deutlichste Beweis von der Kopflosigkeit ist, die unter den Liberalen herrschte 1). Dafür zeugen auch die Verhandlungen und Debatten im Congresse. Nur einzelne Deputirte wagten es, auf die Schwierigkeit der Lage hinzuweisen; doch die Stimme der Vernunft fand kein Gehör. Am 5. August 1823 wurden die ordentlichen Cortes geschlossen. Wie weit die Liberalen in ihren Illusionen sich verstiegen, beweist die Thronrede, welche die Minister dem König aufzwangen, und die Antwort des Präsidenten der Cortes 2). Aber auch dieses Possenspiel und die von Lügen wimmelnden liberalen Zeitungsberichte vermochten nicht, die Unzufriedenheit der Einwohner von Cadir zum Schweigen zu bringen, oder die Franzosen in ihrem Siegeslaufe zu hemmen. Das Heer des Herzogs von Angoulême erschien endlich vor Cadir und schritt zur Belagerung der Stadt, während die französische Flotte den Hafen blodirte. Um die verblendeten Cortes zur Nachgiebigkeit zu stimmen, sandte der französische Generalissimus einen Parlamentär nach Cadir. Derselbe überbrachte ein Schreiben des Herzogs von Angoulême, durch welches der König gebeten wird, eine Amnestie zu bewilligen und die alten Cortes zu berufen, um dem Volke Bürgschaft der Ordnung, Rechtspflege und einer guten Verwaltung zu geben; zugleich aber droht der Herzog mit Anwendung von Gewalt, wenn Ferdinand VII. nicht binnen fünf Tagen in Freiheit gesezt sei. Die Antwort der Regierung vom 21. August war nichtssagend und trozig. Der Herzog traf nun die nöthigen Anstalten, seinen Forderungen mit Gewalt Geltung zu verschaffen 3). Um diese Zeit machte Riego im Einverständniß mit der Regierung von Cadir und „auf die Hilfe der geheimen Genossenschaften rechnend“, den abenteuerlichen Versuch, an der Spiße eines Heeres sich in die Sierra Morena zu werfen, um die Verbindung zwischen Madrid und Cadir abzuschneiden und die Franzosen zum Rückzuge zu nöthigen 4). Der Plan mißlang aber, und auch der Versuch des eiteln Phantasten, 1) Miraflores, Documentos Doc. 74. 2) L. c. Doc. 77. 3) L. c. Doc. 79 sqq. 4) de la Fuente, Hist. de las soc. secr. . I, 422 sq. sich zum Heere Mina's durchzuschlagen, verunglückte. Verlassen und verfolgt, suchte Riego mit einigen Getreuen in einem Pachthofe bei la Carolina de Arguillos eine Zufluchtstätte. Er wurde aber entdeckt und von den Franzosen verhaftet. Diese lieferten ihn der Regentschaft in Madrid aus. Hier wurde er zum Tode durch den Strang verurtheilt. Das Urtheil ward am 7. November 1823 vollzogen. In einem Briefe am Vorabend seiner Hinrichtung bekennt Riego seinen Glauben an alle Wahrheiten der katholischen Kirche und bittet Diejenigen, welche er durch sein früheres Benehmen in ihrer Ehre, ihrem Leben und ihren Besißungen geschädigt hatte, um Verzeihung1). Auf diese Weise suchte der Unglückliche einigermaßen die großen Frevel zu fühnen, die er im Leben begangen hatte. Als die Franzosen mit der Belagerung von Cadir Ernst machten, und die besonnenen Männer über das Schicksal der Stadt sich keinen Täuschungen mehr hingeben konnten, wollten die Cortes unter Vermittelung des englischen Gesandten Unterhandlungen anknüpfen. Der Herzog von Angoulême verlangte aber als erste Bedingung einer Verhandlung die Freiheit des Königs. Darauf wollten die Cortes nicht eingehen. Die Eroberung des Trocadero durch die Franzosen gab endlich der Sache eine andere Wendung. Die Regierung berief auf den 5. September die außerordentlichen