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starkes Häufen des Grauenhaften und Schauerlichen, und dadurch, daß er die Bühnenwirkung zu sehr im Auge gehabt hat, dem Kunstwerke geschadet habe, daß sich in Rücksicht der Form hin und wieder kleinere Mängel zeigen, aber daß dem ungeachtet das Ganze ein sprechender Zeuge der poetischen Natur des Verfassers sen, daß davon bey der nöthigen Vorsicht einer guten Darstellung, und einer geschickten Unordnung des scenischen Theils eine bedeutende Bühnenwirkung zu erwarten stehe, und daß sich besonders in der Ausarbeitung, dem Wechsel und der verständigen Verbindung der Begebenheiten jene künstlerische Kraft, die der Verfasser oft uns bemerkbar macht, in diesem Werke wieder finde, so daß es allerdings, wenn auch nicht zu den bedeutendsten, doch zu den interessanteren Erscheinungen der neuern Zeit gezählt werden muß. Dem Trauerspiele sind vier Gedichte angehängt, wovon wahrscheinlich die drey ersten die Quellen angeben sollen, aus denen der Dichter geschöpft hat, das vierte aber eine im Stücke vorkommende Stelle erklärt. Das erste dieser Gedichte, Lenore, ist aus Achim v. Arnim, und Clemens Brentanos Wunderhorn, Heidelberg bey Mohr und Zimmer 1808, Bd. 2, S. 19 genommen; das zweyte des füßen Wilhelms Geist aus Sweet Williams ghost in Percy's Reliques Vol. III. pag. 126 überseht von Justi, und das dritte, der Ritter Aage und Jungfrau Elfe, aus den altdänischen Heldenliedern, Balladen und Märchen überseht von Wilhelm Karl Grimm. Heidelberg, bey Mohr und Zimmer, 1811, S. 73 und 505. Sie halten alle weder der Tiefe und dem Interesse des Inhalts, noch der Kraft der Behandlung nach, nicht den geringsten Vergleich mit der Bürgerschen Ballade aus, und man sieht daraus, wie so ganz und gar Bürger Meister seines Stoffes gewesen. Indeß verdient, wenn man sie mit einander vergleicht, das zweyte den Vorzug, wird aber wieder weit von dem lehteren der kranke Ritter vom Verfasser überboten. Der Inhalt dessen ist von vielem Interesse und meisterhaft durchgeführt. Nur erscheinen in der sechzehnten Strophe S. 242, in welcher der Ritter erzählt, daß seine Geliebte ihm seine Haarlocke geraubt habe : Ich nahm den Helm vom Haupte

Und beugte mich vor ihr;

Sie fuhr daher

Mit einer Scheer

Und lieblich kosend raubte

Das Scheitelhaar sie mir.

der dritte und vierte Vers um so störender, da Alles übrige des Gedichtes zwar in einem der Natur desselben entsprechenden einfachen, aber doch dabey edlen und würdigen Tone gehalten ist.

2. Gedichte von August Mahlmann. Halle, in der Rengerschen Buchhandlung, 1825. 8. 188 .

Das Erscheinen lyrischer Gedichte eines geachteten Schriftstellers ist um so erfreulicher in der jeßigen Zeit, in welcher Erzählung und Drama so sehr auf Kosten jener Dichtungsweise gepflegt und gesucht werden, daß Leser und Buchhändler schon vor dem Namen: »lyrische Gedichte,« zurückschrecken. Der Grund davon ist vielleicht weniger als man glaubt darin zu suchen, daß der Deutsche bey einer entschiedenen Vorliebe für epische und dramatische Dichtungsart, von den Werken der Dichtkunst eine gewisse Masse des Inhalts und einen größern Umfang begehrt. Vergißt er auch der bedeutenderen lyrischen Dichter eis ner frühern Periode, eines Uh, Hagedorn, Gleim und all der liederreichen Sänger jener Tage; erinnert er sich auch kaum mehr einer noch älteren, vielleicht nicht minder guten Zeit; so hält er doch die Poeten, welche ihm näher liegen, im Andenken fest. Er kennt Bürger, Hölty, Mathisson u. a. nicht nur dem Namen nach, er verehrt Göthe, Schiller, Schlegel, Tieck auch in Rücksicht ihrer lyrischen Erzeugnisse, und die eins fachen Gesänge des freundlichen Wandsbeker Bothen vermögen noch immer ihn tief und innig zu durchdringen. Jener Grund, warum lyrische Gedichte in der gegenwärtigen Zeit nicht nur nicht beachtet, sondern wohl gar geflohen werden, liegt vielmehr in der unseligen Schreibelust unserer Tage, in der Menge von Taschenbüchern, Ülmanachen, Zeitschriften u. dgl., welche sämmtlich von dieser leichten Waare angefüllt sind, er liegt in dem dünkelhaften Troße des, meist jugendlichen, Dichterheeres, mit welchem es dem Publikum seine unreifen Erzeugnisse mit Gewalt aufdringen will, und dabey nur auf den Vortheil, sich gedruckt zu sehen, Rücksicht nimmt, auf jeden andern verzichtend. Das Publikum, welches sich das eine geraume Zeit lang gefallen ließ, wurde, da ihm bey jedem Schritt ein Gedicht entgegen trat, da es die Poeten duhendweise, wie Pilze aus der Erde steigen sah, dann durch die Subscriptions- und Pränumeranten - Betteleyen der Autoren, den einzig möglichen Weg, solcher Waare Absah zu verschaffen, von einem Widerwillen gegen die Gattung erfüllt, die sich begreiflicher Weise bald bis zum wirklichen Ekel steigerte. Weder dazu geeignet, noch dazu aufgelegt, durch eine sorgliche Prüfung einzelne bessere Arbeiten aus der Menge elender auszuscheiden, und in der Wahl noch obendrein durch den Unverstand der Kritiker in den Flugschriften, welche die ohnmächtigsten Erzeugnisse der Mittelmäßigkeit lobpreisend erhoben, getäuscht, verwarf man Alles was Gedicht hieß im Allgemeinen, und nahm es höchstens dann in die Hand, wenn der Name des Verfassers aus einer frühern Zeit vortheilhaft bekannt war, wo

