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schrift. Er seßt sein Grab in die Kirche des heiligen Markus, und das Jahr seines Todes 1599. Diese irrige Angabe wurde jedoch von Vossius gründlich widerlegt.

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Während seines kurzen Lebenslaufes, den er mit herkulischen Arbeiten verherrlichte, hatte sein Nuhm die Ausfälle der höchsten Erbitterung und des Reides zu bestehen. Zu Anfange des funfzehnten Jahrhunderts war der Geist der Kritik Erbitterung, Heftigkeit und nicht sels ten der gröbste Ausfall gegen die Person selbst ein Uebel, von dem sie schwer jemals ganz geheilt werden wird. Doch nahm sie spåter einen sanfteren Charakter an. Philelphus, und selbst der um die Literatur so hochverdiente Poggius haben Beyspiele von grober Kritik hinterlassen, die schwerlich erreicht, noch weniger übertroffen werden können, und es ist traurig, daß auch der aufgehellte Geist Poliziano's nicht frey von dieser Schwäche war. Sein größter Feind war Georg Merula von Alessandria, ein berühmter Philosoph zu Mailand. Ein freundschaftlicher Briefwechsel fand zwischen ihm und Poliziano Statt, bevor leßterer seine Miscellaneen herausgab. Merula schien an einem ähnlichen Werke gearbeitet zu haben, und gerieth nun in Zorn, daß ihm Poliziano zuvorkam. Dieses Feuer wurde noch mehr an gefacht, da Poliziano in seinen Miscellaneen mehrere Meinungen angegriffen und verworfen hatte, die von Merula adoptirt waren. Unfähig einer männlichen Fassung, die Sache der Persönlichkeit mit zügelloser Tadelsucht verfechtend, schrieb er gegen seinen alten Freund ein Werk, das von den schmählichsten Verleumdungen und gröbsten Beleidigungen wimmelte. Zwar wurde dieses Werk nicht dem Drucke übergeben, aber Poliziano las es einem jeden, der ihn besuchte, vor. Poliziano bot ihm die Rechte zur Versöhnung; umsonst! Er suchte daher mit schärferen Mitteln den beleidigten Freund zu heilen, und schrieb eine Satyre, in welcher er den Merula unter dem Namen Mabis lius angriff. Es ist cynischer Schmuh darin, und es war billig, daß man sie der Publicität entzog.

Bayle behauptet zwar, daß es nicht Merula war, gegen den Poliziano mit solchen giftigen Waffen zu Felde zog; allein sey es nun wer immer, so ist es doch gewiß, daß es dem Manne geziemt hätte, seine Nache nicht mit groben Injurien, sondern mit Würde und Anstand und überzeugender Belehrung zu vertreten. Merula selbst gestand am Sterbebette im März d. J. 1494, daß er als Freund Poliziano's sterbe, und widerrief alles in seinem Testamente, was er in seinem Zorne gegen Poliziano geschrieben hatte. Ein herrlicher Triumph für die Eitelkeit seines ehrgeizigen Gegners.

Poliziano's Gesichtsbildung entsprach der Schönheit seines Geistes nicht. Seine unverhältnißmäßig lange und große Nase und sein schielendes linkes Auge entstellten sie, und hatten jeden abgeschreckt, der ihn das erste Mal sah. Seinen Stolz gründete er auf seine Verdienste, die er selbst fühlte, und seine Verstellungskunst, die ihm in hohem Grade eigen war, schien ihm die sicherste Maßregel zu seyn, Herzen zu erforschen und zu gewinnen. Eifersüchtig auf den Ruhm anderer Gelehrten, war es ihm unerträglich, wenn man von ihren Werken sprach. Sein Name sollte glänzen wie ein Stern erster Größe, und nur Er der Gegenstand der Bewunderung bleiben. Gegen Freund und Feind war sein Neid gewaffnet. Kein Mensch that etwas, was seinen Beyfall hatte. Er hat sich nie eines Besseren belehren lassen, obgleich er an

Jedem etwas zu bessern fand. Oft sah er seine Feller ein, allein er widerstand aus Bosheit der Wahrheit, und gestand sie nicht.

Seine Werke find theils in griechischer, theils in lateinischer und theils in italienischer Sprache geschrieben. Ein Buch griechischer Epigramme, von ihm geschrieben, zeigt hinlänglich, wie mächtig er dieser Sprache war, und daß er das Talent besaß, mit Geschmack und Reinheit zu schreiben.