Cortes; allein auch diese wußten jezt keinen Rath 2). Der König, oder vielmehr die Regierung, sandte nun den General Alava mit neuen Vorschlägen in das französische Lager; der Herzog von Angoulême blieb jedoch bei seiner Forderung. Am 28. September erfolgte endlich die Freilassung des Königs, und am 1. Oktober 1823 kam Ferdinand VII. im französischen Lager in Puerto San Maria an. Der Congreß löste sich auf; die Mitglieder der revolutionären Regierung und die Cortes entflohen auf englischen Schiffen. 1) Hist. de la vida etc. III. Doc. I. 12 n. 5. 2) Miraflores, 1. c. Doc. 84 sqq. Dreiundzwanzigstes Kapitel. Borschläge spanischer Bischöfe zur Wiederherstellung der kirchlichen Ordnung. Berfügungen der provisorischen Regierung und des Königs. Aufhebung der antikirchlichen Geseße. Zurückberufung des Nuntius. Anterdrückung der Militärschulen. Anordnung von Sühnandachten und Miffionen. Regierungsmaxime Ferdinand's VII. Ueber die nach erfolgter Pacificirung des Landes zu ergreifenden Maßregeln sprachen sich die verbannten spanischen Bischöfe, welche in Frankreich ein Asyl gefunden hatten, in ihrem von uns schon öfter erwähnten Schreiben an Papst Pius VII. eingehend aus. Ihre Bemerkungen und Vorschläge 1) sind um so mehr zu beachten, als sie aus einer gründlichen Kenntniß der Sachlage hervorgingen und sowohl die Ursachen jener traurigen Katastrophe aufdecken, als auch die ge= eigneten Mittel zu einer dauerhaften Wiederherstellung der Ordnung angeben. Die genannten Bischöfe erklären in ihrem Schreiben dem heiligen Vater, daß das spanische Volk in seiner immensen Mehrheit an den eingeführten antikirchlichen Neuerungen kein Wohlgefallen habe, sondern die Wiederherstellung der alten Ordnung der Dinge und die Aufhebung aller in dieser ganzen Zeit gegen die Geistlichen und die Rechte der Kirche erlassenen Decrete verlange. Auch werde dasselbe „der Entrichtung des Zehent durchaus keinen Widerstand entgegen sehen“, so daß die Regierung ohne jede Schwierigkeit den früheren Zustand wiederherstellen könne. Um so gefährlicher aber, bemerken die Prälaten, seien die gehei= men Gesellschaften, welche schon vor dem Ausbruche der Revolution dem königlichen Despotismus geschmeichelt2), den Fürsten vollkommene Oberherrschaft über die Kirche beigelegt und dieselben zu den beklagenswerthen Eingriffen in deren Rechte veranlaßt hätten. Wenn man auch wohl hoffen dürfe, daß König Ferdinand VII., welcher 1) Coleccion XIII, 305 sqq. 2) Lisongeando á los Soberanos con una autoridad absoluta, que á titulo de proteccion les attribuye sobre todo lo sagrado etc. (1. c. p. 306.) aus eigner Erfahrung „die Früchte ihrer Rathschläge" kennen gelernt habe, sich von den geheimen Gesellschaften abwende, so müsse man sie trozdem für unermüdete Feinde von einer außergewöhnlichen Schlauheit halten, welchen, wie es scheine, Gott gestattet habe, die Menschen zu verführen und zu verblenden1)." Wenn die Prälaten 'die Erwartung aussprachen, der König werde die Erlebnisse seit 1820 benüßen und das bisherige despotische Regiment, welches sich in so zerstörender Weise in die kirchlichen Anliegen einmischte, aufgeben, so sprachen dieselben mehr einen Wunsch ihres Herzens, als eine begründete Hoffnung aus; denn sie konnten sich nicht verhehlen, daß die Bedrückungen und Einschränkungen der Kirche in einer neuen Form und unter einem anderen Vorwande wiederkehren könnten und wahrscheinlich