann. Aus der Gestalt der Runen und aus der Sprache, welche sich beide dem Angelsächsischen anschließen, aber wird der Schluß gezogen, daß die Inschrift nicht den Gothen, sondern den Angeln oder Sachsen_in Schleswig zuzuschreiben fei, und als wahrscheinliche Zeit der Entstehung wird das 6. oder der Anfang des 7. Jahrhunderts angeseßt.

Σ.

Sprachwissenschaft. Literaturgeschichte. Philologus. Hrsg. von E. v. Leutsch. 18. Jahrg. 1. Heft. Inh. C. Boetticher, üb. agonale festtempel u. thesauren, deren bilder u. ausstattung. 3. Die drei hyperoa im hekatompedos mit ihrem kleiderschatz. Pompeia. W. Dindorf, üb. die mediceische handschrift des Aeschylus u. deren verhältnisse zu den übrigen handschriften. I.L. Spengel, Horatius de arte poetica.-W. Christ, die leistungen auf dem gebiete der alten lateinischen grammatik.

Jahrbuch für romanische u. englische Literatur von F. Wolf u.
Ad. Ebert. 3. Bd. 2. Hft.

Inh. F. R. Cambouliu, renaissance de la Poésie provençale à Toulouse
M. Milay

au 14e siècle.-F. Liebrecht, zum Pantschatantra. Fontanals, Nachricht von einem handschriftl. Romancero Barcelonas, mit Uebersetzungen von P. Heyse. - J. M. Gutierrez, Beiträge zur Geschichte der spauisch-amerikanischen Literatur. Screadunga. Anglosaxonica maximam partem inedita publicavit Car. Guil. Bouterwek. Elberfeld, 1861. Gütersloh, Bertelsmann in Comm. (IV, 84 S. 8. nebst 1 Facsimile.) 1 Thlr. 15 Sgr. Die dankenswerthen Inedita dieser Schrift find zu einem Theile Nachträge zu des Verfassers northumbrischen Evangelien, nämlich aus dem cod. des britischen Museums_die_Inhaltsangaben zu zwei Evangelien, und die Vorrede des Eufebius, aus der Orforder Handschrift aber, dem codex Rushworthianus, das ganze Evangelium Marci S. 31–65, dieses, wie jenes in der tertgemäßen interlinearen Gestalt. Auf diesen Theil der Schrift paßt der Titel Screadunga, Brocken, und das Motto: Sammelt die übrigen Brocken, aus Joh. 6, 12. Das dritte Ineditum ist die anonym auftretende Ueberfeßung der Schrift Interrogationes Sigwulfi presbyteri S. 17-23. Schon herausgegeben war die folgende angelf. Ueberfeßung von Beda's de temporibus anni. Es hatte genügt, die Varianten zu der Handschrift Wright zu geben. Sonderbar bemerkt Bouterwek zu dieser Uebersehung S. III, es gebe dazu in Beda's Werken keinen entsprechenden Tert. Es ist ihm entgangen, daß es ein Auszug aus Beda's Schrift de temporibus und de natura rerum ist, so wie daß der Ueberseber Alfrik war, der auch sonst bei'm Uebersehen stark abkürzte, und von dem auch die vorhergehende Uebersehung der Interrogationes herrührt, wie nachgewiesen ist in der Abh. über Abt Alfrik in Niedner's Zeitschr. 1855, S. 493 ff. 506.

Interessant ist die northumbrische Ueberseßung des Marcus nach der Orforder Handschrift, aber ob die Abschrift überall genau und vom Herausgeber unverändert geblieben ist, scheint zweifelhaft. Einige Stellen hat Referent während eines Aufent: haltes in Orford eben auch aus Marcus ausgezogen, Mc. 12, 24: ne vitam gevriotu (Bout.: ne vitun ge gevriotu); V. 33: done nesta (B.: done nestu), ebd.: mara is allum lacum (B.: allum evicum lacum); V. 34: gedarste (B.: gedarfte).

Die Inschrift des Goldrings guta-niopi heilag (für gupa-), divino cultui sacer, wird aus angels. neód, alts. nind erklärt und gleichfalls den Angeln zugewiesen, zugleich aber wird aus dieser Deutung gefolgert, daß der Ring ursprünglich einer der Ringe gewesen sein müsse, welche in den heiligen Hainen eder Tempeln der alten Deutschen auf dem Altare lagen und auf welche bei'm Eidschwur die Finger gelegt wurden. G.

Fischer, Kuno, Schiller als Komiker. Vortrag gehalten in der Rose zu Jena am 30. Januar 1861. Frankfurt a. M., 1861. Verl. f. Kunf u. Wissenschaft. (IV, 104 S. 8.) 12 Sgr.

Der Verfasser feste fich in diesem Vortrage das Ziel, ju untersuchen: worin die Komik Schiller's besteht und wie sie zus fammenhängt mit der tragischen Grundrichtung seines Grikes, und kommt dann zu dem Resultate, daß sie theils aus dem Pathos des Dichtere selbst entspringt, als Satyre wie in den Xenien, in den Reden Karl Moor's so wie in der Karrikatur des Kalb, theils aber aus dem Pathos der von dem Dichter geschaffenen Charaktere, in feinen Dramen, hervorgeht, solcher Charaktere, die unter: halb der heroischen und idealen Lebenshöhe stehen, indem ihr gesteigertes Selbstgefühl eine komische Wirkung erzeugt; Spiegel berg, der Kapuziner u. U. werden hierher gerechnet. - Die Aus führung im Einzelnen ist etwas mager und bringt des Neuen nicht gerade viel.

Mythologie.

Müller, Heior. Dietr., Mythologie der griechischen Stämme. 2. Bd. 1. Abthlg. Göttingen, 1861. Vandenhoek u. Ruprecht. (Vill, 216 S. 8.) 1 Tblr. 5 Sgr.

Obschon der Verfasser bereits im ersten Theile feines Werket (vergl. Nr. 31 S. 496 f., Jahrgang 1858 d. Bl.) feinen Stant punkt in Bezug auf die Auffassung und Erklärung der griev schen Mythen ausführlich dargelegt hatte, so hat er es doch für nothwendig gehalten, auch diesem zweiten Theile einige,,verbe reitende Abhandlungen" voraus zu schicken, in welchen er seine Ansichten, über den wissenschaftlichen Begriff des Mythus Zu den beiden kleinen Alfrik'schen Uebersehungen ist, obwohl,,über die Behandlung des religiós symbolischen Mythus",,,it fie wenig der Erklärung bedürftige Worte enthalten, ein umstände liches Glossarium mit Belegen aus 60 andern S. 83 f. verzeich neten Quellen gegeben, worin hier und da, z. B. unter gaegan,

den Begriff des Chthonischen“ und „,über die vermeintliche Uebr einstimmung des Polytheismus mit der Natur als Hypothese zur Erklärung der griechischen Götter" theils ausführlicher entwickelt,

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