In seinen lateinischen Gedichten merkt man die Früchte seiner Studien in den Werken der Alten. Das Feuer einer wahrhaft dichterischen Phantasie, feiner Geschmack und Eleganz der Sprache waren gleichsam natürliche Attribute seines Geistes. Außer seinen lateinischen Epigrammen hat man von ihm vier didaktische Gedichte, die er Silvae nennt, und einige lyrische Versuche, die am glücklichsten in dem Geschmack des Catullus gedichtet sind, endlich auch zwey Elegien. Mehrere seiner Epigramme sind an seinen hohen Gönner Lorenzo von Medici gerichtet, und zeugen glänzend von der reichen Quelle seines Wißes und seinem ausgebildeten Geiste.

Einen ehrenvollen Plaß behaupten seine Silvae unter den lateinis schen Gedichten neuerer Zeit, und in Hinsicht ihrer belehrenden Form vielleicht den ersten. Es waren Arbeiten, die er öffentlich vorlas, als er an der Akademie zu Florenz seine Vorlesungen über griechische und Lateinische Literatur begann. Das erste dieser Gedichte nennt er Nutricia 1). Es enthält ein lebhaftes Lob der Poesie, und eine sprechende Schilderung, wie sie das Herz des Menschen veredelt, endlich eine Charakteristik der vornehmsten Dichter des Alterthums sowohl, als auch Italiens, und schließt mit einem kurzen Panegyrikus seines Mäcenas, Lorenzo von Medici. Mit poetischer Schönheit schildert er den Einfluß, den die Dichtkunst auf die Kultur des Menschen hatte:

So ward der Erde Gestalt, die Form dem Leben, den Göttern
Ihre Verehrung, der Geist sich selber wieder gegeben.
Wie sonst hätte der Wilde, der Unerbittliche, Kühne,

Mit gewaltigem Arm zu Boden streckend die Menge,

Eisernen Sinns und brausenden Geist's in das Joch sie gespannet,
Daß geduldig anießt sie tragen die Bisse des Wolfszahns,

Hatt' er das rohe Gemüth nicht mit siegender Stärke der Rede
Und den kämpfenden Zorn, der Empörung schreckliche Miene,
Mit dem füßen Gesang besänftigt, die Hörchenden alle

Zu der holden Gestalt des ehrbaren Schönen geführt.

Das zweyte Gedicht, Rusticus 3), ist eine mit hohem Dichtertalente durchgeführte Beschreibung des Landlebens, seiner Geschäfte und feiner mannigfaltigen Reize; aber es war doch zu viel gewagt, es neben das Meisterstück Virgil's zu stellen. Mit treffenden Zügen malt er

1) Angel. Politiani Sylva, cui titulus Nutricia. Argumentum de Poetica et Poetis.

2)

Sic species terris, vitae sua forma, suusque
Dis honor, ipsa sibi tandem sic reddita mens est.
An vero ille ferox, ille implacabilis, audax
Viribus, ille gravi prosternens cuncta lacerto,
Trux vitae, praeceps animae, submitteret aequo
Colla jugo, aut duris pareret sponte lupatis,
Ni prius indocilem sensum facundia victrix,
Vimque reluctantem irarum, flatusque rebelles
Carmine mollisset blando, pronisque sequentem
Auribus, ad pulchri speciem duxisset honesti.

3) Ang. Politiani Sylva, cui tit. Rusticus. In Poctae Hesiodi Virgiliique Geor-
gicon enarratione pronunciata.

das glückliche Los des Landmanns, dessen eigentlicher wahrer Neichthum in seiner Zufriedenheit, in der Unschuld seiner Sitten und in ruhiger Sorglosigkeit besteht.

Glücklich ist der im Gemüth, und gleich den ewigen Göttern,
Den des glänzenden Ruhms betrüglich spielende Farben,
und hochmüthiger Pracht verderbliche Freuden nicht reizen.
Ihm entfliehet geräuschlos der Tag, in ärmlicher Kleidung
Blühet dem Schuldlosen in stiller Ruhe das Leben.

Weit vom Gewühle der Stadt, genügsam, pflegt er sein Schicksal, Sanft gesinnt, mit mäßiger Ernte zufrieden; sein Herz kennt Nicht die Sucht des Gewinns, nicht eitele Sorgen, ihn kümmert Nicht der stürzende Bau des Staats, nicht drohender Sterne Zeichen, nicht der verderbliche Glanz der blut'gen Kometen 2). Eben so schön ist das Entzücken des Landmanns geschildert 2), wenn von lauer Frühlingsluft der Schnee schmilzt, und die Blumen auf dem frischen Teppich der Fluren ihn anlächeln. Alles blüht im üppigen Schmuck und freut sich des glänzenden Lichtes. Meisterhaft zeichnet er die Prachtliebe der Großen, die aber für den Landmann keine Neize hat,' denn in seiner Brust wohnt die Zufriedenheit, der Gesang und die Liebe *).