auch würden. Um dies zu verhüten, wandten sie sich gerade an das Oberhaupt der Kirche, dessen Mitwirkung zur Ordnung der kirchlichen Verhältnisse in Anspruch genommen werde, um ihm ihre Bemerkungen“ hierüber mitzutheilen und ihre desfallsigen Vorschläge zu unterbreiten. Diese Vorschläge haben fast alle den Zweck, das Hineinregieren der weltlichen Gewalt in die Kirche und die Belastungen derselben durch den König zu verhüten, oder wenigstens zu beschränken. Die Prälaten beginnen mit dem Kirchenvermögen, und richten in Anbetracht der neuen Lasten", welche demselben voraussichtlich auferlegt würden, die Bitte an den Papst, der Regierung keine neuen freiwilligen Geschenke" zu machen 2), ohne vorher die Bischöfe zu hören, und jedenfalls zu verhindern, daß das Kirchenvermögen zu sehr " 1) Mas no obstante las tenemos con enemigos incansables y de una astucia portentosa, y á quienes parece que Dios ha permitido seducir las gentes y fascinarlas. (1. c. p. 306 sq.) 2) Sie führen drei Nachtheile an. 1. disminuir las rentas acaso demasiado, 2. ocupar en la administracion un número considerable de ministros en perjuicio de las fundaciones eclesiásticas, 3. dar á los legos en las cosas de la Iglesia una íntima intervencion de muy mala consecuencia. (1. c. p. 308.) belastet werde, oder „daß die Regierung in die Verwaltung der kirchlichen Einkünfte sich einmische1)“. Ferner verlangen sie die Wiederherstellung der kirchlichen Immunität und besonders die Aufhebung der Appellationen von den geist= lichen Gerichten an die weltliche Gewalt, weil hiedurch den Bischöfen die Regierung ihrer Diöcesen zu sehr erschwert werde, indem es ihnen fast unmöglich sei, gegen ungehorsame Geistliche einzuschreiten. Mit Hinweis auf die Wichtigkeit und Nothwendigkeit der Orden erwarten die Bischöfe zuversichtlich die Wiederherstellung der aufge= hobenen Klöster und die Zurückberufung der Jesuiten, können sich aber der Furcht nicht entschlagen, die Regierung werde, „indem sie die Wiederherstellung decretire, zugleich darauf bestehen, daß die Or= densleute den resp. Bischöfen unterworfen seien", wogegen die Prälaten sich entschieden aussprechen. Außerdem wünschen sie, daß man bei Einführung etwaiger Reformen in den Klöstern die Ordensleute vor= her höre. Um für eine gute Erziehung“ der Jugend zu sorgen, halten es die genannten Bischöfe für sehr zuträglich", daß die Ordensleute wie „in den früheren Jahren“ mit Ertheilung des Schulunterrichtes betraut würden, und schlagen deshalb vor, in den Klöstern Freischulen (escuelas gratuitas) zu errichten, in welchen Unterricht in den Elementarfächern und der Religion" ertheilt werden solle 2). „Vorzüglich aber," fahren sie, den Papst anredend, fort, würde Deine Heiligkeit Spanien einen ganz besonderen Dienst erweisen, wenn Du Deinen ganzen Einfluß dahin verwenden würdest, die Wiederherstellung der Gesellschaft Jesu zu erlangen, und daß derselben wieder der ganze Antheil an den Universitäten und in den höheren Schulen zugestanden würde, welchen sie vor ihrer ersten Vertreibung besaß 3)." 1) Evitando que con pretesto de ellas (gracias) el Gobierno intervenga en la administracion de las rentas eclesiásticas. (1. c. p. 308.) 2) Haciendo que en los conventos de todos los pueblos se abriesen escuelas gratuitas de primeras letras y del Catecismo de la Religion. (1. c. p. 311.) 3) Sin perjucio de esto entendemos que vuestra Santitad hará otro |