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Napoleons Machtspruch in den Kerker geschleppt wurde, in dem er, als nach einer schrecklichen Leidensnacht die Sonnenstrahlen die Wände des Gefängnisses beleuchteten, einige seiner Lieder, welche edle Jünglinge, Gefangene von Lühows Korps, die vor ihm den Kerker bewohnten, niedergeschrieben hatten, gleichsam als Worte der Hoffnung und eines muthigen frommen Vertrauens erblickte.

Außerdem finden wir in der Sammlung noch einige Gedichte in erzählender Form, Gedichte vermischten Jn= halts und drey Sonette. Von den ersteren gebührt dem Gedichte Saul und David, S. 39, der Vorzug, in welchem das Interesse des Inhalts durch einen poetischen Kontrast gehoben wird, und welches sich zugleich durch einen richtigen, der Empfindung angepaßten, kunstreichen Wechsel des Versmaßes besonders zum deflamatorischen Vortrage eignet. Nach ihm möchten wir noch des Gedichtes: Amors Gefängniß, nach den Italienischen des Ludovico Dolce, S. 74, lobend gedenken, welches durch Feinheit der Empfindung und eine gewisse Zartheit im Vortrage ausgezeichnet erscheint. Weniger haben uns, der Jäger, S. 46, und die Braut, S. 109, zusagen wollen. Im erstern scheint es dem Dichter Eintrag gethan zu haben, daß er seiner Individualität entsagt und Bürgern nachgeeifert hat. Auch ist die Ungleichheit im Ausdrucke zu tadeln Das Alterthümliche ist hier mit dem Neuern auf eine unbefriedigende Weise vermengt. Der Inhalt ist von keiner besondern Bedeutung. Das Gedicht: Die Braut, ist gelungener zu nennen; der Dichter spricht darin wieder seinen Lieblingsgedanken, »Glück im Grabe,« aus; aber die Erzählung, welche dem Ganzen zum Grunde liegt, ist etwas undeutlich, und thut dem Lyrischen Eintrag, welches darin das vorherrschende Element ist. Die Form scheint mehr mit einiger Aengstlichkeit vom Dichter gewählt und gemacht wor-den zu seyn, als daß sie wie der passendste Körper des Inhalts erscheint, der mit ihm zugleich entstand.

Die Gedichte vermischten Inhalts sind von kleinerem Umfange, und stehen alle dem Inhalte nach mehr oder minder mit den größern in Zusammenhang. Die Götter, Seite 20, froher Glaube, S.49, der Bach an den Wanderer, S. 70, und Will' und That, S. 116, müssen vorzüglich genannt werden.

Die Sonette zeichnen sich in Rücksicht des Inhalts vortheilhaft aus. Mein Dörfchen, S. 18, und Selbstständigkeit (eine gelungene Variation einer bekannten Horazischen Ode), welche beyde das Glück der Zufriedenheit und eines naturgemäßen Lebens ausdrücken, sind der Form nach veraltet. Der schwerfällige sechsfüßige Alexandriner sagt dem Sonette

keineswegs zu, und seine Gleichformigkeit hindert in jener herrlichen Dichtungsart, wechselnd bald die Kraft, bald die Lieblichkeit zu entfalten, welche ihr eigen sind. Das sinnige Gegen spiel der Bierzeilen mit den Terzetten wird hier ein steifes menuettmäßiges Annähern, und das Sonett; verliert dabey den ihm eigenthümlichen Reiz, der ihm den Namen gab, den Klang. Indeß ist es dem Dichter nicht entgangen, was in der Regel übersehen wird, daß das Sonett darin seiner Natur nach mit dem Epigramme verwandt sey, daß sein Schluß im Verhältniß zu den früheren Versen, welche ihn vorbereiten, über raschend seyn muß, und daß wir darin Empfindung oder Gedanken auf einem Höhepunkt erblicken wollen: Die Spröde, S. 76, ist ein Beleg davon:

Mit Blumen ist der holde Lenz gekommen,
Gesang der Liebe tönt aus grünen Zweigen,
Am Rosenstock sich junge Knospen zeigen,

Und Lebenshauch kommt durch die Luft geschwommen;
Auch mir vom Herzen ist der Frost genommen,
Gern gäb' ich meiner Holden mich zu eigen,
Doch kann ich nicht ihr hartes Herz erweichen!
Kein Frühling ist in ihrer Brust entglommen!
Verstände sie der Nachtigallen Schlagen,
Begriffe sie der Vöglein stilles Bauen,
Nicht würde sie mir Kuß und Blick versagen!
Sie fánk an meinen Busen voll Vertrauen,
Und Glück der Liebe würde blühn und reifen!