Das dritte Gedicht, mit der Ueberschrift: Manto "), ward von Poliziano verfaßt, als er die Hirtengedichte Virgil's erklärte. Es ist dem Lobe Virgil's gewidmet, und nach dem Zeugnisse Heeren's vielleicht sowohl in Rücksicht der Erfindung als der Ausführung das schönste unter allen lateinischen Gedichten Poliziano's. Der Charakter seiner Werke, besonders der der Aeneis, wird mit wahrer Kunst und Begeisterung geschildert. Wie kunstlos schön beschreibt Poz Tiziano die Geburt Virgil's. Von den Höhen des Parnasses stiegen die Musen herab, unter ihnen Kalliope, feßlich geschmückt. Freudig nahm sie das Kind in die Arme, streichelte es mit der Hand, und küßte es drey Mal. Alle Musen erhoben darauf einen Festgesang, und bekränzten die Wiege des Kindes. Interessant ist die gedrängte Kürze, in welche er die Schicksale der durch die Aeneis merkwürdig gewordenen Menschen und Reiche zu fassen wußte. Dieses Gedicht verdient ganz übersezt zu werden, und man kann nicht leicht, ohne gegen das Ganze ungerecht zu seyn, einzelne Fragmente herausnehmen.

Das vierte Gedicht, Ambra ) überschrieben, verdankt diese Ueberschrift einer der Villen des Lorenzo von Medicis, die diesen Namen trug, und ihm zum liebsten Aufenthaltsorte diente. ́Es ist dem Lobe des großen Mäoniden gewidmet, und beurkundet glänzend

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1)

Felix ille animi, divisque simillimus ipsis
Quem non mendaci resplendens gloria fuco
Sollicitat, non fastosi mala gaudia luxus.
Sed tacitos sinit ire dies, et paupere cultu
Exigit innocuae tranquilla silentia vitae,
Urbe procul, voti exiguus, sortemque benignus
Ipse suam fovet, ac modico contentus acervo,
Non spes corde avidas, non curam pascit inanem,
Securus quo sceptra cadant, cui dira minentur
Astra et sanguinei iubar exitiale cometae.

2) Nam quid delicias memorem? etc.

3) Semper amor, semper cantus et fistula cordi est.

4) Ang. Politiani Sylva cui tit. Manto. In Bucolicon Virgilii pronuntiata.

5) Ang. Politiani Sylva, cui titulus Ambra, In Poetae Homeri enarratione pronuntiata.

die Bekanntschaft Poliziano's mit der Sprache der römischen Dichter. So schön auch einzelne Stellen dieses Gedichtes sind, so ermüdet es doch durch seine Länge, wodurch das Interesse bedeutend geschmälert wird. Weinend erscheint vor dem Throne des Zeus und den übrigen Göttern Thetis, umklammert die Knie des Götterkönigs, und klagt bitter, daß die Thaten ihres Sohnes Achilles noch keinen Sänger gefunden haben. Zeus besänftigt sie mit der Versicherung, daß ein folcher kommen werde, und spricht:

Jedes Volk wird sprechen von ihm, wie das Heut so die Nachwelt,
Nie verhüllt sein hohes Verdienst die Wolke des Neides.

Denn aus dem heiligen Göttergeschlecht wird der Dichter geboren,
Der mit ewigem Glanz die schrecklichen Thaten beleuchtet,

Der die Kriege der Fürsten besingt, die furchtbare Tuba
Uebertönt, und dessen Gesang Sirenen bezaubert,

Und die herrlichste selbst der pierischen Schwestern bewundert 1). Homer wird geboren, wird von den Göttern gepflegt, und beginnt das große Werk, das nach Jahrtausenden ein Gegenstand der Bewunderung ward.

Seine Elegie: An die Violen, ist mit der Anmuth eines Tibullus geschrieben, und sein lyrisches Gedicht: De Angeli Puella, verdient wirklich neben den Meistergesängen des Catullus zu stehen 2). Wirklich legte man in die Gedichte Poliziano's einen so außerordents lichen Werth, daß mehrere Gelehrte sich die Mühe nahmen, sie zu kommentiren.

Von einem größeren Umfange jedoch sind seine prosaischen Werke, und unter diesen zeichnen sich vorzüglich seine Miscellaneen aus. Die Bez lehrung, die er aus den Werken der Klassiker schöpfte, wandte er wieder zu ihrer gründlichen Erklärung an. Einen großen Schaß seiner Studien legte er in der ersten Centurie seiner Miscellaneen nieder, auf die, leider! keine zweyte folgte. Ungeachtet die Gegenstände ohne System, wie sie der Zufall reihte, durcheinander geworfen sind, liest man sie doch mit steigendem Interesse, und die leichte und doch gründliche Behandlung der Sachen, die er erklärt, gibt den Miscellaneen in der That einen Neiz, wie ihn nur wenig ältere Werke haben. Für den Sprachforscher, Philologen und Kritiker werden diese zerstreuten Bemerkungen immer wichtig bleiben, wenn sie gleich ihr Vorbild, die attischen Nächte des Aulus Gellius, nicht erreichen.

