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Wie gern vergessen wir um der tiefen poetischen Empfin dung und um des erhabenen Gedankens willen die kleine Unrichtigkeit im Ausdruck, die in jene schöne Stelle sich eingeschlichen hat. Im Nachtlied, S. 38, findet der Dichter nur im vom Glanz erhellten Heimatlande der Zukunft, Kraft und Ruhe nach dem Welken und dem Verfall irdischer Herrlichkeit; im rettenden Genius, S. 45, harrt er mit Vertrauen auf den Herold der ewigen Ruhe, der die tiefsten Lebensschmerzen heilt, die Krone des Königs und den Stab des Bettlers mit gleichem Ernst ins stille Grab legt. Ihm ist sein Schweben, die Kälte seiner Hand nicht furchtbar, denn:

Es führt die liebe, kalte Hand

Hinauf, hinauf in's Heimatland!

Selbst im Beschauen der Reize der Gegenwart erblickt er . 86 im Gedichte: der Frühling und der Greis, den Jubel des Auferstehungs-Gesangs, und genießt, von den Blumen der Gegenwart umblüht, die Entzückungen der Ahnung vom Lande der Erlösung und der ewigen Jugend, die seiner dort warten. Im Kirchhofe zu Ottensee, S. 92, wo der Dichter Klopstocks Grab begrüßt, und in kräftigen Zügen den poeti schen Charakter jenes unsterblichen Sängers erklärt; im Gedichte Gottvertrauen, S. 115, meine Sterne, S. 120; im Nachrufe an Bürgers Grabe, S. 126, überall sucht der ernste Dichter die Ideen der Ewigkeit und eines künftigen, die irdische Qual versöhnenden Lebens aufzuregen; überall erblickt er im Tode nur den milden freundlichen Engel, der uns dem Lande dauernder Entzückungen zuführt; überall sucht er uns die scheinbare Qual des Todes vergessen zu machen, und was er S. 122 im Gedichte Belehrung ausspricht:

Bitter erscheint dir der Tod? hoch preise die ewige Weisheit Daß sie des Bittern so viel hat in den Becher gemischt! Würden der Freyheit Trank nicht alle begierig ergreifen, Schreckte das Bittre sie nicht, froh dem Erretter zu nahn? kommt aus den innersten Tiefen seines Herzens. So sind die Empfindungen, welche er ausspricht, erhaben und tief, und werden von ihm zuweilen in einfacher rührender Weise vorgetragen, wie 3. B. im Gedichte am Gedächtnißfest Entschläfener, S. 160, wenn er singt:

Laßt uns oft den ernsten Blick

In die Nacht der Gräber senken!
Laßt uns liebevoll zurück

An geliebte Todte denken;
Daß wir in Bereitschaft steh'n,
Muthig ihnen nachzugeh'n.

zuweilen fast bis zum möglichsten Grade gesteigert, wie z. B. in dem Gedichte »das Grab« S. 162, wo er das Glück der Todten preist und nach einer fantasiereichen und doch dabey verständigen Steigerung mit den Versen endet:

Kränzet die Thore des Todes mit Palmen!

Und singet der ewigen Freyheit Psalmen!
Und steuert muthig zum Hafen hinein!

Das Grab, das Grab foll Triumph-Thor seyn !

Aber auch selbst dort, wo der Dichter beym Beginnen des Gedichtes nicht von jenem Ernst und jener Tiefe des Gefühls durchdrungen zu seyn scheint, welche die vorgenannten Gedichte auszeichnen, wo er heiter, ruhiger, in einer milderen Stim= mung ans Werk geht, wird er bald, fast wie unwillkürlich von der Eigenthümlichkeit seiner Gemüthslage gleichsam überrascht, und die tiefere Bedeutung des Gegenstandes dringt sich ihm zur Auffassung und zur Erklärung auf, wie z. B. in den Gedichten: Amor und Psyche, Seite ; Abendlied an Minna, S. 43; an Cora, S. 54; Liebeszauber, S. 58; an Lina im Herbst, S. 62; der Erndte Kranz, S.77; Glück im Vertrauen, S. 84; Ermuthigung, S. 107; der Veilchenkranz, S. 122; Erinnerung, S. 117; Klagen einer Ephemere, S. 123; Frage und Antwort, Seite 129. Ja sogar dort, wo sich die Laune einfindet, bleibt der Ernst nicht aus, obschon er sich bey einer solchen Gelegenheit nur ungefähr wie das erfahrne Alter im Kreise munterer Jugend benimmt, ihre Spiele überwachend, ohne sie zu stören. Sucht nach Belehrung, unzweckmäßiges Vermengen heterogener Theile finden wir nicht; das Lächeln unsers Dichters ist einfach, un= schuldig und doch voll Bedeutung. Selbst im Weinliede, S. 51, wird er mitten im Preisen der Freuden des Bechers zuni Ausdrucke frommer und gemäßigter Empfindungen getrieben. Der Dichter hat gezeigt, daß man auch ohne das herkömmliche Lob des Bacchus ein gutes Weinlied schreiben könne; wir möchten das seinige im Gegensahe der gewöhnlichen ein christliches Weinlied nennen. Im Reich der Freude, 67, finden wir, ungeachtet der launichtesten Stellen, wie z. B. S. 68:

Beym großen Faß zu Heidelberg

Berathe der Senat,

Und auf dem Schloß Johannisberg
Der Hochwohlweise Nath!

