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wendigste für einen, der die Tragiker verstehn wolle, berührte er; und so zweckmäßig wir dieß finden, so wenig können wir doch mit dem Herausgeber darin einverstanden seyn, daß er unter diesem Vorwande Brund's, Musgrave's, Erfurdt's, und vornehmlich Lobecks Anmerkungen entweder mit Stillschweigen überging, oder nur mit zwey Worten auf sie verwies, und dafür lieber seine eigenen Meinungen mittheilte. Denn so hoch wir auch seine Gelehrsamkeit, seinen Scharfsinn, und seine Uebung in diesem Fache schäßen, so kommt es doch bey einer Arbeit solcher Art weniger darauf an, Eigenes zu geben, als vielmehr das allgemein Brauchbarste zusammenzudrängen, gleichviel, wessen es sey. Wie jezt die Ausgabe vor uns liegt, sind wir nur allzuoft genöthigt, Lücken der Erklärung durch die Bemerkungen Anderer auszufüllen; wir müssen eine kleine Bibliothek zur Hand haben, und von Einem zum Andern herum= schweifen, bis wir endlich finden, was wir suchen, und was in dem Buche selbst wenigstens angedeutet zu sehen der Zweck einer Handausgabe billig erwarten ließ. Doch wir fahren in der Charakterisirung des Werkes, nach Anleitung der Vorrede, fort. Besonderer Aufmerksamkeit würdigte der Herausgeber die Noten Elmsley's im 3. und 4. Theil des kritischen Museums, das zu Cambridge erscheint (P Elmsley's Notes on the Ajax of Sophocles, nachgedruckt in der, von Hartmann zu Leipzig 1822 veranstalteten, Ausgabe der beyden Iphigenien des Euripides, nach Marklands Bearbeitung), und die neue Ausgabe des Morellischen Thesaurus graecae Poëseos. Was aber der Arbeit einen vorzüglichen Glanz verleiht, ist die Benützung zweyer Abschriften von Sophokles Ajar, Elektra, und Oedipus dem König, die sich zu Leipzig auf der Rathsbibliothek befinden, beyde guter Art (bonae notae) und frey von Triklinius Verfälschungen sind. Die eine dieser Handschriften war bisher durch Reiske unvollkommen bekannt; die andere, auf Baumwollenpapier, mit Scholien und Glossen, wird es hier zuerst, und Hermann hat sich schon allein durch die Mittheilung ihrer merkwürdigeren Lesearten (Ex utroque hic memorabiliores vel diversitates vel aberrationes ab ea scriptura, quae in Brunckiana editione est, enotatas dabo. Praefat. p. VIII.) den Dank aller Freunde des Sophokles erworben.

Indem wir nun zur näheren Betrachtung des Werkes selbst übergehn, finden wir uns veranlaßt, vorher einen Blick auf den gegenwärtigen Zustand der Alterthumswissenschaft zu werfen, um den Standpunkt zu finden, aus welchem Arbeiten dieser Art zu beurtheilen sind. Wie überhaupt in den Wissenschaften seit

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ihrer Wiederherstellung, und besonders seit dem 16ten Jahrhundert, so war es auch in der Uterthumswissenschaft der Fall, daß die Bearbeitung des Einzelnen der des Allgemeinen voranging. Man lernte eher Homers Worte verstehn, als man seine Welt begriff, seinen Geist ahnete, und man wußte früher Geschichte aller Völker, ehe man sich zu einer philosophischen Anschauung der Menschheit erhob. Die zerstreuten Strahlen jeder Wissenschaft in ihren Brennpunkt zu sammeln, war unserem Zeitalter vorbehalten, als das seiner Natur nach spätere Geschäft, und derjenige, der heut zu Tage diesen Schauplaß betritt, hat ungleich größere Anfoderungen zu erfüllen, als die Vorwelt, die in ihren beschränkten Kreisen ruhig und anspruchslos waltete. Diese Bemerkung hier angewandt, ist es klar, daß jeßige Bearbeitungen der Alten sich von frühern durch das Umfassende ihrer Ansicht unterscheiden müssen. Valckenaer's Phoenissae um sie zum Beyspiele zu wählen enthalten einen Schaß von Sach- und Sprachkenntnissen; allein von dieser Thebais, als einem Dichterwerke, von der Gliederung seiner Formen zu einem Einen und Ganzen, findet ihr kein Wort. Dagegen ist in Bentley's (freylich sonst auch eines vollendeten Kenners der auszeichnungsweise sogenannten Sachen) also in Bentley's Terenz, sag' ich, ist dagegen die Tendenz zum Metrischen, zur Form, zur Einheit, nicht ohne Nachtheil für Einzelheiten, vorherrschend. Mischt beyde Charaktere in Eins, und ihr habt ohngefähr das Musterbild des heutigen Philologen. Wir wollen keinen Valckenaer, keinen Bentley; einen Valckenaer-Bentley wollen wir. Stoff und Form dieß ist der Kunstausdruck sollen sich durchdringen. Halbes ist verhaßt. Aut Caesar, aut nihil. Und spräche in diesem Augenblicke der weiland mannhafte Sprachheld Ernesti sein einseitiges Wort (J. Aug. Ernestii Praefat. Plauti p. X.); Illud serio optandum est ne accidat Plauto, ut aliquis ejus Comoedias ex ingenio ad leges poëticas refingere conetur, quod Bentlejus in Terentio fecit, et in Plauto se facturum minatus est, ne rursus Plautum, vix majori ex parte receptum, paulatim perdamus, so würde er sicherlich von den Schülern ausgelacht werden.