So reizend seyn! und gar nichts zu begreifen!

Dies Sonett verdient um so mehr bemerkt zu werden, da es obschon nicht eben von ganz besondrer Art, doch zu den bessern deutschen gehört, deren diese Nation bey der entschiedensten Vorliebe für diese Dichtungsart eben nicht viel besigt. Man scheint mit der Natur des Sonettes nicht ganz im Reinen zu seyn, und verwendet bald alle Sorgfalt auf den Inhalt, bald auf die Form, je nachdem man eins oder das andere für das Wesentliche hält, und nimmt dabey nicht Rücksicht darauf, daß dieß in der Verbindung beyder zu einem Ganzen bestehe, daß weder die vierzehn Verszeilen und die vorgeschriebene Wiederkehr des Reims, noch der Inhalt, den sie ausdrücken, allein es seyen, sondern das Verhältniß der inneren Theile des Sonetts zu einander, und die genaue Verschmelzung des Inhalts mit der Form. So kommt es, daß wir bey einem Ueberfluß von Sonetten wenig gute besigen, indeß diese Dichtungsart doch einer so verschiedenartigen und so mächtigen Wirkung fähig ist. Welche Fülle von Kraft finden wir in den geharnischten Sonetten Rückerts, welche

zauberische Lieblichkeit athmet aus den Sonetten von Stei gentesch.

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Als Anhang zur vorliegenden Gedicht-Sammlung erscheinen mehrere sogenannte Gelegenheits- Gedichte, unter dem gemeinsamen Titel: Erinnerungen an die große Vergangenheit der Jahre 1813, 1814, 1815. Sie sind an den Kaiser Alerander beym siegreichen Einzuge in Leipzig nach der Völkerschlacht, an die regierende Kaiserin von Rußland bey der Durchreise im Jahr 1814 im Namen der Stadt Leipzig, und an den König von Sachsen, bey seiner Rückkehr im Jahre 1815, gerichtet, welchen die Lieder »am ersten Gedächtnißtage der Leipziger Völkerschlacht, bey dem feyerlichen Gottesdienste in der Nikolai Kirche zu Leipzig gesungen am 19. Oktober 1814, ein Kirchenlied bey Einweihung der neuerbauten Kirche zu Schönfeld bey Leipzig, und ein Sachsenlied, gesungen vor dem König, als Er zum ersten Male nach seiner Rückkehr Leipzig besuchte, angehängt sind. Die Kirchenlieder sind bereits gewürdigt worden. Das Sachsenlied eignet sich der Einfachheit der Behandlung nach, ganz zum Volksliede. Von den patriotischen Gedichten müssen wir das wiederholen, was wir früher bey Gelegenheit der religiösen Gedichte unsers Verfassers bemerkt haben. Wahrheit des Gefühls zeichnet sie aus. So erhalten sie jene hohe Bedeutung, welche Gelegenheits- Gedichte dieser Art in die erste Reihe lyrischer Erzeugnisse stellen. Die patriotischen Gefühle, an Heiligkeit den religiösen ähnlich, sind wenn sie aus reiner empfindender von Verehrung und Dankbarkeit bewegter Brust quellen, und nicht vom Frevel einer niedrigen Nebenabsicht befleckt werden, die erhabensten und tiefsten zugleich, welche die Brust eines Sängers beleben. Die Fürsten, an welche jene Gedichte gerichtet sind, waren wohl geeignet, einen fühlenden Dichter zu begeistern; die Verhältnisse des durch den Befreyungskrieg geretteten Mannes und der von der Gewöhnlichkeit und der Uebertreibung gleichweit entfernte Ausdruck lassen mit allem Rechte auf die Lauterkeit des Gefühles schließen, welches sie vortragen. So reihen sich jene Verse würdig an die vielen Erinnerungen einer durch die Kraft und die Gerechtigkeit großer Fürsten zum dauernden Segen für uns verwandelten blutigen Zeit.

Die Diktion der Gedichte Mahlmanns ist in der Regel dem Inhalte entsprechend, und zeigt, daß der Verfasser jene Achtung vor der Kunst und dem Publikum gehabt habe, welche ihm die Anwendung einer sorglichen Feile anempfiehlt. Es ist ein verjährtes Vorurtheil, als ob lyrische Gedichte jene Strenge in der Ausarbeitung nicht vertrügen, welche man von andern,

