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Anthologie Universelle.

Wolfgang von Goethe.

Mignon.

Kennst du das Land? wo die Citronen blühn,
Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorber steht,
Kennst du es wol?

Dahin! Dahin

Möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.

Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach,
Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,
Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:
Was hat man dir, du armes Kind, gethan?
Kennst du es wol?

Dahin! Dahin

Möcht' ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.

Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?
Das Maulthier sucht im Nebel seinen Weg;
In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut;
Es stürzt der Fels und über ihn die Flut.
Kennst du ihn wol?

Dahin! Dahin

Geht unser Weg! o Vater, laß uns ziehn!

Erlkönig.

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wol in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang' dein Gesicht? – Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?

Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif?

Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.

Du liebes Kind, komm, geh mit mir!、
Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir;
Manch' bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand."

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht ?
Sei ruhig, bleibe ruhig mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind.

Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn,
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.“

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort?

Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau.

,,Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt.“
Mein Vater, mein Vater, jezt faßt er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids gethan!

Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Müh' und Noth;
In seinen Armen das Kind war todt.

Der Fischer.

Das Wasser rauscht', das Waffer schwoll,
Ein Fischer saß daran,

Sah nach dem Angel ruhevoll,

Kühl bis ans Herz hinan.

Und wie er sitzt und wie er lauscht,

Theilt sich die Flut empor;

Aus dem bewegten Wasser rauscht

Ein feuchtes Weib hervör.

Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:

Was lockst du meine Brut

Mit Menschenwiß und Menschenlist
Hinauf in Todesglut?

Ach wüßtest du, wie's Fischlein ist
So wohlig auf dem Grund,
Du stiegst herunter wie du bist
Und würdest erst gesund.

Labt sich die liebe Sonne nicht,
Der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenathmend ihr Gesicht
Nicht doppelt schöner her?
Lockt dich der tiefe Himmel nicht,
Das feuchtverklärte Blau?
Locht dich dein eigen Angesicht

Nicht her in ew'gen Thau?

Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll, Nezt' ihm den nackten Fuß;

Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll,
Wie bei der Liebsten Gruß.

Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da war's um ihn geschehn:

Halb zog sie ihn, halb sank er hin,

Und ward nicht mehr gesehn.

Heidenröslein.

Sah ein Knab' ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,

War so jung und morgenschön,
Lief er schnell es nah' zu sehn,
Sah's mit vielen Freuden.

Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.

Knabe sprach: ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: ich steche dich,
Daß du ewig denkst an mich,
Und ich will's nicht leiden.
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.

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