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Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Einmarsch der Franzosen nach Spanien. Proclamation des Herzogs von Angoulême. Empfang der französischen Truppen. Die Cortes in Sevilla. Verlegung der Residenz nach Cadiz. Eroberung dieser Stadt durch die Franzosen. Befreiung des Königs Ferdinand VII..

Am 5. April 1823 überschritt das französische Heer die Vidassoa. Drei Tage vorher hatte der Herzog von Angoulême seine erste Proclamation an die spanische Nation erlassen, in welcher er als Zweck des Einmarsches der französischen Truppen die Befreiung der königlichen Familie aus den Händen der Revolutionäre angibt, mit der Versicherung daß er weit entfernt sei, in die inneren Angelegenheiten des Landes gewaltsam einzugreifen 1). Auch die provisorische Junta von Bayonne, welche an die Stelle der Regentschaft von Urgel getreten war, erließ am 6. April ein Manifest, in welchem sie die falschen Grundsäße des Liberalismus bekämpft, die Acte der constitutio= nellen Regierung für null und nichtig erklärt und die Spanier zu einem vereinigten Auftreten gegen die „revolutionäre Hydra“ auffor= dert 2).

Aber der Einmarsch der Franzosen brachte die verblendeten Cortes nicht zur Besinnung. Sie träumten noch immer von einer Massenerhebung der Spanier 3) und von einer Rebellion unter den französischen Truppen. Das eine erwies sich so eitel wie das andere. Die französischen Emigranten, welche an der Vidassoa sich postirt hatten und unter dem Rufe, „Es lebe die Freiheit", die Tricolore entfalteten, verschwanden schon nach den ersten Schüssen, welche auf sie abgefeuert wurden, die Bewohner Spaniens aber, anstatt gegen die Franzosen

1) Miraflores, Documentos. Doc. 58.

2) L. c. Doc. 59. Cf. de la Fuente, Hist. de las soc. secret. I, 432. 3) Miraflores, Apuntes p. 190 sq. Der Deputirte Falko sprach dagegen in der Sitzung der Cortes in Sevilla die richtige Befürchtung aus: Me guardaré yo bien de tomar la guerra de la Independencia por término de comparacion con la actual; porque, y quisiera equivocarme! los elementos que fomentaron aquella y formaron el grande teson con que se llevó á cabo, están desgraciadamente en contra de esta.

Front zu machen, nahmen die französischen Truppen als ihre Befreier

mit offenen Armen auf.

Welch' eine Veränderung! Als Napoleon im Jahre 1808 in Spanien einfiel, erhob sich das Volk wie ein Mann, überall bildeten sich Heereshaufen, um den Franzosen das Eindringen in das Land zu erschweren. Die spanische Nation bewies damals einen Heldenmuth und eine Opferwilligkeit wie in den Zeiten der Kämpfe mit den Mauren; nichts konnte ihren Muth schwächen, ihr Vertrauen erschüttern, ihrem Widerstande Einhalt thun. Waren die Guerillatruppen, welche wahrhaft Wunder der Tapferkeit verrichteten, an dem einen Orte durch die Uebermacht der Franzosen geschlagen und auseinander gesprengt, so sammelten sie sich an einem anderen Orte wieder, um den Kampf auf's neue zu beginnen und nicht eher die Waffen niederzulegen, bis der letzte französische Soldat das Land verlassen. Und jezt wurden dieselben „französischen Soldaten überall als Befreier und mit dem größten Enthusiasmus vom Volke empfangen 1)", während dasselbe „die Desertion der constitutionellen Soldaten begünstigte, die Couriere der Regierung überfiel und die Verbindungen zwischen den con= stitutionellen Truppen unterbrach 2)". Von allen Seiten erscholl der Ruf: „Es lebe der absolute König, es lebe die Religion, es lebe die Inquisition 3)!"

Diejenigen Schriftsteller, welche Kundgebungen dieser Art und besonders die Ausdrücke, es lebe der absolute König, nach dem Vor

1) En medio del mayor entusiasmo popular en su favor se recibian en totas partes como libertadores á los soldatos Franceses. (Miraflores, Apuntes p. 196.) An einer anderen Stelle schreibt derselbe Autor: del pais entusiasmado toto en favor del egército Francés. (p. 201.)

