(Immer als ränge sie mit iemand.) Nein, Joseph! Laß mich; Nimmer werd' ich dein Die Sonne blitt auf, sie sinkt todt zur Erde. Berndt legt ihr den in seiner Hand befindlichen Hochzeitsstrauß in den Arm. Fackeln wehen in der Ferne. Todtengeläute und Trauergesang werden gehört. Die Leiche von Ella's Mutter wird gebracht. Nach den Worten Berndts: »In wenig Tagen betten wir die Tochter an ihre Seite in Gebhards Erbgruft. Er hat ihr vergeben, und der himmlische Vater« geht die Sonne völlig auf, der Todtengesang nähert sich, und der Vorhang fällt. Aus dem angezeigten Inhalte ist ersichtlich, daß dies Trauerspiel als Hauptvorwurf jenen alten Stoff behandle, welcher durch Bürgers Leonore allgemein bekannt geworden ist, und allgemeine Theilnahme erfahren hat, nämlich die Sage, daß ein Mädchen durch das zu heftige Aufwallen sinnlicher Liebesgluth dahin gebracht ward, nach erhaltener Nachricht vom Tode ihres Geliebten, durch Schmähungen gegen den Himmel ihr ewiges Heil zu verkaufen, und zur Strafe dafür von dem, seinem Grabe entstiegenen Buhlen, mit dem sie freventlich irdische Vereinigung begehrt, abgeholt, und dem Grabe zugeführt worden sey. Das Stück geht von der zweyten Scene des vierten Akts bis zum Schlusse fast genau den in der Ballade vorgezeichneten Gang, die ersten drey Akte zeigen die Entstehung, und die Art des Verhältnisses zwischen den Liebenden, Ella und Wilhelm. Was nun jenen Stoff betrifft, so dürfte er sich wohl seiner Natur nach mehr für die erzählende Weise, als für die dramatische Be= handlung eignen. Das Schauderhafte, welches er als Hauptmittel zur Darstellung des Grundgedankens, der in ihm verborgen liegt, begehrt, und welches erzählt die durch keine sinnliche Erscheinung gestörte Einbildungskraft zur Thätigkeit antreibt, sinkt, wenn wir es in der Darstellung verkörpert erblicken, zur Maschinerie herab. Die unnachahmliche Beschreibung der Erscheinungen des Todten, des Rittes in der Mondnacht über Acker, Haid und Land, des Nahens vom Leichenzug, wie Gebirge, Bäume und Hecken, Dörfer und Städte an ihnen vorüberfliegen, die Scene am Hochgericht, das Zerfallen des Reiters am Kirchhofe, das Geheul in der Luft, das Gewinsel aus den Gräbern, Alles ist ganz dazu geeignet, uns mit den Schrecken der Geisterwelt zu erfüllen, denn unsere durch nichts Körperliches in die Schranken gewiesene Fantasie verliert sich daben ins Ungemeßne. Diese Schrecken sind auch keineswegs leere hohle Spukgestalten, die nichts weiter zu thun haben, als uns mit einem flüchtigen Grausen zu erfüllen, sie machen uns die Wahrheit der in den legten Versen ausgesprochenen Wahrheit »>Mit Gott im Himmel hadre nicht« auf eine eindringliche Weise erkennbar. Alles das vermochte der Verfasser des vorliegenden Volkstrauerspiels schon nach der Eigenheit der Mittel, mit welchen er den Zweck, den er sich vorfeste, zu erreichen strebt, nicht so wirksam hervorzubringen, wie der erzählende Dichter. Er hat es auch unstreitig selbst erkannt, indem er in der neunten Scene des legten Akts Ella das erzähIen läßt, was mit ihr, nachdem die Erscheinung sich ihrer bemächtigt hat, vorgegangen ist, was hier störend erscheint, da wir in einem dramatischen Gedichte gegen das Ende zu, das rascheste Entwickeln der Handlung in der Begebenheit begehren, eine Erzählung aber