Hermann's Ajar darf diesen Maßstab nicht scheuen. Er ist im Allgemeinen betrachtet ein Zeitwerk in guten Sinne. Kein Theil desselben ist vernachläßigt, und Alles rundet sich harmo nisch zum Ganzen. Doch konnte sich die Eigenthümlichkeit des Bearbeiters nicht ganz verläugnen: das Grammatische waltet vor. Wenn öfters Historie oder Aestherik in Schatten treten, und man ihretwegen weiter geschickt wird zu den Vorgängern, so erhält dagegen meist Alles, was Redeart betrifft, sonderlich im

Gegensah abweichender Meinungen der neuesten Zeit, das hellste Licht, und durch die fast zu wortreiche Auseinandersehung wird wohl gar der Text von der Seite verdrängt. Hier findet sich, wie man erwarten kann, viel Gutes: 3 B. über Expépei bey V. 7, über exorivaι mit dem Akkusativ V. 82, über den Gebrauch des Artikels vor dem Infinitiv V. 114, über åzeλwßýsy S. 216, über den Unterschied im Gebrauche des Konjunktivs und des Optativs (m. vgl. V. 1200), u. f. w. V. 272, über op av V. 1096, über den Aoristus V. 1105, 6, über die NichtEllipfe von περὶ 33. 1315, über πολὺ für πλέον 3. 1336, über roi V. 1383. »Und wie steht's mit der Metrik?« hör' ich fragen. Allerdings hat man Ursach, in diesem Felde von dem Verfasser einiger Bücher über alte Verskunst Außerordentliches zu erwarten. Hermanns Werk de Metris Graecorum et Romanorum ward, noch naß, wie es aus der Presse kam, von F. A. Wolf, der doch auch bey Reiz Tafttreten gelernt hatte, mit ven Sorten Εν σμικρῷ μεγάλη χάρις, an tubnfenius geschickt, und ein bekannter kunstsinniger Staatsminister las es auf seinen Reisen reiheherum den Bekannten vor. Ganz Deutschland bewillkommte die zeitgemäße Arbeit, und wo sich der geringste Widerspruch, ob auch nur gegen Einzelnes, erhob, ward er sogleich, zum Theil rauh genug, beschwichtigt. Auch das Ausland nahm Kenntniß davon, und zollte dem Verfasser Lob. Nur in England bildete sich eine Art von regulärer Opposizion, welche theils die heruntergefeßten Grammatiker in Schuß nahm, theils im Gefühl ihres weitern Fortschreitens im Einzelnen den Werth der Zusammenstellung fast verkannte. Elmsley äußert sich hierüber eben so freymüthig als gerecht in einer Kritik des Hermannischen Hercules furens, Classical Journal, XV. p. 199. »Unter den englischen Gelehrten,« sagt er, scheint uns Hr. Hermann nicht des Rufes zu genießen, zu welchem er berechtigt ist. Die Engländer sind außerordentlich geneigt, die Gelehrsamkeit des Festlandes zu unterschäßen. Hr. Hermann besonders ist nicht allein ein Deutscher, sondern in Folge seines Wagstücks, der porsonischen Hekuba des Euripides eine eigene entgegenzusehen, hat er das Unglück, hier und da in Porson's Schriften eine Zielscheibe der Verachtung und des Spottes zu seyn. Hierzu kommt, daß Hr. Hermann in England am meisten durch sein Werk über griechische und lateinische Metrik bekannt ist; ein Buch, von welchem man nicht leicht zu viel Böses sagen kann, und das in Verhältniß seines Umfangs einen geringern Antheil nüßlicher und solider Lehre enthält, als irgend ein Elementarwerk, welcher Art es sey, dessen wir uns erinnern. Höchst wahrscheinlich hat er es längst bereuet, daß er

dieses Buch schrieb. Aber was er auch vormals gewesen seyn mag, unstreitig leistet er jezt sehr Bedeutendes in seiner Wissenschaft, obwohl er noch nicht alle kritische Kezereyen seiner Jugendzeit abschwur. Wenige lebende oder verstorbene Gelehrte haben glücklicher die Mysterien der Griechensprache durchforscht, und dem allgemeinen Verständnisse geöffneta *).

