Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub
[ocr errors]

Ro

Scholia vetusta in Lycophronis Alexandram. E Codice Bibliothecae Vaticanae antiquissimo edidit Ludovicus Bachmannus. stochii typis J. M. Oeberg. 1848. XII u. 30 S. 4.

Diese interessante und gelehrte Schrift des Hrn. Professor Director Bachmann in Rostock giebt in der Vorrede Aufschluss über die Beschaffenheit des weitläufigen Commentars zu Lykophron's Alexandra. Da der zwar sehr belesene aber höchst aufgeblasene Joannes Tzetzes diesen Commentar, wie er in dem bekannten auch von Hrn. Bachmann wiederholten Briefe erzählt, um sich mit dem Phidias vergleichen zu können, unter dem Namen seines Bruders Isaak bekannt gemacht hatte, war man auf die Vermuthung gekommen, dass beide den Lykophron erklärt hätten, und der scharfe Tadel, den Joannes so oft in seinem gewöhnlichen grosssprecherischen Tone gegen andere Erklärer ausspricht, seinem Bruder gelte. Namentlich hatte der deutsche Herausgeber dieses Commentars, G. Müller, vermuthet, Isaak habe zuerst jenen Dichter commentirt, Joannes aber nach dessen Tode diesen Commentar von seiner Hand umgearbeitet herausgegeben. Dieses widerlegt nun Herr Bachmann gründlich, theils dadurch, dass er zeigt, wie Joannes seinem Bruder, den er sehr rühmt, nur habe einen Namen bewirken wollen, theils und vornehmlich durch die Herausgabe der Scholien aus der Vaticanischen Handschrift. Man habe nämlich drei Klassen von Handschriften zu unterscheiden, erstens die ältesten, welche die vor der Zeit des Tzetzes verfassten Hypomnemata enthalten, davon nur zwei bekannt seien, die Vaticanische 1307 und die Pariser 435, aus dem neunten und zehnten Jahrhundert; sodann die, in welchen die ganze Compilation des Tzetzes vollständig vorliege, zu denen die Pariser BCEF, die dritte Neapolitanische, die vierte Wiener, die zweite Wittenberger gehören; drittens die vielen, die den Commentar des Tzetzes bald mehr, bald weniger abgekürzt geben, unter denen die Pfälzer Nr. 40 so nachlässig geschrieben sei, dass mehr als ein Drittel des Commentars fehle. Hieraus sei die irrige Meinung entstanden, dass, da offenbar nicht Alles von einem und demselben Verfasser herrühre, die Gommentare beider Brüder Tzetzes durch einander gemischt seien. Die bisher nun nur theilweise bekannten alten Hypomnemata giebt Hr. Bachmann hier aus der Vaticanischen Handschrift 1307, die er selbst in Rom abgeschrieben hat Leider ist das erste Blatt dieser Handschrift abgerissen, so dass also der Anfang und die Ueberschrift fehlt. Daher die hier gegebenen Scholien erst mit V. 128 anfangen. Sie sind reich an Citaten, unter denen sich hier auch ein bisher noch unbekanntes Fragment des Kallimachus befindet,

νόμον δ ̓ ἤειδεν "Αρηος,

das, wie Hr. Bachmann in den gelehrten Noten, die er diesen Scholien beigegeben hat, wohl mit Recht bemerkt, aus der Hekale entlehnt zu sein scheint. Mit Erwartung sehen wir daher

von Herrn Bachmann, der deshalb wieder 'nach Paris abgereist ist, einer grössern Ausgabe der Scholien entgegen, wie folgende Worte S. 26 zeigen: Quae quum sigillatim persequendi nunc nulla sit opportunitas, in maiore Scholiorum editione ita tractabo, ut sua cuique Codici lectio accurate assignetur.

Gottfried Hermann.

Euripides' Werke. Griechisch mit metrischer Uebersetzung und prüfenden und erklärenden Anmerkungen von J. A. Hartung. Leipzig, Verlag von Wilh. Engelmann. 1848. Erstes Bändchen: Medea. XVIII u. 162 S. kl. 8. Zweites Bändchen: Trojerinnen. XVII

u. 158 S.