z. B. von dramatischen begehrt. Gerade dort wollen wir ganz besonders die genaueste Beachtung der Form gewahr werden, weil es dem Dichter weniger Mühe kostet, die Schwierigkeiten, die sich ihm darbieten, zu überwinden, als bey Werken größern Umfangs. Nur wollen wir freylich den Dichter mit der Fessel nicht ringen sehn, sondern im leichten Ueberwinden derselben seine Meisterschaft preisen. In den Gedichten großer Lyriker, wenigstens in denen, welchen sie ihren Ruhm verdanken, findet sich auch durchgehends eine musterhafte Korrektheit, und nur das Unvermögen der Schwachen und Mittelmäßigen macht sich die Arbeit leichter, als sie seyn soll. Diese Korrektheit nun hat unser Dichter zwar meistens berücksichtigt und damit ein Beyspiel unsrer frühern Behauptung gegeben, daß eine genaue Beobachtung der Form den Erfordernissen eines lyrischen Gedichts keinen Eintrag thue; aber hin und wieder muß doch eine Sorglosigkeit im Ausdrucke, eine Härte oder das Verharren auf einer nicht zu billigenden Eigenheit getadelt werden, manchmal sind auch Bild und Gleichniß oder Wendung nicht poetisch genug. Als eine störende Eigenheit des Dichters, der er vielleicht absichtlich nicht entsagen wollte, ist das zu häufige Weglassen des Artikels und der sich wiederholende Gebrauch vom sogenannten Style marotique ju bemerken; eine Weise, welche mit der Würde und Erhabenheit des Inhalts im Widerspruch steht, und überhaupt der deutschen Sprache nicht zusagt. Seite 3:

Seite 80:

Im Schutte von Athen und Nom

Blüht Lorbeer auf dem Helden - Grabe,

Um Einfluß quält sich Stolz, der Geiz daß Geld sich mehre,
Der Höfling im Pallast dient schwer um Schein von Ehre.

Seite 89: Eichwald beugt sich. S. 101: Eilend wie Wolkenzug.
Für Ewigkeit. Seite 109: Kam ein Wandrer einst gegangen.
Seite 123: Auf Sterne stand mein Hoffen, auf Himmelslicht.
S. 177: aus Frieden der Seele, u. a. m. Als Sprachunrich-
tigkeiten bemerken wir S. 2: der Tod, welcher die Schwachen,
Mühbeladenen aufträgt, für emporträgt. Seite 66:

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im Ausdruck, S. 92:

Nur wenig Steine seh' ich auf den Hügeln,
Nicht goldne Schrift im Sonnenglanz sich spiegeln.

As unpoetisch, S. 30:

Der große Geist

Um den die Welten schweben,

Er zählt die Thränen-Tropfen

ein kleinliches Bild! — S. 52:

Es schafft Paradiese die Liebe,
Will mit dem göttlichsten Tricbe
Irdische Herzen erfreun.

und Seite 60:

Sind sich zwey liebende Herzen nah,

So ist ja der herrlichste Traum schon da.

Beydes viel zu gewöhnlich, fast möchten wir sagen der Stellung nach zu gemein. Wiederholungen dort, wo der Dichter steigern will, S. 86:

Nicht um Kronen,

Nicht um Glanz von Fürstenthronen,

dem Gedanken nach eins und dasselbe; unrichtige Reime; S. 50: Dank, Gesang.—S.107: sinkt — schwingtS. 126: Freuden Saiten.

Alle diese kleineren Unvollkommenheiten und Mängel aber, die wir nicht ohne einige Mühe herausgefunden haben, können dem eigentlichen poetischen Werthe der Sammlung, welchen wir früher zu erörtern versuchten, keinen Eintrag thun. Es ist nur zu bedauern, daß der Verf. sie nicht vermieden hat, welches er leicht hätte thun können. Eines Mangels an Strenge mit seinen Erzeugnissen ist er nicht zu zeihen, wir vermissen sogar in dieser Sammlung einige kleinere Gedichte, welche uns in früherer Zeit bekannt und lieb geworden sind, und welche füglich darin einen Platz hätten finden können. Gerade diese Strenge der Wahl, welche durchgehends sichtbar ist, jene Reife des Verstandes, jene Wahrheit edler und schöner Gefühle, welche darin vors herrschen, machen uns die vorliegende Gedichtsammlung vorzüglich schägbar, und um so mehr in einer Zeit, in welcher wir stündlich von Unmündigen, die ihrer literarischen Wassernoth nicht früh genug quitt werden können, zu Zeugen ihrer Ohnmacht und ihrer Erbärmlichkeit angerufen werden.

3. Ueber den rasenden Ajar des Sophokles. Eine ästhetische Abhandlung von Karl Immermann. Magdeburg, bey Wilhelm Heinrichshofen, 1826. kl. 8. 92 S.

Der Verfasser spricht in diefem, in mancher Rücksicht sehr interessanten Auffage, welchen er der Universität zu Halle gewidmet, und mit dem Motto aus Dante:

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