Gewiß war dieß eine starke Abkühlung. Doch einige Dornen in dem Siegerkranze werden leicht verschmerzt, und Spottverse gehörten ja sogar ehemals zu den Triumphgefängen. So ließ sich denn Hermann durch diese Aufnahme seines Hauptwerks in der stolzprangenden Britteninsel keineswegs abhalten, den rustig betretenen Weg fortzusehen. Elmsley's den Tadel überschallendes Lob besänftigte ihn, und er überbot es noch in seinen Adnotationes ad Medeam ab Elmslejo editam, Classical Journal, XXXVIII. und in dem Leipziger Abdrucke vom Jahr 1822, Seite 407, wo es am Schlusse so heißt: Est P. Elmslejus, si quis alius, vir natus augendae accuratiori Graecae linguae cognitioni, ut cujus eximia ac plane singularis in pervestigandis rebus grammaticis diligentia regatur praeclaro ingenio, mente ab auctoritatibus libera, animo veri amantissimo, neque aut superbia, aut gloriae studio, aut obtrectandi cupiditate praepedito. His ille virtu

*) Among English scholars, Mr. Hermann does not appear to us to enjoy that portion of reputation, to which he is justly entitled. The English are exceedingly prone to undervalue the abilities of the learned on the continent. Mr. Hermann, in particular, is not only a German, but in consequence of his rashness in publishing an edition of the Hecuba of Euripides, in opposition to that of Mr. Porson, has the misfortune to stand as an object of scorn and derision in several parts of Mr. Porson's writings. It may be added, that Mr. Hermann is best known in England by his work on Greek and Latin metres; a book, of which too much ill cannot easily be said, and which contains a smaller quantity of useful and solid information, in proportion to its bulk, than any elementary treatise, on any subject, which we remember to have seen. In all probability, he has long repented of writing that book. tever he may have been formerly, undoubtedly he is now a very considerable proficient in his art, although he has not altogether abjured the critical heresies of his youth. Few living or deceased scholars have labored more suecessfully in exploring the mysteries of the Greek language and in exposing them to the popular eye. M. vgl. P. Elmsley's Review of Porson's Hecuba, Edinburgh Review 1811 N. XXXVII. p. 65 die Note.

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tibus id est consequntus, ut, quum doctrina ejus maximi facienda sit, non minus ipse sit amandus atque venerandus. Ea autem maxima est et non interitura laus, non utilem tantum, sed etiam bonum virum esse. llebrigens war er weit entfernt, seine Metrik für so verwerflich zu halten, als der gute Elmsley; vielmehr nennt er sie in der Zueignung seiner Elementa doctrinae metricae ein juvenile quidem rudimentum, verum ut non poenituerit tamen. Und er hatte Recht. Die Zusammenstellung der bekannten Versarten, welcher sich die Alten bedient haben, war etwas durchaus Nüßliches und Zeitgemäßes. Nur der philosophische oder råsonnirende Theil der Schrift, der auch in dem neuern Werke fast keine Veränderung erlitten hat, möchte sich schwerlich je allgemeinen Beyfall erwerben, da er, theils das metrische Prinzip, den Fuß, verkennt; theils durch, wie es uns scheint, zu große Vereinfachung dunkel und verwirrend wird; theils endlich das Dichtergefühl zuweilen auf bloßen Mechanismus zurückführen möchte. Wie weit jene Verkennung eines von den alten Grammatikern wohl erkannten Grundbegriffes der Verskunst führt, zeigen Behauptungen, wie folgende: Elem. doctr. metr. p. 73, 4: Numerus trochaïcus haec quinque versuum genera comprehendit, trochaïcos, qui proprie vocantur, jambicos, creticos, bacchiacos, antispasticos. Ac primo trochaeos jambosque non nisi unum (!) esse idemque (!) metri genus, vel syllabae anticipites ostendunt, quae in utroque genere eosdem (!) locos tenent etc. Uebertriebene Vereinfachung aber dünkt uns die Eintheilung aller Versmaße in drey Klassen statt jener weit lichtvolleren der Grammatiker in neun, wovon Hermann Elem. doctr. metr. p. 67 handelt. Um auch ein Beyspiel jener, von uns angedeuteten, Verwechselung von Dichtergefühl mit todtem Mechanismus zu geben, führen wir folgendes an aus Hermanns Ausgabe der Hekuba p. 109, wo er zu erklären sucht, warum die Tragiker die lange Endsylbe eines mehrsylbigen Wortes selten oder nie in den Anfang des fünften Fußes der Senare verlegen, wenn nicht die zweyte Sylbe desselben Fußes ein Monosyllabum ist, das keinen Vers beginnen kann; eine Regel, die Porson zuerst aufstellte, und späterhin ́ Elmsley durch eine größere Anzahl von Beyspielen und gefälligen Emendationen widerstrebender Stellen befestigte. Porfon hatte in seiner Note zur Hekuba V. 343 (bey Aldus: púxovra χεῖρα, καὶ πρόσωπον τούμπαλιν) Die gefchrieben, abber er auf den poetischen Takt seiner Leser gerechnet zu haben scheint: ντούμπαλιν Αld. ἔμπαλιν Mss multi et Eustathius ad Il. A. p. 129, 14-97, 31 nullo ad sensum discrimine, ad nume

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