Der Herrn Minister Regiment
Sen beym Burgunderwein,

Der Kriegsrath und das Parlament
Coll in Champagne seyn.

auch folgende:

Das Leben wird, der Traube gleich,
Gekeltert und gepreßt;

So gibt es Most, wird freudenreich,
Und feyert manches Fest!

Drum zag' ich nicht, engt mir die Brusk
Das Schicksals Unmuth ein;

Bald braus' ich auf in Lieb' und Lust
Und werde reiner Wein.

Diese Vermengung der Lust mit dem, man könnte sagen, ironischen Ernste, zeigt ganz die poetische Eigenthümlichkeit der Natur unsers Dichters, und er ist deshalb sehr zu loben, daß er ihr keine Gewalt angethan und den Ausbruch seiner Empfindung nach den Vorschriften gewisser Kunstformen modificirt, sondern fie rein und ungeschwächt, wie sie in ihm erwachte, und ihren Ausbruch versuchte, ausgeströmt hat.

Auch die Gedichte vom kleinsten Umfange, welche diese Sammlung schmücken, sind von dieser Art. Flüchtiges, Schales und Alltägliches vermissen wir durchgehends. Wir machen in dieser Beziehung besonders auf zwey aufmerksam: an Leonore, Seite 114, und auf das Grab eines geliebten Kindes, S. 151, wovon wir das erste der besondern Innigkeit der Empfindung wegen, die es ins Leben rief, und wegen der Zartheit der Behandlung mittheilen:

Dein Liebling kostete den Kelch des Lebens,

Da schmeckt' er seine Bitterkeit und wand
Sein Köpfchen schnell hinweg, sein Auge blickte

Voll Sehnsucht zu dem Himmel auf, da drückte
Ein Engel es ihm freundlich zu!

Ach Mutterherz, was weinest du?

Die übrigen Gedichte find gleichfalls lyrischer Art, hin und wieder mit Hinneigung zum Didaktischen. Die vorzüglichsten darunter sind unstreitig die, in welchen die erhabenen Gefühle sich mit den religiösen verschwistern. Weniger durch einen besonders fühnen und gewaltigen Aufflug der Phantasie, als durch Tiefe und Erhabenheit der Empfindung ausgezeichnet, nehmen sie meistens den Charakter der Hymne an. Die Verschiedenartigkeit wird ihnen weniger durch den Inhalt als durch die Art der Durchführung des Grundgedankens und die ihm beygemischten Nebengedanken verliehen. Eine kunstgerechte Steigerung des Gefühls muß in den meisten als ein besonderer Vorzug bemerkt werden. Besonders ausgezeichnet erscheinen: Sternhelle

Nacht, S. 13, wo der Dichter durch den Anblick des heiligen Chors der Sterne zum Ausdrucke religiöser Gefühle gebracht wird; Glück im Vertrauen, S. 84, durch die poetischen Gegensäße bedeutend; die Sturmnacht, S. 89, wo der Dichter den in den legten Versen ausgesprochenen Grundgedanken :

Gott ist Liebe, lebsingen die Zonen, erjauchzet das Weltall,
Hallt im seraphischen Chor himmlisches Harfengetön!

Gott ist Liebe, so murmelt die Quelle, so säufelt die Lenz-Luft !
Gott ist Liebe, so braust Donner und Meer und Orkan.

in poetischen Bildern durchführt und entwickelt; das Kirchenlied bey Einweihung der neuerbauten Kirche zu Schönfeld bey Leipzig, S. 144; Rückkehr, S. 152, wo der Dichter sich mit Muth und Vertrauen in der Stunde des Leidens zu Gott erhebt; am Tage Allerheiligen, S. 155, einem der schönsten Gedichte dieser Sammlung; Hoffnung auf Gott, S. 158; Weihnachtslied, S.168; das herrliche Grablied, S. 173; vor allem aber das meisterhafte Gebet der Kinder zu ihrem ewigen Vater, S. 164, dem der Verfasser eine ermunternde Anerkennung seines poetischen Wirkens verdankt. In allen diesen Gedichten sind außer der Erhabenheit des Inhalts und der künstlerischen Behandlung hauptsächlich die Innigkeit und die Wahrheit des Gefühls zu loben, welche Eigenschaften Gedichten dieser Art gleichsam unentbehrlich sind, und uns für den Frevel schadlos halten, mit dem in neuerer Zeit eine frömmelnde Heucheley den Ausdruck religiöser Gefühle zur Erreichung unreiner Nebenabsichten hin und wieder mißbraucht hat. Der erste Blick auf derley Erzeugnisse Mahlmanns, die Art des Ausdrucks der Empfindung fern von jedem unwürdigen Spiele der Künsteley, die Zusammenstellung und die Vergleichung mit den übrigen Gedichten dieser Sammlung, alles zeigt uns daß sie unmittelbare Ergüsse frommer Empfindungen und Erkenntnisse eines nach dem Höheren gerichteten Sinnes genannt werden müssen.