bey denn freylich mancher neuere Dichter, der einer glücklicheren Anlage und einer strengeren Beachtung der Form, sich erfreuen durfte, unbeachtet blieb, und verkannt wurde.

Da dieser Zustand, welcher zur Zeitgeschichte gehört, einen eben so mächtigen als nachtheiligen Einfluß auf die redende Kunst ausgeübt hat, so wäre schon die Frage einer näheren Erörterung nicht unwerth, ob die ungezügelte Schreibelust dem Bestehen der zahlreichen Zeitschriften und Taschenbücher, in welchen der poetische Geist quartaliter zersezt und zuleht in Nichts aufgelöst wird, ihr Entstehen verdanke? oder ob jener ungezügelte Drang die elenden Institute ins Leben gerufen habe, welche die Schwäche und den Irrthum der Zeit zu ihren pekuniären Vortheilen zu verwenden und zu benüßen wußten? Fast sollte man der ersteren Meinung seyn, wenn man auf die vergangene Zeit zurückblickt, in der jener unglückselige Ueberfluß der Magazine unreifer Früchte nicht vorhanden war, wobey die Producenten wenigstens keine Gelegenheit hatten, sie vor die Augen des Publikums zu bringen. Die Theilnahme an den Erzeugnissen der Musen war allgemeiner und wärmer als jezt, wo mehr gelesen, aber auch das Gelesene weniger beachtet wird. Früher genoß jedes Buch schon als solches eine Gattung Ansehens, weil man überzeugt seyn konnte, daß selten eines ganz und gar zu verwerfen war. Nun, wo der zehnte Mann im Lande ein Schriftsteller ist, hat sich der Stand der Dinge geändert, die Schwäche geht mit der Parteylichkeit Hand in Hand, durch die Menge der Erzeugnisse, mehr noch durch den Tadel des Guten und die Lobhudeleyen des Alltäglichen wird das Urtheil des Lesepublikums verwirrt, und man betrachtet ein Buch höchstens als Mittel, eine augenblickliche Neugierde zu befriedigen.

Besonders die lyrische Poesie ist übel daran. Sie, von der alle andern Dichtungsarten ausgingen, droht gegenwär tig alles, was sie in früherer Zeit erzeugte, nach und nach zu vernichten. Kaum vermag die Vortrefflichkeit der Leistungen einzelner Meister neuerer Zeit, eines Rückert, Uhland, Kind, Houwald, Schwab, das hereinbrechende Verderben zurückzuhalten. Auf die erhabenste Art der Lyrik, die Ode, wird fast gar keine Aufmerksamkeit gewendet. Wie wenig Bedeutendes ist seit Klopstock und seiner Zeit dafür geschehen! Man geht dem Lyrischen nicht nur aus dem Wege, wenn es in Sammlungen auftritt, sondern selbst dann, wenn es als schickliche Beymischung im Epischen oder Dramatischen erscheint, und nicht etwa aus dem Grunde, weil man es, als die Handlung in ihrem Gange hindernd betrachtet, sondern weil man davon übersättigt und die Handlung mit der Begebenheit verwechselnd, nur einen raschen, dem Sinne gefälligen Wechsel der Ereignisse