Der Inhalt und der geistreiche Ton seiner in zwölf Bücher abges theilten Briefe machen sie anziehend und vielfach belehrend. Sie geben eine genaue und lebhafte Idee von dem Geiste des Zeitalters, in welchem Poliziano lebte, und bleiben für die Geschichte der Literatur und der Mediceer in jeder Rücksicht interessante Denkmäler. Der Herzog von Montausier hielt diese Briefe so hoch in Ehren, daß er immer einige Exemplare derselben vorräthig hatte, und nur jenen Gelehrten

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damit belohnte, den er besonders auszeichnen wollte. Ein Abbé, dem er ein ähnliches Geschenk machte, sagte, Poliziano wäre ein großer, zugleich aber ein Wundermann gewesen, der nur einen Kopf, aber drey Zungen gehabt hätte 1). Der Herzog, der dieses Räthsel sich nicht soz gleich erklären konnte, erwiederte, dieser Lobspruch passe mehr auf ein Weib. »Das wäre ganz richtig,« erwiederte der Abbé, »wenn man dem Poliziano mit den drey Zungen auch drey Köpfe gegeben hätte.«

Seine Lamia 2) ward von ihm geschrieben, als er die ersten Bücher des Aristotele's erklärte. Sein Panepistemon (der Allwisser) 3) verdankt sein Daseyn seinen Vorlesungen über die Ethik des Atistoteles, und enthält eine allgemeine Klassifikation der Wissenschaften und Künste. Man muß in diesem Werke die Kürze des Ausdrucks und die richtige Bestimmung der Gränzen und der wesentlichen Merkmale einer jeden Wissenschaft und Kunst bewundern. Nicht ohne Werth ist seine Einleitung zu Homer 4), dawn seine Rede über F a b. Quintilianus und über die Wälder des Statius 5), ferner seine Vorrede zu Suetonius 6), und endlich seine Dialektik 7).

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Auch seine Ueberseßungen mehrerer griechischen Werke verdienen eine dankbare Anerkennung; sie bestehen aus dem Enchiridion des stoischen Philosophen Epiktet, aus der Abhandlung des Alexander Aphrodisieus über einige Zweifel der Physik, aus den Liebeserzäh lungen des Plutarch, aus dem Werke zu den Psalmen von Athanasius Magnus, und aus dem Charmides des Plato. Unter allen seinen Uebersehungen hat keine so die Bewunderung seines Zeits alters in Anspruch genommen, als die Ueberseßung des Herodianus.

Diese hier aufgezählten Werke Poliziano's sind nicht alles, was er geschrieben hatte.— Mehrere seiner Werke gingen verloren, und so kamen aus der großen Menge derselben nur wenige auf uns *). So ist es zu bedauern, daß sich von der Fortseßung der Geschichte der Vicegrafen (Vicomte, Vicecomes) von Mailand von Georg Merula, zu welcher Poliziano sich mit aller Thätigkeit vorbereitet hatte, gar keine Spur mehr finden läßt 9).

Glänzen schon seine Verdienste um die schönen Redekünste und die Philosophie des Alterthums im hellsten Lichte, so gebührt ihm nicht minder der Ruhm, daß er sich auch mit der Herausgabe und kritischen Verbesserung der Pandecten beschäftigte. Mehr sein Ehrgeiz, der keine Gränzen kannte, als die Liebe zur Sache selbst, spornte ihn an, selbst da, wo man es am allerwenigsten vermuthete, mit imponirenden Machtsprüchen aufzutreten. Er wollte das ganze römische Recht mit seinem Scharfsinne beleuchten, und er hätte es auch gethan, wenn ihn nicht in

1) Eine Anspielung auf die bereits angeführte Grabschrift Poliziano's. 1) Ang. Politiani praelectio in priora Aristotelis analytica. Lamia.

3) Ang. Politiani praelectio, cui titulus Panepistemon.

4) Ang. Politiani Oratio in expositione Homeri.

5) Ang. Politiani Oratio super Fabio Quintiliano et Statii Sylvis.

6) Ang. Politiani praefatio in Suetonii expositionem.

7) Ang. Politiani Dialectica.

8) Heur. Brencmanni: Historia Pandectarum. Trajecti ad Rhen. 1772. 4.

9) Petri Victorii: Explicationes suarum in Catonem, Varronem, Columellam, Castigat. Lugduni ap. Gryphium. 1541. 8. p, 143. Libri vero obitu ipsius dissipati sunt, paucique e magno numero inveniuntur.

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