In jenen Gedichten, welche sich dem Didaktischen zu= neigen, empfiehlt der Dichter größtentheils eine besonnene Verachtung der Gefahr, indem er in uns das Bewußtseyn unserer moralischen Uebermacht zu erwecken versucht. Diese Richtung seines Geistes ist bey der bereits erörterten seiner Gefühlsthätigfeit leicht einzusehen. Da er, obschon das Angenehme und Vergnügliche der Gegenwart dankbar genießend, doch beständig dabey zu erhabenern Empfindungen aufgeregt wird, da ihm das Ende der irdischen Lust, der Tod, nur ein Bote des Friedens ist, da sein Auge im Samenkorn der Gegenwart die Blüthe der Zukunft aufgeschlossen sieht, so gehen jene Erkenntnisse fast unmit

telbar daraus hervor. Zu den vorzüglicheren der genannten Gedichte gehören der Jüngling und der Wanderer, S.5, wo die vorlegte Strophe, S. 6, dem Horaz B. 1. D. 3 in Rücksicht des Inhalts und Ausdruckes nachgebildet ist; Alis Lehren, S. 24; Rettung, S. 103; Freysinn, S. 105; Ermuthigung, S. 107; Amulett, S. 125; und aus dem Leben, S. 176; eine Reihe von Distichen, in denen der Verf. die Erfahrungen seines Lebens poetisch ausspricht. Zeugen eines geläuterten Verstandes, welcher die Kindlichkeit des Gefühls nicht vernichtete, tragen sie fast alle den Stempel der Reife und der künstlerischen Vollendung. Gewöhnliches finden wir auch hier nicht ausgesprochen. Der Dichter hat sich nirgends, wie es so oft der Fall ist, zur Erkenntniß genöthigt, nirgends steht sie seiner Eigenthümlichkeit fern, sie geht vielmehr unmittelbar aus derselben heraus. Sie alle bilden mit dem Vorhergehenden ein solches Ganzes, daß man daraus den Seelenzustand des Dichters genau wahrnehmen kann, und dieß ist das Vorzüglichste, was von der Sammlung lyrischer Gedichte eines Verfassers begehrt werden mag; denn nichts erscheint hier störender, als wenn ein Gedicht das andre gleichsam aufhebt, und wir uns aus der Masse heterogener Theile keine Einheit zusammensehen können. Die Natur befolgt selbst beym scheinbar Verschiedenartigen in einem Individuum eine Verbindung, diese ist es, welche wir bey den lyrischen Gedichten eines Verfassers herausfinden wollen, und dieß wird uns auch immer gelingen, wenn Jener bey Allem, was er auch dichten mag, uns immer die eigentliche, wahre, und unmittelbare Stimmung seiner Seele zeigt, und uns nicht glau ben machen will, daß Empfindungen seine Brust durchströmt ha= ben, die ihr fremd geblieben sind. Dieser Regel ist aber unser Verf. immer treu geblieben.

Von jenen Werfen aus dem Leben, derer wir früher gedachten, zeichnen wir besonders jene S. 177 aus:

Suchest du Glück in der Welt, nur trifft du es an in Beschränkung,
Kindliche Einfalt gibt mehr, als Spinoza dich lehrt.
Hast du den Frieden in dir, und hältst du die Welt für die beste,
Lebst du genügsam und still, fromm im Vertrauen zu Gott,
Bist du ein heitrer Gast an der Tafel des spärlichen Daseyns,
Nimmer verlangend nach dem, was das Geschick dir versagt:
Dann wird dauerndes Glück aus Frieden der Seele dir reifen!
Zwar ist selten die Frucht, nicht für die Erde bestimmt,
Aber gelangt sie zur Reife, so lohnt sie mit Segen und Wohlthun,
Heitert das Leben und macht Nächte des Todes dir hell!

Die übrigen sind gleichfalls durch Stoff und Behandlung sehr bedeutend, besonders die Distichen, S. 183, in welchen der Dichter der Zeit gedenkt, in der er ohne Untersuchung und Recht durch

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