den Gang dieser Entwicklung aufhält. Das Grauenhafte, welches in jedem Kunstwerke nur als Mittel, nie als Zweck erscheinen darf, muß vor Allen nur da seyn, um etwas Höheres anschaulich zu machen, nur die höchsten, wichtigsten Interessen dürfen dadurch aufgeregt werden, und nie darf es zu gehäuft seyn. Immer nur in dieser Weise hat es Shakespeare gebraucht, der ein Meister in seiner Anwendung genannt werden kann. Es möchte aber kaum zugegeben werden dürfen, daß die Natur des Stoffes von schön Ella den Gebrauch so gewaltiger Mittel in der dramatischen Behandlung zulasse, wie jene sind, welche der Dichter angewendet hat. Um den Leichtsinu eines Mädchens und seine Eitelkeit zu bestrafen, müssen nicht eben Todte aus ihren Gräbern steigen. Es ist das Schicksal von Königreichen, um derentwillen Shakespeare im Hamlet und Makbeth an die Pforten der Unterwelt klopft. Der Frevel gegen die Vorsehung ist von feltner schrecklicher Art, und verdient eine seiner Natur gleiche Strafe; aber auf Ellas Schicksal wird schon früher hingewiesen, bevor noch jene sträflichen Worte ihren Lippen entflohen. Die Voranzeigen kommen Schlag auf Schlag. Wir haben schon in der Darstellung des Inhalts darauf aufmerksam zu machen versucht. Der Unwille des Himmels über die, gegen den Willen der Aeltern geknüpfte Vereinigung spricht sich schon im ersten Akte deutlich aus, und wird in einer Reihe auf einander folgender Zeichen kund gethan. Wollte der Dichter jedoch die Folge des in der ersten Scene des zweyten Akts ausgesprochenen Vaterfluches zeigen, so mußte erstens das Ganze höher gestellt, dann die Wirkung an dem, gegen den er gerichtet ist, anschaulicher gemacht werden. Wilhelm aber lebt in Freuden, entflieht den Armen der strafenden Gerechtigkeit, kommt zu kriegerischen Würden, und stirbt auf dem Bette der Ehre. Daß der Hochzeitbitter Berndt am Schlusse bemerkt, er solle in der Trunkenheit gestorben seyn, macht um so geringern Eindruck, da Silberström in der frühern Scene mit Ella die eigentliche, rühmliche Art seines Todes im Kampf erzählt. Auch ist das Grauenhafte und Düstre zu sehr gehäuft, was sogar der Darstellung, wo derley Wirkungen von der Geschicklichkeit des Maschinisten abhängen, Schaden thun dürfte. Blih und Donner schrecken in der siebenten Scene des zweyten Akts die Liebenden auf, in der folgenden Scene greift Ella, als sie die zur Erde fallenden Blumen aufheben will, nach Wachholder, Wermuth und Rosmarin, und ein Leichengeruch weht ihr entgegen. Bliß und Donner be enden wieder den Akt. Der zweyte Akt enthält viele Anspielungen auf das künftige Unglück der Liebenden, wozu selbst das Kostüm der handelnden Personen gehört, die schwarze Kleidung der Elisabeth, der Stab, den Wilhelm als Pilger trägt, dessen Knopf ein geschnigter Todtenkopf ist, der Cypressenkranz, den er von Berndt empfängt, und sich aufs Haupt seht und dergleichen. Im dritten Akt gehen die Prophezeyungen Rachels, welche das Gemüth der Zuschauer niederdrücken, an uns vorüber; in der vierten Scene erbleichen die Rosen, welche Ella vom alten Gebhard erhält; in der sechsten Scene springt das Glas, welches Wilhelm Ellen übersandte; im fünften Aft folgen schaurige Gesänge auf einander, die Hausklingel wird von einem unsichtbaren Wefen in Bewegung gesezt, die Erscheinung tritt