Ref. hatte vor funfzehn Jahren ein ähnliches Werk wie das vorliegende unternommen und 1834 den ersten Band herausgegeben; es würde zu weit führen, die Klippen aufzuzählen, an welchen damals sein guter Wille scheiterte, genug, er veränderte seinen Plan, liess den griechischen Text weg und begnügte sich mit der Ausarbeitung einer blossen Uebersetzung, wovon gegenwärtig drei Stücke erschienen sind. Wünschen wir also dem neuen Unternehmen einen bessern Erfolg; das Gelingen desselben würde, bei allen Mängeln, die Theilnahme für die Reize antiker Dichtkunst erhöhen und weiter verbreiten helfen, abgesehen von Euripides selbst, über dessen Werke das Bemühen des Hrn. Verf. vielleicht manchen dankenswerthen Lichtstrahl werfen würde. Hr. Hartung hat sich als einen begeisterten Verehrer dieses Dichters bekannt gemacht und Ref. bei Gelegenheit einer ausführlichen Anzeige des Euripides restitutus dargethan, mit welcher Leidenschaftlichkeit dieser Gelehrte den Ruhm des dritten attischen Tragöden vertheidigt und seinen Glanz sogar auf Unkosten anderer und zwar der grössten hellenischen Dichter zu heben sucht. Diese Schattenseiten kümmern uns hier weiter nicht; ebensowenig ist es Sache des Ref., hier die Verdienste des Verf. um den griechischen Urtext zu beleuchten, worüber in diesen Blättern ohne Zweifel ein kundiger Kritiker sein Urtheil abgeben wird. Ich halte mich an die zweite Hälfte seiner Arbeit, die Uebersetzung, deren Beschaffenheit in den beiden ersten uns vorliegenden Stücken zu würdigen und abzuschätzen zunächst in meinem Plane liegt.

Es handelt sich also um die Frage, was Hr. Hartung als Uebersetzer leistet? Entspricht seine Verdeutschung dem Ideal einer solchen, ist sie gut und brauchen wir uns keine bessere Nachbildung des Euripides zu wünschen? Ref. weiss nicht bestimmt zu sagen, ob der Verf. nach diesem Ziele gestrebt hat; aus der kurzen Vorrede zum ersten Stück erfährt man nur, dass seine Uebersetzung entstanden sei, als er Donner's Uebersetzung zu einem öffentlichen Vortrag seiner Schüler bestimmte. Indem N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. od. Krit. Bibl. Bd. LIV, Hft.1.

2

er nämlich alles Fehlerhafte und Tadelnswerthe abzuändern begonnen, habe sich's gefunden, dass er fast keinen Vers hat stehen lassen können. Alles aber was ihm richtig und brauchbar erschienen, habe er beibehalten, sowohl wegen dieser Veranlassung als auch aus Grundsatz: denn bei Uebersetzungen abzuändern, was die Vorgänger wohl getroffen hätten, scheine ihm mehr eigensinnig als pflichtgetreu gehandelt.

Schon hieraus sehen wir, dass es ihm nicht um das Erreichbare, sondern lediglich um eine lesbare Verdollmetschung zu thun gewesen sein muss, ja, es liegt ihm offenbar nicht einmal daran, eine durchaus neue, sondern nur eine nach seinem Dafürhalten verbesserte Donuer'sche u. s. w. Uebersetzung zu liefern. Dass auf diesem Wege nichts Tüchtiges erzielt werden könne und dass der von A. Böckh zuerst aufgestellte Grundsatz, aus verschiedeDen Uebersetzungen das Gute herauszulesen und zu verbinden, aus einer falschen Ansicht oder aus Uebereitung entsprungen sei, brauche ich diesmal nicht näher zu erörtern, nachdem ich kürzlich im 120. Bande der Wiener Jahrbücher eine ausführliche Widerlegung gegeben, welche künftighin wohl Jeden, der die Kunst im Auge hat, von einem solchen unkünstlerischen und oberflächlichen Verfahren abschrecken wird.