begehrt. Der Grund jenes Ekels ist leicht begreiflich. Wenn das lyrische Gedicht, welches sich Ausdruck der Empfindungen zum ersten Zweck und den der Gedanken zum entferntern vorfest, auf Gefallen der Kenner Anspruch machen soll, so kann der Gesammtzweck nur dann erreicht werden, wenn Empfindung und Gedanken durch Innigkeit, Wahrheit, Erhabenheit oder Tiefe sich auszeichnen, und die Sprache im genauesten Einklange damit steht. Bey keiner andern Dichtungsart ist die Feile in Rücksicht der leztern so nothwendig, wie bey der lyrischen, denn der geringere Umfang läßt die Entschuldigungen nicht zu, welche in dieser Rücksicht bey größeren Werken eintreten mögen. Etwas ist hier so gut wie nichts, und nur viel ist etwas. Jeder Mensch hat Empfindungen oder Gedanken, die sich zuweilen über das Gewöhnliche erheben, der Ausdruck derselben kann Niemanden befonders interessiren, um so weniger wenn es in mittelmäßigen Verfen geschieht. Im lyrischen Gedichte pflegt der Poet sein Inneres nach Außen zu kehren; wenn wir daran Gefallen finden follen, muß dies Innere von Bedeutung seyn. Bey den großen Erfordernissen, welche lyrische Gedichte erfüllen sollen, ist es daher auch schlechterdings unmöglich, daß man sie in den Jahren, welche der Bildung und der Vorbereitung angehören, bändeweise erscheinen läßt. Ein so läppisches Thun zeigt von der schlechten Ansicht, die man von der Kunst hat, von der kindischen Meinung, daß das gewöhnlichste Denken und Empfinden des Einzelnen das ganze Publikum interessiren müsse, und ist in vorhinein zu verwerfen.

Was das Werk Mahlmann's betrifft, so finden wir darin die ausgesprochenen Ansichten bestätigt. Dem nonum prematur in annum getreu, hat der verdienstvolle Verfasser diese lobenswerthe Sammlung erst in der spätern Zeit seines künstlerischen Wirkens dem Publikum übergeben. Es ist hauptsächlich ein tiefer religiöser Sinn, der seine Gedichte auszeichnet, und fast aus allen derselben wiederklingt. Eine ruhige Beschauung der Poesie des Todes ist in der Mehrzahl bemerkbar und ausgesprochen. Da die dadurch aufgeregten Empfindungen und die damit in Verbindung stehenden Gedanken von der tiefsten und größten Art sind, so nehmen fast alle Gedichte Mahlmann's den Charakter der Erhabenheit und des Ernstes an. In der ersten und legten Strophe des Gedichts Seite 3, Geist der Dichtkunst, spricht sich die eigenthümliche Ansicht unseres Dichters von der Poesie aus:

Der Geist der Dichtkunst schirmt und trägt

Das Herz, von ihm belebt.

Wenn dich dein Schicksal niederschlägt,

Dich nächtlich Graun umschwebt :

Dann hebt sein Fittich dich zum Chor
Erhabner Geister frey empor,

Und bey dem Klange heil'ger Lieder,
Umgibt dich eine fromme Welt

Und deiner Kindheit Ruhe wieder.

Dann:

Selbst wenn du scheidend schmerzlich weinst,
Wenn Erd und Welt dir sinkt,
Wenn deine Lipp' erblassend einst
Den lehten Becher trinkt:

Er zeigt dir Licht, das ewig wacht,
Den Stern der tiefen Todesnacht!
Und du erblickt an Lethes Strande
Die Wiederkehr in's Vaterhaus,
Das Friedensfest im Geisterlande!

Diesen in der leßten Strophe ausgedrückten Grundgedanken führt der Dichter nun durch die meisten seiner Gedichte, nach allen Richtungen derselben durch. Gleich im Eingangs-Gedichte, die drey Gaben des Vaters, ist er auf eine poetische Weise ausgesprochen. Er gesellt den Tod den Segensgaben, die wir der Güte Gottes verdanken, der Hoffnung und dem Schlafe, als die dritte und schönste bey, welche, als den lezten Segen des ewigen Vaters, uns die Hand des Mächtigsten nicht rauben kann, indeß Hoffnung und Schlaf uns entrissen werden können. Ihm ist der Tod

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Dieses Gedicht gehört zu den vorzüglichsten der Sammlung, nur scheint seinem Inhalt die antike Form nicht ganz günstig zu seyn. In dem herrlichen, durch eine fast unnachahmliche Einfachheit ausgezeichneten Gedichte »der Vater Martin« S. 8 zeigt der Dichter die Sehnsucht eines lebensmüden Greises nach dem Tode, und macht in der Art, wie fein Wunsch in Erfüllung geht, das Beneidenswerthe seines irdischen Verlöschens anschaulich. Im Gedichte Sehnsucht, S. 11, spricht der Dichter seinen Drang nach dem Lande der Ruhe und dem fröhlichen Erwachen nach dem schweren Traume des Lebens ergreifend aus. Die Gedichte: Mein Sehnen, S. 22, und Schwermuth, S. 28, er scheinen als gelungene Variationen jenes früheren. Das van Lorenzo«, S. 26, und das schöne Lied des Trostes, 30, haben einen gleichen Inhalt. Wie herrlich ausgedrückt ist der Bedanke in der legten Strophe des lehtgedachten Gedichts :

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