auf, der Geist trägt Ella auf seinen Armen fort, die Schlüßhandlung geht unter Cypressen und Trauerbirken vor, grau und schwarz gekleidete Mädchen erscheinen, Rachel verschwindet einer Here gleich in ein rothes Tuch gehüllt, Todtengeläute, Trauergesang, wehende Fackeln schließen das Stück. Durch den zu verschwenderischen Gebrauch verliert nun das Schauderhafte, welches mäßig und vorsichtig angewandt eines der gewaltigsten Kunstmittel zur Erregung erhabener Gefühle ist, viel von seiner Wirkung, ja es läuft zuleht ihr gerade entgegen, und hebt, zu weit getrieben, sie ganz auf. In der Ballade ist dieß nicht sehr zu besorgen, denn man gibt dort gerne die Ungewöhnlichkeit des Inhalts zu, und der geringe Umfang des Gedichts läßt uns das Störende der Unwahrscheinlichkeit weniger bemerken. Anders jedoch ist es beym Drama. Hier begehren wir eine genauere Motivirung, eine größere Rücksicht auf die Verhältnisse des wirklichen Lebens, und alles was der uns bekannten Ordnung der Natur zuwider läuft, ertragen wir höchstens dann, wenn das Schauerliche nicht nur ein Mittel ist, uns etwas Höheres anschaulich zu machen, sondern das einzige, wenigstens das wirksamste Mittel dazu; wenden wir uns vom inhaltsleeren Spucke unwillig weg. Nur in der Oper allenfalls dürften wir es ertragen, weil wir hier durch eine Reihe von Jahren, vielleicht durch die Verbindung der Musik mit dem Worte, als einer für sich unnatürlichen, das Ungewöhnliche vorauszusehen und zu ertragen gewohnt sind. Der Dichter hat vielleicht dadurch, daß er sein Werk ein Volkstrauerspiel nannte, eine Entschuldigung für den Gebrauch allgemein wirkender Motive ansprechen wollen, aber da auch jenes Trauerspiel sich den obersten Gefeßen der Kunstwerke dieser Gattung fügen muß, so kann der im Allgemeinen zu mißbilligende Mißbrauch eines Kunstmittels auch hier nicht zuläßig erscheinen. Daraus wird ersichtlich, daß der lehte Grund von Allen dem, was allenfalls dem Stücke vorgeworfen werden könnte, in der vom Dichter getroffenen Wahl des Stoffes liegt. Es ist nicht anzunehmen, daß aus der bekannten Ballade ein besseres Trauerspiel hätte gemacht werden können, aber sie selbst ist überhaupt zur dramatischen Behandlung nicht gut geeignet. Wenn gleich der Hauptgedanke, den sie durchführt, auch in dramatischer Form dargestellt werden kann, so ist dieß doch nicht durch die in der gedachten Ballade vorkommenden Begebenheiten zu bewirken. Der Grund ist bereits ausgesprochen worden. Der Dichter hätte demnach in seinem Volkstrauerspiele, welches er doch nicht bloß darnach benennen konnte, daß es seinem Inhalte nach eine Volkssage behandelt, nur auf die Handlung und gar nicht auf die Begebenheit Rücksicht nehmen dürfen, welches aber nicht geschah. Wenn man jedoch, von dem Gerügten abgehend, auf die Behandlungsweise des Gedichtes überhaupt Rücksicht nimmt, so muß zugegeben werden, daß der Dichter hier viel Vorzügliches geleistet, und wieder jene poetische Darstellungsgabe entfaltet habe, welche ihn seit langer Zeit zu einem entschiedenen Lieblingsschriftsteller, der auch den Kenner zu befriedigen weiß, gemacht hat. Eben deßhalb, weil der Verfasser die höhern Rücksichten, welche der Dichter beachten soll, kennt und zu erfüllen versteht, und uns dieß in zahlreichen Proben erwiesen hat, erscheinen