2) Lo que es mas, la mayoría del pueblo Español que en totas partes se adelantaba á aquel, fomentando con fruto la desertacion de los soldates Constitucionales, soprendiendo correos y cortando comunicaciones etc. Apuntes I, 192. cf. 193, wo er über die Eröffnungs-Rede Calderon's, Präsident der Cortes von Sevilla, sagt: Contradicendo sus pomposas declamaciones col el estado real y verdadero de la inmensa opinion que hacía prorumpir gritos de Viva el egército Francés etc.

3) Miraflores, l. c. p. 191.

Brück, Die geheimen Gesellsch. in Spanien,

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gange spanischer Liberalen und Freimaurer auf Rechnung eines durch die Geistlichkeit und die Mönche erhizten Fanatismus des Volkes sezen, oder diesem Volke allen Sinn für Freiheit und Selbstständigkeit absprechen wollen, sind gänzlich im Irrthum. Das spanische Volk hat mehr als jede andere Nation gezeigt, daß es nicht blos für die wahre Freiheit zu sprechen, sondern auch für dieselbe zu kämpfen wußte; um so mehr aber widersetzte es sich jener Freiheit, mit welcher die freimaurerischen Cortes es beglücken wollten, und verabscheute die Constitution, durch welche die königliche Würde in den Koth gezogen wurde und die Willkürherrschaft der verschiedenen Parteien abwechselnd auf dem Lande lastete.

Auch der Ruf, es lebe die Religion", ging aus dem innersten Herzensgrunde der katholischen Spanier hervor. Er war eine feierliche Verurtheilung der Verlästerungen und Beraubungen, welchen die katholische Kirche und ihre Diener während der Herrschaft des Consti= tutionalismus ausgesetzt waren, und ein lauter Protest gegen die Gräuel und Sacrilegien, welche die den Freimaurern oder Comuneros angehörigen Generale in den von ihnen occupirten Gegenden durch die Soldateska verüben ließen.

Wenn aber das spanische Volk auch die Inquisition herbeisehnte, so beweist dies, daß dieselbe kein grausames und unvolksthümliches Institut gewesen, sondern nur den Liberalen verhaßt war, weil sie der ungläubigen und sittenverderblichen Literatur den Weg nach der pyrenäischen Halbinsel verschloß.

Ohne auf einen bedeutenden Widerstand zu stoßen, rückte der Herzog von Angoulême vor und hielt schon am 23. Mai seinen Einzug in Madrid. Zwei Tage später wurde dort eine provisorische Regentschaft installirt, welche während der „Gefangenschaft“ des Königs die Regierung des Landes führen sollte. Dieselbe erließ eine Proclamation an das spanische Volk, welches sie zur Treue gegen den König und zum Widerstand gegen die Revolutionäre aufforderte1).

1) Miraflores, 1. c. p. 207. Documentos, Doc. 62. 63. Ueber das zweideutige und heuchlerische Benehmen der Freimaurer, Montijo und La Bisbal siehe de la Fuente, Hist. de las soc. secr. I, 432.

Das Vordringen der Franzosen nach Andalusien versezte die Cortes in Sevilla, welche sich noch immer nicht die Gefahr eingestehen wollten, in die peinlichste Lage. Ohne Geld und Truppen vermochten sie dem französischen Heere keinen Widerstand zu leisten, und konnten sich nicht verhehlen, daß Sevilla in kurzer Zeit von demselben occupirt werde. In ihrer Noth beschlossen sie die Verlegung der Residenz nach Cadir. Eine Deputation theilte dem König diesen Beschluß mit. Ferdinand VII. aber weigerte sich, Sevilla zu verlassen. Er rechnete hiebei auf die Unterstüßung von Seiten des Volkes, namentlich der Landbevölkerung, und noch mehr auf den General Downie, welcher einen Theil der Garnison für seinen Plan, den König aus der Gewalt der Revolutionäre zu befreien, bereits gewonnen hatte. Das Unternehmen scheiterte aber an der Unvorsichtigkeit der Royalisten. Ein Chirurg, welcher im Hause des genannten Generals freien Zutritt hatte, belauschte die Berathungen der daselbst versammelten Royalisten und machte der liberalen Obrigkeit Anzeige, worauf die Theilnehmer an der Versammlung ergriffen und eingekerkert wurden. Auf diese Weise wurde der Rettungsplan des Königs vereitelt; Ferdinand VII. gab trozdem der Aufforderung der Cortes, nach Cadir zu reisen, nicht nach1).