Lassen wir also dies unberücksichtigt und betrachten wir die Uebersetzung, wie sie nun einmal zu Stande gebracht ist, so müssen wir dieselbe, um nicht vom Standpunkte der Kunst genöthigt zu sein die Verdeutschung ganz zu verwerfen, für einen einfachen Commentar nehmen, den uns der Verf. vorgelegt hat. Wir erfahren daraus, wie Hr. Hartung, um nicht ausführliche aber vereinzelte Anmerkungen schreiben zu müssen, jede Zeile des griechischen Textes versteht und erklärt; wie er seine kritischen Aenderungen deutet, anpasst und begründet und wie er von früheren Auslegern überhaupt sich entfernt, um das wahre Verständniss des Dichters auf allen Punkten herbeizuführen. Von dieser Seite betrachtet, mag seine Uebersetzung Geltung haben und das Publicum wie die Kritiker interessiren. Gleiches bemerkte ehedem Ottfr. Müller, als er die Eumeniden mit einer Verdeutschung begleitete.

Stellen wir uns aber auf den wahren ästhetischen Standpunkt, so müssen wir anders urtheilen. Was Ref. von einer gelungenen Uebersetzung eines alten Dichters verlangt, ist, um es kurz zu fassen, der rechte poetische Glanz, kritische Schärfe des Sinnes, Klarheit und Verständlichkeit, ächtdeutsches Gepräge und rhyth mische Schönheit der Sprache überhaupt. In allen diesen Stükken befriedigt. Hrn. Hartung's Arbeit keineswegs die heutigen Ansprüche der Kunst; es gebricht, mit einem Wort, seiner Uebersetzung der eigentliche Stil, den Ref. als etwas Unerlässliches beansprucht und der den Euripides in allen seinen Vorzügen abspiegelt. Im Einzelnen dies ausführlich zu beweisen, fehlt es an

Raum; es kommt uns aber zu Statten, dass wir am Schlusse eine Stelle ausleben, an welcher Ref. einen praktischen Beweis zur vollen Uebersicht aller dieser Stücke für den Leser darlegt. Nor so viel sei vorausgeschickt. Es mangelt, um vom letzten der obigen Stücke zum ersten vorzuschreiten, dem Versbau des Verf. die rhythmische Schönheit, er begeht zu häufige Verstösse gegen die Freiheit der Zeitmessung, viele Härten ungerechnet, gestattet er sich nicht selten den Hiatus und spaltet die Verse oft in missfällige Theile, was den Fall des Rhythmus beeinträchtigt. Letzterer leidet auch häufig durch unordentliche Wortstellung Schaden; diese Wortstellung verletzt aber ausserdem das ächtdeutsche Gepräge, dessen Mangel sich hauptsächlich dadurch ausspricht, dass sowohl in einzelnen Bezeichnungen als in ganzen Redensarten dem Verf. der glückliche Treffer fehlt und dass in den Ucbergängen der Sätze sowohl die Wendung als die gebrauchten Partikeln häufig unangemessen sind. So fehlt ihm z. B. der Treffer, wenn er χρημάτων ὑπερβολῇ πόσιν πρίασθαι (Med. v. 226)

übersetzt:

Wettstreit des Geldes erstlich muss den Gatten uns
Erkaufen.

Oder wenn er v. 229 náv võið áyæv péyioros verdollmetscht: Dabei ist grosses Wagniss.

So ist der Uebergang falsch, wenn er v. 455 sagt:

Wohl auch thust du, dass du kommst.

[ocr errors]

Es muss heissen: „Doch trefflich thatst du, dass du kamst." Wenn solche scheinbar unbedeutende Dinge sich häufen, wie es allerdings bei dieser Uebersetzung der Fall ist, so leidet auch das Ganze darunter, zunächst rücksichtlich der Klarheit und Verständlichkeit, was keines Beweises bedarf. Das Verständniss wird, wenn es überhaupt für einen Leser, der den Text nicht um Rath fragt, erreichbar ist, wenigstens oft dadurch erschwert und der Genuss geschwächt; selbst unbezeichnende Wörter und matte Redensarten tragen zur Verdunklung bei.