um so nothwendiger die Bemerkungen, welche beweisen, daß dies Trauerspiel die höhern Erfordernisse nicht vollkommen erfülle, obschon man ihm (bey einer glücklichen Darstellung) eine eindringliche Bühnenwirkung nicht absprechen kann. Aus dem Ganzen leuchten der Geist eines Poeten, und die sichere Hand eines fertigen Künstlers heraus. Die Scenen sind fast durchgehends wirkungsreich, und stehen unter einander in gutem Zusammenhange. Die Zeichnung der Charaktere ist größtentheils zu loben, besonders Ella's, Margreth's und Rachel's. Die Eitelkeit der erstern, welche der eigentliche Keim ihres Unglücks ist, entwickelt sich vom ersten Auftreten des Mädchens an vor unsern Augen; durch alle ihre Handlungen blickt sie durch, und selbst dem Ungehorsam und dem Frevel, der am Schlusse gezüchtigt wird, liegt sie zum Grunde. Dabey ist das Liebenswürdige des Mädchens interessant ausgemalt. Rachel ist wohl etwas zu gespenstisch gehalten, dem ungeachtet aber muß die Zeichnung ihres Charakters gelungen genannt werden. Sie erscheint nicht geradezu verabscheuungswürdig, da ihre Anhänglichkeit an Wilhelm gezeigt wird und begründet ist, und auch die spätere Zurückseßung, die sie von Ella erfahren zu haben glaubt, ihr zum Bösen geneigtes Gemüth auf eine begreifliche Weise aufreizt. Ihre Art der Einwirkung auf Ella isi unter den gegebenen Bedingungen wahr und gut dargestellt. Der treuen schlichten Margreth mütterliche Frommheit und Sorgfalt erregen volle Theilnahme. Außer diesen muß noch die Charakteristik einer Nebenperson mit Auszeich nung genannt werden, des Kornetten Sparre. Die Scene, in welcher er auftritt, die neunte des dritten Akts, gehört zu den vorzüglichsten des Stücks. Die militärische Haltung des Júng= lings, der seiner Würde dem Frauenzimmer gegenüber nichts vergeben will, das Gefallen, welches Ellas Schönheit in ihm entzündet, die steife Galanterie, das Warmwerden, wenn von militärischen Dingen die Rede ist, und dabey das Benehmen Ellas, die von Lust über Wilhelms Brief durchdrungen, doch vor dem jungen Kriegsmann ihre Würde als Braut seines Vorgesezten zu bewahren sucht, Alles das ist in ein lebhaftes gelungenes Bild verbunden. Die andern Charaktere sind mit weniger Glück angelegt und ausgeführt. Gebhard interessirt durch sein sonderbares und dabey rechtliches Benehmen erst nach dem Tode. Es wäre zu wünschen gewesen, daß der Dichter ihn von vornherein so gestellt hätte, daß man ihm diese Handlungsweise hätte zutrauen müssen. Wilhelm wird mehr durch die Wirkung einiger Scenen, in denen er auftritt, als durch seinen Charakter bedeutend. Silberström ist nur dem Umrisse nach angelegt, und aus der zahlreichen Menge der übrigen Personen tritt nur der Hochzeit und Grabebitter Berndt etwas hervor, aber auch ohne durch eine charakteristi= sche Eigenthümlichkeit sich auszuzeichnen, einen Anflug von Humor abgerechnet. Daß der Dichter manche Nebenpersonen gar zu wenig bedacht hat, ist um so mehr zu bedauern, da er besonders im feineren Ausmalen meisterlich zu verfahren im Stande ist. Das Stück ist in dieser Hinsicht an herrlichen Zügen reich. Wir zählen dazu gleich den Anfang, wo Ella das Gebetbuch, in dem sie nachläßig geblättert hat, zukrampt, und einen Spiegel daran lehnt. Wie zeigt sich schon darin die keimende Eitelkeit des Mäd= |