Um den König mit Gewalt zu nöthigen, sich ihrer Tyrannei zu fügen, erklärten die Cortes, seine Weigerung rühre von einer momentanen Geistesstörung her, und setzten eine Regentschaft ein, welche bis zur Genesung des Monarchen dessen Stelle vertreten sollte 2). Der König gab zuleht nach. Am Abend des 12. Juni wurde den Cortes die Mittheilung von der Abreise desselben nach Cadir gemacht, und am anderen Tage folgten ihm die Regierung und der Congreß nach.

1) de la Fuente, 1. c. I, 400 sqq. Miraflores, Apuntes p. 216 sqq. 2) Galiano hatte in der Sizung vom 11. Juni 1823 diesen Antrag ge= stellt. Einen Bericht hierüber gibt Miraflores. (Doc. 66.) Ein Comunero, ehemaliger Redacteur des Zurriago, spricht sich über die Bestimmung der Cortes so aus: Las Cortes para acabarse de cubrir de oprobrio . . para acabar de perder la honra declaran al Rey inepto para regir hasta que llegue á Cádiz. (de la Fuente, 1. c. I, 406.)

...

Einige Deputirte blieben zurück, da sie die Fruchtlosigkeit eines längeren Widerstandes einsahen. Nach dem Weggange des Königs brach in Sevilla ein Aufstand aus, bei welchem auch das Local der Freimaurer gestürmt wurde 1). Das Erscheinen des Generals Lopez Baños an der Spiße eines Heeres machte dem Aufruhr rasch ein Ende. Hierauf gab Baños Eigenthum und Leben der Bewohner von Sevilla, nachdem er ihnen vorher eine enorme Contribution auferlegt hatte, den rohen Milizen preis.

Die Reise Ferdinand's VII. und der königlichen Familie fand unter militärischer Escorte statt. Auch Riego schloß sich derselben als Freiwilliger an. Ueber dieser Reise schwebt ein mysteriöses Dunkel2). Es wird nämlich erzählt, die Freimaurer hätten die Absicht gehabt, den König auf dem Wege nach Cadir ermorden zu lassen. Ferdinand VII. habe diese Gefahr nur dadurch von sich abgewandt, daß er sich dem Chef der Escorte durch das „Zeichen der Bedrängniß 3)“ als Freimaurer habe zu erkennen gegeben. Diese Erzählung klingt aber nicht wahrscheinlich und hängt wohl mit dem spätern Bestreben zusammen, den König zu einem Mitgliede dieses Geheimbundes zu stempeln. Doch ist es immerhin nicht ohne Bedeutung, daß ein solches Gerücht nur entstehen konnte. Noch unwahrscheinlicher ist die Nachricht des Obersten Minio, daß er den Plan der Freimaurer vereitelt habe. Am 15. Juni kam der König in Cadir an, und schon am folgenden Tage ward ihm die Regierungsgewalt wieder zurückgegeben. Seine momentane Geistesstörung war nur eine Finte der Liberalen gewesen 4).

Nun war die unheilvolle Revolution wieder an den Ort zurückgekehrt, von welchem sie ausgegangen war. Bald nach ihrer Ankunft am 18. Juni begannen die Cortes ihre Sizungen. Der Deputirte Gener eröffnete dieselben als Präsident mit einer Rede, welche der

1) de la Fuente, 1. c. I, 407. 2) L. c. I, 407 sq. 3) Siehe S. 17. 4) Als die Regenten dem Könige ankündigten, daß er nun wieder die Regierung übernehmen könne, fragte er sie spöttisch: Also bin ich jezt nicht mehr verrückt?

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