Was ferner die kritische Schärfe der Darstellung betrifft, so schen wir von den neuen und vielleicht oft unhaltbaren Vermuthungen und Erklärungen des Verf. ab. Ein Uebersetzer, wenn er auch nach dem höchsten Ideal strebt oder vielleicht ebendeswegen, weil er nach dem Besten strebt, hat so gut das Recht, einer anderen als bisher gäng und gäbe gewesenen Auslegung dieser øder jener Stelle zu folgen, als es der Kritiker hat, und wenn Jemand dem Uebersetzer nicht beistimmt, wird doch nicht zu behaupten sein, er habe aus purer Ungeschicklichkeit den Sinn verfehlt. Aber Ref. kommt hier auf das endlose Kapitel des freien und wörtlichen Uebersetzens; er kann jedoch hier nicht ausführlich zeigen, dass das freie Uebersetzen oft ein wörtliches, das wörtliche dagegen oft ein freies oder vielmehr unfreies und falsches ist. Die Hauptaufgabe bleibt, keinen Theil eines Ge

dankens ohne Noth abzuändern oder abzuschwächen, sondern überall das Wesentliche auszudrücken und den Geist des Einzelnen wie des Ganzen getreu festzuhalten. Es hängt dieses wieder sehr genau mit dem oben erwähnten Treffer zusammen. Mangel an Schärfe des Sinnausdrucks findet sich nicht selten bei dem Verf.; so übersetzt er (Med. v. 447):

Sei ich auch dir sehr verhasst,

Vermöcht' ich doch nicht übel dir gesinnt zu sein..
Es musste ungleich schärfer nachgebildet werden:
Zwar ich weiss, du hassest mich,

[ocr errors]

Doch immerdar verbleib' ich dir, wie sonst, geneigt. Unbekümmert um diesen oder jenen ängstlichen Wortklauber, muss der Uebersetzer darauf achten, überall und immer das Entspre→ chende zu finden; es kann darüber gar keine Regel geben und für den Nichtkenner erscheint es sonderbar, ist aber dennoch ausgemacht wahr, dass sowohl eine wörtliche Reproducirung als eine freie an sich weder die Sinnschärfe noch die Klarheit unbedingt verbürgt. Der Geist ist es, welcher über den Worten schwebt und mitspricht; diesen zu erreichen, ist das erste und letzte Ziel des nachbildenden Künstlers.. Denn im Grunde hängt davon, wie auch theilweise von den oben erwähnten Aeusserlichkeiten der Form, der rechte poetische Glanz ab, der über dem Urbilde leuchtet und zurückgestrahlt werden soll; ohne zierlichen Rhythmus und ohne getreue Nachmalung der Gedanken, die bis auf ihre feine Schattirung sich erstreckt, ist es unmöglich den dichterischen Ton anzuschlagen, der im Urbilde klingt, säuselt und weht. Dies ist auch dem Hrn. Verf. im Allgemeinen misslungen; sein Ausdruck ist ungleichartig und erhebt sich nicht auf die rechte Höhe, welche Euripides behauptet, er sinkt nicht selten zu tief und wird, besonders da die Güte des Rhythmus ihn nicht beflügelt, zur Alltäglichkeit und zur Prosa niedergebeugt, was bei Euripides um so gefährlicher ist, als er sich häufig auf den Gebieten einer spiessbürgerlichen Anschauung bewegt. So war es durchaus undichterisch zu sagen (Med. v. 246):

Doch dein Verhältniss, meinem ist's mit nichten gleich.

Es liess sich mit einem andern Federzuge dafür setzen:

Doch ganz verschiedne Bahnen wandeln ich und du. Was kümmert in solchen Fällen eine Wörtlichkeit, die Stümperei sein würde? Indessen eile ich das oben berührte schliesslich zur Uebersicht zu bringen und wähle aus der interessanten Rede der Medea über das Loos der Frauen (v. 208-260) eine kurze Stelle, die Hr. Hartung übersetzt wie folgt:

Mich hat dies wider Hoffen zugestossne Leid
Zum Tod verwundet, Beste: hin bin ich, mir ist
Des Lebens Reiz verschwunden und der Tod ersehnt.
Er, der (ach, leider seh' ich's ein!) mein Alles war,

« VorigeDoorgaan »